Nur Schlamperei?

Nun ist es amtlich. Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat das Ergebnis der Stichwahl zum Bundespräsidenten am 22. Mai dieses Jahres für ungültig erklärt. Zur Begründung hat er die hunderttausendfach festgestellten Verstöße gegen die Wahlordnung, aber auch das Durchstechen von Auszählungsständen vor Bekanntgabe des Endergebnisses angeführt. Dieser Vorgang ist jedenfalls in Ländern mit großer demokratischer Tradition und geordneter Verwaltung, wozu Österreich selbstverständlich gehört, einmalig. Allerdings wird in den offiziellen Stellungnahmen wie auch durchgehend in den Medien verharmlosend auf eine Neigung der Österreicher zur Schlamperei verwiesen. Naja, ungeachtet dessen muß wegen der formalen Verstöße die Wahl wiederholt werden. So einfach ist es jedoch nicht. Abgesehen davon, daß man den Österreichern zwar gerne eine gewisse geniale Schlampigkeit nachsagt, obgleich auch in Österreich akkurates Arbeiten die Regel ist, was etwa die bewundernswerten Ingenieurbauten im Zuge der Autobahnen beweisen, liegen hier andere Erklärungen nahe.

Ich neige ganz sicher nicht zu Verschwörungstheorien. Im Gegenteil. Als seit Jahrzehnten forensisch tätiger Jurist halte ich mich grundsätzlich an geprüfte Tatsachen. Allerdings muß man bei der Untersuchung eines Sachverhalts nicht selten auch Schlußfolgerungen ziehen. Dabei muß auch schon einmal die berühmte Frage: cui bono? gestellt werden, also die Frage danach, wem eine bestimmte Handlung Nutzen bringt. Nun ist jene Wahl bekanntlich äußerst knapp ausgegangen. Hätten sich nur etwas mehr als 15.000 Wähler anders entschieden, hätte nicht van der Bellen, sondern Hofer gewonnen. Nachdem aber ca. 590.000 Stimmkarten regelwidrig ausgezählt worden sind, kann eine Auswirkung auf das Ergebnis natürlich nicht ausgeschlossen werden. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, daß die Meldung vom knappen Vorsprung des Kandidaten Hofer Leute, die an und für sich nicht wählen, aber noch weniger einen Bundespräsident Hofer erleben wollten, dann doch noch an die Wahlurnen gebracht hat. Die Frage nach dem Nutznießer dieser Rechtsverstöße ist damit beantwortet. Zieht man nun in Rechnung, daß die Leiter der Wahlkommissionen aus den Behörden kommen, und geht man davon aus, daß diese vielfach den seit Jahrzehnten das Land Österreich regierenden großen Parteien zumindest nahe stehen, dann beschleicht einen doch das ungute Gefühl, daß hier bewußt manipuliert worden sein könnte. Denn ÖVP und SPÖ hatten sich entschieden für van der Bellen ausgesprochen und Hofer als eine Art Gottseibeiuns dargestellt.

Weil das aber so ist, wird man nun gerade von dieser Seite her den Eindruck erwecken wollen, das sei auf gar keinen Fall so gewesen, nein, hier habe nur das an sich liebenswerte schlampige Genie im österreichischen Volkscharakter fröhliche Urständ gefeiert. Wahlmanipulation, igitt igitt, so etwas tun doch die guten Demokraten nicht. Und nun muß im übrigen erst recht verhindert werden, daß die braunen Antidemokraten an die Macht kommen. Deswegen wird man durch die Lande fahren und den Leuten erklären, sie seien ja am 22. Mai nun wirklich gerade noch mit einem blauen Auge davongekommen.

Wir werden sehen. Die Österreicher haben erneut die Wahl. Aber nicht zwischen dem Erzengel Michael und Luzifer.

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