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Geschichte mit einer Prise Pazifismus

Das Bayerische Armeemuseum in Ingolstadt zeigt derzeit in der imposanten Kulisse des Neuen Schlosses eine Ausstellung über den deutschen Bruderkrieg von 1866. Die Ausstellung ist natürlich sehenswert, zum einen weil sie die Erinnerung an eine wesentliche, wenn auch unglücklich verlaufene Phase der deutschen Einigung wachruft, und zum anderen die Fülle der Exponate und erläuternden Texte geeignet ist, dem Besucher für kurze Zeit jene Epoche vor Augen zu führen.

Indessen wird natürlich auch das geschichtspolitische und museumspädagogische Konzept sichtbar, das heutzutage einer solchen Ausstellung wohl zu Grunde liegen muß, damit sie überhaupt dem Volk präsentiert werden darf. Dem Anliegen moderner Pädagogen, die Geschichte von der Höhe der Staatskunst herunter zu holen, Schlachtfelder, Operationen und Waffentechnik in den Hintergrund zu schieben und stattdessen das Erleben des einfachen Volkes und des gemeinen Soldaten in den Vordergrund zu stellen, wird natürlich mit der Schilderung von Erlebnissen einzelner Mannschaftsdienstgrade Rechnung getragen. Der Ausstellungsrundgang beginnt auch mit der Erinnerung an die große Zahl von Gefallenen. Eines der großflächigen Schlachtengemälde aus jener Zeit, das den preußischen König und späteren Kaiser in der Schlacht von Königgrätz inmitten seiner Generäle, aber auch einfachen Soldaten zeigt, kann denn auch nicht einfach unkommentiert dargeboten werden. Weil es nun ganz unverholen den heroischen Geist jener Zeit widerspiegelt, wird gewissermaßen als Gegengift eine Karikatur von Daumier hineinkopiert, die als der Traum des Erfinders jener Waffe betitelt ist, die in diesem Kriege tatsächlich maßgeblich das Geschehen auf den Schlachtfeldern bestimmt hat, und natürlich große Verluste verursacht hat: des Zündnadelgewehrs.

Transportiert wird damit vor allem die pazifistische Sicht der Dinge. Suggeriert wird, daß es den Erfindern und Konstrukteuren neuer oder auch nur verbesserter Waffen allein darum gehe, daß im nächsten Krieg möglichst viele Menschen getötet werden. Pazifisten glauben ja ohnehin, daß Menschen, die politische Krisen nur mit einem Krieg lösen können, oder dies jedenfalls glauben, von einem menschenfeindlichen Denken beseelt sind. Und auch diejenigen, die dann Operationen planen und Truppen in Gefechte führen, wollen nur Tod und Vernichtung. Dieser Pazifismus übersieht natürlich geflissentlich, daß die Menschen zu aller Zeit den Krieg immer nur als Mittel zum Zweck gesehen haben, ob dieser Zweck dann jeweils ehrenhaft war oder nicht, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen. Es liegt ja auch auf der Hand, daß Staatsmänner stets ihrem Volk die Früchte eines gewonnenen Krieges reichen wollten, unabhängig davon, ob es in der konkreten Situation klug oder gar sinnvoll war, zum Mittel des Krieges zu greifen. Für die Heerführer gilt nichts anderes. Gerade deswegen sehen gerade Soldaten unserer Tage militärische Entscheidungen wie die für den Abnutzungskrieg in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges als unvertretbar, ja gerade als Pervertierung der Kriegskunst an.

Hämische Kommentare zum historischen Geschehen, wie sie die erwähnte Karikatur Daumiers transportiert, mögen zwar unverbesserliche Pazifisten in ihrer Meinung bestärken. Das Wesen des Krieges wird damit nicht getroffen. Das Problem des Krieges ist vielmehr außerordentlich komplex. Die Motive der führenden und handelnden Personen changieren zwischen edelmütig und verwerflich, ihre Gemütslage zwischen Stolz und Trauer, ihr Handeln zwischen kühl kalkulierend und aufbrausend dumm. Schade, daß eine an sich nicht schlechte Ausstellung sich von politisch korrekter Volkspädagogik nicht frei machen kann.

Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft

Das Landgericht Koblenz hat heute die erwartete Entscheidung in der Sache Heckler & Koch gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der angeblichen Mängel des Sturmgewehrs G 36 verkündet. Nach Auffassung des Gerichts stehen dem Bund keinerlei Schadensersatzansprüche gegen den Waffenhersteller zu. Denn nach den Feststellungen des Gerichts entspricht diese Waffe den vertraglich festgelegten Anforderungen.

Für den juristischen Laien muß erklärt werden, worum es hier geht. Die forsche Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt, wie die bundeswehrinterne Bezeichnung der Ministerin lautet, verkündete alsbald nach ihrem Amtsantritt der staunenden Öffentlichkeit, das seit ca. 20 Jahren eingeführte Sturmgewehr G 36 weise erhebliche Mängel auf. Bei Hitze und Dauerfeuer lasse seine Treffsicherheit dramatisch nach. Man werde alsbald ein Nachfolgemodell beschaffen und eben die insgesamt rund 160.000 Waffen dieses Typs ausmustern. Vom Hersteller werde man natürlich Schadensersatz fordern. Von Anfang an stieß das bei denen, die es angeht und die etwas davon verstehen, den Soldaten nämlich, auf völliges Unverständnis. Sogar in einer offiziell erholten Erhebung äußerten die einsatzerfahrenen Soldaten, niemals Probleme mit dieser Waffe gehabt zu haben. Natürlich wird auch die beste Waffe versagen, wenn sie unsachgemäß behandelt wird. Wer also ein Sturmgewehr, das auf Einzelfeuer und kurze Feuerstöße ausgelegt ist, als Maschinengewehr im Dauerfeuermodus missbraucht, der darf sich nicht wundern, wenn die Präzision nachlässt. Das ist jedem Soldaten völlig klar. Man kann ja auch nicht mit einem Lkw einem Porsche auf der Autobahn davonfahren.

Nun hat das Landgericht Koblenz festgestellt, und war insoweit selbstverständlich sachverständig beraten, daß diese Waffe genau die Eigenschaften hat, die es nach den vertraglichen Spezifikationen haben muß. Ein Mangel im Rechtssinne wegen einer Abweichung der tatsächlichen Leistung vom Vertragssoll liegt somit nicht vor. Ein Mangel im Rechtssinne wegen einer Abweichung von den allgemein anerkannten Regeln der Technik ist ebenfalls nicht ersichtlich. Warum auch sonst hatte der Bund noch 2013 mehrere tausend Stück des Sturmgewehrs nachbestellt? Nach den Einsatzerfahrungen in der Hitze Afghanistans? Auf der Grundlage dieser Tatsachen konnte das Gericht nicht anders, als zu entscheiden wie geschehen. Für Fachleute war das von vornherein klar. Für Juristen wird das vor allem daran deutlich, daß in diesem Falle nicht etwa der angeblich enttäuschte Kunde – der Bund – auf Schadensersatz geklagt hatte, sondern der Lieferant eine sogenannte negative Feststellungsklage erhoben hatte. Mit einer solchen Klage begehrt man vom Gericht die Feststellung, daß der Gegenseite außergerichtlich behauptete Schadensersatzansprüche nicht zustehen. Zu diesem Schritt kann ein Anwalt nur raten, wenn die Sach- und Rechtslage für seinen Mandanten von vornherein außerordentlich günstig ist. Denn eine Notwendigkeit hierfür besteht ja nicht, weil die bloße Behauptung des Gegners, Schadensersatzansprüche zu haben, noch keine Zahlungsverpflichtung auslöst. Also kann man sich ja auch zurücklehnen und eine Zahlungsklage abwarten. Wer allerdings seiner Sache so sicher ist und vor allem sein kann, daß Schadensersatzansprüche auch nicht entfernt vorstellbar sind, der kann, zum Beispiel aus Gründen der Geschäftspolitik, eine solche negative Feststellungsklage erheben. Genau das ist hier geschehen.

Wie den Nachrichten zu entnehmen ist, glaubt man indessen im Bundesministerium der Verteidigung unverdrossen daran, im Recht zu sein und kündigt an, gegen das Urteil Berufung einlegen zu wollen. In einem Falle wie dem vorliegenden, in dem das Urteil auf einem festgestellten Sachverhalt beruht, und die daraus folgende Rechtsfrage von jedem Jurastudenten im vierten Semester gelöst werden kann, muß der Berufungsführer damit rechnen, daß das Oberlandesgericht die Berufung als aussichtslos erachtet und im Beschlußwege verwirft, falls der Rechtsmittelkläger nicht doch noch den Rückzug antritt. Wenn die forsche Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt sich also noch mehr blamieren will, als schon geschehen, dann muß sie sich eben diese weitere Niederlage bei Gericht abholen.

Das alles hat natürlich gar nichts damit zu tun, daß man nach 20-30 Jahren natürlich ein Waffensystem ausmustert, um auf den neuesten Stand der Technik zu kommen. Das Bessere ist des Guten Feind, und der technische Fortschritt ist unaufhaltsam. Natürlich müssen unsere Soldaten mit dem bestmöglichen Material ausgerüstet werden, wozu selbstverständlich das Standard-Sturmgewehr gehört. Allerdings ist zu besorgen, daß auch diesmal wieder mehr gespart wird als es der Kampfkraft und der Sicherheit unserer Soldaten eigentlich geschuldet wäre. Denn auch schon damals wäre es möglich gewesen, ein noch leistungsfähigeres Sturmgewehr zu beschaffen, wie er allein schon die MG-Variante des G 36 zeigt. Die Technik kann ja nahezu alles, vorausgesetzt, der Kunde bezahlt es auch. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Die Geschichte der Bundeswehr ist eine Geschichte der Knauserigkeit des Dienstherrn, des Mangels an allen Ecken und Enden sowie der Behelfslösungen und Provisorien. Daß es den Soldaten immer wieder gelungen ist, dennoch einen respektablen Leistungsstand zu erzielen, ist allein ihrem Engagement zu verdanken. Die Politik hat keinen Anteil daran.

Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft, ist der Untertitel einer politischen Talkshow. Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft, und zwar im Gerichtssaal, dann zeigt sich regelmäßig, wie hohl die Phrasen der Politiker, und vor allem, wie weit sie von der Wirklichkeit entfernt sind. Politik und Wirklichkeit sind eben sehr unterschiedliche Welten. Quod erat demonstrandum.  

Der Eiertanz

Zu den unsäglichen Vorstellungen auf der Berliner politischen Bühne gehört zweifellos die Groteske um die Armenien-Resolution des Bundestages zum Völkermord an den Armeniern in der Zeit des Ersten Weltkrieges. Der Bundestag hat in einer Resolution erklärt, es habe sich damals um einen Völkermord im Rechtssinne gehandelt. Es gehört zu den Aufgaben und Rechten des Bundestages, neben seiner Gesetzgebungsarbeit auch in sogenannten Resolutionen zu Fragen und Sachverhalten von allgemeinem politischen Interesse Stellung zu nehmen. Nun sollte man meinen, dies sei dann die Position unseres Landes zum jeweiligen Thema. Wir sind heute darüber belehrt worden, daß dem nicht so ist. Nach der Meldung von Spiegel Online, die Bundesregierung beabsichtige sich von dieser Resolution zu distanzieren, um das Verhältnis zur Türkei (natürlich im Hinblick auf das sogenannte Flüchtlingsabkommen) nicht zu belasten, sah sich die Bundesregierung dann heute Nachmittag veranlaßt, diese Meldung zu dementieren.

Dieses Dementi muß man sich allerdings genauer anschauen. Die Bundesregierung nimmt inhaltlich zu dieser Resolution keine Stellung und verweist darauf, daß es das gute Recht des Bundestages sei, derartige Resolutionen zu beschließen. Der Bundesregierung als weiterem Verfassungsorgan stehe es einfach nicht zu, sich dazu zu äußern. Ist das eine Distanzierung oder ist das etwa eine Erklärung dahingehend, daß gegen diese Resolution nichts zu sagen sei? Natürlich ist das eine Distanzierung. Man muß sich vergegenwärtigen, daß diese Resolution von allen Parteien, und damit auch von von den beiden Parteien getragen wurde, welche die Bundesregierung tragen. Üblicherweise sind die Regierungsparteien im Parlament gewissermaßen die parlamentarische Basis für ihre Entscheidungen. Die Spitzen dieser Parteien stellen auch Kanzler und Minister. Es ist daher höchst merkwürdig, wenn die Bundesregierung sich auf den formalen Standpunkt zurückzieht, die Fassung einer Resolution sei eben das souveräne Recht des Verfassungsorgans Parlament, zu dem das Verfassungsorgan Bundesregierung sich einer Stellungnahme enthalten müsse. Das mag formaljuristisch vielleicht mit Ach und Krach begründbar sein. Politisch heißt es nichts anderes, als daß man eben nicht hinter dieser Resolution steht. Dabei fällt natürlich auf, daß die Kanzlerin, der Vizekanzler und der Außenminister, allesamt auch Mitglieder des Deutschen Bundestages, bei der Abstimmung über diese Resolution gefehlt haben, pardon, „verhindert“ waren.

Nun kann man durchaus geteilter Meinung darüber sein, welchen Sinn es überhaupt hat, daß Parlamente sich zu historischen Fragen offiziell äußern und diese bewerten. Ob es sich bei dem Massenmord an den Armeniern seinerzeit um einen Völkermord im historischen und juristischen Sinn gehandelt hat, ob liegt grundsätzlich der Bewertung durch die Historiker und die Juristen. Durch letztere dann, wenn die Rechtsfrage zu prüfen ist, ob ein Völkermord im Sinne von Art. 6 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs bzw. der einschlägigen Vorschriften des deutschen Strafgesetzbuches vorliegt. Denn daran knüpfen sich regelmäßig Rechtsfolgen, über die nur ein Gericht entscheiden kann. Wenn ein solcher Rechtsfall eben nicht zu entscheiden ist, werden die Gerichte damit nicht befaßt. Die Historiker hingegen haben als Wissenschaftler die historische Wahrheit zu erforschen und auch ihre Ergebnisse zu veröffentlichen. Jeder Historiker hat dann zu vertreten, was er publiziert. Mit der Zeit bilden sich dann eben historische Gewissheiten, zumindest vorläufige historische Gewissheiten heraus. Dabei sollte es eigentlich sein Bewenden haben. Nachdem sich aber in den letzten Jahren mehrfach die Politik hier eingemischt hat und Parlamente entsprechende Resolutionen gefaßt haben, muß man eben feststellen, daß die Politik insoweit Teil des historischen Prozesses geworden ist. Das kann man begrüßen oder auch ablehnen. Es ist aber nun einmal so. Und deswegen haben derartige Resolutionen natürlich erhebliche politische Bedeutung, vor allem in Fällen wie dem vorliegenden. Denn die Türkei, und nicht etwa lediglich einzelne türkische Historiker, lehnt es ganz offiziell ab, daß der Völkermord an den Armeniern von anderen Staaten oder auch Historikern beim Namen genannt wird. Und daran knüpft die Türkei durchaus politische Ansprüche. Im Falle Deutschland maßt sie sich an, Abgeordneten des Deutschen Bundestages zu untersagen, deutsche Soldaten, die in der Türkei im Rahmen des Krieges gegen den sogenannten Islamischen Staat stationiert sind, zu besuchen.

Und an dieser Stelle wird es peinlich. An und für sich sollte ein solches Verhalten eines Bündnispartners die Bundesregierung veranlassen, umgehend ihre Soldaten aus diesem Lande abzuziehen und irgendwo anders, etwa auf Zypern, zu stationieren. Sie sollte des Weiteren der Türkei nahelegen, gemäß Art. 13 des NATO Vertrages ihren Austritt aus dem Bündnis zu erklären. Ein Staat, der sich so verhalten würde, könnte sicher sein, international sehr ernst genommen zu werden. Ein Staat aber, der sich so verhält, wie die Bundesregierung dies in unser aller Namen tut, macht sich lächerlich. Besonders absurd ist die Verknüpfung mit dem sogenannten Flüchtlingsabkommen mit der Türkei. Davon haben wir nämlich gar nichts. Genau genommen bekommt Europa für jeden in der Ägäis aufgegriffenen illegalen Flüchtling einen anderen Flüchtling von der Türkei zurück. Und dafür zahlt die Europäische Union der Türkei Milliarden von Euro. Die Tatsache, daß der Flüchtlingsstrom aus Afghanistan, Irak und Syrien via Türkei inzwischen mehr oder weniger versiegt ist, hat mit diesem Abkommen nichts zu tun. Vielmehr ist die Ursache dieser erfreulichen Entwicklung allein darin zu finden, daß die Balkanstaaten, Ungarn und Österreich ihre Grenzen abgeriegelt haben.

Es ist ohnehin unverständlich, daß die Bundesregierung immer noch daran festhält, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei weiterzuführen. Auch dies mag ein Motiv für diese Karikatur von Diplomatie gewesen sein, deren Zeugen wir heute werden konnten. Unverständlich ist das Ganze deswegen, weil sich inzwischen doch herausgestellt hat, und zwar mit großer Klarheit, daß die Türkei auf gar keinen Fall Teil der Europäischen Union werden kann. Sie ist politisch inzwischen eine Art Halbdiktatur, sie ist kulturell Lichtjahre von Europa entfernt, insbesondere wegen der rasant zunehmenden Bedeutung des Islam für die türkische Gesellschaft. Der von dem Begründer der modernen Türkei, Mustafa Kemal Atatürk, verordnete Laizismus ist durch die von Präsident Erdogan rasant vorangetriebene Islamisierung nahezu verschwunden. Dieses Land ist somit von Europa noch sehr viel weiter entfernt, als es bei Abschluß des sogenannten Ankara-Abkommens vom 12.09.1963 zwischen dem Vorläufer der Europäischen Union, der EWG seligen Angedenkens, und der Türkei gewesen ist. Dieses Abkommen wird gemeinhin als Beginn der Annäherung der Türkei an Europa angesehen, und man muß zugeben, daß der Türkei seither einschlägige Versprechungen gemacht worden sind, die letztendlich in der Ernennung dieses Landes zum offiziellen Beitrittskandidaten 1999 und der Aufnahme förmlicher Beitrittsverhandlungen 2005 gipfelten. Allerdings kannten die Deutschen 1963 die Türkei und den Islam allenfalls aus den Romanen von Karl May. Womit man es wirklich zu tun hat, weiß man heute natürlich sehr viel besser. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Ankara-Abkommen sollte man so ehrlich sein zu sagen, daß die Welt sich seither tiefgreifend verändert hat. Die Grundlage für die damaligen Versprechungen existiert schon lange nicht mehr. Ehrlich wäre es daher zu sagen, daß ein Beitritt der Türkei zur Europäischen Union jedenfalls in den nächsten 50 Jahren nicht möglich ist.

Warum also die Bundesregierung im Verhältnis zur Türkei derartig bizarre Eiertänze aufführt, ist nicht nachvollziehbar. Dem Renommee unseres Landes dient das jedenfalls nicht.

Die Verschleierung ist kein Menschenrecht

Die Debatte um das Verbot von Burka und Niqab ist voll entbrannt. Erstaunlich ist, daß es eine solche Debatte überhaupt geben kann. Die Befürworter des Verbots der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit argumentieren im wesentlichen so, es gehöre nun einmal zu unseren hergebrachten Grundsätzen, daß alle Menschen ihr Gesicht zeigen. Die religiös begründete Pflicht der Frauen, in der Öffentlichkeit ihren Körper und ihr Gesicht vollständig zu verhüllen, sei Ausdruck eines Menschenbildes, in dem die Frau keine eigenen Rechte habe und gewissermaßen zum Besitz ihres Ehemannes, vor der Ehe ihres Vaters, herabgewürdigt werde. Die Gegner eines solchen Verbots berufen sich auf Art. 4 des Grundgesetzes sowie Art. 9 der Europäischen Konvention der Menschenrechte. Danach sei nun einmal die Religionsfreiheit gewährleistet, wozu auch die Ausübung der Religion in der Öffentlichkeit gehöre. Religiöse Kleidervorschriften fielen somit in den verfassungsrechtlich bzw. menschenrechtlich geschützten Bereich.

Nun hat aber der Europäische Gerichtshof für die Menschenrechte mit Urteil vom 01.07.2014 und damit gewissermaßen in letzter Instanz entschieden, daß ein Mitgliedsland – in diesem Falle Frankreich – nicht gegen die europäische Menschenrechtskonvention verstößt, wenn er die Vollverschleierung in der Öffentlichkeit bei Strafe verbietet. Denn, so der Gerichtshof, das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, Mindestanforderungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens als Teil der immateriellen öffentlichen Ordnung zu schützen, sei ein hinreichender Grund für diese Einschränkung. Zu diesem im Verhältnis zum Recht auf ungestörte Religionsausübung höherrangigen Ziel des Gesetzgebers, das gesellschaftliche Zusammenleben zu schützen, zähle auch die Erkennbarkeit des Gesichts der Menschen, denen man im öffentlichen Raum begegne. Es bestehe ein weiter Beurteilungsspielraum des Staates bei der Frage, ob diese Beschränkung der Religionsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft tatsächlich notwendig ist. Frankreich hatte diese Frage bejaht und daher ein gesetzliches Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit erlassen. Es ist also letztendlich eine politische Frage, ob man eine Beeinträchtigung des gesellschaftlichen Zusammenlebens darin sieht, wenn vollverschleierte Frauen in der Öffentlichkeit auftreten.

Ein gewichtiges Argument in dieser Diskussion ist natürlich die Einstellung der jeweiligen Bevölkerung zu einem solchen Verbot. Nach einer Emnid-Umfrage aus dem Jahr 2011 sprachen sich zwei Drittel der Deutschen für ein Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit aus. Nach einer aktuellen Erhebung des statistischen Bundesamtes sollen sich 50 % für und 33 % gegen ein Verbot ausgesprochen haben. In Frankreich sei das Verhältnis 70 : 18 und in Spanien 65 : 21. Wenn jedoch erhebliche Teile der Bevölkerung das Auftreten von vollverschleierten Frauen in der Öffentlichkeit so vehement ablehnen, daß sie sich für ein gesetzliches Verbot aussprechen, dann muß man wohl von einer Beeinträchtigung des gesellschaftlichen Zusammenlebens durch diese auffällige und demonstrative Zurschaustellung einer radikalen Religiosität sprechen. Hinzu kommt, daß diese auch im Islam keineswegs selbstverständliche, sondern nur in extrem konservativen Gesellschaften bestehende Bekleidungsvorschrift bei uns in Deutschland mit islamistischem Terrorismus in Verbindung gebracht wird. Ein mit diesen Überlegungen begründetes Gesetz würde vor dem Europäischen Gerichtshof für die Menschenrechte Bestand haben.

Nun wird auch argumentiert, Art. 4 unseres Grundgesetzes gehe weiter als die Europäische Menschenrechtskonvention, weil danach die ungestörte Religionsausübung gewährleistet wird. Die Frage ist natürlich, ob die Vollverschleierung in der Öffentlichkeit tatsächlich Religionsausübung im Sinne dieser Vorschrift ist. Offensichtlich halten es die allermeisten Muslime in Deutschland nicht für ihre religiöse Pflicht, ihren Frauen vorzuschreiben, eine solche Kleidung in der Öffentlichkeit zu tragen. Soweit einige wenige Frauen islamischen Glaubens behaupten, aus eigenem Entschluß nur vollverschleiert aus dem Hause zu gehen, so mag es zwar eine solche unglaubliche religiöse Verirrung im Einzelfall geben. Es geht aber offensichtlich vorrangig darum, den sogenannten Ungläubigen die eigene Religiosität zu demonstrieren und damit auch die Verachtung für den freiheitlichen, gegebenenfalls auch religiös indifferenten Lebensstil der westlichen Gesellschaften. Es kann aber nicht Inhalt eines Grundrechtes sein, auch völlig abseitige Vorstellungen und Verhaltensweisen zu schützen. Vielmehr können sich Behörden und Gerichte bei der Prüfung der Frage, ob hier überhaupt die Ausübung einer Religion vorliegt, an die Auffassung der weit überwiegenden Mehrheit der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft halten. Wenn es zutrifft, daß es in Deutschland derzeit nur ca. 100 Frauen gibt, die sich in der Öffentlichkeit mit Burka bzw. Niqab zeigen, wie uns das die Leute gerne erzählen, die das Problem kleinreden wollen, dann handelt es sich dabei ja tatsächlich um eine verschwindende, gewissermaßen in homöopathischer Verdünnung auftretende Minderheit der etwa 4 Millionen bei uns lebenden Muslime. Deren exzentrische Vorstellung von ihrer Religion fällt also nicht in den vom Grundgesetz geschützten Bereich.

Die Ausgestaltung des Grundrechts der Religionsfreiheit in unserer Verfassung im Vergleich zu der einschlägigen Regelung in der Weimarer Reichsverfassung zeigt im übrigen, daß der Verfassungsgesetzgeber 1949 in seinem Eifer, die Deutschen nach dem III. Reich mit dem größtmöglichen Grundrechtsschutz auszustatten, über das Ziel hinausgeschossen ist. Art. 135 der Weimarer Verfassung hat noch die ungestörte Religionsausübung zwar gewährleistet, jedoch ausdrücklich erklärt, daß die allgemeinen Staatsgesetze davon unberührt bleiben. Damit war es dem Gesetzgeber möglich, Einzelheiten der Religionsausübung zu regeln, ohne sie im Kern anzutasten.

Die derzeitige Debatte über das Verbot der Vollverschleierung treibt seltsame Blüten. So hört man das Argument, im Kern gehe es hier um einen Angriff auf die Religiosität überhaupt. Nach der Debatte über die religiöse Beschneidung komme nun dieses. Man müsse wohl befürchten, daß auch das Läuten der Kirchenglocken und die Fronleichnamsprozessionen in den Fokus radikaler Religionskritiker geraten könnten. Das ist natürlich, mit Verlaub gesagt, Unsinn. Die Kritiker der religiösen Beschneidung, zu denen ich mich zähle, argumentieren mit dem Grundrecht der betroffenen Kinder auf körperliche Unversehrtheit. Hier muß der Staat also eine Abwägung zwischen Grundrechten treffen. Er hat sie im Falle der religiösen Beschneidung aus politischen Gründen fehlerhaft vorgenommen. Soweit überhaupt das Läuten der Glocken angegriffen wird, handelt es sich dabei jeweils um einzelne Anwohner, die da meinen, der Staat müsse ihr Ruhebedürfnis schützen, obgleich die Glocken in seiner Nachbarschaft seit Jahrhunderten läuten. Sie müssen sich dann jeweils von den Gerichten darüber belehren lassen, daß das Läuten der Kirchenglocken Bestandteil unserer gewachsenen Kultur ist. Beim Ruf des Muezzins wäre das ganz sicher nicht so zu beurteilen. Es sei denn, man huldige der Auffassung Christian Wulffs und Angela Merkels, der Islam gehöre zu Deutschland, was ja nun ganz offensichtlich abwegig ist.

Der tragende Grund für ein Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Raum ist natürlich, daß dieser Anblick für die weit überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung abstoßend wirkt. Nicht nur, daß eine solche Gestalt als Fremdkörper wahrgenommen wird, sie wird auch als Sinnbild einer unduldsamen, Lebensfreude und Freiheit unterdrückenden Religion bzw. Gesellschaftsordnung aufgefaßt, und dies zu Recht. Ein derartiges Menschenbild ist uns fremd. Seine demonstrative Zurschaustellung wird von vielen Menschen als bedrohlich empfunden, und auch dies zu Recht. Daß Menschen, die solches für religiös geboten halten, auch Sympathien für den islamistischen Terror, wenn nicht mehr, zugetraut wird, rundet das Bild nur ab. Das Verbot von Burka und Niqab auf unseren Straßen ist nicht nur rechtlich möglich, sondern meines Erachtens zwingend geboten. Wenn die Politik sich nicht noch weiter vom Volk entfernen will, als sie es schon tut, dann kann sie nur dem Wunsch der meisten Deutschen entsprechen, und diesem Mummenschanz auf unseren Straßen ein Ende setzen.

Die Verschleierung ist eben kein Menschenrecht. Im Gegenteil. Sie zu untersagen, ist Pflicht des freiheitlichen Staates. Denn die Freiheit der Bürger vor ihren Unterdrückern muß gewährleistet werden.

Jeder blamiert sich, so gut er kann

Dieses alte Sprichwort fiel mir ein, als ich heute in Michael Klonovskys „acta diurna“ zwei wunderbar aussagekräftige Fotos von den olympischen Spielen in Rio betrachtete. Foto Nr. 1 zeigt eine Szene aus dem Spiel Deutschland vs. Ägypten im Beach-Volleyball der Damen. Die beiden deutschen Spielerinnen tragen die in dieser Sportart übliche Bekleidung, den Bikini. Die auf der anderen Seite des Netzes zu sehende ägyptische Spielerin ist in einen Trainingsanzug eingehüllt, und auch der Kopf ist mit einem nur das Gesicht freilassenden kopftuchartigen Textil verhüllt. Die Absurdität wird gesteigert durch Foto Nr. 2, das offensichtlich und ausweislich des Begleittextes in arabischer Schrift aus einem islamischen Land stammt. Es zeigt eine Aktion der beiden Spielerinnen am Netz. Die ägyptische Sportlerin wird in ihrer islamisch korrekten Kluft gezeigt, die deutsche hingegen dürfen die frommen Muslime nicht sehen. Das schamlose halbnackte Weib wird verpixelt.

Man sollte diese beiden Fotos in allen Zeitungen wiedergeben, sie über die ganze Erde verbreiten und in die Schulbücher aufnehmen. Schlagender als es mit diesen Fotos geschieht, kann nicht dargestellt und bewiesen werden, welch ein Aberglaube jedenfalls der Islam ist, der eine so häßliche Kleidung selbst im Sport zur Pflicht macht, und den Muslimen nicht einmal erlaubt, die „westlich“ gekleideten Sportlerinnen aus anderen Ländern auch nur auf Zeitungsfotos anzuschauen.

Tödlicher als jedes noch so geschliffene Argument ist die Lächerlichkeit. Mit solchen Auftritten begeht der Islam so eine Art Selbstmord. Unsere Trauer darüber hält sich in sehr engen Grenzen.

Schluß mit Lustig

Am 7. Juli dieses Jahres hat der Deutsche Bundestag einstimmig beschlossen, daß künftig wegen Vergewaltigung bestraft werden soll, wer eine andere Person gegen deren erkennbaren Willen zu sexuellen Handlungen oder gar zum Geschlechtsverkehr bewogen, bestimmt oder genötigt hat. Genaueres werden im Laufe der Jahre die Gerichte herauszuarbeiten haben. Das erstaunliche an diesem Vorgang ist zunächst einmal, daß der Bundestag einstimmig eine strafrechtliche Regelung von großer Tragweite beschlossen hat. Dies unter dem einhelligen Beifall der öffentlichen wie auch der veröffentlichten Meinung. Kein Wunder. Wenn man jemanden fragt: „Sind Sie für oder gegen Vergewaltigung?“, dann wird die Antwort immer lauten: „Natürlich dagegen!“ Und es ist an und für sich selbst verständlich, daß man als anständiger und kultivierter Mensch jeden anderen Menschen so weit respektiert, daß man nicht einmal daran denkt, mit ihm oder ihr gegen den erklärten Willen intim zu werden.

Doch sind Anstand und Gesetz zwei ganz verschiedene Dinge. Und die landläufige Vorstellung von rechtlichen Dingen einerseits und deren Behandlung durch die Juristen andererseits klaffen nicht selten meilenweit auseinander. Und so liegen die Dinge hier. Das bedenkliche daran ist, daß sich offensichtlich niemand in den von Juristen nur so wimmelnden Ministerien oder gar von den Abgeordneten selbst Gedanken darüber gemacht hat, was die Gesetzesänderung denn nun in der Praxis bewirken wird. Und das gilt nicht nur für die auf der Hand liegenden Beweisprobleme, die gegenüber der bisher geltenden Rechtslage noch einmal deutlich größer geworden sind. Das gilt auch für die Anwendung des Gesetzes bei unterstellt eindeutiger Tatsachenfeststellung.

Der Münchener Strafverteidiger Dr. Alexander Stevens hat jüngst darauf aufmerksam gemacht. In gebotener Kürze soll hier einmal dargestellt werden, was sich dem Juristen eigentlich aufdrängen sollte.

Viele von uns werden sich noch an ihren ersten Kuß erinnern. Das war nicht selten eine schwierige Geschichte. Soll ich, soll ich nicht? Will sie, will sie nicht? Trau ich mich nicht, traut sich möglicherweise morgen ein anderer. Mag sie mehr den aus der Ferne schmachtenden Minnesänger, oder steht sie doch auf dem handfesten Don Juan? Irgendwann hat man das Herz in beide Hände genommen und ihr ganz überraschend den ersten Kuß auf die Wange oder gar auf die Lippen gedrückt. Ob sie nun zart errötete, stürmisch selber küßte oder empört mit einer saftigen Ohrfeige antwortete, der Anfang war gemacht. Davon müssen wir Juristen künftig den jungen Leuten dringend abraten. Denn ein überraschender Kuß ist nach dem Wortlaut des neuen Gesetzes nicht nur eine sexuelle Belästigung; er ist sogar eine sexuelle Nötigung. Strafbar macht sich jetzt gemäß § 177 Abs. 2 Nr. 3 des Strafgesetzbuches, wer eine sexuelle Handlung an einer anderen Person vornimmt und dabei ein Überraschungsmoment ausnutzt. Wenn das Gericht den Kuß als „erhebliche sexuelle Handlung“ ansieht, drohen zwischen 6 Monaten und 5 Jahren Gefängnis. Bei einem Zungenkuß kann das auch zu einer Freiheitsstrafe zwischen 2 und 15 Jahren führen, weil ein Eindringen in eine Körperöffnung erfolgt, nämlich den Mund. Also lieber erst mal das Einverständnis der Angebeteten einholen, aus Beweisgründen natürlich schriftlich.

Als man dann schon etwas kesser und erfahrener geworden war, begann eine stürmische Nacht nicht selten mit der Frage: „Gehen wir nun zu dir oder zu mir?“ Auch davon muß der Jurist künftig dringend abraten. Denn wenn die heiße Partybekanntschaft ihrem Verehrer in dessen Wohnung folgt, und dann passiert, weshalb man sie aufgesucht hat, dann kann am Ende die Verurteilung wegen Vergewaltigung stehen. Denn der Galan hat beim Geschlechtsverkehr eine Lage ausgenutzt, in der das Opfer schutzlos war, § 147 Abs. 5 Nr. 3 des Strafgesetzbuches. Die Schutzlosigkeit des Opfers wird bejaht, weil es mit dem Täter in seiner Wohnung allein war und damit seinem ungehemmten Einfluß ausgesetzt war, ohne daß es fremde Hilfe erwarten konnte. Das dürfte im übrigen auch in ihrer Wohnung der Fall sein, wenn sie dort alleine wohnt. Also sollte man nur dort zur Sache kommen, wo zur Not mit hilfsbereiten Menschen zu rechnen ist, etwa in einer WG oder dem Elternhaus. Allerdings sollte der Platz auch nicht zu belebt sein, denn Sex in der Öffentlichkeit gilt als Erregung öffentlichen Ärgernisses und ist daher strafbar.

Aber auch, wenn man bereits dem beiderseitigen Wunsch entsprechend im Bett gelandet ist, schaut der Staatsanwalt immer noch nicht weg. Denn Nein heißt Nein nicht nur vorher, sondern auch sozusagen während. Ohne nun in die juristisch exakte Beschreibung von Einzelheiten sexueller Betätigung eintreten zu wollen, sei doch so viel gesagt, daß natürlich auch der entgegenstehende Wille der Sexualpartnerin wie des Partners geschützt ist, was die verschiedenen Aktivitäten angeht, zu denen es da kommen kann. Daß etwa ein Mann die Dame vorher fragt, ob er ihr nun…… darf, ist natürlich eine abwegige Vorstellung und könnte allenfalls in einer juristischen Prüfungsaufgabe vorkommen. Aber im Gesetz steht nun einmal, daß sich wegen sexueller Nötigung bzw. Vergewaltigung strafbar macht, wer gegen den erkennbar entgegenstehenden Willen – also auch ohne ein klar ausgesprochenes Nein – sexuelle Handlungen an einer Person vornimmt. Wann das der Fall ist, darum wird sich die Rechtsprechung bemühen müssen. Zwischen einem deutlichen und energischen verbalen Nein und einem traurigen Senken des Blicks ist da wohl alles denkbar. Dem forschen Don Juan sollte man raten, vorsichtshalber alle 10-20 Sekunden zu fragen, ob die Dame immer noch einverstanden ist oder ob er aufhören soll.

So mancher feuchtfröhliche Abend hat früher im Bett geendet, ohne daß man sich dabei etwas gedacht hätte. Künftig kann das gravierende Folgen haben. Hat man früher von sexueller Nötigung oder Vergewaltigung gesprochen, wenn das Opfer völlig betrunken und deswegen widerstandsunfähig war, so genügt es nunmehr, wenn sich der Täter der Zustimmung des Opfers nicht versichert hat, § 177 Abs. 5 Nr. 2 des Strafgesetzbuches. In der Begründung des Gesetzes heißt es dazu wörtlich, daß sich der Handelnde grundsätzlich auch dann strafbar macht, wenn der betrunkene Partner zwar im Nachhinein kundtut, daß er die sexuelle Handlung freiwillig an sich hat vornehmen lassen, der Beschuldigte sich hierüber aber nicht vorab versichert hat. Wie kann ich mich aber davon überzeugen, daß eine beschwipste Dame auch meint, was sie sagt, natürlich im Rechtssinne? Noch gefährlicher wird es, wenn beide betrunken sind. Der Experte meint, daß mangels verbaler oder anderweitig schlüssiger Kommunikationsfähigkeit Sex zwischen zwei Betrunkenen künftig gänzlich verboten sein wird. Sex muß also von nun an wie Autofahren gehandhabt werden: wenn Sie zu müde oder zu betrunken sind, bitte nicht mehr ins Auto bzw. mit jemanden ins Bett steigen. Und ganz übel wird es, wenn man vielleicht ein Schweizer Taschenmesser zum Entkorken der dann gemeinsam genossenen Flasche Wein benutzt hat. Denn dann hatte er ja ein gefährliches Werkzeug dabei, was den Strafrahmen bis zu 15 Jahren ausdehnt.

Volk wie Volksvertreter waren sich allerdings einig, daß mit dem neuen Gesetz auch Vorgänge wie in der Kölner Silvesternacht unterbunden werden sollen. Es ist ja wirklich widerlich, wenn eine Gruppe von Männern eine Frau bedrängt oder gar vergewaltigt. Allerdings ist der Straftatbestand dann so geraten, daß nicht nur diejenigen, die eine andere Person sexuell belästigen, sondern auch etwaige Personen, die bloß dabeistehen, als zum Täter gehörige Gruppe angesehen werden können. Ob sie sich daran beteiligt haben oder nicht, spielt keine Rolle. Die erhöhte Gefahr geht ja tatsächlich von der Gruppe aus. Allerdings könnte das künftig für die Mädels, die um die Häuser ziehen, um den Junggesellinnenabschied zu feiern, gefährlich werden. Wenn eine der Damen dabei erfolgreich einem Passanten etwa ein Fläschchen Schnaps angedreht hat und ihm anschließend vor Freude einen Klaps auf den Po gibt, dann macht sie sich möglicherweise samt ihrer umherstehenden Freundinnen nach diesem Paragraphen strafbar. Also Mädels, feiert künftig lieber in geschlossener Gesellschaft!

Man mag die vorstehende Aufstellung für flapsig, vielleicht auch übertrieben halten. Leider ist es aber so, daß sich gesetzliche Formulierungen nach ihrem Inkrafttreten selbständig machen. Die Juristen nennen das dann den objektivierten Willen des Gesetzgebers. Und was dann Staatsanwälte und Strafrichter daraus machen müssen, kann dann höchst unerfreulich sein. Von den Beweisproblemen, wie gesagt, will ich erst gar nicht reden.

Wir haben es hier eben mit einem Fall zu tun, der in der Politik und den Medien doch nicht selten ist. Da tauchen Probleme auf, und in bester Stammtischmanier wissen alle sofort, was unbedingt nötig ist. Natürlich will ich mich nicht dem Vorwurf aussetzen, bloß zu meckern. Ich kann durchaus eine Alternative bieten. Gerade weil ich ein Delikt wie die Vergewaltigung für keine Kleinigkeit halte, wäre meine Lösung gewesen, den Strafrahmen dahingehend zu verändern, daß die Mindeststrafe deutlich angehoben wird. Denn dann fallen die letztendlich ausgeurteilten Strafen automatisch deutlich höher aus, als bisher. Das Grundproblem des Delikts Vergewaltigung ist damit natürlich nicht gelöst. Das Grundproblem ist und bleibt die Beweislage, weil sich dieser Vorgang nahezu immer unter vier Augen abspielt. Aber dann, wenn sich ein Gericht mit sorgfältiger Begründung, und davon ist regelmäßig auszugehen, dazu entschieden hat, die Tat als erwiesen anzusehen, dann soll auch eine harte Strafe ausgesprochen werden. Mit juristischem Firlefanz nach der Art des Gesetzes vom 07.07.2016 indessen ist nichts gewonnen, allenfalls eine Spaßbremse nach der Art sauertöpfischer Mullahs in den Alltag unseres Landes eingeführt worden.

Bürger in Uniform oder Söldner?

In diesen Tagen hat die Bundesministerin der Verteidigung das neue Weißbuch vorgestellt. Das hat weder in den Medien noch in der Öffentlichkeit eine Debatte ausgelöst. Man kann allenfalls von wohlwollendem Desinteresse sprechen. Die jahrzehntelange Konditionierung der Deutschen zu einer in der Grundbefindlichkeit eher pazifistischen Gesellschaft ließ auch nichts anderes erwarten.

Nun wird in den Weißbüchern des Bundesministeriums der Verteidigung traditionell nicht lediglich ein Ausblick auf angestrebte Strukturveränderungen der Streitkräfte und ihre Ausrüstung gegeben, sondern durchaus grundlegend auch eine Einordnung in die Weltpolitik vorgenommen. Die Rolle Deutschlands in der Welt, die Rolle Deutschlands in den Vereinten Nationen wie der NATO, und ein klein wenig auch die deutschen Interessen werden definiert. Das geschieht natürlich auch in diesem Weißbuch, soll aber nicht Gegenstand dieser Betrachtungen sein.

Vielmehr wollen wir den Blick auf das Selbstverständnis der Bundeswehr richten, wie es nach Auffassung der politischen Leitung des Ministeriums und natürlich der Bundesregierung überhaupt sein sollte. Festgehalten wird natürlich an Begriff und Grundsatz der Inneren Führung. Insoweit formuliert das Weißbuch in Ziffer 8.3 (Innere Führung als Kern des Selbstverständnisses der Bundeswehr) unter anderem: „Die innere Führung stellt sicher, daß sich die Ausbildung von Soldatinnen und Soldaten nicht allein auf die Vermittlung handwerklicher Fähigkeiten beschränkt, sondern vielmehr die Bindung an die Werte unseres demokratischen Gemeinwesens festigt.“ Natürlich ist die Bindung des Soldaten an die Werte unseres demokratischen Gemeinwesens eines der Ziele der Inneren Führung, jedenfalls wenn man den in § 9 des Soldatengesetzes formulierten Diensteid zugrunde legt. Die Eidesformel lautet ja nun einmal: „Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, (so wahr mir Gott helfe).“ Gemessen daran fehlt in der Definition der Aufgabe und Zielvorstellung der Inneren Führung jeder Hinweis auf das Volk bzw. Land, dem der Soldat der Bundeswehr dient. Immerhin sind die zentralen Begriffe der Eidesformel die Pflicht zum treuen Dienen gegenüber dem Land, und die Pflicht, Recht und Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Beides kommt in der Formulierung dieser Zielvorstellung nicht vor. Die Werte unseres demokratischen Gemeinwesens, die dort allein auftauchen, lassen sich sicher auch unter Recht und Freiheit des deutschen Volkes einordnen, allerdings sind damit Recht und Freiheit des deutschen Volkes keineswegs erschöpfend beschrieben. Denn die demokratischen Grundwerte gehören zwar sicherlich zu den Rechten der Deutschen, die der Soldat der Bundeswehr verteidigt. Zu den Rechten der Deutschen gehört aber vor allem auch ihre Freiheit nach innen wie nach außen. Davon ist nicht die Rede. Zu den Rechten der Deutschen gehört es auch, ihre natürlichen Interessen auf ein Leben in Frieden und Wohlstand zu wahren. Die Werte der demokratischen Gesellschaft indessen als gewissermaßen Teilmenge der in der Eidesformel beschriebenen Aufgabenstellung können demgemäß doch nur ein Teil dessen sein, wofür der Soldat notfalls mit Gesundheit und Leben einzustehen hat. Doch offenbar ist die Benennung spezifisch nationaler Rechte und Werte inzwischen verpönt. Die Demokratie an sich als Wert ist ebenso unverfänglich wie wohlfeil. Denn sie ist selbstverständlich Staatsform und gelebte gesellschaftliche Wirklichkeit in (fast) allen Ländern der NATO mit Ausnahme der Türkei des modernen Sultans Erdogan.

Nicht überraschend ist es daher, daß in Ziffer 8.4 des Weißbuchs neue Wege im Traditionsverständnis aufgezeigt werden. Denn: „Wichtige Teile der Führungsphilosophie (Muß es denn gleich Philosophie sein? Tut es nicht auch das Selbstverständnis?) der Bundeswehr sind ein Werte vermittelndes Traditionsverständnis und dessen Pflege. Unsere Soldatinnen und Soldaten brauchen für ihren fordernden Auftrag neben der rationalen Sinnstiftung auch eine emotionale Bindung. Die preußischen Reformen und der Widerstand gegen das NS-Regime werden immer ihren besonderen Platz behalten. Sie dienen als wesentliche Vorbilder und zur moralischen Festigung. Doch Traditionen müssen gelebt werden.“ Den in der deutschen Geschichte offenbar allein sinnstiftenden Ereignissen der preußischen Reformen und des Widerstandes gegen das NS-Regime wird dann noch die inzwischen über 60-jährige Tradition der Bundeswehr selbst hinzugefügt. Letzteres ist sicherlich angebracht und legitim. Denn die Bundeswehr besteht inzwischen länger als jede deutsche Armee vor ihr, und sie kann für sich in Anspruch nehmen, einen wesentlichen Beitrag zur friedlichen Überwindung des Ost-West Konfliktes geleistet zu haben, und gewissermaßen zu den Siegern des Kalten Krieges zu gehören. Die preußischen Reformen und der Widerstand gegen das NS-Regime indessen waren politische, nicht militärische Leistungen. Somit bleibt als traditionsstiftende militärische Leistung allein der Beitrag zur Überwindung des Ost-West Konfliktes und der damit einhergehenden friedlichen Wiedervereinigung unseres Volkes. In einem „heißen“ Krieg mußte sich die Bundeswehr gottlob nicht bewähren, vom Einsatz in Afghanistan einmal abgesehen. Indessen fehlt in dieser Aufzählung, was für alle anderen Armeen auf dieser Erde stets traditionsbegründend ist: die großartigen soldatischen Leistungen in den Kriegen der Vergangenheit. Immerhin haben die deutschen Armeen in den Kriegen von 1866,1870/71,1914-18 und 1939-45 militärische Leistungen gezeigt, die überall in der Welt geachtet und hoch geschätzt, jedoch nur in Deutschland offenbar verschämt unter Verschluß gehalten werden. Die Führungskunst der Feldherren und Generalstäbe, die weltweit bewunderte Auftragstaktik, die Erfolge deutscher Armeen auf den Schlachtfeldern gegen personell und materiell häufig weit überlegene Gegner, alles das soll nach den Vorstellungen der Auftraggeber und der Verfasser dieses Weißbuches offenbar nicht traditionsbegründend sein. Die Tatsache allein, daß deutsche Soldaten über einen vergleichsweise sehr kurzen Zeitraum der Geschichte – was sind schon 12 von gut 300 Jahren? – gezwungen waren, einem Unrechtsregime dienen zu müssen, ist für die dominierende politische Klasse dieses Landes (von Elite kann ich hier nicht sprechen) Grund genug, die glänzenden Leistungen früherer Soldatengenerationen unter den Tisch fallen zu lassen. Was in anderen Ländern zur Errichtung von Denkmälern und jährlichen Paraden der Streitkräfte vor den Staatsoberhäuptern unter großer Anteilnahme der Bürger führt, wird in Deutschland geächtet. Wie auf diese Weise eine innere Bindung des Soldaten an Volk und Land geschaffen werden soll, bleibt wohl das Geheimnis unserer Politiker und ihrer medialen Lautsprecher. Vielleicht soll das aber auch gar nicht erreicht werden.

Nur in diesem Geiste ist es wohl möglich, sich Gedanken darüber zu machen, die offenkundigen Personalprobleme der Bundeswehr dadurch zumindest abzumildern, daß man sie für Ausländer öffnet. So heißt es auf Seite 120 des Weißbuches unter dem Stichwort „Personalstrategie“ unter anderem: „Nicht zuletzt böte die Öffnung der Bundeswehr für Bürgerinnen und Bürger der EU nicht nur ein weitreichendes Integrations- und Regenerationspotenzial für die personelle Robustheit der Bundeswehr, sondern wäre auch ein starkes Signal für eine europäische Perspektive.“ Dieses – pardon! – Geschwurbel will wohl heißen, daß es eigentlich völlig gleichgültig ist, wer in dieser Armee dient, vor allem, woher er kommt und welchen Pass er in der Tasche trägt. Das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen wird wohl kaum das Motiv solcher Soldaten sein. Hier wird ganz offen über die Rekrutierung von Söldnern nachgedacht. Natürlich gibt es so etwas in Form der französischen wie auch der spanischen Fremdenlegion. Das sind aber immerhin besondere Truppenteile. Die USA haben sich für die Erledigung besonders gefährlicher und schmutziger militärischer Aufträge der Dienste kommerzieller Anbieter versichert. Wenn man nun auch in Deutschland derartige Erwägungen anstellt, dann sollte man eben auch zwischen dem Dienst für das Vaterland – ja, Vaterland – und dem Einsatz von Waffengewalt zur Durchsetzung politischer oder wirtschaftlicher Interessen trennen. Aber dazu bedürfte es einer Klasse von Politikern, die sich nicht lediglich als Manager eines Großunternehmens namens Bundesrepublik Deutschland verstehen, sondern als Vertreter derer, denen die Inschrift über dem Eingangsportal des Reichstages gewidmet ist. Sie lautet: Dem deutschen Volke.

Eine Zeitreise

Wer gestern Abend die Nachrichten im Fernsehen mit wachem Verstand verfolgt hat, der sah sich auf eine Zeitreise mitgenommen. Der Sultan vom Bosporus ließ gefangen genommene Offiziere vor den Kameras zur Schau stellen. Ihre Gesichter wiesen deutliche Spuren schwerer Misshandlungen auf. Die Erinnerung an die Folterkeller Hitlers und Stalins stieg aus den dunkelsten Tiefen des kollektiven Gedächtnisses empor. Wer den Reden des Sultans an sein Volk lauschte, brauchte keinen Übersetzer um schon am Duktus und Tonfall eine verblüffende Ähnlichkeit mit den Reden Hitlers zu registrieren. Die Ankündigung, die Todesstrafe wieder einführen zu wollen, die Anrede des Publikums als „meine Brüder“, das Rasen des Pöbels in den Straßen, der vor den Kameras der Weltpresse auf gefesselte Soldaten einschlug, all das erinnert an den Terror von Revolutionsgarden aller Schattierungen und aller Zeiten.

Doch die Politiker des Westens von Merkel bis Obama faseln immer noch davon, daß Erdogan mit der Niederschlagung eines Militärputsches die Demokratie seinem Lande gerettet habe. Nachdem es sich dabei nicht um ahnungslose Urwaldbewohner, sondern erfahrene Politiker handelt, ist völlig klar, daß derartige Äußerungen interessengesteuert sind. Die USA brauchen aus geopolitischen Gründen das Territorium der Türkei. Merkel hofft darauf, daß der Sultan ihr weiterhin für gutes Geld hunderttausende von Flüchtlingen abnimmt.

Der Westen wird erst wirklich aufwachen, wenn das neue osmanische Reich über seine heutigen Staatsgrenzen hinaus beginnt, sich Territorien einzuverleiben. Das Regime wird er aber dann nicht mehr stürzen können.

Der Titanwurz

Abnormes fasziniert. In manchen botanischen Gärten zeigt sich derzeit der Titanwurz (Amorphophallus titanum) in voller Blüte und ganzer Größe. Trotz seines üblen Aasgeruchs strömen die Besucher in die botanischen Gärten, um sich an diesem Spektakel zu ergötzen. Nach dem Eintrag bei Wikipedia, dem man in derart unverfänglichen Dingen wie der Botanik ausnahmsweise trauen darf, ist der Titanwurz eine auf Sumatra heimische Pflanzenart, die zur Familie der Aronstabgewächse gehört. Sie bringt den größten unverzweigten Blütenstand im Pflanzenreich hervor. Die bis zu 3 m hohe Blume sondert einen an den Urwald angepassten Aasgeruch ab und lockt damit Kurzflügler und Aaskäfer an, die für ihre Bestäubung sorgen. Die Tiere kriechen in die Spahta (das ist der offensichtlich von dem römischen Langschwert abgeleitete Name für den auffällig phallusartigen Hochschaft der Blüte) hinab, um dort ihre Eier zu legen und sichern auf diese Weise die Bestäubung. Die Larven müssen jedoch nach dem Schlüpfen verhungern.

Das Bild dieser eigenartigen Pflanze und ihres staunenden Publikums erscheint unwillkürlich, wenn man sich mit dem Fall des baden-württembergischen Landtagsabgeordneten der AfD namens Wolfgang Gedeon befaßt. Dieser Zeitgenosse hat ja vor seiner Entsendung in das baden-württembergische Landesparlament durch eine erkleckliche Zahl von Wählern Schriften verfaßt, die mit der Beschreibung als antisemitisch nur unzureichend klassifiziert werden. Sie sind nämlich darüberhinaus auch von einer esoterischen Absonderlichkeit, die wenig schmeichelhafte Schlüsse auf den Geisteszustand ihres Verfassers nahe legt. Dies erst recht nach den in der Tat intellektuell erbärmlichen Versuchen des Abgeordneten auf seiner Internetseite, sie als seriöse wissenschaftliche Arbeiten vorzustellen.

Nun hat zu Recht der Fraktionsvorsitzende Jörg Meuthen von seiner Fraktion verlangt, dieses Mitglied auszuschließen. Dem ist nun Gedeon offensichtlich vorläufig dadurch zuvorgekommen, daß er seine Mitgliedschaft in der Fraktion ruhen läßt. Nun werden die Fachjuristen zu prüfen haben, ob das auf Dauer einem förmlichen Ausschluß oder dem förmlichen Austritt entgegensteht. Bis das geklärt ist, sollen drei Monate ins Land gehen, in denen durch einen Gutachter festgestellt werden soll, ob die Schreibereien des Herrn Gedeon tatsächlich antisemitisch und damit sowohl mit dem Grundgesetz als auch mit dem gesellschaftlichen Konsens in diesem Lande unvereinbar sind. Nun hat ja bereits der Philosoph Marc Jongen in der Jungen Freiheit vom 20.06.2016 ausführlich dargelegt, daß dem natürlich so ist, und deswegen an einem Ausschluß des Herrn Gedeon aus Partei und Fraktion kein Weg vorbei führen kann. Offenbar haben jedoch einige Fraktionsmitglieder insoweit Bedenken. Deswegen muß ein Gutachter her. Nun gibt es sicherlich häufig Sachverhalte, die man aus gutem Grund erst einmal einen Sachverständigen beurteilen läßt, bevor man sich für die eine oder andere Option entscheidet. Indessen gibt es aber auch Sachverhalte, in denen die Einschaltung eines Gutachters absolut entbehrlich ist. So wird man einen Gutachter nicht benötigen um festzustellen, daß ein erheblicher baulicher Mangel vorliegt, wenn es durch das Dach eines Hauses hineinregnet. Und so liegen die Dinge hier.

Und deswegen drängt sich das Bild des Titanwurz auf. Er ist unübersehbar und stinkt bestialisch. Niemand kann das anders sehen und empfinden. Dennoch scheint gerade dieses stinkende Naturschauspiel auf viele Menschen eine gewisse Faszination auszuüben. Auch wenn diese bizarre Pflanze in unseren Regionen außerhalb botanischer Gärten gar nicht existieren kann, hält man sie dort für das sensationslüsterne Publikum vor. Ähnlich ist es wohl auch mit solchen intellektuellen Mißbildungen wie den krausen Theorien eines Herrn Gedeon und ähnlicher Wirrköpfe. Auf einen gewissen Teil des Publikums üben sie eine eigentlich nur pathologisch zu nennende Faszination aus. Man kann das dabei belassen, wenn man derartige Stinkblüten menschlicher Gehirne in den mit entsprechenden Warnhinweisen umgebenen Bezirken der elektronischen wie haptischen Bibliotheken beläßt. Denn der Wissensdurst der Menschen auch in Richtung auf das Abstruse, Bizarre und Groteske ist von unserem Grundgesetz durchaus geschützt. Daß derartige Faulgase von Denkvorgängen ernsthaft das klare Denken der überwältigenden Mehrheit unseres oder anderer Völker beeinträchtigen könnten, ist völlig ausgeschlossen. Die wenigen gedanklichen Kurzflügler und mentalen Aaskäfer, die in das Innere dieser abstrusen Gedankenwelt hinabkriechen, erleiden ja bildlich gesprochen das Schicksal der Larven, die am Boden jener stinkenden Blüte verhungern.

Für den kollektiven Geisteszustand der Deutschen geht von Zeitgenossen wie jenem Herrn Gedeon sicherlich keine Gefahr aus, auch wenn die Masse der politisch korrekten Zeitgenossen mit gut dotierten Redaktionsverträgen, Lehrstühlen und Parlamentsmandaten das natürlich „pflichtschuldigst“ anders beurteilt und den Popanz des wiederauferstandenen Hitler, mindestens aber Alfred Rosenberg, an die medialen Wände malen wird. Seine Partei jedoch, der es nicht gelungen ist, ihn mit der dynamischen Wucht eines gut geschossenen Elfmeters aus ihren Reihen hinaus zu katapultieren, dürfte gut beraten sein, ohne weitere Diskussionen das vorhersehbare Ergebnis der Begutachtung abzuwarten und sodann danach zu handeln. Da es sich offenbar um eine einvernehmliche Lösung handelt, wäre damit wenigstens ein ebenso peinlicher wie überflüssiger Rechtsstreit vermieden worden.

Hemmungslose Hetze

Erneut haben Wissenschaftler der Universität Leipzig uns mit einer Studie beglückt, die einem großen Teil unseres Volkes eine autoritäre und rechtsextreme Einstellung bescheinigt. Die Zielrichtung wird schon in ihren Titel deutlich: „Die enthemmte Mitte.“ Gefördert wurde dieses Machwerk von drei politischen Stiftungen, nämlich der Heinrich-Böll-Stiftung, die den Grünen nahesteht, der Otto-Brenner-Stiftung, die der IG Metall nahesteht, und der Rosa-Luxemburg- Stiftung, die der Linken nahesteht. Damit ist gewährleistet, was bei diesen Forschungsarbeiten dann herauskommen soll und natürlich herausgekommen ist. Wir Deutschen werden immer autoritärer und rechtsextremer. Das gilt gerade für die weiten Kreise, die man ansonsten als bürgerlich bezeichnet, und die von den etablierten Parteien als politische Mitte umworben werden. Natürlich sind das für die Auftraggeber dieses Machwerks bereits politische Gegner, wenn nicht mehr. Die Minderwertigkeit dieser Hervorbringung wird schon daran deutlich, daß sie jede kritische Einstellung zum Islam, der unkontrollierten Zuwanderung und der fehlgeschlagenen Integration der hier lebenden Ausländer als rechtsextrem definiert, besser gesagt, diffamiert. Um einmal von diesem Wissenschaftlichkeit beanspruchenden, jedoch weit verfehlenden Machwerk zu seriöser Beurteilung zu gehen, wollen wir uns die Definition des Bundesverfassungsgerichts in dem bekannten SRP-Urteil vom 23.10.1952 anschauen. Danach ist rechtsextrem, wer die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft. Zu den Grundprinzipien dieser Ordnung zählen nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, die sich bis heute nicht geändert hat:

– Die Achtung vor dem im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, insbesondere vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung
– die Volkssouveränität
– die Gewaltenteilung
– die Verantwortlichkeit der Regierung
– die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
– die Unabhängigkeit der Gerichte
– das Mehrparteienprinzip
– Chancengleichheit für alle politischen Parteien dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.

Diese Definition wird bis heute auch von der Bundeszentrale für die politische Bildung aufrechterhalten.

Wer behauptet, und sei er auch promovierter oder habilitierte Politologe, diese Grundlagen unserer demokratischen Gesellschaftsordnung würden auch nur von nennenswerten Teilen des Volkes in Frage gestellt, geschweige denn aktiv bekämpft, beweist damit lediglich seine fachliche Inkompetenz. Mehr noch, einem studierten Politikwissenschaftler unterläuft insoweit nicht einfach ein fachlicher Fehler. Vielmehr handelt es sich gezielte Verleumdung als Mittel im politischen Meinungskampf. Jede vom Weltbild der Auftraggeber dieser Studie abweichende Weltanschauung wird als rechtsextrem diffamiert.

Allerdings sind derartige Hervorbringungen für ihre Verfasser durchaus lukrativ. Denn sie sichern Ihnen die nächsten gut dotierten Forschungsaufträge. Von Forschung kann allerdings keine Rede sein, allenfalls von forschem Verbreiten politischer Propaganda. Der eigentliche Skandal besteht darin, daß derartige Machwerke in der Tagesschau und den übrigen „Qualtitätsmedien“ ohne den Hauch einer Kritik als seriöse wissenschaftliche Erkenntnisse dargestellt werden.