Am 15. März dieses jahres marschierten 30 Soldaten der Bundeswehr durch die Innenstadt von Potsdam. In Marschordnung, Fahnenträger voran, traditionelle Marschlieder auf den Lippen. Es handelte sich um eine Marschgruppe, die sich auf den Vier-Tage-Marsch im holländischen Nijmegen vorbereitete, und zwar im Rahmen ihres Dienstes. Der erwähnte Vier-Tage-Marsch findet heuer vom 17. bis 20. Juli unter großer internationaler Beteiligung statt. Seit 1909 wird er nun zum 102. Mal veranstaltet. Zum 61. Mal wird die Bundeswehr mit einer offiziellen Delegation vertreten sein, eben der, die durch Potsdam marschierte. Zu dieser internationalen militärischen Veranstaltung ist nachzutragen, daß sie ebenso beliebt wie körperlich anstrengend ist. Die erfolgreiche Teilnahme ist eine Leistung, die mit anderen extremen Ausdauerleistungen durchaus vergleichbar ist. Aus diesem Grunde hat die niederländische Königin vor vielen Jahren auch einen Orden, das Viertagekreuz, gestiftet. Es wird in verschiedenen Stufen verliehen und von Soldaten und anderen Uniformträgern als Auszeichnung getragen.
Die Marschformation wurde von einem Fregattenkapitän geführt. Soweit alles in bester Ordnung, sollte man meinen.
Indessen erschien das einigen „besorgten Bürgern“ der Stadt Potsdam nicht geheuer. Uniformen, Marschtritt, Marschlieder und die Deutschlandfahne vorweg – da konnte es sich nur um einen Aufzug von Rechtsradikalen handeln. Deswegen alarmierte man die Polizei, die auch gegen 14:15 Uhr mit blaulichtblinkendem Streifenwagen erschien und die Marschgruppe stoppte. Der Fregattenkapitän konnte das den Polizeibeamten natürlich leicht erklären. Man verabschiedete sich mit Handschlag voneinander. Für die Soldaten übrigens nichts neues, denn zwei Tage zuvor hatten sie das gleiche in Bernau bei Berlin erlebt.
Der Vorgang ist natürlich bizarr und grotesk. Aber er ist symptomatisch für den Zustand, in dem sich beträchtliche Teile unseres Volkes befinden. Ob intellektuelles Prekariat oder nur erfolgreich indoktriniert: offensichtlich werden von solchen Leuten nationale Symbole automatisch in einen rechtsextremen Kontext gestellt, um den sich Polizei, Staatsanwalt und Gericht zu kümmern haben. Man erinnert sich an einen ähnlich grotesken Vorgang am 29.11.2003. Am Schluß einer Demonstration in Lüneburg spielten die Teilnehmer einen Tonträger ab, von dem das Deutschlandlied in allen drei Strophen zu hören war. Die Teilnehmer sangen auch noch mit. Offenbar handelte es sich auch um eine Demonstration, die wegen eines gewissen Konfliktpotenzials die Anwesenheit der Polizei erforderte. Der Einsatzleiter der Polizei erklärte den verblüfften Teilnehmern, daß die Intonation des Liedes der Deutschen in allen drei Strophen den Straftatbestand des§ 86a StGB erfüllte, der die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe stellt. Und das reicht bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Praktisch sind diese Symbole solche des Nationalsozialismus wie das Hakenkreuz, die SS-Runen und anderes mehr. Die Polizei stellte dann den Tonträger sicher.
Auf den Widerspruch des einer Straftat nach § 86 a StGB beschuldigten Demonstranten hob das Amtsgericht Lüneburg mit Beschluß vom 15.12.2003, Az. NZS Gs 419/03 diese Beschlagnahme auf und ließ den Tonträger dem Beschuldigten zurückgeben. Zur Begründung führte es unter anderem in begrüßenswerter Klarheit aus:
„Die als Beschlagnahme anzusehende Sicherstellung entbehrt jeder Grundlage. Das Abspielen der deutschen Nationalhymne unterfällt nicht dem Straftatbestand des § 86a StGB. Das „Lied der Deutschen“ stellt kein Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation dar, sondern ist die deutsche Nationalhymne, d.h. nationales Symbol, welches explizit in § 90a Abs. 1 Ziff. 2 StGB unter den Schutz vor Verunglimpfungen gestellt wird. Auch der Text der ersten Strophe unterfällt nicht der Vorschrift des § 86a StGB…. Die deutsche Hymne ist nach ganz einhelliger Meinung das „Lied der Deutschen“ mit dem Text von Hoffmann von Fallersleben und der Musik von Joseph Haydn… Seit der Entscheidung des Bundespräsidenten Heuss aus dem Jahre 1952 ist dies anerkannt und kaum bestritten….Weiter ist einheitlich anerkannt, daß aufgrund der Entscheidung des Bundespräsidenten bei öffentlichen Anlässen, d.h. bei staatlichen Akten der Bundesrepublik Deutschland, lediglich die dritte Strophe des Deutschlandliedes als Text gesungen werden soll…Damit ist jedoch in keinem Fall der übrige Teil des Textes oder der Hymne als verboten anzusehen oder gar als Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation einzuordnen…Das Gericht zeigt sich zugegebenermaßen überrascht, daß nach Einschätzung der Polizei in Deutschland das Absingen der eigenen Nationalhymne offenkundig als Verwirklichung eines Straftatbestandes angesehen wird.“
Ob es nun auf mangelnde politische Bildung, eine dürftige Intelligenz oder erfolgreiche linke Indoktrination oder all‘ das gleichzeitig zurückzuführen ist, daß Bürger und sogar Polizeibeamte – als Bürger des Freistaates Bayern ist man versucht zu sagen, natürlich aus Nordrhein-Westfalen – von den Symbolen unseres Staates nicht nur nichts wissen, sondern alles, was irgendwie traditionell deutsch aussieht, reflexhaft der sogenannten rechten Szene zuordnen, und damit zumindest als anrüchig, wenn nicht gar strafbar betrachten, wollen wir einmal dahinstehen lassen. Daß viele Bürger unseres Landes, darunter auch juristen, sogar solche in Verfassungsschutzämtern, nicht zwischen konservativ, patriotisch, rechts, rechtsradikal und rechtsextrem unterscheiden können, sondern alles miteineander vermengen und in den entsorgungspflichtigen politischen Sondermüll einsortieren, wundert da nicht mehr. Möglicherweise ist es auch erwünscht. Die mißliebige politische Konkurrenz kann man sich so leichter vom Leibe halten. Symptomatisch für den Geisteszustand der Deutschen in diesem beginnenden Jahrhundert ist es allemal.
Lieber Kamerad Rainer!
Wieder mal voll auf den Punkt gebracht!
„Denk ich an Deutschland in der Nacht….“
Horrido und Hurra die Gams!
Klaus