Die unsägliche Debatte in Deutschland um die alliierten Luftangriffe auf deutsche Städte in den letzten beiden Kriegsjahren (1943-1945) ist in diesem Jahr etwas leiser. Schließlich haben wir keinen „runden“ Jahrestag. Die Tonlage indessen bleibt gleich. So hat anläßlich des bevorstehenden 71. Jahrestages der verheerenden Bombardierung von Dresden am 14.02.1945 der dortige Oberbürgermeister erklärt, Dresden „dürfe nicht in einem Opfermythos dastehen“. Denn, so wörtlich: „Dresden war keine unschuldige Stadt, das wurde wissenschaftlich ausgewertet.“
Der Mensch, der diese Sätze in die Welt gesetzt hat, ein 45 Jahre alter Politiker namens Dirk Hilbert von der FDP, steht für eine Generation von deutschen Politikern, Publizisten und Historikern, die ihren Vorfahren gegenüber mit Arroganz und Unduldsamkeit auftreten, selbstverständlich mit der Attitüde dessen, der alles besser weiß, selbstverständlich das richtige tut und natürlich, hätte er damals bereits gelebt, den Nazis mutig die Stirn geboten hätte, ach was, diese Bande von Ignoranten Psychopathen locker in die Tonne getreten hätte. Mit einer solchen Persönlichkeitsstruktur, anmaßend, arrogant und ausgrenzend, hat man in jener Zeit glänzende Karrieren hingelegt, etwa in SS und SD. Solchen Leuten gegenüber ist grundsätzlich ein tiefes Misstrauen angebracht.
Den Satz: „Dresden war keine unschuldige Stadt, das wurde wissenschaftlich ausgewertet“, muß man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Alleine schon die darin vorausgesetzte Kollektivhaftung einer Stadt für die Untaten ihrer Unterdrücker ist von einer intellektuellen Armut, gleichzeitig aber auch dümmlichen Arroganz, die einem schon den Atem verschlagen kann. Selbst wenn in Dresden wie sonstwo die Nazis geherrscht haben und sich scheußlicher Verbrechen schuldig gemacht haben, was hat das mit der beherrschten und unterdrückten Mehrzahl der Bürger zu tun? Sind diese Nazis, dazu noch offen mit dem Programm ihrer späteren Unterarten, auch nur von einer Mehrheit der Dresdner 1932 gewählt worden? Ja, 1932, denn nach dem 30. Januar 1933 gab es keine freien Wahlen mehr. Waren die 25.000 Menschen, die nach amtlicher Zählung einer handverlesenen Historikerkommission in dieser Nacht von Bomben zerfetzt, von Trümmern erschlagen und im Feuersturm verbrannt sind, schuldig? Falls es einige tausend mehr gewesen sein sollten, was nach seriösen Quellen durchaus gut möglich ist, waren die auch schuldig?
Waren nicht auch in Dresden wie auch sonstwo viele, sehr viele Menschen auf der Seite der vom Regime verfolgten, zum Beispiel der Juden? Man lese die Aufzeichnungen des Dresdner Germanistikprofessors Victor Klemperer und anderer Zeitzeugen. Von einer „schuldigen“ Stadt kann keine Rede sein.
Und muß man nicht heute feststellen, daß diese alliierten Bombardierungen nach allgemeiner Auffassung im Kriegsvölkerrecht als Kriegsverbrechen betrachtet werden? Man lese etwa das gut recherchierte und juristisch überzeugende Buch von Björn Schumacher, Die Zerstörung deutscher Städte im Luftkrieg, oder den von Lothar Fritze und Thomas Widera herausgegebenen Sammelband über den alliierten Bombenkrieg, herausgegeben vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V. Schon der zynische Codename für die erste große Städtebombardierung, nämlich Hamburg vom 24.07. bis 03.08.1943 – Operation Gomorrha – zeugt von der Geisteshaltung, die hinter dem Konzept des sogenannten Morale Bombing stand. Es ging einfach ganz offensichtlich darum, Kultur und Herz des deutschen Volkes nachhaltig zu zerstören, indem man ihm die sichtbaren Zeugnisse seiner Geschichte nehmen wollte. Die Zerstörung der Nürnberger Altstadt am 02.01.1945, selbstverständlich militärisch völlig unsinnig, wie auch als besonders plakatives Beispiel, des Städtchens Pforzheim am 23.02.1945, als unter den alliierten Bomben 98 % der Stadt verbrannten und mehr als ein Fünftel der Einwohner getötet wurden. oder man lese das erschütternden Buch von Jörg Friedrich: Der Brand.
Nein, es geht überhaupt nicht darum, ob eine Stadt schuldig war im Sinne dieser selbstgerechten, großsprecherischen und von politischer Korrektheit triefenden Nachgeborenen. Nein, es geht darum, diesen Leuten ihr moralisches Versagen deutlich vor Augen zu führen. Ihnen, denen ein gütiges Schicksal es erspart hat, in jener Zeit aufwachsen zu müssen, ohne Furcht vor der allgegenwärtigen geheimen Staatspolizei, ohne Furcht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes wegen politischer Unzuverlässigkeit, ohne Furcht davor, mit leeren Händen vor seinen hungrigen Kindern zu stehen, weil man seine hochmögende Moral über seine banalen täglichen Pflichten Frau und Kindern gegenüber gestellt hat. Und wer nicht glauben will, unter welchem Druck die Deutschen ab 1933 gestanden haben, der lese vielleicht einmal die Akten des Prozesses gegen die SA-Männer, die in der Nacht des 30. Januar 1933 die „Machtergreifung“ auf ihre Weise gefeiert haben. Wie sie die Büros ihrer politischen Gegner und missliebiger Journalisten in Nürnberg gestürmt und verwüstet haben, die angetroffenen Politiker und Redakteure halb totgeschlagen und dann ins KZ nach Dachau verfrachtet haben. Und wer glaubt, das habe sich damals nicht in Windeseile herumgesprochen, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen. Was unsere hochmögenden arroganten Besserwisser mit makelloser Universitäts- und Berufskarriere heute den Deutschen jener Zeit vorwerfen, tun sie gerade selbst. Sie verweigern sich der Wirklichkeit, weil nicht sein kann was nicht sein darf. Urgroßvater war halt ein Nazi. Dem haben die Alliierten zurecht die Bomben aufs Haupt geworfen.
Natürlich ist die Erinnerung an dieses große Kriegsverbrechen der Briten und Amerikaner auch nicht in anderer Weise zu instrumentalisieren. Irgendwelche Menschenketten oder Gedenkmärsche, seien sie links- oder rechtsdrehend, sind unangebracht. Angebracht ist allein die Trauer um die Opfer und die Suche nach der historischen Wahrheit. Letztere scheint allerdings offiziell nicht sonderlich erwünscht.
Etwas zu der Arbeit der Historikerkommision von Dresden und die Darstellung im Deutschlandfunk,die Wahrheit scheint nicht erwünscht zu sein, wie dies oben im letzten Satz ausgedrückt wird.
https://tinyurl.com/jl4eajx
Diese Seite vom 13.02.2016 veranlaßte Epimetheus zu folgendem Mail am 11.03.2016 an den Deutschlandfunk:
Sehr geehrter Herr Dr. Bertolaso,
zumindest heute 11.03.2016 weist der Text der Nachrichten im DLF auf Manipulation hin, ich sage nur Fukushima. Es wird von 18 000 Opfern gesprochen, wovon Null der Kernschmelze zuzurechnen sind.
Alles dem Erdbeben und dem Tsunami zuzuordnen.
Da es auch nächstes Jahr einen 13/14. Februar geben wird, habe ich etwas über Dresden angehängt.
Vielleicht geht Ihnen bezüglich den Rechnungen der Historiker ein Licht auf.
Mit bestem Gruß
***** *****
Anhang zu obigem Mail:
Sehr geehrter Herr Dr. Bertolaso,
Sie sagen, der Deutschlandfunk manipuliert keine Opferzahlen, der DLF zitiert Historiker.
Albert Einstein hatte einst seine Ansicht zur Quantentheorie von Max Planck in sehr komprimierter
Form geäußert: „Gott würfelt nicht“. Wer allerdings „würfelte“ oder vielleicht auch das
„Hütchenspiel“ betrieb, das war m. E. die von der Stadt Dresden beauftragte Historikerkommission,
welche die Opferzahlen laut dem offiziellen Auftrag so ermitteln sollte, dass „rechtskonservativen und
neonationalistischen Kreisen“ der Wind aus den Segeln genommen wird. So war es in der
Preussischen Allgemeinen Zeitung vom 6. Februar 2010 zu lesen. Der Auftrag wurde aus und mit
politischer Motivation vergeben und war laut Angaben auf Seite 10 des Schlussberichtes
(http://is.gd/9KdbAw) mit EUR 100 000 dotiert, während im Vergleich eine läppische Pegida
Gegendemonstration im Jahr 2015 der Stadt Dresden immerhin EUR 105 496 wert war
(http://tinyurl.com/ht8x8e9). In jedem anderen Gemeinwesen in Europa wäre dies ein Skandal.
Zu der Schätzung der Historikerkommision:
Zitiert von Seite 49 des Schlussberichtes der Historikerkommission :
„Damit beträgt die aus den Beurkundungen im Personenstandswesen nachgewiesene Zahl der bei den
Luftangriffen auf Dresden im Februar 1945 getöteten Personen ca. 18.000; maximal ergibt sich aus
dieser Untersuchungsperspektive eine Größenordnung von 20.000 Toten.“
Der arithmetische Mittelwert aus obigen Zahlen beträgt 19 000, diese Zahl wurde hergenommen. Nun
fehlen allerdings noch diejenigen, welche zunächst als Vermisste geführt wurden und zwischen 1945
und 1974 für tot erklärt wurden mit dem Hinweis auf den 13./14. Februar 1945 und Dresden. In der
Zeitspanne von 1945 bis 1974 wurden in Deutschland insgesamt 1 356 242 Vermisste für tot erklärt,
eine vollständige Enumeration schied aus. Statt dessen zog man aus dem Zentralen Register des
Standesamtes Berlin I 4000 Fälle als Stichprobe heraus, mittels einer nicht weiter genannten
Entnahmeregel. In dieser Stichprobe suchte man die Fälle mit den Kriterien 13./14. Februar 1945 und
Dresden heraus, es waren 39 Treffer. Nun rechnete man auf die Grundgesamtheit hoch: 39/4000 *
1356242. So kam man laut Kommission zu den genannten 19 000 auf “weitere 10 000 Tote”, übrigens
sehr grob gerechnet.
Die oben angesprochene „Entnahmeregel“ aus den Sterbebüchern wurde von der Kommission in
ihrem Bericht leider nicht offen gelegt bzw. näher erläutert. Mit Verwunderung stellte selbst die
Kommission fest, dass es sich bei diesen 10.000 Opfern aus den Sterbebüchern in Berlin fast
ausschließlich um Dresdner Einwohner gehandelt hatte, Auswärtige wären Ausnahmen gewesen(** siehe Nachtrag unten 7.02.2017). Ein Grund für diesen nicht erwarteten Befund wird nicht angegeben. Flüchtlinge scheinen jedenfalls das Massaker laut Kommission überwiegend überlebt zu haben.
Vielleicht hilft diesbezüglich ein Blick in das “Verschollenheitsgesetz, Abschnitt 1: Voraussetzung für
die Todeserklärung” (http://is.gd/xMTkXZ) . Die Einjahresfrist gilt nicht einmal für aktive Soldaten.
Die Todesfeststellung nach einem Jahr ist die Ausnahme für Vermisste, die zu einer bestimmten Zeit
und an einem bestimmten Ort von irgendjemandem erwartet wurden und dort nicht aufgetaucht sind.
Sie gilt zum Beispiel für Dresdner, die während des Luftangriffes in einen bestimmbaren Keller waren
und nach dem Angriff weder als Lebender noch als identifizierbarer Toter dort wieder herauskamen.
Diese sind “vermisst” und werden nach einem Jahr für tot erklärt, Todestag 14. 2. 45, Luftangriff
Dresden. Alle anderen gelten als “verschollen” und werden frühestens 10 Jahren später für tot erklärt,
über 80jährige nach 5 Jahren. Unter 25-jährige Verschollene dürfen bevor sie das 25. Lebensjahr
erreicht hätten, ohnehin nicht für tot erklärt werden. Als Todeszeitpunkt wird das 5. Jahr, bei über 80-
jährigen das 3. Jahr, nachdem sie von jemandem vermisst wurden, als fiktives Todesdatum
eingetragen.
Zum Beispiel: Ein im Luftangriff verschollenes 2 jähriges Kind würde damit frühestens im Jahre 1968
für tot erklärt werden, als Todeszeitpunkt würde das Jahr 1950 eingetragen, nicht der 14. Februar
1945, und auch nicht “Luftangriff Dresden”. Dieses ist die REGEL, sie gilt für alle Flüchtlinge, alle
Auswärtige, alle Arbeiter, Kriegsgefangenen oder auch für Dresdner die beim Luftangriff einfach nur
nicht zuhause waren. Alle diese wurden von der Kommission nicht erfasst. Deren Tod wurde
frühestens 1955 bescheinigt, eingetragener fiktiver Todeszeitpunkt: 1950. Wenn damit in der
Teilstichprobe von 4000 noch 100 valide Treffer zusammenkämen, hätte man sich um ca. 40 000 Tote
verschätzt.
Zusammengefasst liegt die echte Opferzahl sicher wesentlich über der im Abschlußbericht der
Historikerkommission genannten. Um das genau herauszufinden, müssen größere Stichproben
gezogen und die Verschollenen in die Berechnungen mit einbezogen werden. Dies könnte man als eine
nationale Aufgabe betrachten, zu welcher die deutschen Nachkommen verpflichtet sind.
Mit bestem Gruß
***** *****
** Nachtrag von Epimetheus am 7.02.2017:
Folgender Satz möchte ich zurücknehmen
„Mit Verwunderung stellte selbst die Kommission fest, dass es sich bei diesen 10.000 Opfern aus den Sterbebüchern in Berlin fast ausschließlich um Dresdner Einwohner gehandelt hatte, Auswärtige wären Ausnahmen gewesen.“
und durch diesen Satz ersetzen:
„Mit Verwunderung stellte selbst die Kommission fest, dass es sich bei diesen 39 Treffern aus 4000 Todeserklärungen aus Vermißtenfällen, welche 10000 Dresdner Opfer repräsentieren, fast ausschließlich um Dresdner Einwohner gehandelt hatte, Auswärtige wären Ausnahmen gewesen.“
Resümee: Ein gewichtiges Indiz, daß irgend etwas in der Rechnung nicht stimmt