Die Verschnulzung der Politik

Man kann Redebeiträge von Björn Höcke bei verschiedenen Gelegenheiten in Auszügen hören, etwa aus dem Thüringischen Landtag oder bei Wahlkampfveranstaltungen. Das ist schon anstrengend genug. Wenn man aber genau wissen will, wie er und seine Anhänger wirklich gestrickt sind, dann muß man sich das Video von seinem Auftritt bei dem sogenannten Kyffhäuser-Treffen des sogenannten Flügels der AfD ansehen und vor allem anhören.

Der Star des Abends wurde angekündigt wie der Messias persönlich. Ein gut fünfminütiges Video, nein, eine Huldigung, unterlegt mit Musik aus dem Hollywoodkino stellte dann die Person Höcke vor, bevor der Messias, Führer oder was weiß ich wie sich Höcke selbst einordnet, unter tosendem Beifall die Bühne betrat und die Huldigungen seiner Anhänger, Gläubigen, Fans entgegen nahm wie weiland der Demagoge aus Braunau. Zu dem in jeder Hinsicht geschmacklosen und überzeichneten Event, wie man heute wohl so sagt, paßte dann auch das in riesigen Lettern auf dem Bühnenhintergrund gemalte Motto: „Der Osten steht auf!“. Die Politschnulze hatte Einzug in die deutsche Politik gehalten.

Höcke gab dann zunächst einmal dem Affen so richtig Zucker und holzte gegen den Bundesvorstand seiner Partei, als handele es sich dabei um den ärgsten politischen Gegner. Seinem Ärger über das Landesschiedsgericht in Bayern, das drei seiner Anhänger aus der AfD ausgeschlossen hatte, machte er in ganz spezieller Weise Luft. Der studierte Historiker Höcke verstieg sich dazu, die juristischen Ausführungen in diesem Urteil fachlich zu kritisieren, ach was, zu schmähen. Die Subsumtion des Sachverhalts unter die Satzungsvorschriften sei derart arg misslungen, daß jeder Jurastudent im ersten Semester das besser machen würde. Das ist gegenüber dem Schiedsgericht, insbesondere seinem mit der Befähigung zum Richteramt ausgestatteten Vorsitzenden, natürlich nicht nur eine Unverschämtheit, sondern so etwas geht überhaupt nicht. Man mag Urteile generell kritisieren dürfen, können und manchmal sogar müssen. Indessen sollten das tunlichst nur Juristen tun, und sich dabei der fachüblichen verbalen Zurückhaltung befleißigen, auch wenn die fachliche Beurteilung hart ist. Einem Volljuristen – einem Menschen also, der zwei juristische Staatsexamina mit Erfolg absolviert hat – jedoch zu attestieren, daß jeder Student im ersten Semester das besser gemacht hätte, läßt nicht nur jeden Anstand, sondern auch jeden Respekt vor einem Gericht, das ein Schiedsgericht nun auch einmal ist, schmerzlich vermissen. Und das, wohlgemerkt, als juristischer Laie.

Nicht daß Höcke politisch ausschließlich Unsinn von sich gegeben hätte. Nein, soweit er sich mit dem politischen Hauptgegner seiner Partei, den Grünen, insbesondere ihrer Klima- und Migrationspolitik befaßte, so war das in der Sache durchaus in dem Rahmen, der vom politischen Gegner eben immer zu erwarten ist. Was indessen zu beanstanden ist, sind auch hier der Duktus seiner Sprache und seine theatralischen Gesten aus dem Repertoire des Laienschauspielers. Der Mann kann offenbar nicht sachlich argumentieren, sondern lebt von polemischer Rhetorik und trägt generell mindestens eine Schicht zu dick auf. Es ist im übrigen bei einer bürgerlichen Partei wohl auch angemessener, sein Publikum nicht kumpelhaft anzusprechen, sondern auch Parteifreunde sprachlich auf der Ebene von Damen und Herren zu behandeln. In dem Punkt bin ich vielleicht etwas altmodisch.

Insgesamt ergibt sich der Eindruck, daß Höcke und sein Flügel mehr als eine Strömung in seiner Partei oder eine der üblichen Arbeitsgemeinschaften, wie sie alle politischen Parteien kennen, sind und auch sein wollen. Es handelt sich offensichtlich um eine Partei in der Partei. Ob man dem mit juristischen Mitteln (Schiedsgericht!) beikommen will und kann, soll einmal dahinstehen. Notwendig ist die politische Entscheidung eines jeden Mitgliedes der AfD. Will man in der großen Mehrheit derartiges dulden oder nicht? Wenn nicht, dann muß man eben darauf achten, daß Delegiertenversammlungen von der Basis nur mit solchen Mitgliedern beschickt werden, die die Gewähr dafür bieten, daß sie solchen Unfug künftig unterbinden. Wenn das nicht geht, nun, dazu habe ich mich in meinem letzten Beitrag bereits positioniert.

Deutschland braucht eine rechts der Union plazierte bürgerliche, konservative und national, nicht nationalistisch, ausgerichtete Partei. Dieses Feld hat die Union unter Merkel verlassen. Zum demokratischen Spektrum in allen Ländern gehört jedoch die demokratische Rechte. Wenn das die Union nicht sein will, dann muß dieses Feld von jemand anderem bespielt werden. Nicht jedoch von einer Rosamunde-Pilcher-Version der NPD.



Ein Gedanke zu „Die Verschnulzung der Politik

  1. Stefan Fink

    Die faschistische Ästhetik ist bei Höcke kein Zufall, sondern bewußt gewollt, um seine „völkisch- nationalen“ Anhänger zu beglücken. Der Einmarsch in einem Fahnenmeer, der Führerkult, die Verleihung eines „Flügelabzeichens“ (SA- Sturmabzeichen?) erinnern doch stark an einen „Reichsparteitag“. Dies kann und darf von der AfD nicht länger übersehen werden.

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