Anstand und Respekt

Eigentlich wollte ich nicht schon wieder etwas im Zusammenhang mit der AfD schreiben müssen. Doch wenn man sich mit dem politischen Tagesgeschehen befaßt, dann muß man eben auf Vorgänge reagieren, die das Tagesgeschehen prägen.

Heute, am 23. Januar 2019, fand im bayerischen Landtag die jährliche Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus statt. Für alle Demokraten ist das ein Anlaß, in Ansehung des Terrors der Nazi-Diktatur zusammen zu stehen, der Opfer zu gedenken und je nach Weltbild Gott oder dem Schicksal dafür zu danken, daß uns heute von jener Zeit nicht nur der kalendarische Abstand, sondern Lichtjahre trennen, was die gesellschaftliche und politische Lage betrifft. Denn eher durchschritte das biblische Kamel jenes gleichnishafte Nadelöhr, als daß sich in Deutschland eine Weltanschauung wie der Nationalsozialismus noch einmal breit machen könnte. Leider kam es anders.

Der bayerische Landtag hatte sich als Hauptrednerin der Gedenkveranstaltung die Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Frau Charlotte Knobloch, eingeladen. Frau Knobloch hielt es für richtig, die anwesenden Abgeordneten der AfD zu beleidigen. „Heute und hier ist eine Partei vertreten, die die Verbrechen der Nationalsozialisten verharmlost und enge Verbindungen ins rechtsextreme Milieu unterhält. Sie gründet ihre Politik auf Haß und Ausgrenzung und steht nicht nur für mich nicht auf dem Boden unserer Verfassung.“  

Die solchermaßen beleidigten Abgeordneten verließen dann mehrheitlich unter Protest den Plenarsaal. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder bezeichnete dieses Verhalten der Abgeordneten als respektlos. Das ist eine groteske Fehlbewertung des Vorganges. Tatsächlich hat es Frau Knobloch an Respekt vor den gewählten Abgeordneten fehlen lassen. Sie hat die Gedenkfeier für die Ermordeten zur Polemik gegen eine demokratische Partei mißbraucht. Inhaltlich ist ihre Aussage schlicht verleumderisch. Eine Verharmlosung der Verbrechen Hitlers und seiner Mordgesellen kann man in den Verlautbarungen der Partei nicht finden, noch weniger lassen sich die behaupteten Verbindungen ins rechtsextreme Milieu feststellen. Daß sie ihre Politik auf Hass und Ausgrenzung gründet, wie Frau Knobloch zu Unrecht meint, kann man mit einigem Wohlwollen noch unter die übliche parteipolitische Polemik rechnen, die von den meisten Medien leider kräftig geschürt wird. Die Beurteilung indessen, daß die AfD nicht auf dem Boden unserer Verfassung stehe, ist schlicht und einfach bodenlos. Woher die 86-jährige ehemalige Anwaltsgehilfin die juristische Kompetenz nimmt, eine solche verfassungsrechtliche Bewertung vorzunehmen, erschließt sich nicht. Somit muß angenommen werden, daß sie insoweit nur nachplappert, was andere, die es eigentlich besser wissen müßten, eben wider besseres Wissen öffentlich verbreiten.

Der Vorgang ist ein Beleg für die Verwilderung der politischen Sitten in Deutschland. An die Stelle der sachlichen Auseinandersetzung tritt die Polemik bis hin zur Beleidigung. Dem Ansehen der parlamentarischen Demokratie ist damit nicht gedient.  Allerdings muß man auch feststellen, daß dies nicht auf das Konto der zu Unrecht angegriffenen Partei, sondern ausschließlich auf das Konto der polemisierenden Angreifer geht.

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