Die Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland hat im Rahmen ihrer Bibelarbeit während des evangelischen Kirchentages in Berlin unter anderem gesagt: „Zwei deutsche Eltern, vier deutsche Großeltern. Da weiß man, woher der braune Wind wirklich weht.“ Das Zitat steht natürlich im Zusammenhang mit ihrer Bibelauslegung, die sich im wesentlichen mit Fragen der Familie und der Elternschaft befaßt. Nun läßt sie in Abrede stellen, sie habe damit sagen wollen, daß Menschen mit zwei deutschen Eltern und vier deutschen Großeltern für braunes Gedankengut mindestens anfällig wären. Betrachtet man den Text ihres Beitrages, dann kann man diese Behauptung daraus in der Tat nicht herauslesen. Es ist nämlich viel schlimmer.
Zunächst einmal fällt auf, daß auf der offiziellen Internetseite der EKD der Satz: „Da weiß man, woher der braune Wind wirklich weht“ nicht auftaucht. Hier haben wir es also mit einer redaktionellen Bearbeitung, man könnte auch sagen, einer gereinigten Fassung, des Originaltextes in seiner mündlichen Form zu tun. Frau Käßmann verteidigt sich ja nun auch damit, sie habe sich an dieser Stelle ihres Referats kritisch mit der Forderung der Partei AfD nach einer höheren Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung auseinandergesetzt. Das hat sie in der Tat getan, wobei schon gefragt werden muß, ob es wirklich Aufgabe der Religionsgemeinschaften ist, die Programme der politischen Parteien kritisch zu würdigen und entsprechende Empfehlungen bzw. Ablehnungen auszusprechen. Die selben Leute, die heute solche Predigten enthusiastisch begrüßen, haben früher, als die Pfarrer nicht selten von der Kanzel herab Wahlempfehlungen für „christliche Parteien“ ausgesprochen haben, eben dies mit harschen Worten kritisiert.
Frau Käßmann meint also, es wehe der braune Wind, wenn wir Deutschen – in der Diktion der Kanzlerin „die, die schon länger hier leben“ – uns wünschen, daß die einheimischen Deutschen – „die, die schon länger hier leben“ – mehr Kinder bekommen. Ist es nicht eine berechtigte Forderung, wenn man danach ruft, die einheimische Bevölkerung auch durch eine höhere Geburtenrate zu stärken? Denn so wird doch gewährleistet, daß unsere Kultur – die „Leitkultur“, Thomas de Maizière – auf jeden Fall erhalten bleibt. Denn diese Kinder muß man nicht erst integrieren, sie kommen als integraler Bestandteil der traditionellen deutschen Gesellschaft auf die Welt und werden in ihren traditionell deutschen Familien auch so erzogen. Bei denen, „die noch nicht so lange hier sind“ ist nämlich genau das fraglich. Möchte Frau Käßmann vielleicht, daß diese deutsche Leitkultur gewissermaßen auf natürlichem Wege verschwindet? Dann muß man es auch nicht fördern, daß die einheimischen Deutschen mehr Kinder bekommen. In diese Richtung scheint Frau Käßmann auch zu denken. Sie brachte ja in ihrer Bibelarbeit auch das Beispiel ihrer Mitschüler aus Anatolien, die einen deutschen Paß haben, und deren Enkel demgemäß „biodeutsche“ Kinder seien. Ihr sei gesagt, das sind sie dann nicht, wenn die Kinder dieser Mitschüler ihrerseits wiederum nur türkischstämmige Ehepartner gewählt haben und ihre Kinder in der türkischen Kultur aufziehen. Doch Leute wie Frau Käßmann hätten es in Deutschland gerne bunt. Je mehr bunte Flecken auf der deutschen Kulturtapete, die in den Augen dieser Leute durchaus braun ist, zu finden sind, umso besser. Und da liegt das eigentliche Problem der Käßmann’schen Auslassungen. Wenn sie den braunen Wind verspürt, weil Politiker die einheimischen Deutschen dazu aufrufen, mehr Kinder zu bekommen, auch mit Blick auf die Kontinuität der deutschen Leitkultur, dann ist das eigentlich skandalös. Wer die eigene Kultur und Tradition für so vorzugswürdig hält, daß er sie den nächsten Generationen erhalten will, der ist für Frau K. irgendwie ein Nazi. Damit diffamiert sie wohl die allermeisten Deutschen. Und deswegen sei ihr die Lektüre des achten Gebotes, unter anderen nachzulesen im zweiten Buch Moses, 20,16 und im Evangelium nach Matthäus 19:18 dringend anempfohlen.