Archiv der Kategorie: gelesen und nachgedacht

Rezensionen

Die Dritte Gewalt gibt sich auf

Was zu entscheiden war

Am 23. April dieses Jahres trat § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Infektionsschutzgesetzes in der Fassung des vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite in Kraft. Ich zitiere an dieser Stelle den bürokratisch-verknöcherten Wortlaut der Gesetzesüberschrift, der schon atmosphärisch den Geist des Obrigkeitsstaates verbreitet, der sich offensichtlich in den Köpfen der führenden Politiker unseres Landes festgesetzt hat. Volkstümlich spricht man von der Bundesnotbremse, wobei auch dieser Begriff eine Gefahrenlage suggeriert, der nur mit außerordentlichen Maßnahmen zu begegnen ist, wie der beherzte Tritt auf die Bremse des Autos, wenn ein Unfall anders nicht mehr verhindert werden kann. Dieses Gesetz ordnet unmittelbar weitgehende Beschränkungen der Freiheit an, die im Übrigen auch nicht wie bisher auf den Prüfstand der Verwaltungsgerichte gestellt werden können, sondern nur noch mit der Verfassungsbeschwerde anzugreifen sind. Dies jedenfalls habe ich in einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs lesen müssen. Es ist ja auch ein offenes Geheimnis, daß die Bundeskanzlerin mit diesem Gesetz auch verhindern wollte, daß künftig noch Verwaltungsgerichte einzelne Corona-Maßnahmen für ungültig erklären. Welche Erfolgsaussichten allerdings eine Verfassungsbeschwerde gegen ein solches Gesetz haben kann, zeigt der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 05.05.2021 in 5 von über 200 (!) Verfahren, die gegen dieses Gesetz anhängig gemacht worden sind.

Die Entscheidung

Das Gericht hat es in diesem Beschluß abgelehnt, eine einstweilige Anordnung zu treffen, mit der die im Gesetz verfügte Ausgangssperre zwischen 22:00 Uhr abends und 05:00 Uhr morgens bei Vorliegen einer 7-Tage-Inzidenz von über 100 einstweilen für unwirksam erklärt werden sollte. Mit anderen Worten: jedenfalls vorläufig ist dieses Gesetz gültig. Ob es in einer Entscheidung über die Hauptsache, wann auch immer diese getroffen werden wird, für verfassungswidrig erklärt werden wird, muß nach dem Inhalt der Entscheidung füglich bezweifelt werden.

Die Begründung

Das Bundesverfassungsgericht meint, diese Ausgangsbeschränkung sei nicht offensichtlich materiell verfassungswidrig. Es liege nicht eindeutig und unzweifelhaft auf der Hand, daß sie zur Bekämpfung der Pandemie unter Berücksichtigung des Einschätzungsspielraums des demokratischen Gesetzgebers offensichtlich nicht geeignet, nicht erforderlich oder unangemessen wäre. Dies gelte auch im Hinblick auf die Anknüpfung an den Inzidenzwert von 100. Nach dem Hinweis auf die verfassungsrechtliche Schutzpflicht, Leben und Gesundheit zu schützen sowie die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems als überragend gewichtiges Gemeingut und damit zugleich die bestmögliche Krankheitsversorgung sicherzustellen, und die Motivation des Gesetzgebers, die hier angegriffene Ausgangsbeschränkung diene dabei nach seinen Vorstellungen insbesondere der Kontrolle und Beförderung der Einhaltung der allgemeinen Kontaktregelungen, macht das Gericht Ausführungen dazu, daß nach Auffassung des Gesetzgebers diese Maßnahme eben geeignet sei, das erstrebte Ziel zu erreichen, auch wenn dies fachwissenschaftlich umstritten sei. Denn der Gesetzgeber habe keine selbständige, von den Anforderungen an die materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes unabhängige Sachaufklärungspflicht, vielmehr habe er eine Einschätzungsprärogative, mit anderen Worten, einen weiten Spielraum dahingehend, verbindlich festzulegen, was er sachlich für richtig hält. Hier habe der Gesetzgeber auch nicht ins Blaue hinein etwas geregelt, sondern sich auf wissenschaftliche Untersuchungen über die Wirkungen von nächtlichen Ausgangssperren in verschiedenen Staaten gestützt. Wie aussagekräftig diese im einzelnen seien, sei hier nicht zu beurteilen. Die Richter zitieren die Anhörung nur eines Sachverständigen im Gesundheitsausschuß des Bundestages. Andere Sachverständigenmeinungen, ob sie dort oder anderswo geäußert oder publiziert worden sind, spielen offenbar keine Rolle.

Eine offensichtliche Unangemessenheit solcher Ausgangsbeschränkungen könne ebenfalls nicht erkannt werden. Auch wenn verschiedene Oberverwaltungsgerichte das anders gesehen hätten, lägen hier eben andere Voraussetzungen vor. Welche das sind, wird nicht gesagt. Letztendlich greife zwar die nächtliche Ausgangsbeschränkung tief in die Lebensverhältnisse ein, das betreffe aber nur etwa 7 % der Tageszeit, die man außerhalb der Wohnung zu verbringen pflege und sei außerdem bis zum 30.06.2021 befristet. Na ja. Mit solchen Befristungen haben wir seit einem Jahr nun einmal ganz spezielle Erfahrungen.

Das sind nun im wesentlichen die tragenden Gründe dieser Entscheidung.

Der Fehler resp. die fehlende Rechtsprüfung

Das Bundesverfassungsgericht geht hier mit einer unfassbaren Leichtigkeit und Oberflächlichkeit an seine Aufgabe heran, die Rechtmäßigkeit von Grundrechtsbeschränkungen auch im Eilverfahren zu prüfen. Die Formel, es sei „nicht unplausibel“, was der Gesetzgeber tue und womit er es begründet, ist praktisch überhaupt keine Hürde für Willkürmaßnahmen. Es erstaunt auch, daß das Bundesverfassungsgericht offenbar inzwischen den gesetzgeberischen Ordnungs- und Steuerungsvorstellungen einen höheren Stellenwert beimisst, als den Grundrechten der Bürger. Das ist meilenweit entfernt von dem, was das Bundesverfassungsgericht in früheren Jahren und Jahrzehnten etwa beim Datenschutz (Volkszählungsurteil!), bei den Regelungen für die Geheimdienste oder auf dem Gebiet des Polizeirechts judiziert hat. Auch die ganz wesentliche Frage, ob der Gesetzgeber Freiheitsbeschränkungen unmittelbar durch Gesetz anordnen darf, was er gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG eigentlich nicht darf, hat das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung nicht einmal angesprochen, obgleich die Beschwerdeführer darauf ausdrücklich hingewiesen haben. Einschränkungen der Grundrechte können eben nur aufgrund eines Gesetzes, aber nicht durch ein Gesetz angeordnet werden.

Keine tragfähige Begründung des Gesetztes – na und?

Bemerkenswert ist auch der Umgang des Bundesverfassungsgerichts mit den vom Gesetzgeber herangezogenen Grundlagen für die angegriffene Regelung. Obwohl bis heute eine wissenschaftliche Evaluierung der Wirksamkeit von Ausgangssperren fehlt, was andere Gerichte zwischenzeitlich schon moniert haben, begnügt sich das Gericht damit festzustellen, der Gesetzgeber wolle damit verhindern, daß private Kontakte in den Wohnungen überhandnehmen. Damit spielt der Gesetzgeber gewissermaßen über Bande. Nicht die Gefahr, sich nachts außerhalb der Wohnung zu infizieren, sondern die leichtere Überwachungsmöglichkeit privater Kontakte begründet die angebliche Notwendigkeit dieser Ausgangssperre. Wohlgemerkt eine Einschränkung der Grundrechte aus Art. 2 und 11 GG zur leichteren Aufdeckung von Ordnungswidrigkeiten! Soweit Sachverständigengutachten überhaupt eine Rolle spielen, genügt dem Gericht ein einziger Sachverständiger. Natürlich derjenige, auf dessen Meinung sich der Gesetzgeber gestützt hat, wird in der Entscheidung des Gerichts erwähnt. Daß es gerade zu den Pandemie-Bekämpfungsmaßnahmen eine Vielzahl unterschiedlicher wissenschaftlicher Meinungen gibt, wird jedenfalls in dieser Entscheidung nicht einmal angesprochen. An und für sich pflegen Gerichte bei der Sachverhaltsfeststellung, auch in Eilverfahren, ihnen bekannte wissenschaftliche Stellungnahmen und Gutachten zu prüfen, abzuwägen und dann der einen oder anderen Auffassung zu folgen. Das geschieht hier nicht.

Freie Fahrt für den Gesetzgeber, Feststellbremse für die Grundrechte

Letztendlich gibt das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung dem Gesetzgeber einen Handlungsspielraum bisher unbekannter Dimension. Damit nimmt es sich gleichzeitig selbst weit zurück. Wenn die sogenannte Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers so zu verstehen ist, daß es dem Bundesverfassungsgericht verwehrt sein soll, diese wenigstens nachzuvollziehen und auf Einhaltung der Sorgfaltspflicht bei der Sachverhaltsermittlung und Verstöße gegen die Denkgesetze zu überprüfen, dann wird es jedenfalls auf dem Gebiete der Kontrolle des Gesetzgebers überflüssig. Die Feststellung, eine gesetzgeberische Begründung sei nicht unplausibel, ist ja eigentlich eine Leerformel. Damit wird alles, auch das schwächste Argument, abgesegnet und die Grenze dahin verschoben, wo überhaupt keine Abwägung mehr stattfindet.

Die neue Rolle des Bundesverfassungsgerichts

Zu befürchten ist, daß dies kein Ausreißer ist. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz und zur europäischen Schuldenaufnahme mit deutscher Beteiligung lassen vielmehr die Erwartung zu, daß das Bundesverfassungsgericht sich allmählich aus seiner originären Aufgabe als dritte Gewalt auf staatsrechtlicher Ebene verabschiedet. Man wird in Zukunft wohl kaum noch sehen, daß das Bundesverfassungsgericht Gesetze für verfassungswidrig erklärt, oder aber dem Regierungshandeln verfassungsrechtliche Grenzen setzt. Nur noch Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen der Fachgerichte werden wohl künftig noch Erfolg haben können, wenn diese Entscheidungen Grundrechte der Beschwerdeführer verletzen. Regierung und Parlament hingegen haben künftig wohl freie Hand.

Verfassungsrichter sind natürlich auch politische Wesen

Man fragt sich natürlich auch, warum das nun so ist. Im Falle der besprochenen Ausgangssperre-Entscheidung könnte man zu dem Ergebnis kommen, daß hier eine gemeinsame Grundbefindlichkeit gegeben ist. Die political correctness befällt nun einmal nicht selten auch ansonsten kluge und fachlich qualifizierte Leute. Jede Kritik an den Corona-Maßnahmen der Bundesregierung und der Parlamente steht ja für die politisch-mediale Klasse in dem Geruch, querdenkerisch, gar pegidaesk oder noch Schlimmeres zu sein. In die Nähe solcher Zeitgenossen will man nicht kommen, erst recht will man nicht dort verortet werden. Es gehört sich einfach nicht, Querdenkern und angeblichen Verfassungsfeinden Vorschub zu leisten. Man gehört doch zu den klugen und besonnenen, staatstragenden Bürgern. Allerdings zeigt sich die Gefahr dieses Gruppendenkens gerade auch an der Klimaschutzentscheidung wie auch an den Entscheidungen, mit denen der Weg in die Schuldenunion abgesegnet wird.

In diesem Zusammenhang muß natürlich auch gesehen werden, daß die Richter des Bundesverfassungsgerichts nach politischem Proporz bestimmt werden. Demokratisch gewählt werden sie nicht. Die Abhängigkeit von der Parteipolitik ist offensichtlich. Parteimitgliedschaft, zumindest das Nahestehen werden ganz offen gehandelt. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, gleichzeitig Vorsitzender des Ersten Senats, der hier entschieden hat, war zuvor stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und gilt als bekennender Merkelaner. Auch die übrigen Richter des Senats mit Ausnahme eines FDP-Mitglieds bzw. der FDP nahestehenden Richters gehören zu den Parteien, die bisher sämtliche Corona-Maßnahmen der Regierung getragen oder durchgewunken haben. Es fällt schwer zu glauben, daß dies keine Auswirkungen auf ihre Entscheidung in der Sache gehabt haben könnte.

Ein Weg aus dem Dilemma

Gäbe es eine Lösung des Problems? Die Besetzung der höchsten Gerichte eines Landes ist überall auf der Welt sehr politisch. Die einfache Lösung, daß das oberste Gericht seine Mitglieder kooptiert, und nicht von der Politik im weitesten Sinne beschickt wird, dürfte mit dem Demokratiegebot, wonach alle Staatsgewalt vom Volke ausgehen muß, kaum vereinbar sein. Eine Wahl der Richter des Bundesverfassungsgerichts ähnlich wie die Wahl zum Deutschen Bundestag würde jedoch zu einer noch stärkeren Politisierung führen, denn dann kämen mit Sicherheit nur noch handverlesene Parteipolitiker zum Zuge. Und das nach einem Wahlkampf, der ja nun einmal in aller Regel das Gegenteil von sachlicher Debatte ist. Vielleicht wäre es jedoch möglich, daß ein Mittelweg gegangen würde. Die 16 Richter des Bundesverfassungsgerichts könnten etwa drei Kandidaten für die Wahl durch Bundestag und Bundesrat vorschlagen, aus denen die beiden Kammern des Parlaments jeweils mit Zweidrittelmehrheit den neuen Richter bzw. die neue Richterin des Bundesverfassungsgerichts wählen. Dies hätte den Vorteil, daß wegen der Vorauswahl durch die Richter selbst eine gewisse fachliche Qualifikation sichergestellt wäre, wegen der Endentscheidung durch die Parlamentarier indessen dem Demokratiegebot noch Rechnung getragen wäre und wegen des Quorums wie bei verfassungsändernden Gesetzen eine allzu große Nähe der Kandidaten zu einer politischen Partei bei ihrer Wahl eher ausgeschlossen wäre. Politisch gemäßigte, fachlich qualifizierte Richter wären dann auch weniger anfällig für tagespolitisch oder gar ideologisch radikal motivierte Auslegungen der Verfassung. Das derzeitige System indessen begünstigt all das und schreibt auch fest, daß Verfassungsrichter nur aus dem Spektrum der langjährig führenden Parteien kommen. Derzeit stehen von den 16 Verfassungsrichtern 7 den Unionsparteien, 6 der SPD, 2 den Grünen und 1 der FDP nahe oder sind Mitglieder dieser Parteien. Andere, ebenfalls in Bundestag und Länderparlamenten vertretene Parteien, konkret Die Linke und die AfD, werden nach Sachlage jedenfalls in den nächsten Jahrzehnten keine Aussichten haben, mit einem ihnen nahestehenden Richter ihre politische Grundorientierung in die Entscheidungsfindung des höchsten deutschen Gerichts einzubringen. Das oben skizzierte Verfahren könnte auch hier möglicherweise dem strengen Odium der geschlossenen Gesellschaft eine mildere Note verleihen, anders gewendet: die Verfassung würde wirksam vor einem politisch abhängigen Verfassungsgericht geschützt.

Doch steht dem ein unüberwindliches Hindernis im Weg. Das ist nicht die Verfassung. Die kann man ändern. Das ist die politische Klasse, die sich in diesem System wohnlich eingerichtet hat. Wer sie aus dieser bequemen Behausung verteiben will, braucht große Mehrheiten. Die sind leider weit und breit nicht in Sicht.   

Das Mißverständnis

Alice Weidel Ist sicher das, was mein Vater selig eine Intelligenzbestie zu nennen pflegte. Indessen ist der IQ nicht das Maß aller Dinge. Das zeigt sich vor allem dann, wenn ein Sachverhalt mit dem Anspruch beurteilt wird, richtig und falsch allgemeingültig zu benennen.

Impfzwang durch die Hintertür

Frau Weidel hat dazu einen Schulfall beigetragen. Im Zusammenhang mit der Diskussion um die in Deutschland immer noch quälend langsam vorankommende Impfung der Bevölkerung gegen das Corona Virus, und zwar zur Frage, ob und wer und ab wann wieder größere Freiheiten bekommen soll, hat sie erklärt, Freiheiten für Geimpfte seien nichts anderes als ein Zwang durch die Hintertür. Das ist arg daneben.

Was passiert eigentlich genau?

Man muß dazu sowohl den Sachverhalt exakt erfassen, als auch seine rechtliche Bewertung sicher gründen. Die sogenannten Freiheiten für Geimpfte knüpfen daran, daß möglicherweise von ihnen keine Ansteckungsgefahr mehr ausgeht. Dazu hören wir aus dem Robert-Koch-Institut, daß nach derzeitigem Kenntnisstand mit allergrößter Wahrscheinlichkeit geimpfte Personen ebenso wie solche, die folgenlos infiziert worden sind, oder gar an Covid 19 erkrankt waren und diese Erkrankung überstanden haben, zum einen nicht mehr erneut angesteckt werden können, und, was im Zusammenhang mit Lockerungen oder Befreiungen von Interesse ist, ihrerseits auch nicht mehr ansteckend sein können. Das jedenfalls jeweils weitestgehend.

Wenn die Gefährdung entfällt, dann braucht man auch keine Gefahrenabwehr mehr

Also haben wir hier einen Sachverhalt, der, sollte er tatsächlich so sein, die gesetzlichen Voraussetzungen für Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz nicht mehr erfüllt. Wenn nach medizinischer Beurteilung aktive und passive Infektionsgefahr nicht mehr gegeben sind, dann sind Maßnahmen dagegen nicht nur überflüssig, sondern grundgesetzwidrig. Das Infektionsschutzgesetz ermächtigt den Verordnungsgeber ja ausdrücklich zu grundrechtseinschränkenden Maßnahmen. Allerdings auch nur so lange, wie die Gefahr andauert, die durch dieses Gesetz bekämpft werden soll. Es geht also nicht um die Gewährung von Freiheiten, sondern es geht darum, daß die grundsätzlich bestehenden Freiheiten eines jeden Menschen nicht mehr eingeschränkt werden dürfen. Würde der Staat in dieser Lage gleichwohl seine Maßnahmen (Lock Down, Maskenpflicht) weiterführen, so müssten Klagen betroffener Bürger dagegen auch schon im Eilverfahren Erfolg haben.

Auch wenn nicht alle geimpft sind…

Es liegt also in der Natur der Sache, daß der gesundheitliche Status von Menschen mit Impfung, überstandener Infektion oder gar Krankheit die Voraussetzungen für Grundrechtseinschränkungen nach dem Infektionsschutzgesetz entfallen lässt. Wer sich mit dieser Überlegung gegen Corona impfen läßt, unterliegt damit weder einem direkten, noch einem indirekten Zwang zur Impfung. Es ist daher auch nicht angängig, den Wegfall von Einschränkungen nach dem Infektionsschutzgesetz dann als eine Art Belohnung für den Geimpften zu zu erkennen. Vielmehr dürfen diese Maßnahmen auf geimpfte Personen nicht mehr angewandt werden, weil der Grund für solche Maßnahmen nicht mehr besteht. Dazu ist es auch nicht erforderlich, daß die Bevölkerung vollständig durchgeimpft oder von der Erkrankung genesen ist. Die sogenannte Herdenimmunität tritt ja bekanntlich schon dann ein, wenn 70-80 % der Bevölkerung geimpft sind. Das heißt, der Grund für freiheitsbeschränkende Maßnahmen entfällt dann gegenüber allen, ob geimpft oder nicht. Darauf hinzuweisen, ist natürlich kein indirekter Zwang zur Impfung, sondern die zutreffende Information des Bürgers. Wenn allerdings Politiker sich so ausdrücken, daß die Leute glauben müssen, sie würden für ihr Impfverhalten belohnt, dann ist das mehr als schräg. Und das kann selbst intelligente Menschen wie Frau Weidel dazu veranlassen, von einem Impfzwang durch die Hintertür zu sprechen, den es, wie oben erläutert, nicht geben kann.


Was eine Partei rechts von der Union leisten muß, Teil 2

Im ersten Teil dieser Stellungnahme habe ich den Ausgang der Landtagswahlen im Südwesten analysiert. Daran anschließend ist nun die oben aufgeworfene Frage zu beantworten.

Grundsätzliches

Man kann sich hier recht kurz fassen. Naturgemäß sind alle Fehler zu korrigieren, die in den vergangenen Jahren von der ehemals bürgerlichen Union unter der Führung von Merkel gemacht worden sind. Es ist eine Politik einzufordern, die Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit gibt, basiert auf dem freiheitlichen Menschenbild des Humanismus und der Aufklärung, wie es unter anderem auch im recht verstandenen Christentum aufzufinden ist. Die überkommenen guten Traditionen der Nation gilt es zu pflegen und weiter zu entwickeln, unzeitgemäß gewordenen Ballast abzuwerfen und eine tragfähige Grundlage für das Leben künftiger Generationen in unserem Lande zu schaffen.

Abbau hinderlicher Bürokratie in Deutschland und Europa

Zunächst sind die Fehlentwicklungen der letzten Jahre zu korrigieren. Um die wichtigsten herauszugreifen: Die überbordende Bürokratie, die der Wirtschaft Fesseln anlegt, die ihre Konkurrenzfähigkeit im internationalen Wettbewerb beeinträchtigen, und die mehr und mehr die Kreativität der Ingenieure und Kaufleute unseres Landes blockieren. Deutschland ist Bürokratieweltmeister. Deutschland sollte wieder Innovationsweltmeister werden. Die Fehlentwicklungen in der Europäischen Union sind zu korrigieren. Das beginnt mit der Besinnung auf das ursprünglich dort angelegte Subsidiaritätsprinzip. Nur das, was auf nationaler Ebene nicht oder nur sehr unvollkommen geregelt werden kann, ist auf europäischer Ebene zu regeln. Beispielhaft nenne ich technische Regeln, die schon deswegen vereinheitlicht sein müssen, weil ansonsten Handelshemmnisse entstehen. Aber auch bürokratische Regelungen, die ausschließlich dem Schutz ansonsten nicht konkurrenzfähiger nationaler Unternehmen dienen, sind aufzuheben. In diesem Punkt leistet die Europäische Kommission durchaus etwas im Sinne der ursprünglichen europäischen Idee. Auf der anderen Seite sind europäische Regelungen, die ohne Rücksicht auf gewachsene nationale Traditionen eine von niemandem wirklich gewollte Einheitlichkeit anstreben, ebenfalls aufzuheben. Ein plakatives Beispiel sind die europäischen Normen geopferten Streuobstwiesen bzw. die überzogenen Hygieneregelungen für Metzgereien mit eigener Schlachtung. Das groteske Ungleichgewicht der Wählerstimmen bei der Wahl zum europäischen Parlament muß beseitigt werden. Es kann nicht sein, daß die Bürger der kleinsten europäischen Länder ein Vielfaches an Gewicht ihrer Stimme haben, als die Bürger des mit Abstand größten Landes der Europäischen Union. Das sollte genügen, um die Richtung aufzuzeigen, in die sich Deutschland bewegen muß.

Staatsfinanzen

Eine solide Finanzpolitik ist Grundlage aller Nachhaltigkeit. Dazu gehört, die Schuldenbremse in der Verfassung zu belassen. Die in der Corona-Krise gemachten Schulden sind so schnell abzuzahlen, wie es die Entwicklung der Staatsfinanzen zulässt. Die Steuerpolitik hat sich daran zu orientieren, was zum einen die Staatsaufgaben erfordern, zum anderen eine international konkurrenzfähige Wirtschaft braucht. Dabei ist besonderes Augenmerk auf den Mittelstand zu legen, der die tragende Säule der deutschen Wirtschaft, aber auch einer freiheitlichen Gesellschaft ist.

Migrationspolitik

Die nur noch als absurd zu bezeichnende deutsche Migrationspolitik muß vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Die ungeregelte und völlig von den nationalen Interessen losgelöste Zuwanderung, gleich, ob auf der Grundlage des Asylrechts oder der UN-Flüchtlingskonvention, muß in geordnete Bahnen gelenkt werden. Dabei ist ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel notwendig, der auch die Aufkündigung des UN-Migrationspakts durch Deutschland beinhalten muß. Jenseits eines auf rechtlich zwingende Asyl- und (temporäre) Fluchtgründe beschränkten humanitären Zuwanderungsrechts ist die Einwanderung auf die Aufnahme von Fachkräften und anderen Menschen, die sich als Wissenschaftler, Künstler oder etwa Berufssportler selbst ernähren und zur Entwicklung des Landes beitragen, zu begrenzen. Zuwanderer, die erkennbar von vornherein unsere demokratische, rechtsstaatliche Kultur ablehnen, oder dies im Laufe ihrer Anwesenheit deutlich machen, sind nicht aufzunehmen bzw., soweit rechtlich möglich, zur Auswanderung zu bewegen.

Klimawahn nein, Umweltschutz ja

Eine lediglich ideologiegetriebene Klimapolitik ist abzulehnen. Wer über das Vehikel der angeblichen Rettung des Weltklimas in Wirklichkeit eine sozialistische Weltordnung einführen will, muß auf den entschiedenen Widerstand einer bürgerlichen Partei stoßen. Wer indessen ernsthaft für einen wirklichen Umweltschutz eintritt, verdient Unterstützung. Die sogenannte Energiewende ist kritisch zu überdenken. Wir haben inzwischen in Deutschland die höchsten Stromkosten und die geringste Sicherheit der Energieversorgung. Hier lohnt ein Blick in Nachbarländer, die ihre Energieversorgung auf einen vernünftigen Energiemix gründen. Eine bürgerliche Partei muß auch die massiven Umweltschäden, die durch eine unreflektierte Förderung von Energieträgern wie Wind und Sonne entstehen, deutlich machen.

Bildung und Wissenschaft

Eine Bildungspolitik, die wieder die Vermittlung von Wissen in den Vordergrund stellt, statt ideologisch begründeter Spielereien wie der Vermittlung von Kompetenzen statt Wissen, ist ebenso anzustreben wie die Förderung der Wissenschaft, insbesondere der Natur-und Ingenieurwissenschaften, die schließlich die Grundlagen für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes erarbeiten. Dem Wildwuchs in den Geisteswissenschaften, wie er insbesondere in der Scharlatanerie des sogenannten Gender-Forschung sichtbar geworden ist, muß ein Ende bereitet werden. Wir brauchen Wissenschaftler, keine Dummschwätzer.

Innere und äußere Sicherheit

Die innere Sicherheit war einmal die Domäne bürgerlicher Parteien. Die Polizei muß sowohl die sachlichen als auch die rechtlichen Instrumente haben, ihren Aufgaben effizient nachzukommen. Die äußere Sicherheit war ebenfalls einmal die Domäne bürgerlicher Parteien. In den letzten beiden Jahrzehnten haben sie jedoch im Zusammenwirken mit politisch linken Kräften die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr massiv heruntergefahren. Die bizarre Gesinnungsschnüffelei bei der unter den Generalverdacht rechtsextremer Tendenzen gestellten Bundeswehr ist einzustellen. Die Truppe ist mit ausreichenden Finanzmitteln auszustatten, dabei ist die Zusage an die Verbündeten, künftig 2 % des Bruttosozialprodukts für Verteidigungszwecke aufzuwenden, zügig zu verwirklichen. Die allgemeine Wehrpflicht diente im kalten Krieg nicht nur dazu, die erforderliche Truppenstärke zu erzielen. Die Truppe bekam auf diesem Wege auch Berufs- und Zeitsoldaten aus der ganzen Breite der Gesellschaft, was sich durchweg positiv auf das intellektuelle Niveau und die charakterlichen Eigenschaften der Soldaten auswirkte. Sie ist daher grundsätzlich wieder einzuführen, wobei ihre Gestaltung im einzelnen auf keine ideologischen Schranken stoßen darf.

Keine Förderung der Feinde unserer freien Gesellschaft

Das Unwesen der Steuerverschwendung durch Zahlung immer größerer Summen an immer mehr sogenannte NGOs, vorwiegend linksradikaler Prägung wie die unsägliche Amadeu-Antonio-Stiftung, muß unverzüglich beendet werden. Das Geld der Steuerzahler darf nicht dazu verwandt werden, politische Ideologien gleich welcher Richtung zu verbreiten.

Was also nötig ist

Das ist in groben Zügen das, was unser Land braucht, was sich vernünftige Leute landauf, landab wünschen, und was deswegen eine politische Partei rechts von der Union leisten muß.


Was eine Partei rechts von der Union leisten muß

Ausgangspunkt

Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind Geschichte. Ihre Ergebnisse haben naturgemäß Debatten über Ursachen und Folgen ausgelöst. Das gilt nicht nur für die möglichen Koalitionen auf Bundesebene nach dem 26.September 2021. Das gilt auch für die neu aufgeflammte Debatte über Ausrichtung und Ziele der AfD. Dazu hat sich Benedikt Kaiser von der rechten Denkfabrik in Schnellroda ausführlich geäußert. Diese Ausführungen fordern zum einen Widerspruch heraus und geben zum anderen Veranlassung, sich grundsätzlich zu der Frage zu äußern, die in der Überschrift aufgeworfen wird.

Vorbemerkung:

Nicht nur um Missverständnissen vorzubeugen ist klarzustellen, was die Einordnung „rechts von der Union“ inhaltlich besagt und warum eine politisch so positionierte Partei in Deutschland nicht nur existieren, sondern erfolgreich am politischen Leben teilnehmen muß. Die natürliche Einteilung der politischen Lager seit der französischen Revolution ist die in rechts und links. Das wird in allen Ländern außer Deutschland auch unverkrampft und zwanglos so gehandhabt. In Deutschland indessen hat der Begriff der politischen Rechten einen Haut Gout. Das ist ganz offensichtlich mit dem auch mehr als 75 Jahre nach dem Untergang der Hitler-Diktatur immer noch verkrampften Verhältnis der Deutschen zu ihrer jüngeren Vergangenheit geschuldet. Weil diese Diktatur eine rechtsextreme war, wenn auch mit typisch linken Einsprengseln wie dem Gleichheitsdogma (du bist nichts, dein Volk ist alles), ist seither in Deutschland offenbar politisch alles kontaminiert, was rechts von einer wie auch immer definierten Mitte positioniert ist. Daraus erwuchs eine bis zur Lächerlichkeit getriebene politische Mimikry, die auch nur den Anschein krampfhaft zu vermeiden sucht, man vertrete politisch rechte Positionen.Tatsächlich indessen sind in anderen Ländern bürgerliche und konservative politische Ansichten regelmäßig in den Begrifflichkeiten der politischen Topographie als rechte, nicht zu verwechseln mit rechtsradikalen oder rechtsextremen, Positionen und Parteien definiert. So spricht man ganz unbefangen von Mitte-Rechts Regierungen genauso wie von Mitte-Links Regierungen. Daß dieser Sprachgebrauch in Deutschland nicht nur dazu geeignet ist, sondern ersichtlich auch dem Ziel geschuldet ist, alles was politisch rechts von der Mitte oder dem, was man dafür hält, situiert ist, als „rechts“ im Sinne von rechtsradikal bis NS-affin zu desavouieren, liegt auf der Hand. Wer die Definitionshoheit über den Sprachgebrauch hat, der beeinflusst auch das Denken in der Sache selbst. Diese missliche Situation hat das rechte, also bürgerlich-konservative, politische Lager in Deutschland insofern selbst verschuldet, als man dem nicht schon sehr früh entschieden entgegengetreten ist. Diese Versäumnisse gilt es aufzuholen. Dies ist mit eine der ersten Aufgaben, der sich Politiker und Publizisten der demokratischen Rechten widmen müssen. 

Das Feld, das schon seit vielen Jahren nicht mehr bestellt wird

Es ist offensichtlich, daß unter der Führung von Angela Merkel die Union ihren Charakter als zumindest in Grundzügen bürgerlich-konservative und auch im traditionellen Sinne christliche Volkspartei verloren hat und weit in den linksliberalen, teilweise sogar grünlinken Bereich abgedriftet ist. Hierüber ist sehr viel geschrieben worden, man kann auch sagen, daß darüber allgemein Einigkeit besteht, politische Propaganda der Union und ihrer medialen Steigbügelhalter einmal ausgenommen. Nun gehört bürgerlich-konservatives Denken zu den politischen Konstanten. Es ist ganz natürlich, daß diese Vorstellungen vom Zusammenleben der Menschen, der Organisation des Staates und der Wirtschaft von den Anfängen der demokratischen Bewegungen bis heute der Grundbefindlichkeit vieler Menschen entsprechen, ebenso wie dies für linke, sozialistische Vorstellungen gilt. Wenn eine politische Partei diesen Teil der Wählerschaft aufgibt, oder sich sogar in der Vorstellung gefällt, diesen Teil der Wählerschaft gewissermaßen umpolen und sie von linken Gesellschafts -und Wirtschaftsmodellen überzeugen zu können, wird sie damit auf Dauer scheitern. Dieser Teil des Wahlvolks wird dann bestenfalls heimatlos, nimmt an denParlamentswahlen nicht mehr teil oder wählt mangels seriöser Alternativen dann wenigstens in geringem Umfang rechtsradikal. Das bedeutet aber auch, daß sich für bürgerlich-konservative Parteien, die neu auf den Plan treten, die Chance eröffnet, diese Brache zu beackern und politische Früchte in Form der Teilhabe am parlamentarischen System des Machtwechsels zu ernten. Dies wiederum ist ja eine der tragenden Säulen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unseres Landes.

Was folgt daraus?

Ich will mich nun mit der Wahlanalyse aus dem Think Tank von Götz Kubitschek befassen, die sicherlich nicht ohne Abstimmung mit Björn Höcke erstellt worden ist.

Benedikt Kaiser untersucht die Wahlergebnisse in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz anhand der Wählerwanderung, der Gewinne und Verluste der Parteien und des von Wahlforschern ermittelten Wahlverhaltens von Bevölkerungsgruppen wie Arbeiter, Angestellte, Selbständige und Rentner, aber auch anhand der angegebenen Kompetenzzuweisungen an die Parteien, und politische Agenden wie etwa Kriminalitätsbekämpfungs- und Flüchtlingspolitik, soziale Gerechtigkeit, Wirtschaft etc. pp. Dabei stellt er zutreffend fest, daß die Wählerwanderung von der AfD in beiden Bundesländern vorwiegend zu den Nichtwählern erfolgt ist, geht aber recht oberflächlich darüber hinweg, daß jedenfalls in Baden-Württemberg die ehemaligen AfD-Wähler in fast gleicher Zahl CDU und andere Parteien gewählt haben. Er erkennt insbesondere nicht, daß in Baden-Württemberg von den insgesamt 270.000 Wählern, die anders als vor fünf Jahren nicht mehr AfD gewählt haben, 70.000 CDU und immerhin 75.000 FDP und „andere“ gewählt haben, wobei in letzteren auch die 3 % Freie Wähler enthalten sind. Das sind dutlich mehr, als die 110.000, die ins Lager der Nichtwähler abgewandert sind. In Rheinland-Pfalz haben von den 73.000 Wählern, die anders als vor fünf Jahren nicht mehr AfD gewählt haben, immerhin 5.000 FDP und weitere 5.000 „andere“ gewählt. Dabei muß doch auffallen, daß in Rheinland-Pfalz die FDP 5,5 % und die Freien Wähler 5,4 % erzielt haben. Dennoch kommt Kaiser zu dem Ergebnis, daß sowohl in Baden-Württemberg als auch in Rheinland-Pfalz die AfD statistisch gesehen die meisten Wähler in Richtung Wahlenthaltung, nicht aber zuvörderst an bürgerliche Parteien verloren habe. Das ist nur auf den ersten Blick richtig, auf den zweiten bleibt gerade für Baden-Württemberg, daß etwa die Hälfte der verloren gegangenen Wähler entweder nicht gewählt haben, oder doch bürgerliche, zumindest als bürgerlich wahrgenommene Parteien gewählt haben. Die zentrale Erkenntnis Kaisers ist indessen, daß seines Erachtens die Politikfelder von der AfD vernachlässigt worden sind, die ihren Wählern bzw. ihren möglichen Wählern wichtig sind, wie Kriminalitätsbekämpfung Asyl- und Flüchtlingspolitik, soziale Gerechtigkeit und Arbeitsplätze.

Die Schlussfolgerungen aus der Wahlanalyse:

Vorweg genommen die Zusammenfassung. Kaiser behauptet, nur eine inhaltlich deutlich andere Politik als die, welche von der AfD in den beiden Landtagswahlkämpfen präsentiert worden sei, könne die AfD als ernstzunehmende politische Kraft in Deutschland dauerhaft verankern. Klar benennt er seine Grundposition, wenn er ausführt: „Worum es im Superwahljahr 2021 also zuvorderst geht, ist die Verschmelzung von identitätsbezogenen und sozialorientierten Standpunkten bei einer umfassenden Professionalisierung des eigenen Auftretens auf allen Ebenen…“ Das ist eine andere Formulierung für den solidarischen Patriotismus, der auf einen Ausbau des Sozialstaates für die ethnisch deutsche Bevölkerung hinausläuft, was gleichzeitig eine Begrenzung der Aufwendungen für Zugewanderte bedeutet, gleichgültig auf welchem Rechtstitel ihr Aufenthalt in Deutschland beruht. Das ist auch das Thema seines Buches „Solidarischer Patriotismus – die soziale Frage von rechts“. Es ist im Verlag Antaios erschienen, der zur Unternehmensgruppe Kubitschek gehört, und bei dem Kaiser auch angestellt ist. In der Verlagsinformation zum Buch heißt es dann eingangs schon: „Die soziale Frage ist mit der nationalen Frage untrennbar verknüpft.“

Das Konzept solidarischer Patriotismus und das Grundgesetz

Wer grundsätzliche politische Theorien ersinnt und sie als Rezept für die politischen Parteien anbietet, bzw. zur Grundlage staatlichen Handelns machen will, muß sich stets an den tragenden Säulen der Verfassung orientieren, nämlich am Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip sowie an der Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zum Schutz der Menschenwürde. Mit letzterem sind politische Konzepte unvereinbar, die exklusive Rechte für ethnisch Deutsche einfordern. Die Verschmelzung von identitätsbezogenen und sozialorientierten Standpunkten läuft aber gerade darauf hinaus. Einschlägige Gesetzesvorhaben müssten regelmäßig beim Bundesverfassungsgericht scheitern. Eine politische Partei, die derartiges programmatisch vertritt, wäre damit nicht nur automatisch Gegenstand der Beobachtung durch den Verfassungsschutz, sondern müsste auch mit einem Verbotsverfahren nach Art. 21 GG rechnen.

Das legitme Streben nach relativer Homogenität

Zur Klarstellung muß allerdings darauf hingewiesen werden, daß das Bestreben, eine relative Homogenität des deutschen Volkes zu bewahren, keinesfalls als verfassungsfeindliche Bestrebung im beschriebenen Sinne bewertet werden kann. Auch wenn das Bundesamt für Verfassungsschutz mit Blick auf die AfD derartigen Vorstellungen anhängt, ist das eben aus verfassungsrechtlicher Sicht durchaus legitim. Stellvertretend für eine Vielzahl angesehener Verfassungsrechtslehrer sei hier Ernst-Wolfgang Böckenförde zitiert: „Der spezifische Charakter der demokratischen Gleichheit zielt – über die formelle rechtliche Zugehörigkeit, die die Staatsangehörigkeit vermittelt, hinausweisend – auf ein bestimmtes inhaltliches Substrat, zuweilen substantielle Gleichheit genannt, auf dem die Staatsangehörigkeit aufruht. Hier meint Gleichheit eine vor-rechtliche Gemeinsamkeit. Diese begründet die relative Homogenität, auf deren Grundlage allererst eine auf der strikten Gleichheit der politischen Mitwirkungsrechte aufbauende demokratische Staatsorganisation möglich wird; die Bürger wissen sich in den Grundsatzfragen politischer Ordnung ‚gleich‘ und einig, erfahren und erleben Mitbürger nicht als existenziell anders oder fremd und sind – auf dieser Grundlage – zu Kompromissen und loyaler Hinnahme der Mehrheitsentscheidungen bereit.“ Diese relative Homogenität des ethnisch-kulturellen Mehrheitsvolks hat das Bundesverfassungsgericht im Maastricht-Urteil (jedenfalls in kultureller Hinsicht) als Voraussetzung für demokratische Legitimation bezeichnet. Daher hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 18.05.2001 festgestellt, die Wahrung der geschichtlich gewachsenen nationalen Identität und die Verhinderung einer multiethnischen, multikulturellen Gesellschaft seien Ziele, die nicht gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verstießen. Nichts anderes folgt aus dem NPD-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017. Danach verstößt lediglich das von der NPD propagierte Konzept einer ethnischen Volksgemeinschaft, das Ausländer, Migranten und andere Minderheiten ausgrenzt und rechtlos stellt, gegen die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes. Die Konzeption der ethnisch-kulturellen Homogenität schließt indessen ein, daß sich Menschen aus anderen Völkern und Kulturkreisen in eben dieses Staatsvolk nicht nur rechtlich, sondern auch kulturell eingliedern. Mit anderen Worten: der Inkulturation steht die Abstammung nicht entgegen.

Somit kann die Solidarität mit den wirtschaftlich schwachen Teilen der Gesellschaft in Gestalt der Sozialleistungen und Förderung eben nicht mit der nationalen Frage verknüpft werden, jedenfalls nicht dann, wenn darunter zu verstehen ist, daß nur die ethnisch homogene Nation unter Ausschluß der Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen zu erhalten ist. Damit gerät man auch nicht nur sprachlich gefährlich nahe an den Nationalsozialismus.

Das Wählerpotenzial der „kleinen Leute“

Kaiser zitiert zustimmend Höcke, der schreibt: „Nur mit einem klaren sozialpolitischen Profil läßt sich die große Wählergruppe der kleinen Leute gewinnen, die am meisten unter den Zumutungen der Globalisierung des Klimawahns (Strompreise!) und den Migrationsfolgen leidet.“ Das ist nicht ganz falsch, allerdings wird es falsch, wenn man daraus eben eine Exklusivität der ethnisch Deutschen herleitet. Im Übrigen ist es den vielzitierten kleinen Leuten im Ergebnis gleichgültig, wie die Verbesserung ihrer sozialen Lage erreicht wird, und gegebenenfalls auf wessen Kosten. Davon scharf zu trennen ist, daß die hohen Summen, die der Staat seit einigen Jahren aufwendet, um eine große Zahl von wirtschaftlich auf Dauer nicht leistungsfähigen und zum nicht geringen Teil auch kulturell nicht integrierbaren, weil nicht integrationswilligen Zuwanderern zu alimentieren, in der Tat den Unmut großer Teile der Bevölkerung, gerade auch unter den sozial Schwachen hervorrufen. Daß sie allerdings ihre prekäre soziale Lage ausschließlich darauf zurückführen, daß der Staat Geld, das ihnen ihres Erachtens zusteht, für Migranten ausgibt, ist keinesfalls ausgemacht.

Das Wählerpotenzial der Grünen:

Kaiser behauptet, die Grünen in Südwestdeutschland seien die neue Kraft der Bürgerlichen im allgemeinen wie der Akademiker im besonderen. Die neue Mitte im Westen sei grosso modo linksliberal (und hedonistisch, moralistisch etc.); es seien Gewinner der herrschenden Verhältnisse, sie suchten dementsprechend keine Alternative zum Ist-Zustand. Das trifft auf die typischen Grünwähler in den sprichwörtlichen luxussanierten Altbauwohnungen und gut bezahlter, unkündbarer Stellung im öffentlichen Dienst in der Tat zu, keinesfalls aber auf die breite Mitte der Gesellschaft insgesamt. Und weiter, die Wähler der AfD seien demgegenüber – gefühlt oder real – keine Gewinner herrschenden Verhältnisse. Ein stabiler bürgerlich-konservativer Sockel sei im Bürgertum nicht mehr auszumachen. Plakativ: 2021 sei nicht 1981.

Diese Überlegungen mögen zwar plausibel klingen. Sie werden indessen weder empirisch belastbar, noch gar wissenschaftlich belegt. Zwar ist Kaiser Politologe und müsste deswegen über einschlägige Forschungsergebnisse berichten können, wenn es sie denn gäbe. Bei genauerem Hinsehen lösen sich jedoch diese Argumente in Luft auf. Das in der Tat glänzende Wahlergebnis der Grünen in Baden-Württemberg ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß ihr Spitzenkandidat Winfried Kretschmann persönlich bis weit in traditionell bürgerliche Kreise hinein beliebt ist. Das Wahlergebnis von 32,6 % der gültigen Wählerstimmen muß mit dem Wahlergebnis in Rheinland-Pfalz verglichen werden. Dort erzielten die Grünen nur 9,3 %. Bundesweit liegen die Grünen seit geraumer Zeit stabil bei etwa 20 %. Das ist nicht wenig, aber auch nicht das von Kaiser apostrophierte neue bürgerliche Lager. Zutreffend dürfte seine Analyse dahingehend sein, daß der akademische Bereich überwiegend grün wählt. Indessen besteht das bürgerliche Lager nicht nur aus Akademikern, wobei auch bei diesen differenziert werden muß zwischen Naturwissenschaftlern und Geisteswissenschaftlern. Bei letzteren überwiegen sicherlich derzeit die Anhänger der Grünen, bei ersteren eher nicht. Der grüne Bauingenieur ist wohl ebenso selten wie der AfD-affine Literaturwissenschaftler. Es scheint mir auch noch lange nicht ausgemacht zu sein, daß es bei den Grünen nicht anders sein soll, wie auch sonst bei linken Bewegungen. Viele, die in ihrer Jugend linken Theorien gefolgt sind, werden im Laufe ihres Lebens realistisch und nicht selten konservativ. Wer sich selbst kritisch prüft und sich in seinem Bekanntenkreis umsieht, der wird derartige Biografien in großer Zahl registrieren, vielleicht auch seine eigene.

Die Wähler in den neuen Ländern

Kaiser weist auf das hohe Wählerpotenzial für die AfD in den neuen Ländern hin. Nun sind hier nach Umfragen ohne weiteres Wahlergebnisse um die 20 % zu erwarten. Doch auch dies muß relativiert werden. Zum einen sind 20 % keine Größenordnung, die zwingend zu Regierungsbeteiligungen führen muß. Allenfalls als Juniorpartner. Zum anderen ist dies eine Besonderheit der neuen Länder, die jedoch nur etwa 16 % der Wahlberechtigten in Deutschland stellen. Demgemäß liegt die AfD in Deutschland nach den Umfragen bei 10-11 %. Indessen ist derzeit und auch in den nächsten zehn Jahren nicht damit zu rechnen, daß selbst eine klar bürgerliche AfD von den Parteien als Koalitionspartner akzeptiert werden könnte, die sie bis dahin als rechtsextrem diffamiert haben. Kaiser und seine Stichwortgeber sehen daher die AfD auch nicht in dieser politischen Rolle – die allerdings den politischen Parteien vom Grundgesetz zugewiesen ist – sondern als Bewegungspartei außerhalb des traditionellen, man könnte auch sagen etablierten, politischen Milieus. Als Außenseiter „draußen vor der Tür“, aber Stachel im Fleisch der grundsätzlich abgelehnten Mehrheit. Was eine solche Partei auf Dauer bewirken soll, bleibt im Dunkeln. Sie mag in der Lage sein, den einen oder anderen Skandal parlamentarisch aufzudecken. Sie kann natürlich ihre politischen Konzepte öffentlichkeitswirksam vortragen, denn totschweigen kann man sie ja nicht. Sie muß allerdings damit rechnen, nicht nur in einer Dauerauseinandersetzung mit dem Verfassungsschutz leben zu müssen, sondern auch gesellschaftlich dauerhaft stigmatisiert zu sein. Anders als Kaiser glaubt, ist einer solchen Partei auch kein Wählerpotenzial von 15 % bis 17% sicher, womit man „die Verhältnisse zum Tanzen bringen“ kann. Vielmehr muß davon ausgegangen werden, daß eine solche Bewegungspartei, die nach ihrem Programm und dem Auftreten ihrer Funktionäre als rechtsradikal wahrgenommen wird, was sie dann wohl auch ist, allenfalls 5-7 % der Wählerstimmen dauerhaft gewinnen kann. Damit bleibt sie jedoch, um im Bilde zu bleiben, dauerhaft draußen vor der Tür.

Das bürgerliche Wählerpotenzial:

Tatsächlich zeigen auch die Ergebnisse der Landtagswahlen im Südwesten ein bürgerliches Wählerpotenzial jenseits eines rechtsradikalen Milieus auf. Zum einen gibt es nach wie vor bürgerliche Unionswähler, und nicht nur Mitläufer eines linken Mainstreams. Zum anderen gibt es die Ergebnisse von FDP und Freien Wählern, Parteien, die zwar aus der Sicht von Kaiser und seinen Gewährsleuten „harmlose Ablenkungsformate“ sind, aber eben doch 10-15 % der Wähler ansprechen. Und das sind die Parteien, zu denen bürgerliche AfD-Wähler mit Sicherheit abwandern werden, wenn sich die AfD eindeutig als rechtsradikale Bewegungspartei positioniert.

Schlussfolgerung:

Kaiser zeigt einen Irrweg auf. Er führt in eine Sackgasse. Die dringend notwendige Alternative zur derzeitigen Politik kann so nicht hergestellt werden. Im Gegenteil. Die Existenz einer solchen rechten Bewegungspartei mit nie ganz wegzuwischender Affinität zum historischen Faschismus und Nationalsozialismus begründet die manifeste Gefahr, daß seriöse konservative Politikmodelle vom politischen Gegner, der ja in den Medien omnipräsent ist, in die Mithaftung für solchen politischen Unfug genommen werden. Der AfD ist daher dringend anzuraten, sich von den Konzepten aus der Denkfabrik in Schnellroda deutlich zu distanzieren. Nur dann hat sie mittel- bis langfristig die Chance, sich als bürgerliche Alternative zur verhängnisvollen Politik von Union, Sozialdemokratie und Grünen zu etablieren. Nur so kann die Vernunft wieder Einzug in die deutsche Politik halten. Praktische Vernunft und esoterische Bewegungen schließen einander aus.





Oui, mais Il y a des juges a Cologne

Ja, aber es gibt noch Richter in Berlin, soll der Müller von Sanssouci Friedrich dem Großen zugerufen haben, als der dem verkaufsunwilligen Müller erklärt hatte, er könne ihm seine Mühle ja auch entschädigungslos wegnehmen. Daß es diese Richter in Berlin gab, zeigte dann ja auch der Ausgang des Prozesses zwischen dem Müller Arnold und dem Grafen von Schmettau, in das sich der König erfolglos zugunsten des Müllers eingemischt hatte. Die Richter blieben von den Weisungen des Königs unbeeindruckt. Es gibt gottlob auch in unserer Zeit immer noch diese unabhängigen Richter, auf die der Müller von Sanssouci seinen König aufmerksam machte um ihm damit auch zu bedeuten, daß selbst der Willkür eines Königs in einem Rechtsstaat Grenzen gesetzt sind. Entgegen aller modischen Verteufelung unserer Vergangenheit zeigt auch dieser Fall ebenso wie der des Müllers Arnold, daß Preußen durchaus ein Rechtsstaat war, wenn auch noch keine Demokratie.

Der Fall

Ja, es gibt noch Richter in Köln, und, worauf wir noch kommen werden, in Kassel. Doch der Reihe nach. Bekanntlich hält die politische Klasse in Deutschland die AfD für verfassungsfeindlich. Die Verfassungsschutzbehörden der Länder, und seit geraumer Zeit auch des Bundes, kommen dem nach und beobachten Untergliederungen dieser Partei, oder kündigen dergleichen an. Hinsichtlich der Partei als Ganzes hat nun, nachdem schon viel durchgesickert war, das Bundesamt für Verfassungsschutz durchsickern lassen, die Partei als Verdachtsfall zu beobachten. Dies, obwohl in einem anhängigen Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Köln, in dem die AfD gegen diese Beobachtung durch den Verfassungsschutz klagt, ein Stillhalteabkommen geschlossen worden war, in welchem der Verfassungsschutz sich verpflichtet hatte, zumindest während der Dauer des Eilverfahrens die AfD nicht beobachten zu wollen, und dies auch nicht zu kommunizieren. Das hat man dann doch getan, und auf dem Weg über die sprichwörtlichen gut unterrichteten Kreise die Presse informiert. Man hat also die Zusage gegenüber dem Gericht und der Gegenpartei gebrochen, und genau das getan, was das Gericht möglicherweise später verbieten wird. Dafür stehen die Chancen nicht einmal schlecht.

Die Mißachtung des Gerichts

An dem Vorgang ist zunächst einmal bemerkenswert, daß die Exekutive, welcher das Bundesamt für Verfassungsschutz ja nun einmal nachgeordnet ist, es offenbar für völlig unerheblich hält, daß man einem Gericht zugesagt hat, sich in bestimmter Art und Weise zu verhalten. Dieser Vorgang ist ernst zu nehmen. Die Justiz ist die dritte Gewalt im klassischen Modell der Demokratie nach Montesquieu. So ist sie auch in unserer Verfassung ausgestaltet, und zwar mit der richterlichen Unabhängigkeit, die auch von keiner Verfassungsänderung angetastet werden kann. Anders als Regierung und Parlament verfügt sie allerdings nicht über Machtmittel wie Armee und Polizei, um ihre Entscheidungen gegebenenfalls gewaltsam durchzusetzen. Allein ihre in Jahrhunderten gewachsene Autorität, abgesichert durch die geschriebene Verfassung, garantiert, daß ihre Entscheidungen auch von allen Bürgern, aber auch Exekutive und Legislative befolgt werden. Das ist der Konsens der Demokraten.

Gerichte sind zu respektieren, auch von der Politik

Und das gilt ganz unabhängig davon, welche Instanz im konkreten Falle entscheidet, sei es das Bundesverfassungsgericht oder ein Amtsgericht im bayerischen Wald. Und das gilt ganz unabhängig davon, ob ein Kollegium von Professoren in Richterrobe oder eine gerade erst zur Richterin bestellte junge Dame von 25 Jahren amtiert. So ist es im vorliegenden Falle gleichgültig, ob das Verwaltungsgericht Köln in Gestalt einer Kammer mit drei Berufsrichtern und zwei lebenserfahrenen Laienrichtern entscheidet, oder ob die eben apostrophierte junge Assessorin den Fall zu entscheiden hat. Jeder in unserem Land, vom Bundespräsidenten angefangen bis zum Bettler, vom Milliardär bis zum Hilfsarbeiter, jeder hat das zu respektieren.

Der Zweck heiligt die Mittel, und seien sie noch so dreckig

Im vorliegenden Falle indessen hat ganz offensichtlich die Politik in Gestalt der Bundeskanzlerin und des Bundesinnenministers Druck auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und seinen Präsidenten ausgeübt, damit endlich die verhasste AfD in der Öffentlichkeit als verfassungsfeindliche Partei bloßgestellt werden kann. Schließlich geht es um die Aussichten aller politischen Parteien in den Parlamentswahlen dieses Jahres, beginnend am 14. März in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz und endend am 26. September mit der Bundestagswahl. Die Wähler sollen eben davon abgehalten werden, diese Partei zu wählen. Diese Wählerstimmen will man lieber selbst bekommen. Nachdem man seit Jahren diese Partei als angebliche Verfassungsfeindin darstellt, selbstverständlich unterstützt durch die Medien, weiter unterstützt von Kirchen, Gewerkschaften und der sogenannten Zivilgesellschaft, nachdem man das seit Jahren so zelebriert, darf es einfach nicht sein, daß diese Partei in einem Wahljahr am politischen Wettbewerb unbehelligt teilnehmen kann. Wenn schon ein Verbot durch das Bundesverfassungsgericht nicht erreichbar ist, dann muß wenigstens die öffentliche Verurteilung erfolgen. Und dazu gehört die Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden, natürlich nicht still und heimlich, sondern in aller Öffentlichkeit und möglichst bei jeder sich passenden Gelegenheit der Hinweis darauf. Und deswegen ist es offenbar völlig gleichgültig, ob hier die Würde der Justiz mit Füßen getreten wird oder nicht. Allein das höhere Ziel ist maßgebend, der Zweck heiligt die Mittel.

Der Knappe wird seinen Lohn erhalten

Normalerweise müsste ein Verfassungsschutzpräsident seinen Hut nehmen, wenn seine Behörde sich so verhält wie geschehen und eine Absprache mit der Gegenseite und Zusage gegenüber dem Gericht einfach bricht. Das müsste er auch dann, wenn er selbst das nicht angeordnet hätte, sondern nachgeordnete Mitarbeiter dies eigenmächtig getan hätten. Denn dann würde man mit Recht sagen, daß er seine Behörde nicht im Griff hat. Gerade von einem Geheimdienst sollte man erwarten können, daß dort Dinge geheim bleiben können. Allerdings geht auch das Verwaltungsgericht Köln offenbar davon aus, daß hier die Behörde durchaus bewußt interne Entscheidungen „durchgestochen“ und entsprechende Informationen an die Medien gegeben hat. Darunter auch, was ebenfalls skandalös ist, die Weitergabe des Schriftsatzes mit dem eigenen Prozessvortrag im Verfahren. Unter Richtern und Anwälten ist es unstreitig, daß es sich bei den Prozessakten um vertrauliche Interna handelt. Doch hier gelten offenbar andere Maßstäbe. Deswegen wird Herr Dr. Haldenwang sein Amt behalten. Er hat sich ja als getreuer Knappe seines Herrn gezeigt. Das verdient Belohnung und nicht Entlassung.

Der Schuß wird nach hinten losgehen

Nach Sachlage dürfte aber auch die Prüfung des Vorwurfs der Verfassungsfeindlichkeit zu dem Ergebnis führen, daß dieser Vorwurf nicht begründet ist, allenfalls gegen einzelne Personen aus dieser Partei. Damit wird dann gerichtlich den pauschalen und deswegen leider sehr öffentlichkeitswirksamen Vorwürfen der Verfassungsfeindlichkeit die Spitze genommen werden. Eine Vorahnung davon bekommt man, wenn man weiß, daß der Hessische Verwaltungsgerichtshof erst vor wenigen Tagen dem Verfassungsschutz dieses Bundeslandes untersagt hat zu behaupten, in der hessischen AfD gebe es bis zu 600 oder gar exakt 600 rechtsradikale Mitglieder, die zum ehemaligen „Flügel“ der Partei gehörten. Das Gericht konnte nach Sachprüfung nicht feststellen, daß dieser Vorwurf zu Recht erhoben worden ist. Denn er war offenbar ohne sachliche Grundlage.

Wir wissen nun…

Es bleibt abzuwarten, wie diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln von den regierungstreuen Medien behandelt werden wird. Sie wird sich nicht genauso  kleinreden und unter der Rubrik „ferner ist passiert“ einsortieren lassen, wie die erwähnte Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs. Wer die Dinge in unserem Lande aufmerksam beobachtet, der wird nicht umhin kommen festzustellen, daß gerade diejenigen, die mit den Fingern auf andere zeigen und sie als Verfassungsfeinde beschimpfen, selbst die Verfassung mit anmaßender Selbstherrlichkeit brechen. Denn nichts anderes geschieht, wenn die Exekutive ein Gericht derartig missachtet, wie das im vorliegenden Falle geschehen ist. Aber man weiß nun, wo jedenfalls auch Verfassungsfeinde sitzen. Sie sitzen eben nicht nur in rauchgeschwängerten Kneipen und hören  Rechtsrock. Sie sitzen auch an den Schreibtischen von Ministern und Verfassungsschutzpräsidenten.



Lügt sie oder schwätzt sie nur dumm daher?

Angela Merkel hat sich am 26. Januar dieses Jahres in ihrer Videoansprache zum Weltwirtschaftsgipfel mit dem Thema Klimawandel befaßt. Dieses Thema ist für sie offenbar sehr wichtig, so wichtig, daß es trotz der Corona-Krise auf der Agenda bleiben muß. Und das ist eine sehr spezielle Agenda, wie man schon daran erkennen kann, welche Tatsachenbehauptungen sie aufstellt, natürlich um daran ihre Politik für die nächsten Jahre auszurichten. Für die nächsten Jahre auch als Auftrag für ihren Nachfolger. Sie kann natürlich sicher sein, daß ihr Nachfolger, ob er nun Laschet oder Söder heißen wird, ihre Politik fortsetzen wird. Beide gehören offensichtlich zu ihren glühenden Fans.

Ich mach mir die Welt so wie sie mir gefällt

Schauen wir uns also an, was Merkel ihrem Publikum als Fakten verkauft. Das beginnt mit den behaupteten Erfolgen in Sachen „regenerative Energien“. Übrigens auch so eine typische Vokabel aus dem politischen Dummsprech. Regenerativ sind natürlich nicht Energien. Energie entsteht aus der Nutzung von Energieträgern. Die können in dem Sinne regenerativ sein, daß sie aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden, oder bei der Energieerzeugung erhalten bleiben, wie etwa das Wasser, das Turbinen antreibt, die elektrische Energie erzeugen, von der ein Teil genutzt wird, das Wasser wieder nach oben zu pumpen. Aber offenbar ist die Politik auf so eine Schlagzeilensprache angewiesen. Denn präzise Erläuterungen passen eben nicht in griffige und kurze Formulierungen, sondern beanspruchen ein größeres Textvolumen. Das möchten Politiker ihrem Volk allerdings nicht zumuten, vor allem möchten sie nicht in die Gefahr geraten, sachliche Aussagen begründen zu müssen und dann dabei Fehler zu machen, die das Volk bemerkt.

Die angebliche Quote der „regenerativen Energien“

Deutschland habe inzwischen mehr als 40 % der Energieerzeugung aus regenerativen Energien, behauptet die Kanzlerin. Um ihr Volk gefügig dafür zu machen, für das hehre Ziel des Klimawandels weitere Opfer zu bringen, insbesondere in Gestalt weiter steigender Kosten für den Energieverbrauch, verbindet sie Lob und Forderung. „Aber wir wissen auch, welche Anstrengungen damit verbunden sind. Wenn wir die Verwundbarkeit durch den Klimawandel wirklich überwinden wollen, dann müssen wir harte politische Maßnahmen durchführen, bei denen wir die Menschen mitnehmen müssen.“ Wenn Politiker davon sprechen, die Menschen „mitnehmen“ zu wollen, ist das nichts anderes als die Umschreibung von Zumutungen. Die Zahl 40 % ist indessen so falsch, daß man nur von bewusster Irreführung, besser gesagt, Lüge sprechen muß. Tatsächlich betrug der Anteil dieser sogenannten regenerativen Energien – Wind- und Solarenergie, Wasserkraft, Gas und Kraftstoffe aus Biomasse – am Primärenergieverbrauch laut Branchenverband BDEW im vergangenen Jahr gerade mal 14,9 %. Die behaupteten 40 % beziehen sich ausschließlich auf Elektroenergie. Das ist nur ein kleiner Teil der insgesamt verbrauchten Energie. Der Großteil des Primärenergieverbrauchs entfällt auf Wärmeerzeugung und Verkehr. Rund 35 % macht das Mineralöl aus, dann kommen Gase mit etwa 25 %, die sogenannten regenerativen Energien mit knapp 15 %, Kohle mit 9 %, Kernkraft mit 6 %. Hinzu kommen kleinere Energiequellen wie Wasserkraft und Abfallverwertung. Das sind im übrigen offizielle Zahlen des Umweltbundesamtes.

Der sprachliche Taschenspielertrick

Weil die wirklichen Zahlen für die politische Propaganda nicht taugen, reden Politiker und ihre journalistischen Wasserträger gerne von Energie, wenn sie tatsächlich von der Stromproduktion sprechen. Denn die Zahlen zeigen ja deutlich, daß auch noch mehr als 20 Jahre nach Verkündung des EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) rund 85 % der Energie eben nicht aus den sogenannten erneuerbaren Energieträgern stammen. Und das trotz vieler hundert Milliarden Euro, die in diese sogenannte Energiewende geflossen sind. Entgegen der amtlichen Propaganda ist Deutschland auch kein Vorreiter auf diesem Gebiet. Denn diese 15 % am Gesamtenergieverbrauch liegen deutlich unter dem, was EU- Durchschnitt ist. Das sind gut 20 %.

Der Mittelwert ist kein wirklicher Wert

Die propagandistisch beworbenen 40 % stehen allerdings nicht gleichmäßig zur Verfügung. Das liegt daran, daß man Strom nicht speichern kann, auch wenn z.B. Frau Baerbock uns das weismachen will. Der Anteil des Wind-, Solar-und Biogasstroms an der Elektro-Energieerzeugung schwankt monatlich erheblich. So waren das im Februar 2020 61,6 % und im Januar 2021 34,2 %. Aber auch das sind nur Durchschnittszahlen. Es gibt immer wieder Tage, in denen regenerative Quellen so gut wie nichts zur Stromerzeugung in Deutschland beigetragen haben. Und weil man Strom nicht speichern kann, müssen Windräder auch bei starkem Wind abgeschaltet werden, wenn der so erzeugte Strom zu einem Überangebot von anderweitig erzeugtem Strom kommt. Wegen der in Deutschland verbreiteten Atomphobie wird auch eisern verschwiegen, daß an vielen Tagen vor allem im deutschen Südwesten die Stromversorgung nur aufrechterhalten werden kann, weil in französischen Atomkraftwerken erzeugter Strom importiert wird.

Die Energiewende kommt uns teuer

Merkel spricht geheimnisvoll von großen Anstrengungen, die dafür – für das Erreichen des sogenannten Klimaziels – nötig sind. Nirgendwo in Europa ist der Strom für den Endverbraucher so teuer wie in Deutschland. Die EEG Umlage beläuft sich seit Januar 2021 auf 6,5  Cent pro Kilowattstunde. Sie müsste höher sein. Doch wird ein Teil dieser Kosten aus dem allgemeinen Haushalt, also aus Steuermitteln, finanziert. Noch 2011 versicherte Frau Merkel ihrem Volk, die EEG Umlage werde bis 2020 nicht höher als 3,5 Cent pro Kilowattstunde betragen.

EU und Europa

Daß Merkel zu den glühendsten Anhängern der Europa-Religion gehört, wissen wir. Zu deren Glaubensinhalten gehört die Gleichsetzung von EU und Europa, was natürlich blühender Unsinn ist. Die Fläche der EU umfaßt weniger als die Hälfte der gesamten Fläche des Kontinents Europa. Die Bevölkerung der EU liegt bei 447 Millionen, die Europas hingegen bei 741 Millionen. An diesen Fakten muß auch der weitere Text gemessen werden, den Merkel ihrem Publikum zumutet: „Die Europäische Union hat das getan, was erwartet wird. In einem ersten Schritt haben wir unser europäisches Ziel für die CO2 Reduktionen bezüglich des Jahres 2030 von 40 % auf 55 % erhöht. Wir haben uns zur Klimaneutralität für das Jahr 2050 verpflichtet, was, wenn wir das erreichen, dazu führen kann, daß Europa der erste klimaneutrale Kontinent wird.“ Was die Europäische Union tut oder nicht tut, tut das übrige Europa keineswegs. Selbst wenn die merkel’schen 40 % nicht die Elektrizität, sondern die Energieerzeugung insgesamt beträfen, wie nicht, würde damit auf keinen Fall erreicht werden können, daß Europa der erste „klimaneutrale“ Kontinent werden kann. Das weiß sie auch. Weder Berlin noch Brüssel können bestimmen, welche Energiepolitik Russland, die Ukraine, Belarus, die Schweiz, Norwegen, Großbritannien und andere Nicht-EU-Staaten machen.

Die Verlagerung des Energieverbrauchs

Merkel verschweigt natürlich auch, woran der Rückgang des Energieverbrauchs in der EU tatsächlich liegt. Das ist die Verlagerung der Industrieproduktion vor allem im Elektronik- und Textilbereich nach Fernost. In den letzten 20 Jahren stieg der Energieverbrauch und damit die CO2-Emission Chinas deutlich schneller, als diese Kennziffern in der EU sanken. Denn die Chinesen produzieren nicht nur für den eigenen, rasch wachsenden Markt an Konsumgütern, sondern auch für ihre europäische Kundschaft, sowohl in der EU als auch im übrigen Europa. Wenn man sich schon mit einer sogenannten Energiebilanz schmücken will, dann muß man nicht nur angeben, wie viel CO2 die EU in die Luft bläst, sondern auch welche Menge CO2 im Handelssaldo mit Ostasien steckt, vor allem mit China. Sowohl die EU als auch ihr größtes Mitglied Deutschland führen seit Jahren deutlich mehr aus China ein, als sie dort hin exportieren. Deswegen wird es auch nicht möglich sein, die EU 2050 „klimaneutral“ zu machen, noch weniger wird Europa ein „klimaneutraler“ Kontinent. Nicht einmal die erhebliche Reduzierung der Industrieproduktion im Zuge der Corona-Krise konnte dieses Ziel auch nur greifbar machen. 2020 ging der globale menschengemachte CO2 Ausstoß nur um 6,4 % zurück.

Klimaneutral heißt in Wirklichkeit ohne menschliche Aktivität

Nimmt man den Rückgang des menschengemachten CO2 Ausstoßes im Jahr 2020 als Beleg dafür, was die Einschränkung der Industrieproduktion für die sogenannte Klimaneutralität bedeutet, dann wird schnell klar, was eigentlich passieren muß, um dieses Ziel zu erreichen. Der einzige „klimaneutrale“ Kontinent ist die Antarktis. Dort gibt es aber weder Bevölkerung noch Industrie. Das Rezept ist aus dem Alten Testament bekannt. Angesichts des sündhaften Lebenswandels der Menschen hatte sich Gott bekanntlich entschlossen, sie mittels Sintflut vom Planeten zu tilgen. Damit wäre die Sünde aus der Welt gewesen. Er hat es sich dann im letzten Moment doch noch anders überlegt und Noah geheißen, eine Arche zu bauen um damit wenigstens die gerechten unter den Menschen samt fürs Überleben notwendiger Tierwelt vor dem Untergang zu retten. Es wäre interessant zu erfahren, wer nach Meinung Merkels und ihrer Bewunderer auf der „klimaneutralen“ Erde dann noch weiterleben darf.

Ein Gedankenexperiment – Merkel im Gerichtssaal

Wir dürfen wohl getrost davon ausgehen, daß Merkel durchaus weiß, daß sie objektiv die Unwahrheit sagt. Sie redet ja nicht voraussetzungslos daher, wie das sprichwörtliche Lieschen Müller, das seine Weisheiten aus dem Tratsch der Nachbarinnen und den Überschriften der Bild-Zeitung bezieht. Heerscharen von hoch bezahlten Beratern versorgen sie mit Informationen. Es ist daher ausgeschlossen, daß sie etwa die oben genannten Zahlen nicht kennt. Nun stellen wir uns einen Augenblick vor, Merkel habe nicht vor dem Weltwirtschaftsforum gesprochen, sondern in einem Gerichtssaal als Partei eine Erklärung abgegeben oder gar als Zeugin eine Aussage gemacht. Nicht nur die gute Kinderstube, sondern auch das Gesetz verpflichtet die Verfahrensbeteiligten außer dem Angeklagten im Strafprozeß zu wahrheitsgemäßen Angaben. So liest man es zum Beispiel in § 138 Abs. 1 ZPO. Jeder, der schon einmal an einer Gerichtsverhandlung teilgenommen und dabei die Vernehmung von Zeugen erlebt hat, weiß, daß hier strenge Maßstäbe gelten. Das gilt nicht nur im Falle der Beeidigung der Zeugen, die damit gleich das Risiko des Meineides entstehen läßt, sondern das gilt auch für Aussagen unbeeidigter Zeugen. Denn § 153 StGB lautet : „Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“ Objektiv muß also die Angabe falsch sein, subjektiv muß Vorsatz vorliegen. Vorsatz liegt allerdings immer schon dann vor, wenn man es auch nur für möglich hält, daß man gerade die Unwahrheit sagt, das aber in Kauf nimmt, weil man aus welchen Gründen auch immer diese Angaben machen will. Hätte Frau Merkel also den Text ihrer Rede vor dem Weltwirtschaftsgipfel am 26. Januar 2021 etwa als Zeugin in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß oder vor Gericht vorgetragen, so hätte sie sich fraglos wegen falscher uneidlicher Aussage nach § 153 StGB strafbar gemacht. Eine Freiheitsstrafe wäre wohl unausweichlich fällig gewesen.

Schöne neue Welt

Ist es eigentlich moralisch gerechtfertigter, vor der Weltöffentlichkeit zu lügen, als im Gerichtssaal? Für Politiker vom Schlage Merkels offenbar schon. Für sie gilt nämlich der Grundsatz: „Der Zweck heiligt die Mittel“. Wer solche Politiker wählt, hat tätigen Anteil am Niedergang unserer Kultur. Zu deren Grundlagen haben bisher unter anderem die zehn Gebote aus der Bibel gehört. Dort heißt es ja bekanntlich: „Du sollst nicht lügen“. Die Agenda der Linken einschließlich Merkel geht aber offensichtlich dahin, die überkommene Kultur über Bord zu werfen. In der angestrebten schönen neuen Welt ohne Nationen und ihre Kulturen hat sie ja offenbar nichts zu suchen.





Der deutsche Pazifismus

Da Ist er wieder, der deutsche Pazifismus. Die Weigerung der SPD, trotz Regelung im Koalitionsvertrag der Anschaffung von Kampfdrohnen zuzustimmen, ist ja nur mit dem tief verinnerlichten Pazifismus linker und kirchlicher Kreise nicht nur in dieser Partei zu erklären. Krieg bedingt ein Ja zum töten. Das ist nicht schön, aber eben unumgänglich. Deswegen kann nur ein Pazifist daran Anstoß nehmen, daß eine ferngesteuerte unbemannte Drohne von ihrem Bedienungspersonal ohne persönliches Risiko eingesetzt werden kann, auch zum zielgenauen Abfeuern tödlicher Waffen. Für den Pazifisten wird damit die „Hemmschwelle zum Töten“ herabgesetzt, für den verantwortungsvollen Politiker oder General das Leben der eigenen Soldaten im Gefecht geschützt. Realpolitik ist eben kein Wunschkonzert. Doch woher kommt dieser realitätsfremde Pazifismus eigentlich?

Ist der Pazifismus relgiös, vor allem christlich begründet?

Pazifisten sind schnell mit der Bibel zur Hand, auch wenn sie sonst vielleicht gar nicht religiös sind. Denn das fünfte Gebot (nach christlicher Zählung) lautet nun einmal unmissverständlich: „Du sollst nicht töten“. Wirklich?

Ein Blick in die Urtexte und ihre Übersetzungen

In der Tat heißt es in allen deutschen Bibelübersetzungen so. Töten ist aber ein umfassender Begriff für alle Tötungshandlungen, gleichgültig in welcher Absicht, in welcher Weise, in welcher Situation, und auf welcher Grundlage, etwa Rechtsgrundlage. Das Wort beschreibt den Vorgang von seinem Erfolg her, also final. Jede Tätigkeit, die zum Tode eines Lebewesens führt, ist ganz allgemein gesprochen, Tötung. Das gilt für die fahrlässige Tötung, etwa durch den unachtsamen Kraftfahrer im Straßenverkehr wie für den Mörder, der jemanden heimtückisch aus niedrigen Beweggründen getötet hat. Das gilt für den Henker, der das Todesurteil eines ordentlichen Gerichts vollstreckt ebenso wie für den Soldaten, der im Gefecht den feindlichen Soldaten tötet. Weil das so ist, haben alle Sprachen auch unterschiedliche Worte für diese unterschiedlichen Sachverhalte entwickelt. So kennen wir in der deutschen Sprache neben dem Wort „töten“, das gewissermaßen den Oberbegriff für alle Formen und Umstände von Tötungshandlungen darstellt, zum Beispiel das Wort „hinrichten“ für die Tötungshandlungen des Henkers, oder auch das Wort „morden“ für die Tötung eines Menschen unter den Bedingungen, die unser Strafgesetzbuch in § 211 definiert, etwa die Heimtücke oder die niedrigen Beweggründe. Sowohl in rechtlicher als auch in ethischer Hinsicht gibt es hier also bedeutende Unterschiede. Gäbe es diese sprachliche Differenzierung nicht, so wäre es mindestens schwer, wenn nicht nahezu unmöglich, auch in der Sache zu differenzieren. Die Sprache gibt den Dingen einen Namen. An diesem Namen erkennen wir die Natur der Dinge.

Die Regeln der Flüsterpost

Es ist daher durchaus sinnvoll und zweckmäßig, die deutsche Übersetzung des fünften Gebots einmal auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und dazu zum hebräischen Urtext und seinen Übersetzungen erst in das Altgriechische, dann in das Lateinische und später in das Deutsche zu gehen. Dabei kann passieren, was wir aus dem beliebten Kinderspiel „Flüsterpost“ alle kennen.

Was schrieb Moses?

Das fünfte – nach jüdischer Zählung sechste – Gebot findet sich im zweiten Buch Mose, Exodus, 20,13, je nach späterer Übersetzung auch 20,15. Im hebräischen Urtext findet sich das Wort „ratzach“ bzw. „ratsah“, je nach phonetischer Umschrift des hebräischen Alphabets, das wir hier an dieser Stelle aus praktischen Gründen nicht wiedergeben. Zum philologischen Verständnis ist das auch nicht unbedingt erforderlich. Aus den gleichen Gründen werden nachstehend die griechischen Vokabeln in phonetischer Umschrift wiedergegeben. Die zitierte Vokabel aus dem hebräischen Urtext bedeutet jedoch „morden“. Töten in seiner allgemeinen Bedeutung wird im hebräischen durch das Verb „harag“ ausgedrückt. Wir stellen also fest, daß Moses, nach jüdischer und christlicher Glaubensgewissheit, Gott selbst, formuliert hat: „Du sollst nicht morden.“ Das Alte Testament, also der Teil der Bibel, der vor dem Wirken Jesu Christi entstanden ist, aber nach seiner eindeutigen Weisung voll und ganz Teil seiner göttlichen Offenbarung ist, dieses Alte Testament enthält eben auch die zehn Gebote. Nachdem insbesondere durch das Wirken des Apostels Paulus die Ausbreitung des Christentums nicht auf das Volk der Juden beschränkt werden, sondern alle Völker dieser Erde zum christlichen Glauben bekehrt werden sollten, wie das auch Jesus selbst angeordnet hat, mußte natürlich das Alte Testament in die damaligen Verkehrssprachen übersetzt werden. Das war in erster Linie das Altgriechische, das in der hellenistisch gewordenen Welt des vorderen Orients gewissermaßen Lingua Franca war. Hinzu kam mit Blick auf die Verbreitung des Glaubens nach Westen die Staats- und Verkehrssprache des römischen Reichs, Latein.

Die erste Übersetzung ist noch richtig

Die bedeutendste Übersetzung des Alten Testaments in das Altgriechische ist die sogenannte Septuaginta. Dort wird in Kapitel 20, Vers 15 des zweiten Buch Mose dieses Gebot formuliert mit „ou phoneuseis“ (phonetisch). Und das heißt: „Du sollst nicht morden“. Denn „phoneo“ heißt nun einmal Mörder sein oder morden. Für den allgemeinen, eher neutralen Begriff für töten stehen andere Vokabeln, wie etwa „thanateo, diaseio, apokteino, skotono“. Man erkennt daran, daß die wörtliche Übersetzung häufig nicht weiterhilft, sondern eine Herleitung aus dem Textzusammenhang erforderlich ist. Denn nicht selten haben gerade Vokabeln aus den alten Sprachen mehrere, zum Teil sich sogar  wechselseitig ausschließende Bedeutungen.

Die zweite Übersetzung ist schon mehrdeutig

Grundlage für die Übersetzung in die lateinische Sprache war neben der verbreiteten Septuaginta auch der hebräische Urtext, soweit dem jeweiligen Übersetzer bekannt und auch geläufig. Die bedeutendste lateinische Übersetzung stammt von dem Kirchenlehrer Hieronymus und ist unter dem Namen Vulgata bekannt. Dort heißt es im zweiten Buch Mose, Kapitel 20, Vers 13: „non occides“. Die Vokabel „occidere“ kann je nach Sachzusammenhang einfach „töten“ bedeuten, etwa in der Schlacht, aber auch das verwerfliche einer Tötungshandlung zum Ausdruck bringen, und damit „morden“ bedeuten. Ebenso sind zunächst die Begriffe „necare“, Interficere“ oder „iugulare“ mit „töten“ zu übersetzen, können aber im Sachzusammenhang aber auch anders gelesen werden.

Die dritte Übersetzung ist falsch

Erst in der Luther-Bibel findet sich die Formulierung: „Du sollst nicht töten“. Seither lautet das fünfte Gebot in deutscher Sprache eben: „Du sollst nicht töten“ und nicht: „Du sollst nicht morden.“ Daß Luther dies bewußt so getan hat, etwa um jeden Tötungsakt, auch den staatlichen mittels Gerichtsurteil oder durch die Hand des Soldaten am Feinde, zur Sünde zu erklären, muß bezweifelt werden. Denn bekanntlich hat Luther dem Staat durchaus das Schwert in die Hand gegeben. Und er hat in seiner Schrift: „Ob die Kriegsleute in seligem Stande sein können“ aus dem Jahre 1526 die Kriegführung unter gewissen Umständen gebilligt. Philipp Melanchthon hat in Art. 16 der Confessio Augustana denn auch erklärt, daß Christen ohne Sünde im Obrigkeits-, Fürsten- und Richteramt sein mögen, nach kaiserlichen und anderen üblichen Rechten urteilen und Recht zu sprechen, Übeltäter mit dem Schwert zu bestrafen, rechtmäßige Kriege zu führen, zu streiten etc. Demnach war Luther jedenfalls kein Pazifist.

Töten oder morden – Recht oder Verbrechen

Die Frage der richtigen Übersetzung „töten“ oder „morden“ ist gerade hinsichtlich der christlichen Bewertung des Krieges und der Soldaten von entscheidender Bedeutung. Denn ein absolutes Tötungsverbot ließe keinen Raum für staatliche Gewaltanwendung, insbesondere nicht im Kriege. Es würde bei radikaler Auslegung sogar die Tötung im Wege der Notwehr oder Nothilfe ausschließen.

Was hat Jesus dazu gesagt?

Für den Christen ist insoweit die höchste Autorität natürlich Christus selbst. Schauen wir nach im Neuen Testament bei Lukas, Kapitel 3, Vers 14. Die Stelle beginnt damit, daß ihn (Jesus) Soldaten fragten: „Was sollen wir tun?“ Die Antwort lautet im griechischen Text: „medena diaseisete, mede sykophantesete“(wiederum phonetisch). Der Evangelist Lukas war ein gebildeter Mann und in der hellenistischen Welt zu Hause. Er benutzte die griechische Sprache. Wir können also davon ausgehen, daß er geschrieben hat, was er auch sagen wollte. Die Vokabel „diasein“ ist natürlich wie fast alle griechischen Vokabeln mehrdeutig und daher aus dem Sachzusammenhang heraus auszulegen. In der Grundbedeutung „heftig schütteln“ kann sie in diesem Zusammenhang nur bedeuten: „jemanden etwas heftig abpressen“, was hinsichtlich des Verhaltens von Soldaten im Krieg zu damaliger Zeit ohne weiteres mit „plündern“ übersetzt werden kann, zumal es im nächsten Halbsatz heißt, sie sollten mit ihrem Sold zufrieden sein. Die weitere Aufforderung, „mede sykophantesete“, zu deutsch niemanden falsch zu beschuldigen, mag aus heutiger Sicht schwer verständlich sein, könnte aber im Hinblick auf die Rechtspflege der damaligen Zeit, in der Soldaten eben auch zu polizeilichen Zwecken eingesetzt wurden, durchaus ebenfalls dahingehend verstanden werden, daß die Soldaten eben nicht durch unredliches Handeln ungerechtfertigte persönliche Vorteile anstreben sollten. In der lateinischen Vulgata finden wir dann an dieser Stelle die Aufforderung Christi an die Soldaten übersetzt mit: „neminem concutiatis, neque calumniam faciatis“. Concutere heißt erschüttern, schütteln, erschrecken, ängstigen. In diesem Zusammenhang also durchaus auch ein Verhalten gegenüber der Bevölkerung in einem eroberten Gebiet, das in der Abnötigung von Wirtschaftsgütern, sprich: plündern, besteht. Die zweite Aufforderung, keine falschen Anschuldigungen zu machen, ist hier vom Altgriechischen wörtlich ins Lateinische übertragen worden. Vor allem aber finden wir in der Antwort Jesu an die Soldaten nicht den mindesten Hinweis darauf, daß er ihre Kernaufgabe, den Feind im Gefecht zu töten, auch nur missbilligt, geschweige es ihnen verbietet. Das nimmt er vielmehr hin, er bedingt sich aber ein diszipliniertes Verhalten aus, das die Ausübung von Gewalt auf den eigentlichen militärischen Zweck beschränkt. Daß die Menschen untereinander Gewalt anwenden, nimmt er offenbar jedenfalls im staatlichen Bereich hin.

Die Bibel kennt den Pazifismus nicht. Das fünfte Gebot begründet ihn nicht.

Man mag mit allerlei Erwägungen den Pazifismus erklären oder begründen können. Aus der Bibel herleiten kann man ihn jedoch nicht. Gute Bibelübersetzungen sollten auch zum Urtext zurückkehren. Das läßt sich auch zwanglos aus dem achten Gebot herleiten. „Du sollst nicht lügen“, bzw. „Du sollst nicht falsch Zeugnis ablegen wider deinen Nächsten“, und was der mehr oder weniger urtextnahen Formulierungen mehr sind. Es ist schlicht und einfach das Wahrheitsgebot. Und an dieses sollte sich der redliche Übersetzer halten. So aber ergibt sich der fatale Eindruck, daß gewisse Theologen schon mit der Übersetzung ihre theologische Überzeugung vermitteln wollen. Der theologisch begründete Pazifismus steht jedenfalls auf tönernen Füßen. Die Gewaltanwendung als Ultima Ratio des Staates indessen läßt sich zwanglos auch aus der Bibel begründen, sowohl aus dem Alten wie auch aus dem Neuen Testament.


Richtigstellung

Unser derzeitiger Bundespräsident, der bisher schlechteste, hat bekanntlich zum 30. Jahrestag der Wiedervereinigung Deutschlands eine Ansprache gehalten, die von Geschichtsklitterungen, ja von Geschichtsfälschungen, nur so strotzt. Allerdings beweist er damit nicht nur seine intellektuelle Mittelmäßigkeit, sondern auch seine feste Verankerung im politisch-medialen Establishment unserer Zeit. Dazu gehört es ja, das Zweite Kaiserreich von 1871-1918 komplett in die Tonne zu treten.

Geschichtsfälschung von Amts wegen

Zu den vielen Unwahrheiten – angesichts der akademischen Bildung des Herrn Präsidenten, immerhin ist der Mann promovierter Jurist, muß man davon ausgehen, daß er diese wissentlich vorgetragen hat, mithin gelogen hat – gehört auch die Behauptung: „Katholiken, Sozialisten, Juden galten als Reichsfeinde, wurden verfolgt, ausgegrenzt, eingesperrt, Frauen von politischer Mitbestimmung ausgeschlossen.“ Davon ist nichts, zumindest in dieser Allgemeinheit, richtig. Beispielhaft will ich mich im folgenden mit der Lage der Juden im Kaiserreich befassen.

Die Mär von der Judenverfolgung schon im Kaiserreich

Der Begriff der Verfolgung legt gerade angesichts der Verbrechen des Nationalsozialismus nahe, daß Juden während des Kaiserreichs pogromartige Drangsalierungen erdulden mußten. Davon kann nicht entfernt die Rede sein. Nicht ein einziger Fall ist bekannt geworden, in dem jemand allein deswegen, weil er Jude war, verfolgt, eingesperrt, misshandelt oder getötet worden wäre. Schon deswegen ist diese Formulierung des Herrn Präsidenten eine Unverschämtheit gegenüber seinem Volk, das ja schließlich in seiner übergroßen Mehrheit immer noch von den Leuten abstammt, denen er die Verfolgung der Juden wahrheitswidrig zur Last gelegt. Daß sie gewissermaßen amtlich zu Reichsfeinden erklärt worden wären, ist eine ebenso dreiste Lüge und findet selbstverständlich in der Geschichte nicht den Hauch einer Bestätigung.

Wie es denn gewesen ist…

Kommen wir also zur angeblichen Ausgrenzung. Tatsächlich ist in der Reichsverfassung von 1871 nachzulesen, daß die Juden gleichberechtigte Staatsbürger des Reiches sind, denn sie enthält für keine  Minderheit unter den Staatsangehörigen irgendwelche Beschränkungen. Anders war dies noch in der preußischen Verfassung von 1850, welche den Juden den Zugang zu höheren Staatsämtern und den Offiziersrängen versagte. Tatsächlich waren Juden nicht nur in der Wirtschaft häufig sehr erfolgreich, vor allem im Bankwesen. Legendär ist Bismarks Bankier Gerson von Bleichröder, der in seiner Person beweist, daß sogar der Aufstieg in den Adel möglich war. Der jüdische Reeder Albert Ballin, Gründer der legendären Hapag, stand bei Kaiser Wilhelm II in hohem Ansehen. Eduard von Simson machte nicht nur in der Politik Karriere und stieg bis zum Präsidenten des Deutschen Reichstages auf, um anschließend Präsident des Reichsgerichts zu werden. Seine jüdische Herkunft war für Siegfried Sommer, Schulfreund des Kaisers, kein Hindernis. Er brachte es zum Präsidenten eines Oberlandesgerichts. Der Kaiser selbst beteiligte sich mit einer namhaften Summe an der Ausstattung einer Berliner Synagoge. Er entließ sogar seinen Hofprediger, weil ihm dessen penetranter Antisemitismus zu viel geworden war. Die große Zahl der jüdischen Offiziere im Ersten Weltkrieg, die proportional nicht geringer war, als ihrer christlichen Kameraden, insbesondere bei den Reserveoffizieren, spricht für sich.

Natürlich hatte das auch seine Schattenseiten. Von einer vollständigen gesellschaftlichen Gleichstellung konnte noch nicht die Rede sein, trotz vieler glänzender Karrieren und der gesellschaftlichen Stellung jüdischer Bürger. Berühmt geworden ist die Geschichte des unglücklichen Liebespaares Wilhelm und Herta Isenbart. Herta, Tochter eines jüdischen Kaufmannes, verheiratet mit dem wesentlich älteren jüdischen Bankier Carl Pringsheim, verliebte sich als dessen Witwe in den schneidigen Kavallerieoffizier Oberst Wilhelm Isenbart, der ihren Reizen so nachhaltig erlag, daß er sich von seiner Ehefrau scheiden ließ und nun Herta ehelichte. Das hatte für beide gesellschaftliche Folgen. Hertas Familie verstieß sie, fand sie jedoch hinsichtlich des Pflichtteils nach ihrem verstorbenen Ehemann mit der gewaltigen Summe von 12 Millionen Goldmark ab. Auch Oberst Isenbart wußte, was er zu tun hatte. Er ging zu seinem Kaiser, bat um seinen Abschied, der ihm auch gewährt wurde, allerdings mit der gleichzeitigen Beförderung zum Generalmajor. Ihrer unglücklichen Liebe zu ihrem früh verstorbenen Mann setzte Herta dann ein Denkmal in Gestalt des heutigen Schlosshotels Bühlerhöhe im Schwarzwald, das sie als Erholungsheim für alte und kranke Generale errichtet hatte.

Licht und Schatten

Unbeschadet dessen ist festzuhalten, daß gerade im Bereich der Kultur von einer Gleichstellung gesprochen werden muß. Die Vielzahl der berühmten Künstler und Intellektuellen wie Martin Buber, Albert Einstein, Sigmund Freud, Max Liebermann, Gustav Mahler oder Walter Rathenau spricht für sich. Auf den preußischen Gymnasien waren Juden im Jahr 1906 um das sechsfache überrepräsentiert. Daß auf der anderen Seite Männer wie Richard Wagner einem wüsten Antisemitismus frönten, gehört natürlich auch zur vollen Wahrheit. Von einer generellen Ausgrenzung, wie sie der aktuelle Bundespräsident seinem Volk weismachen will, konnte allerdings nicht entfernt die Rede sein.

Was bleibt, ist die schlichte Tatsache, daß die Juden wie andere Minderheiten auch, sich selbst von der nichtjüdischen Welt abgegrenzten. Das war ihrer exklusiven Religion geschuldet, die nun einmal grundsätzlich nur geborene Juden kennt. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, zum Judentum zu konvertieren, jedoch ist es schwierig, insbesondere mit einem langwierigen, nahezu akademischen Studium der Religion verbunden. Ganz anders bekanntlich im Christentum, das als missionierende Religion die Taufe von Konvertiten nach relativ kurzer Einweisung über Glaubensgrundsätze zuläßt, ganz zu schweigen vom Islam, dem man durch schlichte Erklärung, Allah als alleinigen Gott anzuerkennen, angehört, soweit man die Religion nicht von seinen Eltern „ererbt“ hat. Eine gewisse Abgrenzung, die natürlich spiegelbildlich auch eine gewisse Fremdheit nach sich zog. Fremdes indessen ist dem Menschen in aller Regel erst einmal suspekt. Von einer Ausgrenzung im Sinne einer Abwertung als Mensch kann indessen nicht die Rede sein.

Wenn oben gelogen wird, muß unten die Wahrheit benannt werden

Angesichts dieser präsidialen Geschichtsklitterung erscheint es notwendiger denn je, den jungen Leuten in unserem Land, die ohnehin kaum noch Geschichtskenntnisse haben, und wenn, dann derartig falsche, wie sie Steinmeier e tutti quanti vermitteln, immer wieder die historische Wahrheit nahe zu bringen. Denn so wie es junge Menschen belasten muß, wenn sie erfahren, daß einer ihrer Vorfahren in der Familie als Mörder unter dem Fallbeil geendet ist, so muß es eine Generation belasten, wenn sie hört, daß eine der Generationen vor ihnen einer Menschenfeindlichkeit frönte, die sich in Verfolgung, Ausgrenzung und Freiheitsberaubung gegenüber Minderheiten äußerte. Genau das scheint mir aber die Absicht dieser selbst ernannten Volkserzieher, in Wahrheit aber Volksverdummer, zu sein. Mit dem Amtseid des Bundespräsidenten, wonach er auch Schaden von seinem Volk abzuwenden hat, ist das jedenfalls nicht vereinbar. Bisweilen bedauert man, daß solche Verstöße gegen die Amtspflicht nicht den Staatsanwalt auf den Plan rufen können.





Die Wahrheit ist ein kleinliches bürgerliches Vorurteil

sagte einst Lenin, der wohl erfolgreichste politische Agitator in der Geschichte der Menschheit, und fuhr fort: „Recht ist, was der politischen Klasse nützt. In der Politik gibt es keine Moral, nur Zweckmäßigkeit.“ In einer Zeit, in der sich die Medien der Aufgabe verschrieben haben, das Volk, pardon, die Bevölkerung, zu moralisch hochwertigem Verhalten zu erziehen, statt einfach zu berichten, was so alles auf dieser Welt passiert, in dieser Zeit müssen Recht und Wahrheit natürlich so geformt werden, daß sie dem hehren Ziel dienlich sein können. Weil aber alles unabhängige, zumal bürgerlich-konservative Denken dem im Wege steht, ist es mit allen Mitteln zu bekämpfen, selbstverständlich auch mit den Instrumenten der Manipulation, der Wahrheitsunterdrückung, der gezielt verbreiteten Unwahrheit und der Diskreditierung als rechtsextrem, was ja nichts anderes als eine Spielart der Verfassungsfeindlichkeit ist. Das geschieht unter dem Motto „Kampf gegen Rechts“, wobei in diesem Satz bereits der semantische Betrug enthalten ist, der darin besteht, daß zweifelsfrei demokratisches Gedankengut politisch rechts von linksgrüner Denkungsart als rechtsextrem diffamiert wird. Ein rhetorisches Stilmittel dazu ist der Sprachgebrauch in den Medien, der mit dem Begriff „rechts“ stets auch „rechtsradikal“ und „rechtsextrem“ meint. Allerdings wird in geeignet erscheinenden Fällen auch schon einmal zum Rechtsextremisten ernannt, wer es gar nicht ist, und einer Nähe zum Rechtsextremismus beschuldigt, wer sich dazu nicht einmal inhaltlich geäußert hat. Ob es dann am Ende stimmt, ist egal, denn insoweit gilt die alte lateinische Regel: audacter calumniare, semper aliquid haeret (nur wacker verleumden, es bleibt immer etwas hängen).

Qualitätsmedien als unheilige Inquisition

Ein Beispiel aus jüngster Zeit. Panorama, das ARD-Magazin, dem man schon in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts spöttisch die Zuständigkeit für die Rotlicht-Bestrahlung der Bevölkerung zugesprochen hat, berichtete am 23. Juli dieses Jahres über den Oberstleutnant iG Marcel Bohnert. Man hielt ihm vor, in den sozialen Medien Beiträge rechtsextremer Autoren mit einem „gefällt mir“ Symbol versehen zu haben. Es wurde der Eindruck erweckt, bei dem Offizier handele es sich um einen Soldaten von rechtsextremer Gesinnung, mindestens aber mangelnder Distanz zu dieser Ideologie. Obgleich der Offizier dies weit von sich wies, legte Panorama am nächsten Tag noch nach und präsentierte dem Fernsehpublikum seine Erkenntnisse darüber, wo der Offizier in der Vergangenheit schon Vorträge gehalten hat. Das sicherlich sehr konservative Studienzentrum Weikersheim ebenso wie eine Münchener Burschenschaft wurden genannt, allerdings im Zusammenhang des Rechtsextremismus. Nun liegt in keinem der beiden Fälle auch nur eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz vor. Und die bloße Tatsache, daß man einen Meinungsbeitrag in den sozialen Medien mit einem „gefällt mir“ Symbol – bei Facebook „liken“ – versieht, ist jedenfalls von Rechts wegen nicht zu beanstanden. So hat erst jüngst der bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 28.02.2020 erklärt: „Likes“ für Facebook-Seiten sind bloße Sympathiekundgebungen für die Inhalte dieser Seiten. Dadurch wird nicht in irgendeiner Weise dazu aufgefordert, sich den Urhebern dieser Seiten anzuschließen oder für deren Ziele oder Meinungen einzutreten.“ Solche rechtlichen Betrachtungen sind indessen für Haltungsjournalisten irrelevant. Sie halten sich lieber an die Empfehlung des Altmeisters der Manipulation, wie eingangs zitiert.

Spiegeleien

Da durfte dann auch der Spiegel nicht fehlen. Flugs veröffentlichte er am 25. Juli ein Interview mit dem Offizier, das nicht nur der Zweitverwertung der vorgeblichen Sensation eines rechtsextremen Stabsoffiziers dienen, sondern das investigative Leistungsvermögen des von seinem Gründer Rudolf Augstein mit dem Prädikat „Sturmgeschütz der Demokratie“ selbst geadelten Blattes wieder einmal demonstrieren sollte. Inwieweit das mit Demokratie zu tun hat, wollen wir hier einmal dahinstehen lassen. Was die Demokratie wirklich ist, dürfte heute cum grano salis ebenso unbekannt sein wie der Begriff des Sturmgeschützes. Letzteres stand in der Nachkriegszeit nahezu ikonographisch für die Effizienz der Wehrmacht, in der Augstein noch als Offiziersanwärter gedient hatte. In die Redaktion des Spiegel zog es damals ehemalige Offiziere wie Conrad Ahlers, aber auch ehemalige Angehörige von Himmlers SD wie die seinerzeitigen SS-Hauptsturmführer Horst Mahnke und Georg Wolff, wie man liest. Das generierte dann wohl auch eine intensive Hassliebe zur Bundeswehr, die sich in einer seltsamen Melange von Besserwisserei und negativer Berichterstattung niederschlug. Somit paßt die Story von rechtsextremen Tendenzen in der Bundeswehr, festgemacht an jenem Stabsoffizier, in die traditionelle Linie „dieses Blattes“, um einen Ausdruck Herbert Wehners zu zitieren.

Kontaktschuld und „falsche“ Autoren

Zu den angeblichen rechtsextremen Aktivitäten des durch die Mangel gedrehten Stabsoffiziers gehörte dann nach Meinung seiner Inquisitoren auch, daß er als Mitautor eines Sammelwerks mit dem Titel „Soldatentum“ fungiert hat, das 2013 erschienen ist. Vorgehalten wurde ihm, diesen Sammelband habe ein bekennendes Mitglied der „Identitären“ herausgegeben. Und weil man so schön in der Spur war, nannte man auch gleich den Namen dieses Herausgebers, zwar mit abgekürztem Nachnamen, doch leicht identifizierbar, wenn man den Titel des Buches googelt. Nun ist jener Felix Springer keineswegs Mitglied der Identitären. Die Identitäre Bewegung, die in der Tat Beobachtungsobjekt des Bundesverfassungsschutzes ist, ist ein eingetragener Verein. Mitglied eines eingetragenen Vereins ist bekanntlich nur, wer dort förmlich aufgenommen worden ist. Der genannte Felix Springer ist diesem Verein nicht beigetreten. Das interessiert Spiegel-Investigationskriminalisten indessen nicht, auch nicht, daß das Jahr der Erscheinung dieses Buches (2013) zeitlich vor dem Auftreten der Identitären Bewegung in Deutschland liegt. Die Bezeichnung von Herrn Springer als rechtsextremistisch ist auch aus der Luft gegriffen, sachlich falsch und diffamierend. Jedenfalls hat bisher kein Gericht eine solche Feststellung getroffen. Noch sind in Deutschland zu einer solchen Feststellung nur die Gerichte befugt.

Der Spiegel und die Justiz

Der Spiegel müßte also seine Behauptungen auch beweisen, was ihn aber nicht interessieren dürfte, denn man vertraut an der Hamburger Relotiusspitze auf die jahrzehntelange Gerichtserfahrung in Unterlassungsprozessen. Für jeden, der sich zu Unrecht durch einen Spiegel-Bericht diffamiert fühlt, ist der Blick auf die Wirklichkeit des gerichtlichen Verfahrens ernüchternd. Ein Beispiel: Rudolf Augstein schrieb im Spiegel vom 1.4.1964 unter dem Pseudonym Moritz Pfeil über Franz Josef Strauß einen diffamierenden Artikel, in welchem er ihn der Korruption bezichtigte. Dagegen klagte Strauß und bekam beim Landgericht München I am 15.7.1965 recht. Dagegen legte der Spiegel Berufung ein, über die das Oberlandesgericht München mit Urteil vom 28.7.1966 wiederum zugunsten von Strauß entschied. Unverdrossen legte der Spiegel dagegen Revision ein, die der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 29.10.1968 zurückwies. Damit nicht genug, erhob der Spiegel dagegen Verfassungsbeschwerde, die das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 28.1.1970 verwarf. Das heißt, die Auseinandersetzung über diese von den Gerichten als Diffamierung bewertete Berichterstattung dauerte fünfeinhalb Jahre. Das Kostenrisiko eines solchen juristischen Marathons liegt im hoch fünfstelligen Eurobereich. Kann man unter diesen Umständen Herrn Bohnert oder Herrn Springer empfehlen, sein gutes Recht bei den Gerichten zu suchen und voraussichtlich auch zu finden?

Die Universität der Bundeswehr im „Kampf gegen Rechts“

Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß jenes Buch, dessen Herausgeber ein angeblicher Rechtsextremist ist, tatsächlich von drei jungen Offizieren der Universität der Bundeswehr herausgegeben worden ist. In diesem Sammelband haben angesehene Wissenschaftler wie die Professoren Michael Wolffsohn und Carlo Masala Beiträge veröffentlicht, worauf Herr Bohnert seine Inquisitoren auch hingewiesen hat. Doch wenn es um sogenannte rechte Zusammenhänge geht, dann gilt der Satz des Patriarchen aus Lessings Nathan der Weise: „Tut nichts, der Jude wird verbrannt!“ Denn die Herausgeber des Sammelbandes hatten sich schon zuvor mit ihren Artikeln in der Studentenzeitschrift der Uni BW München das Missfallen der Präsidentin Prof. Dr. Merith Niehuss zugezogen. Ihr war das alles zu rechts. Als politisch korrekte Aufseherin der Soldaten- Universität, als die sie nun einmal von dem damaligen Minister Struck installiert worden war, erfüllte sie damit vorbildlich ihre Aufgabe. Denn das effiziente Management einer Universität sollte es wohl weniger sein. Die Dame war bis dahin noch nicht als Managerin oder gar Wissenschaftsmanagerin in Erscheinung getreten. Daß sie wegen ihrer fachlichen Qualifikation als Historikerin berufen worden wäre, muß eher bezweifelt werden. Ihr wissenschaftliches Oeuvre ist außerordentlich schmal und umfaßt außer ihrer Dissertation und ihrer Habilitation nur sehr wenige Herausgeberschaften und ein zusammen mit ihrem Doktorvater Gerhard A. Ritter verfasstes Werk über die Wahlen in Deutschland, sowie ausweislich der Veröffentlichungsliste im Internet noch ein Buch mit dem Titel „Zwischen Seifenkiste und Playmobil – Illustrierte Kindheitsgeschichte des 20. Jahrhunderts.“

Falsch oder nicht – es funktioniert allemal

Der Erfolg von Panorama und Spiegel indessen wird nicht ausbleiben. Der sicherlich hervorragend qualifizierte Generalstabsoffizier Marcel Bohnert wird wohl keine große Karriere mehr vor sich haben. Das Eichenlaub und die Sterne auf seinen Schulterstücken dürften silbern bleiben. Die Vergangenheit lehrt, daß politisches Engagement außerhalb des Mainstreams regelmäßig das Karriereende für Offiziere bedeutet hat, sei es für die Republikaner oder den Bund freier Bürger oder wie die konservativen Parteigründungen rechts von der Union auch alle hießen. Verschärft hat sich dies seit der Amtszeit der Großinquisitorin Ursula von der Leyen. Ihre Nachfolgerin verfolgt diese Linie unbeirrt weiter, wie ihr skandalöser Umgang mit dem KSK zeigt. Der Kampf gegen Rechts kennt keine Gnade. Er wird so unnachsichtig geführt wie ein Flächenbombardement. Kollateralschäden werden nicht nur toleriert, sondern sind Teil der Strategie. Und diese Strategie heißt Abschreckung. In der Tat führt die Bundeswehr Krieg, allerdings einen Krieg gegen sich selbst. Ihre Hilfstruppen findet sie in Medien wie Panorama und Spiegel, aber auch alle anderen, die sich dem Haltungsjournalismus verpflichtet fühlen, stehen hier in Reserve. Ach ja, beinahe hätte ich es vergessen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG). Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat (Art. 20 Abs. 1 GG)“. Doch die Schöpfer dieser wunderbaren Sätze sind schon lange tot.

Die Stunde der Schande

Was sich am 14. Mai 2020 von 20:10 Uhr bis 20:50 Uhr im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes zu Berlin abgespielt hat, kann mit Fug und Recht als Stunde der Schande bezeichnet werden. Auf der Tagesordnung der 160. Sitzung des 19. Deutschen Bundestages stand der Antrag der AfD-Fraktion, eine zentrale Gedenkstätte für für die deutschen Opfer des Zweiten Weltkrieges und der unmittelbaren Nachkriegszeit in der Bundeshauptstadt Berlin zu schaffen und so an diesem Ort in angemessener Weise an folgende deutsche Opfergruppen des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit zu erinnern:

an die Opfer der alliierten Vertreibungsmaßnahmen;

an die zivilen Opfer des alliierten Bombenkrieges gegen deutsche Städte;

an die deutschen Soldaten, die in der Kriegsgefangenschaft umgekommen sind;

an die im Krieg vermißten deutschen Soldaten;

an die Deutschen, die in die Sowjetunion zwangsverschleppt wurden;

an die im Zuge der Eroberung der ehemaligen Reichsgebiete östlich der Oder-Neiße-Linie umgekommenen oder ermordeten Deutschen;

an die Deutschen, die im Zuge des Einmarsches der Roten Armee und der Einweisung in sowjetische Speziallager in Mitteldeutschlands ums Leben kamen;

an die Millionen von vergewaltigten deutschen Frauen und Mädchen, die insbesondere im Zuge des Einmarsches der Roten Armee in die ehemaligen Ostgebiete und mitteldeutschen Gebiete des Deutschen Reichs zu Tode kamen.

Warum noch ein Denkmal?

Nun mag man sich fragen, ob es angesichts der vielen Kriegerdenkmäler, Gedenksteine und würdig gestalteten Grabanlagen auf Friedhöfen einer zentralen Gedenkstätte für die oben genannten Gruppen von Opfern der Kriegs-und Nachkriegsereignisse bedarf. Dazu ist zunächst ein Blick ins Land hilfreich. Es gibt in der Tat eine große Zahl von Denkmälern für verschiedene, sagen wir einmal, Opfergruppen. So findet man etwa in Nürnberg, einer Stadt, die unter dem völkerrechtswidrigen Bombenkrieg der Alliierten schwer gelitten hat, auf dem Südfriedhof das Mahnmal „Glockenturm“, womit die Stadt an die 6.621 Toten der alliierten Luftangriffe auf Nürnberg erinnert. Ebenfalls in Nürnberg, recht zentral in der Innenstadt, findet man das 1999 vom Freistaat Bayern errichtete Denkmal „Flucht und Vertreibung“. Es nennt die Gruppen der Vertriebenen wie Schlesier, Sudetendeutsche, Siebenbürger Sachsen und überhaupt dann „alle Ostvertriebenen“. Gewidmet ist es laut seiner Inschrift: „Den deutschen Vertriebenen zur Erinnerung an Deportation, Flucht und Vertreibung. Zum Gedenken an ihre Heimat und an ihre Toten. Zum Dank für ihren Einsatz beim Wiederaufbau in Bayern“.

Sucht man nach einer zentralen Gedenkstätte, so findet man im Batterieturm von Schloss Burg/Solingen die Gedenkstätte des deutschen Ostens, im Jahr 1951 vom ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss eingeweiht.

Dezentral gibt es natürlich einzelne Gedenkstätten. So findet man als Spaziergänger an einem Waldweg bei Ursensollen/Oberpfalz einen Gedenkstein, auf dem die Namen der Opfer eines Tieffliegerangriffs auf einen Personenzug kurz vor Kriegsende zu lesen sind, und auf dem auch beschrieben wird, wie sie zu Tode gekommen sind.

Die zentrale Gedenkstätte für alle deutschen Opfer sucht man vergebens

Was man in Deutschland allerdings nicht findet, ist eine öffentliche Gedenkstätte, die allen Opfergruppen gewidmet ist, die sich in dem oben zitierten Antrag finden. Überhaupt gibt es meines Wissens zum Beispiel nirgends ein Denkmal für die Opfer der Vergewaltigungen durch Soldaten der Alliierten Streitkräfte. Auch ist mir kein Denkmal für die Gesamtheit der in alliierter Kriegsgefangenschaft umgekommenen deutschen Soldaten bekannt. Es gibt auch hier nur Einzeldenkmäler wie das für die in den berüchtigten Rheinwiesenlagern umgekommenen Kriegsgefangenen. Ein Denkmal für die Zwangsdeportierten oder in den sowjetischen Speziallagern, die man in ehemaligen NS-Konzentrationslagern eingerichtet hatte, Ermordeten und Verhungerten scheint es ebenfalls nicht zu geben, jedenfalls nicht von überregionaler Bekanntheit. Man sollte daher meinen, daß dieser Antrag gute Aussichten hätte, letztendlich verwirklicht zu werden.

Der „Geburtsfehler“ des Antrags

Doch dem ist nicht so. Der Antrag wurde nach kurzer Debatte an die Ausschüsse verwiesen. Bemerkenswert ist, wie sich die Debatte entwickelt hatte. Denn der Antrag hatte einen offensichtlich schweren Geburtsfehler. Er stammte von der Fraktion der AfD, war also mit beißendem Schwefelgeruch behaftet.

Der Anwalt der Vertriebenen spricht

Für die CDU/CSU Fraktion nahm der Abgeordnete Eckhard Pols, seines Zeichens Vorsitzender der Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten, zu diesem Antrag Stellung. Zu dieser Vereinigung liest man auf der Internetseite der CDU/CSU Fraktion:

“ Seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland unterhält die CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag die soziologische Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten – so auch in der 19. Legislaturperiode. Sie umfasst heute 70 Mitglieder und stellt nach wie vor die Anerkennung des Kriegsfolgenschicksals in den Mittelpunkt ihrer politischen Arbeit. Davon betroffen sind Vertriebene, Aussiedler und deutsche Minderheiten gleichermaßen.“

Wenn irgendjemand ein besonderes Interesse an der Errichtung eines solchen zentralen Denkmals haben müßte, dann doch wohl eine solche Vereinigung. Doch Herr Pols äußerte sich völlig anders. Er lehnte den Antrag der AfD-Fraktion mit harschen Worten ab.

„Opfermythos“ und „Relativierung der deutschen Schuld“

Sie wolle doch nur einen „deutschen Opfermythos“ (nur ein Mythos also!) wiederbeleben. Wörtlich: „In Deutschland strebt die politische Rechte unter Führung der AfD eine Neubewertung des Nationalsozialismus an. Bewußt werden einzelne Ereignisse des Weltkrieges wie die Bombardierung Dresdens instrumentalisiert und Deutsche ausschließlich als Opfer thematisiert.“ Dahinter stecke die Strategie, den Fokus auf die Kriegsverbrechen der Alliierten zu werfen, um deutsche Schuld zu relativieren. „Beim Thema der Vertreibung der Deutschen hantieren sie mit höheren Opferzahlen.“ Dabei blende die Partei völlig die Vorgeschichte des Krieges und die Millionen Opfer der Nationalsozialisten aus. Also immer wieder: Die Deutschen waren doch selber schuld, daß es ihnen so ergangen ist! Das ist nicht sehr weit von „Bomber Harris do it again!“ Ein Politiker also, der sich von Amts wegen besonders mit dem Schicksal der deutschen Opfer des Zweiten Weltkrieges zu befassen hat, faselt von einem deutschen Opfermythos.

Zur Diffamierung gehört denknotwendig die Lüge

Dabei schreckt er nicht davor zurück, wahrheitswidrig den Antragstellern zu unterstellen, Deutsche ausschließlich als Opfer zu thematisieren, obgleich in dem Antrag auch zu lesen ist: „Diese Stätte soll nicht dem Aufrechnen von Opfern oder von Schuld dienen, schon gar nicht neuen Unfrieden zwischen längst befreundeten Nationen säen. Die bestehenden Gedenkstätten für die Opfer des NS-Regimes, allen voran das Denkmal für die ermordeten Juden Europas, soll sie – im Sinne einer umfassenden Gedenkkultur – ergänzen, nicht dazu in Konkurrenz treten.“

Von der Gefahr eines sogenannten Erinnerungskrieges, vor dem laut Herrn Pols Historiker warnen, der 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges neue Konflikte in Europa schüren könne, ist hier doch keine Spur zu finden. Ganz im Gegenteil. Die Erinnerung an all das, was das NS-Regime anderen angetan hat, soll ungeschmälert bleiben. Daß es sich bei den Chefs und Schergen dieses Regimes um Deutsche gehandelt hat, zieht niemand in Zweifel, auch nicht seine angeblichen Bewunderer in der Fraktion mit dem Schwefelgeruch. Der vollständigen Geschichtsbetrachtung ist es jedoch geschuldet, die ganze Wahrheit auch in der Gedenkkultur sehen zu können.

Wenn zwei das Gleiche tun…

Es ist auch nicht etwa so, daß die Union sich immer geweigert hätte, deutscher Opfer jener Zeit zu gedenken. Das vom CSU-regierten Bayern 1999 in Nürnberg errichtete Denkmal für die Vertriebenen ist ja nun wirklich ausschließlich diesen deutschen Opfern des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit gewidmet. Im Jahr 2010 beantragte die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus ein Denkmal für die ab dem Frühjahr 1945 in Berlin geschändeten Frauen zu errichten. Daraus wurde allerdings nichts, denn die leidenschaftlichen Verfechter der Menschenrechte in den linken Fraktionen SPD, Grüne und Linke konnten sich damit nicht anfreunden. So hat es bei dem Denkmal für die Trümmerfrauen im Volkspark Hasenheide sein Bewenden. Das wurde allerdings schon 1955 errichtet, zu einer Zeit also, als man auch in der SPD noch wußte, daß der Zweite Weltkrieg auch deutsche Opfer gefordert hatte, wobei gerade die Frauen besonders große Lasten zu tragen hatten. Erst Mann oder Vater im Krieg verlieren, dann die Wohnung in Schutt und Asche sinken zu sehen, anschließend von den „Befreiern“ vergewaltigt zu werden und dann noch die Kraft zu haben, mit bloßen Händen wieder aufzubauen, was amerikanische Bomben und russische Granaten zerstört hatten, war und ist ja wohl eines ehrenden Gedenkens wert. Es ist offensichtlich wohl so, daß nicht der Inhalt eines Antrages maßgeblich ist, sondern vielmehr, wer den Antrag stellt. Man kann sich vorstellen, daß auch ein Antrag der AfD, etwa Überstundenvergütungen von Krankenhauspersonal im Zusammenhang mit der aufwendigen Behandlung von Covid 19 Patienten steuerlich zu begünstigen, als blanker Rechtspopulismus diskreditiert würde, allerdings flugs ein Antrag mit ähnlichem Inhalt von den Regierungsfraktionen gestellt würde.

Die Imprägnierung des Politikers

Den wackeren Unionsabgeordneten Eckhard Pols sollte man sich noch etwas näher anschauen. Der Mann ist einer der wenigen Politiker, die nicht die übliche akademische Sozialisation haben. Sein beruflicher Lebenslauf vollzog sich fernab von Vorlesungen über soziologische Entwicklungen der Industriearbeiterschaft unter den Bedingungen des Faschismus, der Ästhetik früharabischer Kalligraphie oder Seminaren zur historischen Kultursoziologie männlicher Subjektformen und ihre Affektivitäten vom Zeitalter der Empfindsamkeit bis zur Postmoderne. Vielmehr ist der Mann selbständiger Glasermeister, Innungs-Obermeister gar, mithin ein Mensch, von dem man annehmen darf, er steht mitten im Leben und geht mit gesundem Menschenverstand an die Dinge heran. Doch ist es offensichtlich so, daß man in der Politik nur reüssieren kann, wenn man mit den Wölfen heult. Auch ein Mann mit der Biografie von Herrn Pols verinnerlicht irgendwann einmal die im politisch-medialen Komplex vorherrschenden Narrative. Man sondert eben Sätze ab, die mithilfe der vorgestanzten Denkschablonen aus den Parteizentralen und als abstratcs aus den Hervorbringungen von Gender und Gedöns-Wissenschaftler*innen (so viel politisch korrekte Schreibe muß in diesem Kontext schon sein!) generiert worden sind. Statt eigenständig denkender Politiker haben wir es weithin mit bloßen Sprechautomaten zu tun.

Keine Sternstunde des deutschen Parlaments

Eine Sternstunde des Parlaments war dieser Abend des 14. Mai 2020 gewiß nicht. Wenn in einem Parlament das Leid des eigenen Volkes von seiner Mehrheit auf das Niveau kleinlichen Gezänks heruntergezogen und einem halluzinierte Aufrechnungsverbot gegen das Leid anderer Völker unterworfen wird, dann gereicht das diesen Politikern eben zur Schande.