Archiv für den Monat: Mai 2016

Wer mit Journalisten redet

ist selber schuld. Alexander Gauland sollte das doch wissen. Das gilt ganz besonders für Journalisten von solchen Medien, die der eigenen Partei und Person offen feindlich gegenüber stehen. Wenn überhaupt, dann läßt man ein Aufnahmegerät mitlaufen, selbstverständlich offen. Das hat zwei Vorteile. Zum einen kann man hinterher beweisen, was man gesagt hat. Zum anderen kommen unseriöse Journalisten dann erst gar nicht auf die Idee, falsch oder irreführend zu zitieren.

Doch betrachten wir mal, was Gauland nach FAZ/FAS gesagt haben soll, und was er selbst behauptet gesagt zu haben. Laut FAZ/FAS soll er gesagt haben: „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ Das stellt Gauland offenbar gar nicht in Abrede, erläutert das jedoch: „Ich habe in dem vertraulichen Hintergrundgespräch die Einstellung mancher Leute beschrieben, mich aber an keiner Stelle über Herrn Boateng geäußert, dessen gelungene Integration und christliches Glaubensbekenntnis mir aus Berichten über ihn bekannt sind.“

Es sieht also so aus, als hätten die beiden Herren Journalisten in gewohnter Manier einen vermeintlich verfänglichen Satz herausgepickt, und die Äußerung des Interviewpartners aus dem Zusammenhang gerissen. Wenn es so war, wie Gauland sagt, dann führen die Journalisten ihre Leser bewußt in die Irre, indem sie insinuieren Gauland habe sich „rassistisch“ geäußert. Bei genauem Hinsehen muß man jedoch feststellen, daß Gauland nicht von sich selbst spricht, sondern „den Leuten“ nachsagt, sie wollten einen Boateng nicht als Nachbarn haben. Das aber trifft leider auf so manche Zeitgenossen zu. Gauland selbst distanziert sich damit und noch mehr in der nach seiner Behauptung von den Journalisten unterschlagenen weiteren Äußerung von einer solchen Haltung.

Den Herren Journalisten von der nach Selbsteinschätzung Qualitätspresse sei daher erst einmal empfohlen, doch genau hinzusehen, bevor sie eine angebliche oder tatsächliche Äußerung eines Interviewpartners interpretieren. Ein Grundkurs in Germanistik mit den Schwerpunkten Semantik und Hermeneutik wäre wohl hilfreich. Auf gut deutsch: Lernt erst einmal richtig lesen und schreiben!

 

Gehört der Islam zu Deutschland?

In den deutschen Medien, gedruckt wie gesendet, von den Redaktionen der Außenpolitik, der Innenpolitik, der Lokalpolitik und den Feuilletons verantwortet, wogt eine Debatte unter der Überschrift: „Gehört der Islam zu Deutschland?“ Seit der frühere Bundespräsident Christian Wulff den törichten Satz geprägt hat, der Islam gehöre zu Deutschland, den gleichwohl das gesamte politische Spitzenpersonal von Merkel bis Roth aufgegriffen hat, werden wir tagtäglich mit 1000 Argumenten pro und gefühlt vielleicht zehn contra dieser These traktiert. Was aber ist der Maßstab, an dem dieser Satz gemessen werden muß?

Ernst Moritz Arndt schrieb 1813 vor Ausbruch der Befreiungskriege das berühmte Gedicht: „Was ist des Deutschen Vaterland?“ In vielen Strophen versucht der Dichter das deutsche Vaterland geographisch, aber auch anhand eines von ihm ausgemachten kollektiven Charakters der Deutschen zu definieren. Im Zusammenhang mit diesem Thema mag die achte Strophe des Gedichts programmatisch erscheinen: „Das ist des Deutschen Vaterland, wo Eide schwört der Druck der Hand, wo Treue hell vom Auge blitzt, und Liebe warm im Herzen sitzt. Das soll es sein. Das soll es sein. Das wack’rer Deutscher, nenne dein.“ Man mag dies mit dem an Sachlichkeit, Nüchternheit und Unterdrückung der Emotionen geschulten Wesen des Deutschen von heute für romantischen Schwulst halten. Im Kern beschreibt der Dichter damit aber Werte, die man unabhängig von dem zu ihrer Beschreibung verwendeten Vokabular doch für erstrebenswerte Eigenschaften hält.

Nun ist das freilich nicht alles. Um Persönlichkeiten, vor allem kollektive Persönlichkeitsmerkmale beschreiben zu wollen, wird man sicherlich sehr weit ausholen müssen. Der in Deutschland sehr in Mode gekommene Philosoph Richard David Precht hat das vor Jahren mit dem reißerischen Titel: „Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?“ in der flapsigen Wortwahl, die für unsere Zeit so typisch ist, umschrieben. Wer sind wir eigentlich? Michael Klonovsky hat jüngst mit der Aufzählung einiger kultureller Ikonen zu definieren versucht, wer zu uns gehört und damit sein Landsmann ist. In der Tat ist des Deutschen geistiges und kulturelles Vaterland geschaffen worden von Geistern wie Platon und Aristoteles, Thomas von Aquin und Martin Luther, Thomas Hobbes und Immanuel Kant, Johann Wolfgang von Goethe und Dante Alighieri, William Shakespeare und Thomas Mann, Johann Sebastian Bach und Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven und Robert Schumann, Tilman Riemenschneider und Albrecht Dürer, Peter Paul Rubens und Raffaello Sanzio da Urbino, allgemein bekannt als Raffael, Paul Klee und Claude Monet, die meist unbekannten Baumeister der gotischen Dome, Balthasar Neumann und die Gebrüder Asam. Schon diese höchst unvollständige Aufzählung, die man sicherlich durch viele Namen aus dem deutschen Sprachraum wie auch den nördlich, östlich, südlich und westlich angrenzenden Kulturräumen ergänzen muß – muß man nicht auch zum Beispiel Ibsen, Tschaikowsky, Cicero und Berlioz hinzuzählen? – zeigt den unendlichen Reichtum unserer deutschen, in ihr historisch und geographisch europäisches Umfeld eingebetteten Kultur. Untrennbar in unserem kollektiven Gedächtnis verhaftet sind Staatenlenker wie Augustus, Karl der Große, Otto der Große, Friedrich der Große, Bismarck oder Konrad Adenauer. Ja, all das ist des Deutschen Vaterland und noch viel mehr.

Gehört der Islam dazu?

Natürlich, jedenfalls wenn man natürlich denkt, kann die Antwort auf diese Frage nur lauten: Nein! Doch dieses Nein, das aus den Tiefen des Gefühls so rasch aufsteigt wie ein Projektil den Lauf verläßt, dieses Nein muß auch rational begründet werden. Diese Begründung fällt leicht, sie liegt auf der Hand. Unsere Kultur und Wesensart, wie ich sie einige Sätze weiter oben mit sehr groben Strichen skizziert habe, ist eben gegründet in einer humanistischen, rational argumentierenden Denkweise, die auch durch die über viele, viele Jahrhunderte die Gesellschaft ebenfalls prägende christliche Religion in ihrem Kern nicht angegriffen, sondern jedenfalls in der hier seit langem herrschenden Auslegung bekräftigt wird. Das Zusammenleben der Menschen wird bei uns seit Jahrhunderten nach den Maßstäben der Aufklärung gestaltet. Die Religion hat darin ihren Platz gefunden dergestalt, daß ihr die Sorge um das Seelenheil der Menschen und nicht die Reglementierung ihres Alltagslebens obliegt. Der Islam, gleichgültig, ob in seinen fundamentalistischen oder auch in seinen eher moderaten Auslegungen, ist dazu der Gegenentwurf. Im Kern begründet er die Heilserwartung seiner Gläubigen in der Befolgung von religiösen Geboten, die das Leben auf Erden streng reglementieren. Das geht bis zu den Vorschriften über die Bekleidung und erlaubte oder nicht erlaubte Nahrungs- und Genußmittel. Es setzt sich fort im Bilderverbot im sakralen Raum und kulminiert in dem Vorrang religiöser Gesetze vor staatlichen Ordnungen. Sein Frauenbild verstößt gegen alle Verfassungen im außerislamischen Teil der Welt, insbesondere gegen das deutsche Grundgesetz. Dem gegenüber kennen wir die strikte Trennung von Staat und Religion, und zwar von Anfang an (O-Ton Jesus Christus: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und gebt Gott, was Gottes ist.“) Zwar meinen in diesen Tagen die führenden christlichen Geistlichen sich in die Politik einmischen zu können, und dabei auch noch der ungebremsten Zuwanderung und der Umarmung der Muslime das Wort reden zu müssen. Das sollte jedoch ebenso eine Episode bleiben wie die Anmaßung des Primates des Papstes über den Kaiser und die Inquisition.

Die Erfahrungen, die wir in den letzten 40 Jahren mit der Zuwanderung aus dem islamischen Kulturkreis, sei sie auf Einladung erfolgt (Stichwort: Gastarbeiter!), sei sie unkontrolliert und gesetzlos erfolgt (Stichworte: Asyl, Flüchtlinge), sind negativ. Für den vorurteilslosen Betrachter der Szene ergibt sich das Bild der Entstehung von Fremdkörpern in einer vormals homogenen Gesellschaft. Einwanderer aus islamischen Ländern sind zu nahezu 100 % nicht in unsere Kultur integriert. Sie sprechen vielfach noch in der dritten und vierten Generation unsere Sprache entweder gar nicht oder nur schlecht. Unsere Kultur interessiert sie nicht im mindesten. Vielmehr empfangen sie in ihren Rundfunk- und Fernsehgeräten nahezu ausschließlich die Sender aus ihren Herkunftsländern. Freundschaften oder gar Eheschließungen mit deutschen, jedenfalls solchen, die nicht nur einen deutschen Paß ihr eigen nennen, kommen so gut wie gar nicht vor. So gut wie nie tritt jemand aus diesem Kulturkreis zum Christentum über. Allenfalls in den Reihen der Agnostiker, also der religiös völlig indifferenten Menschen, findet man vereinzelt auch jemand mit arabischen oder türkischen Vorfahren. Vielmehr ist die Lebenswirklichkeit die, daß die im Vergleich zu unserer Kultur ungleich bestimmenderen Familienoberhäupter – gibt es so etwas bei uns überhaupt noch? – ihren Familienangehörigen Eheschließungen und nicht selten auch den freundschaftlichen Umgang mit sogenannten Herkunftsdeutschen, seien sie Christen oder Juden, aber auch mit in Deutschland lebenden und bestens integrierten Asiaten untersagen. Bezeichnend ist die Bezeichnung als „Ungläubige“, und nicht etwa „Andersgläubige“ für Angehörige anderer Religionen als des Islam.

Gehört der Islam zu Deutschland?

Die Frage zu stellen, heißt sie auch in der Antwort zu verneinen. Dagegen kann auch nicht mit dem Anspruch, dies als ernsthaften Beitrag zur Diskussion zu werten, mit dem Hinweis auf einen etwa staatlich erteilten oder mindestens überwachten Islamunterricht in den Schulen argumentiert werden. Das wird nicht funktionieren, wie bereits die Anfänge zeigen. Auf unseren Universitäten ausgebildete Islamwissenschaftler werden von den traditionellen islamischen Kreisen schlicht nicht akzeptiert. Man muß kein Prophet sein um die sichere Vorhersage zu machen, daß etwa an deutschen Universitäten unter der Aufsicht der Kultusministerien ausgebildete islamische Theologen in Koranschulen keine Anstellung finden werden, und in staatlichen Schulen vor nahezu leeren Klassenzimmern stehen werden. Denn sie vertreten ja nicht den Islam, dessen Lehren arabisch- bzw. türkischstämmige Eltern ihren Kindern vermitteln wollen. Diese Diskussion erinnert fatal an das Gerede vom sogenannten Euro-Kommunismus der siebziger- und achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Das hat sich ja nun Gott sei Dank mit dem Zusammenbruch des Kommunismus seinerzeit erledigt.

Man braucht eigentlich nicht sehr viel über uns selbst zu wissen, um zu diesen Ergebnissen zu kommen. Warum in Deutschland, aber auch im übrigen Europa, ausgerechnet diejenigen, die sich selbst für gebildet und kulturell hochstehend halten, der aggressiven Ideologie des Islam so nachgiebig, ja geradezu einladend gegenüberstehen, ist schwer zu begreifen. Eine Erklärung mag in dem seit Jahrzehnten gerade in diesen Kreisen gepflegten Schuldgefühl gegenüber der sogenannten dritten und vierten Welt begründet sein. Doch selbst wenn unsere Vorfahren sich gerade in den heute muslimischen Ländern nicht immer vorbildlich benommen haben, so wollen wir doch eins nicht übersehen: Die Kreuzfahrer mögen sich allerhand Grausamkeiten geleistet haben. Doch wollen wir nicht vergessen, daß das Christentum im vorderen Orient nicht nur seine Wiege hatte, sondern dort jahrhundertelang gesellschaftlich und kulturell eingewurzelt war, bevor die muslimischen Eroberer es mit Feuer und Schwert blutig ausgerottet und seine Reste unterdrückt haben. Wenn man schon auf die Geschichte Bezug nimmt, dann bitteschön von Anfang an. Und letztendlich kommt es doch auf das Ergebnis an. Wollen wir wirklich hier in Deutschland künftig nach muslimischen Vorstellungen leben? Wollen wir wirklich in der Kantine kein Schweineschnitzel mehr bekommen, weil einige Muslime in der Firma beschäftigt sind? Wollen wir wirklich, daß die jungen Mädchen ihre leichte Sommerkleidung nicht mehr tragen dürfen, weil das muslimische junge Männer nervös machen kann, und ihre Geistlichen zu religiösen Verwünschungen motiviert? Wollen wir wirklich mehr und mehr optische Umweltverschmutzung in Gestalt von Frauen in häßlichen Klamotten auf unseren Straßen und Plätzen sehen müssen? Die Bayern sagen gerne: „Mia san mia.“ Dabei soll es auch bleiben. Nicht nur in Bayern.

Jeder blamiert sich, so gut er kann!

Wenn’s politisch wird, dann stellt das Gehirn häufig seinen Dienst ein. Seine Aufgabe übernimmt dann mal das Bauchgefühl, mal auch die Galle. Davon sind nicht einmal Juristen immer frei. Das gilt vor allem im „K(r)ampf gegen Rechts“. Ein schönes Beispiel hierfür konnten wir in den letzten Tagen betrachten. Was ist passiert?

Bekanntlich läuft derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht das Verbotsverfahren gegen die NPD. Deren Verfassungsfeindlichkeit soll festgestellt werden. Dazu werden unter anderem Sachverständigengutachten erholt. Soweit ist eigentlich alles ganz normal. Nun hat einer dieser vom Gericht bestellten Sachverständigen, ein Privatdozent namens Dr. Steffen Kailitz, zu eben diesem Thema einen Artikel in der ZEIT veröffentlicht. Darin hat er behauptet, die NPD plane rassistisch motivierte Staatsverbrechen. Sie wolle 8-11.000.000 Menschen aus Deutschland vertreiben, darunter auch mehrere Millionen deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund. Gegen diese Behauptungen setzte sich die NPD zur Wehr und ließ über ihren Anwalt zunächst der ZEIT eine Abmahnung zukommen, und sodann beim Landgericht Dresden gegen den Autor des inkriminierten Artikels, eben jenen Dr. Steffen Kailitz, einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung einreichen, mit der die inkriminierten Behauptungen bei Meidung der Ordnungsmittel der ZPO untersagt werden sollten. Das Landgericht gab diesem Antrag auch ohne vorgängige mündliche Verhandlung durch Beschluß statt. Entschieden hat die nach der Geschäftsverteilung des Gerichts zuständige 3. Zivilkammer durch den nach deren interner Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

Bis dahin hätte der Vorgang wohl keine größeren Wellen geschlagen. Nun ist aber jener Richter Jens Maier Mitglied der AfD und hat dort auch die Funktion eines Schiedsrichters im Parteischiedsgericht inne. Das hat nun in den Medien einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, und auch zu merkwürdigen Äußerungen von Juristen geführt. Der Tenor all dieser Schreibereien geht dahin, daß hier nicht nur offenbar die Meinungsfreiheit Füßen getreten worden sei, sondern hier auch noch ein Sympathisant der NPD entschieden habe, denn die AfD stehe ihr doch nahe. Ein Berliner Rechtsanwalt namens Carsten R. Hoenig bekundet auf seiner Homepage zunächst einmal seine fachliche Unwissenheit, was das Zivilrecht angeht, meint aber mächtig moralisch aufzutrumpfen, wenn er schreibt: „Erwarte ich zuviel von einem Richter in dieser Situation, daß er als Mitglied einer den Nazis nahestehenden Partei jeden Geruch einer Befangenheit vermeidet? Und sich selber ablehnt? Sich bei aller verqueren politischen Einstellung mal anständig verhält?“ Der Mann wird sicherlich Beifallsstürme von der politisch korrekten Schickeria bekommen. In fachlicher Hinsicht, sowohl juristisch wie politikwissenschaftlich, wird man ihm jedoch sagen müssen: „O si tacuisses, philosophus mansisses!“ Eine Partei, deren Beobachtung der Verfassungsschutz ausdrücklich ablehnt, weil dazu kein Anlaß bestehe, als „den Nazis nahestehend“ zu bezeichnen, darf getrost als Ausdruck von Grenzdebilität gewertet werden.

Nun ganz kurz zur Rechtslage. Soweit sich Journalisten, offenbar ohne Rückfrage bei der Rechtsabteilung ihres Hauses, darüber mokieren, daß man ausgerechnet das Landgericht Dresden und nicht irgendein anderes (vielleicht im liberalen Hamburg ?) angerufen hat, so gehört es zu den Binsenweisheiten des Wettbewerbsrechts wie auch des Presserechts, daß es hier den sogenannten fliegenden Gerichtsstand gibt. D.h., jedes Gericht ist zuständig, in dem die betreffende Werbung oder der betreffende Zeitungsartikel verbreitet worden ist. Soweit sich Journalisten, aber auch Juristen, darüber mokieren, daß das Landgericht drei Wochen nach Erscheinen des fraglichen Zeitungsartikels im Beschlußwege ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden hat, und nicht etwa eine mündliche Verhandlung angeordnet hat, offenbart auch dieser Vorwurf nur fachliche Unkenntnis. Nach herrschender Meinung ist die besondere Eilbedürftigkeit für Entscheidung im Beschlußwege ohne vorgängige mündliche Verhandlung regelmäßig gegeben, wenn der Antragsteller innerhalb von drei Wochen, meist sogar nach vier Wochen, das Gericht anruft. Dem unterlegenen Prozeßgegner bleibt es dann ja unbenommen, gegen den Beschluß Widerspruch einzulegen und damit eine mündliche Verhandlung in der Sache zu erzwingen. Soweit man sich darüber mokiert, daß nicht die Kammer in der Besetzung von drei Richtern unter Einschluß des Vorsitzenden entschieden hat, offenbart auch dies die völlige fachliche Ahnungslosigkeit des jeweiligen Verfassers. Es ist absolut üblich, daß Zivilkammern die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten dem Einzelrichter übertragen. Besonders, Entschuldigung, dämlich ist das Geschreibsel eines Journalisten in der Welt, der sich darüber mokiert, es sei unverständlich, daß im vorliegenden Falle dann nicht der Vorsitzende, oder mindestens seine Stellvertreterin von der Kammer zum Einzelrichter bestimmt worden sei, sondern eben jener Richter Maier. Auch die Bestimmung des Einzelrichters erfolgt nach den Regeln, in denen der gesetzliche Richter auf eine Weise bestimmt wird, daß er schon vor Eingang der betreffenden Sache feststeht. Der irrwitzigste Einwand ist jedoch der, daß der Richter Maier Mitglied der AfD ist. Als solcher sei er doch befangen. Das ist derartig blödsinnig, daß man dergleichen nicht einmal von einem Journalisten ohne juristisches Studium hätte erwarten dürfen. Befangen wäre der Richter doch nur, wenn er der politischen Partei angehörte, über deren Antrag er zu entscheiden hat. Wenn er Mitglied einer anderen politischen Partei ist, macht ihn das doch nicht befangen. Es wäre interessant zu lesen, was jene Schreiberlinge in die Welt posaunt hätten, wenn Richter Maier nicht der AfD, sondern etwa der SPD angehörte.

In der Sache selbst dürfte der Beschluß wohl zu Recht ergangen sein. Denn im Äußerungsrecht, ob es nun um Behauptungen eines Werbungtreibenden, oder ob es um Behauptungen eines Journalisten oder Politikers geht, wird danach gefragt, ob es sich um eine Tatsachenbehauptung oder um eine Meinungsäußerung handelt. Wenn beispielsweise der Hersteller eines Medizinprodukts diesem in seiner Werbung bestimmte Wirkungen beimißt, so muß er beweisen, daß das Mittel diese Wirkungen auch tatsächlich hat. Wer diese Werbeangabe angreift, muß eben nicht beweisen, daß sie falsch ist. Der Werbende muß beweisen, daß sie richtig ist. Wenn ein Journalist oder Politiker über irgendjemanden die Behauptung aufstellt, er habe dieses oder jenes gesagt, dann muß er auch beweisen, daß dies so gewesen ist. Das ist eben eine Tatsachenbehauptung, die richtig sein muß. Anderenfalls wird sie auf Antrag eben untersagt. Etwas anderes ist die bloße Meinungsäußerung. Sie ist vom Grundgesetz geschützt. Wenn der famose Dr. Kailitz hier formuliert hätte, seine Auswertung des Parteiprogramms der NPD führe bei ihm zu der Schlußfolgerung, die Partei wolle zum Beispiel 8-11.000.000 Menschen aus Deutschland vertreiben, auch wenn das nicht der Wortlaut des Programms sei, dann wäre das eine bloße Meinungsäußerung eines Wissenschaftlers gewesen, die sowohl unter dem Schutz der Meinungsfreiheit wie auch der Wissenschaftsfreiheit stünde. So war es aber nicht.

Offenbar stört es aber Niemanden, daß hier ein gerichtlich bestellter Sachverständiger sich während eines laufenden Verfahrens öffentlich zu dem Sachverhalt äußert, den er gutachterlich bewerten soll. Abgesehen davon, daß so etwas an Unprofessionalität nicht zu überbieten ist, und den Vorwurf der Befangenheit des Sachverständigen ohne weiteres begründet, muß Herr Dr. Kailitz sich Fragen nach seinem Anstand und seiner Auffassung von den Aufgaben eines Gerichtsgutachters stellen lassen. Wenn er noch einen Funken Anstand und Selbstwertgefühl hat, dann erklärt er sich dem Bundesverfassungsgericht als befangen und bittet um Entpflichtung von seinem Gutachtensauftrag, bevor die Anwälte der NPD dort einen Befangenheitsantrag gegen ihn stellen, der „im Blindflug durchgeht“, wie es im Juristenjargon heißt.

Es mag sein, daß im Instanzenzug eine andere Entscheidung getroffen wird. Herrn Dr. Kailitz steht es ja frei, gegen den Beschluß Widerspruch einzulegen, und eine mündliche Verhandlung zu erreichen. An deren Ende steht dann, falls man sich nicht einigt, ein Urteil. Sollte sich der Sachverhalt bis dahin geändert haben, oder aber der Richter seine Meinung geändert haben, vielleicht gar ein anderer Richter entscheidet, weil Herr Maier inzwischen eine andere Aufgabe übernommen hat, dann mag der Beschluß vielleicht auch aufgehoben und der Verfügungsantrag zurückgewiesen werden. Eher dürfte es aber bei diesem Beschluß bleiben. Gegen ein bestätigendes Urteil kann natürlich das Oberlandesgericht angerufen werden. Das ist alles ganz normal.

Was völlig unnormal ist, ist der Entrüstungsturm in den Medien, und sind fachlich unsägliche Äußerungen von Juristen. Aber wie gesagt, hier geht es ja um den „K(r)ampf gegen Rechts“. Da arbeitet nicht das Hirn, da geht nur die Galle über.

Geschichtsstunde, öffentlich-rechtlich

Die Zuschauer des Bayerischen Fernsehens wurden am vergangenen Mittwoch (11.05.2016) mit einer Geschichtsstunde der besonderen Art beglückt. Unter der programmatischen Überschrift „Akte D – das Versagen der Nachkriegsjustiz“ wurden sie darüber belehrt, daß ihre Vorfahren zur Zeit des Zweiten Weltkrieges zu einem erheblichen Prozentsatz an den Massenmorden und Kriegsverbrechen des Nazi-Regimes entweder beteiligt waren, oder doch davon gewußt haben. Damit nicht genug. In den fünfziger und sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts hätten an den Schaltstellen der Justiz dieselben Juristen gesessen, die schon im Dritten Reich als Ministerialbeamte, Staatsanwälte und Richter dem Unrechtsregime gedient hatten. Aus diesem Grunde seien nach dem Kriege auch nur vergleichsweise wenige NS-Täter ihrer gerechten Strafe zugeführt worden.

Der Beitrag beginnt mit der Behauptung, nach neuesten Forschungen – die allerdings nicht referiert werden – hätten mehr als 500.000 Deutsche an Tötungsverbrechen und Massenmorden des NS-Regimes mitgewirkt. Im weiteren Verlauf der Sendung kommt ein amerikanischer Archivdirektor zu Wort, der von sage und schreibe 13 Millionen NS-Tätern spricht. Es heißt dann eingangs weiter, die Alliierten hätten mehr als 50.000 davon vor Gericht gestellt. Zur Illustration zeigt man eine Hinrichtung, möglicherweise in Landsberg/Lech, bei der das Gesicht des Verurteilten auf dem Schafott nicht verpixelt wird. Das tut man ja sonst im deutschen Fernsehen aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht. Damit wird aber schon gleich zu Beginn die Gangart vorgegeben. NS-Verbrecher haben eben keine Persönlichkeitsrechte. Dazu paßt dann auch, von vornherein Konrad Adenauer, aber auch alle folgenden Bundeskanzler und ihre Regierungen als Bremser und Verhinderer in Sachen juristische Aufklärung der NS-Vergangenheit darzustellen. Adenauer, so wörtlich, „buhlte um die Gunst der Deutschen“, indem er sich gegen die weitere Strafverfolgung von NS-Tätern gewandt habe. Dieser Sprachgebrauch ist bemerkenswert verräterisch. Demokratische Politiker buhlen also um die Gunst ihrer Wähler. Abwertender kann man das Bemühen von Politikern, den Wünschen ihrer Wähler zu entsprechen, kaum formulieren. Überflüssig zu sagen, daß es Wesensmerkmal der Demokratie ist, daß die gewählten Politiker den Willen des Volkes umsetzen, das sie gewählt hat. Für die Autoren der Sendung ist es allerdings offenbar so, daß Demokratie nur dann stattfindet, wenn Politik in ihrem Sinne gemacht wird. Dazu gehört natürlich nicht eine Amnestie von NS-Tätern, denen lediglich minder schwere Vergehen zur Last gelegt werden. Vielmehr darf nach Auffassung der Autoren im Falle von NS-Unrecht auf gar keinen Fall Gnade vor Recht ergehen, auch wenn es sich nur um verhältnismäßig minder schwere Vergehen oder Verbrechen handelt.

Man kommt dann rasch zum eigentlichen Anliegen der Sendung. Demnach gab es eine personelle Kontinuität des juristischen Personals vom Reichsjustizministerium der NS-Zeit bis in das Bundesministerium der Justiz der fünfziger und sechziger Jahre hinein. Genau diese Juristen hätten dann durch eine geschickte Formulierung des sogenannten 131er Gesetzes dafür gesorgt, daß auch ehemalige Gestapoleute wieder als Beamte eingestellt werden konnten, indem sie scheinheilig formulierten, daß als nicht belastet gilt, wer von Amts wegen zur Gestapo versetzt worden war. Verschwiegen hätten sie den Abgeordneten aber, daß dies fast alle gewesen seien. Und so habe man es dann auch 1968 geschafft, dem Deutschen Bundestag ein Gesetz gewissermaßen unterzujubeln, das die meisten Beteiligten an NS-Untaten von Strafverfolgung freistellte. Unter der Ägide des früheren NS-Staatsanwaltes Dr. Eduard Dreher, der federführend im Justizministerium daran gearbeitet habe, sei im Zuge der Schaffung des Gesetzes über die Ordnungswidrigkeiten gewissermaßen klammheimlich eine Regelung in das Strafgesetzbuch geschmuggelt worden, die automatisch zur Verjährung führen mußte, weil dann bei den allermeisten Tätern nicht Mord, sondern nur Totschlag anzunehmen wäre. Damit seien dann gerade die Schreibtischtäter aus dem Reichssicherheitshauptamt aus der juristischen Schußlinie genommen worden. Das sei dann durch die Änderung des § 50 StGB erfolgt, wonach beim Fehlen besonderer persönlicher Merkmale, welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer die Strafe nach den Vorschriften über den Versuch zu mildern ist. Es ist aber so, daß diese Vorschrift im Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages ausgiebig beraten worden ist, und zwar unter Vorsitz des SPD-Abgeordneten Martin Hirsch, später Richter des Bundesverfassungsgerichts, der Juristin Elisabeth Schwarzhaupt, des Juristen und späteren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Ernst Benda und weiterer profilierter Juristen wie des Vorsitzenden dieses Ausschusses, Dr. Hans Wilhelm und des weiteren Mitgliedes Prof. Dr. Eduard Wahl. Will denn jemand im Ernst behaupten, allen diesen sicherlich vorzüglichen Juristen habe man irgend eine Formulierung unterjubeln können, deren Tragweite sie nicht erfaßt hätten? Und ist es denn nicht auch so, daß Strafgesetze allgemeine Gesetze sind, die nicht nur für NS-Gewaltverbrechen gelten? Daß damit auch bei sozusagen gewöhnlichen Straftaten jeder Beteiligte nach seiner individuellen Schuld zu beurteilen ist, die natürlich unterschiedlich sein kann? Daß dies auch weiter gilt, wenn die NS-Täter schon lange nicht mehr leben? Der Zuschauer der Sendung mußte in diesem Zusammenhang zu dem Schluß kommen, daß hier eine kleine Clique finsterer Altnazis im Justizministerium eine Gruppe von juristischen Klippschülern im Rechtsausschuß des Bundestages über den Tisch gezogen hat. Aber vielleicht waren das ja auch mindestens Sympathisanten der alten Nazis, denn im weiteren Fortgang der Sendung erfährt der Zuschauer, daß immerhin 26 ehemalige Bundesminister und zwei ehemalige Bundespräsidenten Mitglieder der NSDAP gewesen seien. Was selbstverständlich nicht erläutert wird, ist die Tatsache, daß Millionen von Deutschen der Mitgliedschaft in der NSDAP kaum ausweichen konnten. Hätte man die Zuschauer darüber aufgeklärt, dann hätte natürlich nicht der offenbar gewünschte Eindruck entstehen können, daß in jener Zeit eine Fronde von alten Nazis und deren jungen Gefolgsleuten die Geschicke der Bundesrepublik Deutschland bestimmt hat.

Demgemäß hat allein der Druck aus dem Ausland die Bundesrepublik Deutschland dazu gezwungen, Ermittlungen gegen ehemalige NS-Täter durchzuführen. Daß dies dann nur mit halber Kraft geschehen sei, folge daraus, daß von den ca. 500.000 Tätern tatsächlich nur rund 900 verurteilt worden seien. Diese Behauptung ist derartig grob falsch, daß man hier schon den Begriff Lüge verwenden muß. Denn gerade die in der Sendung vorgestellten Historiker und Juristen kennen die tatsächlichen Zahlen ganz genau. Der in der Sendung genannte erste Leiter der Zentralstelle der Justiz zur Aufklärung von NS-Verbrechen, Oberstaatsanwalt Adalbert Rückerl, hat in seinem Standardwerk „NS-Verbrechen vor Gericht. Versuch einer Vergangenheitsbewältigung“ eine Statistik veröffentlicht, welche die rechtskräftigen Verurteilungen wegen NS-Verbrechen durch Gerichte der Bundesrepublik Deutschland (bis 1949 der Bundesländer) in der Zeit von 1945-1982 auflistet. Es sind deren 6.465! Sieben mal so viele! Ebenso sachlich unzutreffend wird dann unter anderem behauptet, gegen Mitte der fünfziger Jahre sei die strafrechtliche Ahndung von NS-Verbrechen praktisch zum Erliegen gekommen. Tatsächlich listet Rückerl für die Zeit von 1954-1982 allein 664 rechtskräftige Verurteilungen auf. Prof. Dr. Horst Möller, fast zwei Jahrzehnte lang Leiter des Instituts für Zeitgeschichte in München, schrieb in einem Aufsatz unter der Überschrift „Unser letzter Stolz“ in der FAZ vom 09.06.2012 zu diesem Thema: „Legenden dienen politischen Zwecken. Dies gilt auch für die zählebige Behauptung, eine wirkliche Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Diktatur habe erst in der Bundesrepublik mit der Studentenbewegung am Ende der sechziger Jahre begonnen. Bis dahin seien das nationalsozialistische Regime und seine Verbrechen verdrängt worden. Jede Behauptung dieser Art ist so falsch, daß sie mit Unwissen allein nicht zu erklären ist.“ Für den Zeitraum von 1945-1949 hält er fest, daß allein in diesen viereinhalb Jahren in Deutschland mehr Verbrecher des Nazi-Regimes von alliierten und deutschen Gerichten in rechtsstaatlichen Verfahren zur Rechenschaft gezogen worden seien, als in jeder anderen postdiktatorischen Gesellschaft.

Juristisch fehlerhaft ist auch die Behauptung, die Rechtslage in Deutschland habe jedenfalls seit 1968 die Strafverfolgung von NS-Gewaltverbrechern, etwa aus den Vernichtungslagern, verhindert. Denn auch die Gesetzesänderung von 1968 hat es ja weiterhin ermöglicht, einem KZ-Schergen die bewußte Teilnahme an Morden nachzuweisen. Anders wäre ja Strafverfolgung etwa von Demjanjuk oder Gröning nicht möglich geworden. Ohne hier in die juristischen Einzelheiten gehen zu wollen, sei lediglich darauf hingewiesen, daß die nach dem individuellen Tatbeitrag fragende Rechtsprechung des Auschwitz-Verfahrens in dem Urteil des Landgerichts München II gegen Demjanjuk nicht aufgegeben worden ist. Denn das Gericht hat lediglich zutreffend festgestellt, daß derjenige, der in einem Lager, in dem ausschließlich Menschen umgebracht worden sind, und nicht etwa auch Arbeitskommandos beaufsichtigt wurden, oder aber Personen vorübergehend gefangen gehalten wurden, natürlich nichts anderes getan haben kann, als bewußt und willentlich an der Vernichtung dieser Menschen mitzuwirken.

Die fantastischen Zahlen von NS-Tätern in dieser Sendung finden in den Fakten keine Grundlage. Wenn man wohl zutreffend die Gesamtzahl der Angehörigen der SS-Totenkopfverbände, denen die Bewachung und der Betrieb der Vernichtungslager oblag, mit rund 45.000 Mann annimmt, dann ist das weit entfernt von jenen 500.000 oder gar 13 Millionen die in der Sendung genannt werden. Aber es soll ja offensichtlich auch hier die Botschaft verkündet werden, daß unsere Vorfahren allesamt entweder Naziverbrecher waren, oder wenigstens von diesen Verbrechen gewußt und sie gebilligt haben. Und das begründet dann natürlich auch die nach dem Krieg in Gang gesetzte Umerziehung der Deutschen von verstockten Militaristen, Nationalisten und autoritätshörigen Untertanen in friedliche und weltoffene Demokraten. Dabei ist dann allerdings das Urteilsvermögen arg beschädigt worden. Bei den Autoren und Beiträgern dieser Sendung ist das ja auch offenbar gut gelungen.

Wenn man sich allerdings die Mühe macht, auch einmal in die Archive zu gehen, dann findet man beispielsweise Aussagen wie diese eines ehemaligen Gewerkschafters und KZ-Häftlings: „Man hätte jeden, der die Öffentlichkeit von solchen Geschehnissen in Kenntnis setzte, für einen Schurken oder einen Wahnsinnigen gehalten. Weshalb denn auch Menschen, die diese Dinge nicht tagtäglich mit angesehen und erlitten haben, heute noch nicht glauben wollen, daß sie tatsächlich geschehen sind. Ja, mir selbst erscheint es oft traumhaft unwirklich, wenn ich mich in Rückerinnerung an die furchtbaren Exzesse, deren Zeuge ich während meiner fünfjährigen Lagerhaft sein mußte, die Gewißheit ihres Geschehens zu verschaffen suche.“ Der Mann war offensichtlich nicht in einem Vernichtungslager, sondern „nur“ in einem „normalen“ KZ. Es sollte jedenfalls den in der Sendung zitierten Historikern und Juristen auch bekannt sein, welch strenge Geheimhaltungsvorschriften das Regime damals hatte, gerade im Hinblick auf die Vernichtungslager, die im übrigen samt und sonders auf dem Gebiet des eben unterworfenen Polen lagen. Da kam eh so gut wie kein Deutscher außer eben den SS-Schergen hin. Die Wehrmacht kämpfte ja schon in Rußland. Die Auswahl der Juristen, die in der Sendung zu Wort kommen, ist allerdings sehr einseitig. Es kommen ausschließlich solche zu Wort, die in NS-Verfahren als Ankläger oder Nebenklägervertreter aufgetreten sind oder entsprechend kritische Literatur veröffentlicht haben. Da nimmt es dann nicht Wunder, daß auch der offenbar als beispielhaft aufgeführte Fall Engel nicht zutreffend dargestellt wird. Die Verurteilung dieses SS-Angehörigen durch das Landgericht Hamburg wegen Mordes zu einer vergleichsweise niedrigen Freiheitsstrafe von sieben Jahren wird zwar halbwegs zutreffend geschildert. Die nach damaligem Recht zulässige Erschießung von Sühnegefangenen wurde nach Auffassung des Landgerichts Hamburg allerdings nicht nur wegen des Umstandes, daß die Delinquenten jeweils mit ansehen mußten, wie ihre unglücklichen Vorgänger erschossen wurden, als Mord (Tatbestandsmerkmal grausam) qualifiziert. Das Urteil ist allerdings nicht, wie in der Sendung behauptet, vom Bundesgerichtshof aufgehoben worden. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof das Verfahren eingestellt, weil seines Erachtens vom Landgericht nicht festgestellt worden war, ob der Angeklagte auch subjektiv die Mordmerkmale verwirklicht hatte. Eine Aufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht wollte man jedoch nicht verfügen, weil der Angeklagte bereits im 95. Lebensjahr stand, und deswegen nicht zu erwarten sei, daß er das Ende des Verfahrens noch erleben werde. Man könnte natürlich auch sagen, daß der Bundesgerichtshof sich um den nach seiner Rechtsauffassung eigentlich zwingenden Freispruch herumdrücken wollte. Nicht wenige juristische Kommentatoren haben das so ausgedrückt.

Dem Anspruch des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Deutschland, seriös zu informieren, wird diese Sendung auch nicht entfernt gerecht. Vielmehr handelt es sich um Geschichtsklitterei der übelsten Sorte. Die allermeisten Zuschauer haben nicht die Informationen und verfügen nicht über das historische und juristische Wissen, das man nun einmal braucht, um solche Desinformation zu entlarven. Und dafür zahlt man auch noch zwangsweise Gebühren.

Sprachregelung

Die etablierten politischen Parteien CDU/CSU und SPD haben sich angesichts der Wahlerfolge der AfD und deren Bestätigung – mit wachsender Tendenz – in den Umfragen offenbar entschlossen, die bisher gepflogene Verteufelung dieser Partei aufzugeben und einen sachlichen Umgang mit ihr einzufordern. Von der Linken und den Grünen hört man so etwas (noch) nicht. Herr Lindner wartet wie immer erst einmal ab, wohin die Kompanie marschiert, um dann hinterher zu laufen. In den Talkshows beobachtet man zunehmend einen sachlichen Umgang mit den Vertretern dieser Partei, der sicherlich zum Teil auch dem Umstand geschuldet ist, daß sie eher peinliche Gestalten wie Herrn Höcke wohl davon überzeugen konnte, solchen Gesprächsrunden künftig fern zu bleiben. Endgültig in der Normalität ist die AfD in Bayern angekommen, nachdem ihr Vorsitzender an Helmut Markworts Sonntagsstammtisch teilnehmen durfte und sich nicht nur wacker geschlagen hat, sondern als Gast wie alle anderen behandelt wurde.

Nur bei den Nachrichtenredaktionen ist wohl immer noch nicht angekommen, daß die AfD gleichberechtigt am politischen Diskurs teilnimmt, was ja gerade einschließt, daß sie sich harten Sachdiskussionen stellen muß. Man nennt das auch, liebe Chefredakteure unserer Nachrichtensendungen, Demokratie. Demokraten zeichnen sich dadurch aus, daß sie mündige Bürger sind. Diese politische Mündigkeit zeigt sich vor allem daran, daß man selber denken kann, ganz im Sinne Immanuel Kants „sapere aude“, das ich zum Untertitel dieser Website erkoren habe. Selberdenker können und wollen selber beurteilen, in welche Ecke sie Politiker und Parteien zu stellen haben. Gouvernanten und Nachhilfelehrer brauchen sie dazu nicht. Darum, liebe Chefredakteure, laßt künftig einfach solche Eigenschaftswörter wie „rechtspopulistisch“ einfach weg, und laßt Eure Nachrichtenableser einfach von der AfD sprechen, wie von der CDU oder der SPD. Übrigens: Wer Populismus sagt, beweist damit nur seine Arroganz. Die aber ist bekanntlich die Zwillingsschwester der Ignoranz. Oder mit einem schönen deutschen Sprichwort: Dummheit und Stolz wachsen auf dem selben Holz.

Wem nützt es denn?

Nun kommt es endlich ans Tageslicht. Was man bisher nur ahnte, wird zur Gewißheit: TTIP soll ein völkerrechtliches Regelwerk werden, von dem nahezu ausschließlich US-amerikanische Konzerne profitieren. Und genauso klar wird nun, warum die amerikanische Seite so verbissen auf Geheimverhandlungen bestanden hat. Die entwürdigenden Umstände, unter denen deutsche Regierungsmitglieder und Parlamentsabgeordnete ein wenig in den Verhandlungspapieren herumlesen dürfen, sind für sich alleine schon ein Skandal erster Ordnung. Eine Regierung, die auf sich und ihr Land etwas hält, hätte dieses Ansinnen eines Verhandlungspartners mit der nötigen Bestimmtheit zurückgewiesen. Angebracht wäre die Geste des Vercingetorix gewesen, mit der er Caesar sein Schwert vor die Füße warf. Der Hinweis der Bundesregierung und der amerikanischen Seite, auch etwa Tarifverhandlungen oder Verhandlungen zwischen Unternehmen unterlägen doch der Geheimhaltung, verfängt nicht. Vielmehr handelt es sich dabei um eine ebenso dreiste wie faule Ausrede. Hier geht es schließlich um Regelungen, die für das tägliche Leben der Bürger in den USA und in Europa von großer Bedeutung sind. Schließlich geht es jeden einzelnen Bürger etwas an, von welcher Qualität etwa Lebensmittel oder Kraftfahrzeuge sind. Leben und Gesundheit hängen nun einmal auch davon ab. Auch Friedensverhandlungen und sonstige wichtige Konferenzen finden durchaus nicht stets unter strikter Geheimhaltung statt. Vielmehr weiß man in der Öffentlichkeit durchaus, um was es geht, und welche Positionen jeweils vertreten werden. Alles andere wäre ja auch unserem Verständnis von Demokratie fremd.

Man muß jetzt immerhin zugeben, daß die amerikanische Seite auf eine signifikante Absenkung europäischer, insbesondere deutscher Standards hinwirkt. Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob bereits seriöse Zweifel an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit eines Lebensmittels dazu führen, daß es nicht für den Verzehr von Menschen freigegeben wird, oder ob dies erst dann gilt, wenn bereits Schadensfälle (sprich: Todesfälle) eingetreten sind, und der Ursachenzusammenhang zwischen dem Verzehr eines Lebensmittels und der Gesundheitsbeschädigung oder gar dem Tod des Konsumenten wissenschaftlich zweifelsfrei bewiesen worden ist.

Gerade in diesem Zusammenhang hat die nach wie vor beinhart vertretene Forderung der amerikanischen Seite ein besonderes Geschmäckle, eine sogenannte Investorenschutzklausel durchzusetzen. Diese Klausel soll nichts anderes bewirken, als den Anteilseignern etwa US-amerikanischer Agrarkonzerne die Sicherheit zu geben, daß ihre Investitionen sich rentieren, weil etwaige Verbote europäischer Staaten, ihren Schund zum Verzehr freizugeben, von ihnen vor privaten Schiedsgerichten angefochten werden können. Solche Schiedsgerichte gibt es natürlich schon jetzt. Zu Richtern werden dort in aller Regel Juristen aus den großen internationalen Anwaltskanzleien berufen. Diese Kanzleien haben in aller Regel ihren Hauptsitz in den USA und werden entsprechend amerikanisch dominiert, auch wenn sie Niederlassungen in europäischen Ländern haben, in denen selbstverständlich auch in diesen Ländern bei den Gerichten zugelassene einheimische Anwälte arbeiten. Diese großen Kanzleien vertreten natürlich die Interessen ihrer Klienten, zu denen gerade jene Agrarkonzerne gehören. Man wird doch nicht allen Ernstes behaupten wollen, daß etwa ein Anwalt aus einer dieser Kanzleien, der in ein solches Schiedsgericht berufen wird, nicht wenigstens unbewußt die Interessen jenes Unternehmens berücksichtigt, das häufig Klient seiner Kanzlei und heute nun einmal Partei in einem Schiedsgerichtsverfahren ist, indem er als Richter amtiert. Es soll also sichergestellt werden, daß nicht nur die Bestimmungen jenes beabsichtigten internationalen Handelsabkommens zwischen den USA und der EU die Vorstellungen US-amerikanischer Konzerne hinreichend berücksichtigen, sondern es soll darüber hinaus sichergestellt werden, daß eventuell unbotmäßige europäische Staaten von den Schiedsgerichten ihrer eigenen Anwälte zur Ordnung gerufen werden.

Daß unter diesen Umständen die Bundesregierung unbeirrt erklärt, das beabsichtigte Abkommen sei für unser Land vorteilhaft und müsse deswegen auch in Kraft gesetzt werden, ist unglaublich. Man erliegt hier offenbar den Einflüsterungen der Wirtschaft. Natürlich gehört es zu den Grundgesetzen der Betriebswirtschaft, daß Unternehmen Gewinne machen müssen. Und es gehört auch zu diesen Regeln, daß möglichst hohe Gewinne gemacht werden. Somit haben die Manager und Verbandssprecher der Wirtschaft nichts anderes im Sinn, als möglichst viel zu verdienen.

Politiker, die ihr Volk vertreten und geschworen haben, von ihm Schaden abzuwenden, können jedoch nicht ausschließlich die Interessen der Wirtschaft im Auge haben. Natürlich ist ohne eine florierende Wirtschaft alles nichts. Indessen leben wir auch jetzt bereits recht ordentlich, um es zurückhaltend auszudrücken. Im internationalen Vergleich sogar sehr ordentlich. Es liegt also nicht im Gesamtinteresse unseres Landes, daß seine Unternehmen immer mehr verdienen, unabhängig davon, womit. Im Gesamtinteresse unseres Landes liegt vielmehr auch, daß seine Bürger die hohe Lebensqualität eines Landes genießen können, das unter anderem dafür Sorge trägt, daß nur sichere Produkte in den Verkehr gelangen. Oder mit der Weisheit der nahezu völlig ausgerotteten Indianer zu sprechen: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluß vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, daß man Geld nicht essen kann.“