Sühne ohne Schuld

 

Dresden BombenkriegAm 8. Mai 1945 endete der II. Weltkrieg in Europa. In Asien erst am 2. September, was in Deutschland gewöhnlich unter den Tisch fällt. Kampfhandlungen, Kriegsverbrechen und Völkermord hatten ca. 65 Millionen Menschen das Leben gekostet. Dieser Krieg war in jeder Hinsicht anders, schrecklicher und monströser als alle Kriege zuvor.

Der Krieg nach dem Krieg:

Neuartig, wenn auch mit einem vergleichsweise blassen Vorläufer in Gestalt der Pariser Vorortverträge nach dem I. Weltkrieg war aber auch die Brandmarkung und Verdammung der Verlierer dieses Krieges. Konnten die Kriegsparteien nach dem Ende des 30-jährigen Krieges, der in Mitteleuropa ca. 5 Millionen Menschenleben gefordert und zu bis dahin nicht erlebten Verwüstungen geführt hatte, sich in den Friedensverhandlungen auf Augenhöhe begegnen, so fanden nach dem Ende dieses Krieges erst gar keine Friedensverhandlungen mehr statt. Legte Art. II des Vertrages von Osnabrück 1648 noch fest:

„Beide Seiten gewähren einander immerwährendes Vergessen und Amnestie alles dessen, was seit Beginn der Kampfhandlungen an irgendeinem Ort und auf irgendeine Weise von dem einen oder anderen Teil, hüben wie drüben, in feindlicher Absicht begangen worden ist…“,

so wurden die Verlierer des II. Weltkrieges vor Tribunale gestellt und dafür bestraft, daß sie nicht nur große und scheußliche Verbrechen in diesem Kriege begangen hatten, sondern vor allem dafür, daß sie diesen Krieg alleine verschuldet hätten. Doch damit nicht genug. Sie sollten auch lernen, daß sie für alle Übel dieses Krieges und seiner Begleiterscheinungen verantwortlich waren und einsehen, daß ihr Volkscharakter einer nachhaltigen Umformung bedurfte. Schließlich hatte der die Deutschen angeblich geradewegs nach Auschwitz geführt.

Die Vorstellungen der Alliierten waren unmißverständlich in der Direktive der Vereinigten Stabschefs Nr. 1067 vom April 1945 festgelegt, die dem Oberbefehlshaber der US-Besatzungstruppen aufgab, wie er sein Amt zu führen habe. Zu Beginn dieser Weisung werden die grundlegenden Ziele der Militärregierung in Deutschland formuliert. Dort heißt es unter anderem:

„Es muß den Deutschen (nicht etwa den Nazis, der Verfasser) klargemacht werden, daß Deutschlands rücksichtslose Kriegführung und der fanatische Widerstand der Nazis die deutsche Wirtschaft zerstört und Chaos und Leiden unvermeidlich gemacht haben, und daß sie nicht der Verantwortung für das entgehen können, was sie selbst auf sich geladen haben. Deutschland wird nicht besetzt zum Zwecke seiner Befreiung, sondern als ein besiegter Feindstaat…Das Hauptziel der Alliierten ist es, Deutschland daran zu hindern, je wieder eine Bedrohung des Weltfriedens zu werden…“

Daß es um ein weit in die Zukunft wirkendes und die politisch-kulturellen Grundlagen der Nation nachhaltig gestaltendes Programm ging, erhellt aus dem Kapitel Erziehung, wo es unter anderem heißt:

„Ein koordiniertes Kontrollsystem über die deutsche Erziehung und ein bejahendes Programm der Neuausrichtung sollen aufgestellt werden, um die nazistischen und militaristischen Lehren völlig auszurotten und die Entwicklung demokratischen Gedankenguts zu fördern.“

Überflüssig zu sagen, daß die Definition der Begriffe demokratisch, militaristisch und nazistisch natürlich der Militärregierung vorbehalten war. Die mit dem Beginn des Kalten Krieges notwendig gewordene Wiederbewaffnung der Deutschen führte allerdings gerade zum Thema „Militarismus“ zu gewissen Zielkonflikten und Erklärungsnöten, die zu allerhand semantischen und rhetorischen Verrenkungen zwangen. Aber das ist ein anderes Thema.

Zwischen Selbstachtung und Unterwerfung:

Es ist an sich erstaunlich, daß ein Teil der Eliten in Deutschland das umgehend akzeptiert und umgesetzt hat, noch erstaunlicher, daß der Anteil dieser Leute heute so hoch ist, daß man nahezu von einer allgemeinen Überzeugung der Deutschen sprechen kann, Deutschland trage die alleinige Schuld am II. Weltkrieg und habe dafür auch heute noch geradezustehen. Deswegen hält sich zum Beispiel der Widerspruch in Grenzen, wenn der Bundespräsident unbegründete oder längst erledigte Wiedergutmachungsforderungen der Griechen für verständlich erklärt und dazu auffordert darüber nachzudenken, wie man das geschehene Unrecht wiedergutmachen könnte.

Unmittelbar nach dem Krieg war diese einseitige Schuldzuschreibung, dazu noch nicht beschränkt auf Hitler und seine Paladine, keineswegs allgemein akzeptiert. Insbesondere das Ansinnen der Alliierten, die Deutschen sollten einsehen, daß sie in ihrer Gesamtheit schuldig geworden seien, wurde auch von maßgeblichen Persönlichkeiten aus den Bereichen Kirchen, Politik und Wissenschaften zurückgewiesen. So wandte sich der Philosoph Karl Jaspers bereits 1946 gegen die Behauptung einer Kollektivschuld der Deutschen. Ein Volk könne nie als Ganzes angeklagt werden, da Verbrecher immer nur der Einzelne sei. Ein Volk könne aber auch nie als Ganzes moralische Schuld tragen, da es keine allgemein verbindende Moral oder Unmoral eines ganzen Volkes gebe. Der mutige Kämpfer gegen den nationalsozialistischen Ungeist, Clemens August Kardinal Graf von Galen, prangerte bereits am 1. Juli 1945 in einer Predigt die Unhaltbarkeit der kollektiven Verdammung des deutschen Volkes an:

„Es ist eine Verleumdung der Gerechtigkeit und der Liebe, wenn man uns alle, jeden deutschen Menschen, für mitschuldig an jenen Verbrechen und darum für strafwürdig erklärt. Die unvermeidlichen Kriegsfolgen, das Leid um unsere Toten, um unsere zerstörten Städte, Wohnungen und Kirchen wollen wir annehmen und mit Gottes Hilfe geduldig tragen. Nicht aber ungerechte Beschuldigung und Bestrafung für Geschehnisse, unter deren Willkür, Ungerechtigkeit und Grausamkeit wir selbst lange Jahre geseufzt und schwer gelitten haben.“

Im Namen der überwiegenden Mehrheit der Deutschen konnte Bundeskanzler Konrad Adenauer dann auch im Deutschen Bundestag am 27.September 1951 erklären:

„Das deutsche Volk hat in seiner überwiegenden Mehrheit die an den Juden begangenen Verbrechen verabscheut und hat sich an ihnen nicht beteiligt. Es hat in der Zeit des Nationalsozialismus im deutschen Volke viele gegeben, die mit eigener Gefährdung aus religiösen Gründen, aus Gewissensnot, aus Scham über die Schändung des deutschen Namens ihren jüdischen Mitbürgern Hilfsbereitschaft gezeigt haben.“

Anders dagegen die führenden Repräsentanten der Evangelischen Kirche in Deutschland. In dem „Stuttgarter Schuldbekenntnis“ vom Oktober 1945 heißt es:

„… als wir uns mit unserem Volk nicht nur in einer großen Gemeinschaft der Leiden wissen, sondern auch in einer Solidarität der Schuld. Mit großem Schmerz sagen wir: Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden. Was wir unseren Gemeinden oft bezeugt haben, das sprechen wir jetzt im Namen der ganzen Kirche aus: Wohl haben wir lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft, der im nationalsozialistischen Gewaltregiment seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat; aber wir klagen uns an, daß wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“

Wer seine Opposition zum Regime nicht soweit getrieben hat, daß er selbst deswegen ermordet wurde, der ist eben schuldig geworden. Die neuen Herren werden das zufrieden zur Kenntnis genommen haben. Angesichts der Fakten, auf die wir anschließend näher eingehen werden, ist diese Erklärung jedoch überraschend. Das wurde auch in der Vergangenheit nicht überall in der EKD so gesehen. Der evangelische Theologe Prof. Walter Künneth wandte sich gegen die Kollektivschuldthese und führte aus:

„Zum Volk gehören ja auch immer die politisch Unbeteiligten, wie die Kinder, die Kranken, die alten Menschen, aber auch die Menge derer, welche eine spezielle politische Einsicht und Urteilsmöglichkeit gar nicht besitzen können und darum ohne Schuld zu Instrumenten der politischen Beeinflussung werden. Es widerspricht dem Sinn des geschichtlichen und volkhaften Lebens wie auch der Forderung der Gerechtigkeit und Billigkeit, wollte man all diese Millionen eines Volkes als politisch verantwortlich und schuldig an Unheilstaten der Herrschenden deklarieren.“

Haben die Deutschen Krieg und Holocaust gewählt?

Es ist in der Tat denknotwendig falsch, ein ganzes Volk für die Verbrechen seiner Führung, zumal einer diktatorischen Führung, in die moralische, geschweige denn juristische Haftung zu nehmen. Es findet aber auch gerade im Falle Deutschlands und der Ereignisse des II. Weltkrieges keine Begründbarkeit in den Fakten. Zunächst muß beachtet werden, daß Hitler und die NSDAP in freien Wahlen niemals auch nur annähernd die absolute Mehrheit der Stimmen erreicht haben. Bei den letzten freien Reichstagswahlen erhielt die NSDAP 33,1 % der Stimmen. Zur Regierungsbildung war eine Koalition mit anderen Parteien und Kräften erforderlich. Selbst bei der letzten Wahl, zu der andere Parteien als die NSDAP zugelassen waren, allerdings massiv in ihren Rechten beschnitten worden waren, erhielt sie „nur“ 43,9 % der Stimmen. Doch auch diese 33,1 % bzw. 43,9 % der Wähler konnten nicht ahnen, was in den nächsten Jahren auf sie zukommen würde. Entgegen dem Eindruck, den „politisch korrekte“ Kreise erwecken wollen, war weder im (sehr knappen) Parteiprogramm der NSDAP noch in Hitlers „Mein Kampf“ die Rede davon, daß man beabsichtige, den II. Weltkrieg zu beginnen und die Juden auszurotten. Das Parteiprogramm enthielt zwar antisemitische Passagen, unter anderem die Forderung, Juden von bestimmten Berufen auszuschließen. Hitlers Buch ist natürlich entschieden antisemitisch und beschreibt programmatisch den Weg des deutschen Volkes zur Großmacht in Europa, die es seines Erachtens werden müsse, wenn es nicht untergehen wolle. Eine Absicht, etwa die Sowjetunion angreifen zu wollen, wird dort nicht bekundet. Die einschlägigen Äußerungen auf Seite 721 formulieren vielmehr die Erwartung, daß die Sowjetunion zusammenbrechen und somit Raum für die deutsche Besiedelung entstehen werde. Auch die dokumentierten Wahlreden Hitlers lassen jedenfalls für ihre Zuhörer nicht erkennen, daß Hitler alles das zu tun gedachte, was er später tatsächlich getan hat. Nur wenn man mit der heute möglichen Kenntnis der Ereignisse an diese Texte herangeht, kann man sie im Nachhinein dahingehend interpretieren, daß genau diese Dinge beabsichtigt waren. Seine Wähler erwarteten von Hitler schlicht ein besseres Leben, Arbeit und Brot, sowie die Revision des in der Tat nicht nur als ungerecht empfundenen Versailler Vertrages.

Antisemitismus in der Geschichte und seine heutige Wahrnehmung: 

Der wüste Antisemitismus der Nazis war im übrigen seinerzeit keineswegs einzigartig. Vielmehr war er in mehr oder weniger radikaler Form in Europa allgegenwärtig. Er war auch in Deutschland gewissermaßen salonfähig. Selbst unter den Unterzeichnern des Stuttgarter Schuldbekenntnisses der EKD waren Persönlichkeiten, die sich mit derartigen Äußerungen hervorgetan hatten. Dazu gehörte Martin Niemöller, der im I. Weltkrieg U-Bootkommandant gewesen war, danach aus Protest gegen die demokratische Entwicklung in Deutschland seinen Abschied nahm, 1920 Kommandeur eines Freikorpsbataillons wurde und seit 1924 NSDAP wählte. Sein späterer Bruch mit dem Nationalsozialismus war theologisch, nicht politisch begründet, so daß er noch nach seiner Verurteilung zu einer Haftstrafe wegen seiner oppositionellen Haltung bei Kriegsbeginn 1939 Hitler persönlich um das Kommando über ein U-Boot bat, um seinen patriotischen Pflichten nachkommen zu können. Seinen Namen trägt in Nürnberg noch heute eine Kirche; mehrere Schulen in Deutschland und 38 Straßen sind nach ihm benannt. Dies ungeachtet seiner nachstehend zitierten Äußerung:

„Wir sprechen vom ewigen Juden und schauen das Bild eines unsteten Wanderers, der keine Heimat hat und keinen Frieden findet; und wir schauen das Bild eines hochbegabten Volkes, das Ideen über Ideen hervorbringt, um die Welt damit zu beglücken; aber was es auch beginnt, verwandelt sich in Gift; und was es erntet, ist immer wieder Verachtung und Haß, weil je und dann die betrogene Welt den Betrug merkt und sich auf ihre Weise rächt. „Auf ihre Weise“: denn wir wissen wohl, daß es keinen Freibrief gibt, der uns ermächtigte, dem Fluch Gottes mit unserem Haß nachzuhelfen.“ 

Ein weiterer Unterzeichner dieses Stuttgarter Schuldbekenntnisses, Bischof Hans Meiser, setzte sich zwar mutig für die Juden ein und rettete mehr als hundert von ihnen das leben, mußte sich jedoch 50 Jahre nach seinem Tod wegen vergleichsweise harmloser Äußerungen zum Judentum vor den Tribunalen der political correctness verantworten. Auf Betreiben eines Nürnberger Stadtrates wurde die nach ihm benannte Straße in der Altstadt (mit den Stimmen der CSU) ebenso umbenannt wie das in München auf Betreiben linker Politiker geschah. Es lohnt sich, auch seine Äußerungen zu zitieren:

„Die kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen, die wir den Juden zu verdanken haben, sollen voll anerkannt werden. Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß der jüdische Geist für uns etwas Wesensfremdes hat und daß sein Umsichgreifen zum allergrößten Schaden für unser Volk wäre. Es ist oft betont worden, daß der jüdische Verstand etwas Zersetzendes, Ätzendes, Auflösendes in sich hat. Er ist kritisch zersetzend, nicht kontemplativ, konstruierend, produktiv. Das ist von jüdischer Seite selbst anerkannt, wenn der Jude Abraham Geiger im Hinblick auf Börne und Heine schreibt: „Es ist jüdischer Geist, der in ihnen lebendig ist, der sprudelnde, zersetzende, witzige, weniger positiv aufbauende, aber Ferment hineinbringende in den stockphiliströsen, zähen, trockenen, deutschen Geist:“ 

Vor der Entnamung in Nürnberg und München konnte ihn auch nicht bewahren, daß er die Widerstandskämpfer aus dem „Kreisauer Kreis“ unterstützt hatte.

Von guten und bösen Antisemitisten:

Man fragt sich natürlich, warum Niemöller weiterhin unangefochten die Ehre der Altäre zuteil wird, weil keine der nach ihm benannten Kirchen, Schulen und Straßen bisher umbenannt worden ist, Meiser hingegen in München und Nürnberg – in anderen bayerischen Städten sind solche Entnamungsaktionen gescheitert – an den Pranger gestellt worden ist. Und es bedeutet zweifellos eine Herabsetzung des Ansehens, wenn einer historischen Persönlichkeit nachträglich die Ehre genommen wird, als Namensgeber einer Straße wahrgenommen zu werden. Wenn demgegenüber der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die auf die Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts gestützte Klage der Nachkommen des Entehrten mit der Begründung abgewiesen hat, die Benennung von Straßen habe lediglich rein ordnungspolitischen Charakter und diene nicht zum Schutz der Ehre von namensgebenden Personen, dann hat er sich damit schlicht um die Entscheidung darüber herumgedrückt, ob diese Entnamung das postmortale Persönlichkeitsrecht des Landesbischofs Meiser berührt, und vor allem seine Worte und Taten in ihrer Gesamtheit dies rechtfertigen oder nicht. Wer dahinter die Angst der Richter vermutet, mit einer Entscheidung in der Sache, also gegründet auf die rechtliche Beurteilung der Leistungen und Fehlleistungen des Verstorbenen, sich dem shitstorm der politisch korrekten Zeitgenossen auszusetzen, dürfte in Ansehung der bundesrepublikanischen Befindlichkeiten nicht ganz falsch liegen. Niemöller dürfte unanfechtbar geworden sein, weil er sich nach dem II. Weltkrieg angesichts der Existenz von Atomwaffen zum radikalen Pazifisten und Gegner der Bundeswehr entwickelt hat. Das kompensiert in den Augen der politisch korrekten Zeitgenossen unseres Landes offenbar selbst die Unterstützung der NSDAP und antisemitische Äußerungen. Meiser hingegen hat derartiges nicht vorzuweisen, sich jedoch nach dem Kriege unter anderem für verurteilte Kriegsverbrecher eingesetzt und die amerikanische Siegerjustiz kritisiert.

Die Schuld der Unwissenden und Ohnmächtigen:    

Weder Niemöller noch Meiser konnten auch nur ahnen, welch furchtbare Konsequenz Hitlers Judenhass dereinst haben werde. Das gilt es recht für die Masse der einfachen Leute, die von Hitler einfach eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse und die Revision des nicht nur als ungerecht empfundenen Versailler Vertrages mit seinen drückenden Reparationen und demütigenden Restriktionen erwarteten. Als dann tatsächlich der Krieg begann, gab es schon lange keine Wahlen mehr, erst recht nicht, als die planmäßige Vernichtung der Juden ins Werk gesetzt wurde. Hinzu kommt, daß diese unter schärfster Geheimhaltung und dazu noch in für „Normalsterbliche“ unzugänglichen Gegenden der eroberten Ostgebiete stattfand. Wenn gewisse Historiker darauf abheben, daß vielfach unter den Augen der Bevölkerung, teilweise auch (leider) unter ihrem Beifall, Juden deportiert wurden, so muß man dabei beachten, daß dies dem Volk als „Umsiedlung“ dargestellt wurde. Welches Schicksal diesen Menschen wirklich zugedacht war, machten die Nazis der Bevölkerung gerade nicht klar. Vielmehr galt auch hierfür der berüchtigte Geheimhaltungsbefehl Nr. 1 des Diktators, wonach niemand mehr wissen durfte, als er für die Erfüllung der eigenen Aufgabe unbedingt wissen mußte. Wer sich über dieses Thema näher informieren will, dem sei die Lektüre der einschlägigen Bücher von Konrad Löw empfohlen, der freilich in den Augen der „politisch korrekten“ Historiker, Journalisten und Politiker ein Diener Satans ist, dessen Bücher man dem Bürger möglichst vorenthalten muß.

Wofür haben unsere Vorfahren gesühnt? Wofür sollen wir sühnen? Schuldig werden kann nur der Täter, nicht aber sein Werkzeug, denn dieses, auch wenn es aus Fleisch und Blut ist, handelt nicht selbst und aus eigenem Antrieb, sondern es wird benutzt. Deswegen erklärte Papst Benedikt XVI. anläßlich seines Besuchs in Auschwitz-Birkenau am 28. Mai 2006, er sei hierhergekommen „als Sohn des Volkes, über das eine Schar von Verbrechern mit lügnerischen Versprechungen, mit der Verheißung der Größe, des Wiedererstehens der Ehre der Nation und ihrer Bedeutung, mit der Verheißung des Wohlergehens und auch mit Terror und Einschüchterung Macht gewonnen hatte, so daß unser Volk zum Instrument ihrer Wut des Zerstörens und des Herrschens gebraucht und mißbraucht werden konnte.“

Am Maßstab dieser Worte des emeritierten Papstes aus Deutschland wollen wir die Reden und Artikel messen, die in diesen Tagen in großer Zahl regierungsamtlich wie publizistisch die Medien überfluten werden, denn zum 70ten Jahrestag des Kriegsendes in Europa will ja niemand abseits stehen wenn es darum geht, die endgültige Deutung der Geschichte vorzunehmen, die ja nur heißen kann: Sühnt Eure Schuld!

 


Die sogenannte Kriegsschuld und die Folgen

Es ist wahr, daß Hitler, über dessen politisch hochkriminellen Charakter kein Wort verloren werden muß, die Lawine losgetreten hat. Wahr ist aber auch, daß die Lage bereits sehr labil war. Es hätte auch ein anderer die Lawine lostreten können. Er hätte dann den selben Rechtsbruch begangen wie Hitler. Nur hätte man dann nach dem Krieg nicht so einfach mit dem Finger auf Deutschland zeigen können. So aber hat Hitler denen in die Karten gespielt, die den Krieg genauso wollten wie er. Und weil er ihn nur verlieren konnte, hat er damit bereits den Grundstein für den endgültigen Sieg der Alliierten gelegt: nach dem militärischen Sieg konnte die endgültige politische Unterwerfung der lästigen Großmacht in Europas Mitte vollzogen werden. Die Deutschen konnte man dazu bringen, sich selbst als die mit der Erbsünde behafteten Nachfahren des Tätervolkes zu begreifen. Die Erlösung von diesem Übel konnte nur durch eine Internationalisierung geschehen. Sicherheitspolitisch in einem von den Alliierten dominierten Militärbündnis mit integrierten Kommandobehörden, wirtschaftspolitisch durch eine weitgehende Wirtschafts-und Währungsunion mit supranationalen Strukturen, rechtspolitisch durch die Unterwerfung unter eine europäische Rechtsordnung, und kulturell assimiliert in die globale Gemeinde der Konsumenten von Hollywoodfilmen und Produkten der US-dominierten Unterhaltungsmusikindustrie. So fährt der Bundesrepublikaner fröhlich englisch radebrechend und Coca-Cola trinkend durch die Welt. Und niemand hat Angst vor ihm. Aber jeder kriegt Geld von ihm. Sic transit gloria mundi.

Bedingt abwehrbereit

 

Unter dieser Überschrift veröffentlichte das Hamburger Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL am 10.10.1962 einen Artikel über das soeben zu Ende gegangene NATO-Manöver „Fallex 62“. Die Verfasser, darunter der kriegsgediente Fallschirmjägerleutnant Conrad Ahlers, berichteten darin über erhebliche Mängel der Verteidigungsplanung des westlichen Bündnisses und über einen geradezu katastrophalen Zustand der Bundeswehr. (War eigentlich gerade mal sechs Jahre nach der Aufstellung dieser Armee gewissermaßen aus dem Nichts etwas anderes zu erwarten?) Das löste zunächst die sogenannte SPIEGEL-Affäre aus, über die an dieser Stelle nichts gesagt werden soll, obgleich es auch dazu einiges zu sagen gäbe. In der Folgezeit kam es jedoch zur Änderung der NATO-Doktrin, weg von der massive retaliation hin zur flexible response. Vor allem aber wurden Organisation und Ausrüstung der Bundeswehr erheblich verbessert. Unter anderem führte der erkannte Mangel an Offizieren und Unteroffizieren für die mobil gemachten Truppenteile zur Entwicklung und Umsetzung einer Reservistenkonzeption. Diese Armee hatte sich in der Zeit des Kalten Krieges zu einer durchaus ansehnlichen Truppe entwickelt, trotz aller Mängel.

Mehr als 50 Jahre nach Fallex 62 muß man jedoch feststellen, daß ein Zustandsbericht über die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr erneut unter der Überschrift „Bedingt abwehrbereit“ erscheinen müßte, eher noch mit „Nicht abwehrbereit“ überschrieben werden sollte. Denn in diesen Tagen häufen sich die Meldungen über Mängel und Lieferverzögerungen von Großgerät wie Luftfahrzeugen, Kriegsschiffen und Gefechtsfahrzeugen.  Eine kurze Übersicht, basierend auf Medienberichten, die aber wegen ihrer relativ übereinstimmenden Berichterstattung einigermaßen glaubhaft erscheinen:

Der A 400 M sollte eigentlich schon seit Jahren die Transall aus den 60er Jahren abgelöst haben. zur Zeit rechnet man mit der Einsatzfähigkeit 2019. Ob bis dahin alle Mängel abgestellt sein werden, wird sich weisen.

Von den bisher mit ca. zwei Jahrzehnten Verspätung ausgelieferten 109 Eurofightern sind dem Vernehmen nach nur 42 einsatzbereit.

Der Kampfhubschrauber Tiger fliegt inzwischen zwar auch in der Truppe, muß aber alle 25 Flugstunden in die Inspektion. Meistens kann er nicht geflogen werden, denn Ende 2014 waren nur 11% der Maschinen startklar.

Nicht besser steht es um die Einsatzbereitschaft des Transporthubschraubers NH 90. Er steht derzeit überhaupt am Boden, im vergangenen Jahr waren durchschnittlich nur 17,45 % der Maschinen einsatzbereit.

Wenig gutes hört man auch von der Marineversion MH 90. So soll das vorgesehene Leistungsspektrum nicht erreicht werden.

Kaum weniger Freude machen der Bundesmarine ihre neuen U-Boote der Klasse 212 A. Es scheint, als seien Vorserienmodelle zu Entwicklungszwecken ausgeliefert worden.

Die fünf neuen Korvetten der „Braunschweig“-Klasse sind nicht nur verspätet und, wen wundert’s noch, wesentlich teurer als bestellt ausgeliefert worden, nein, die stolzen Schiffe haben auch allerhand Gebresten, vom untauglichen Getriebe bis zum Schimmel in der Klimaanlage.

Das Gruppenfahrzeug der Infanterie „Boxer“, von dem überhaupt nur kümmerliche 180 Stück an die Truppe ausgeliefert worden sind, kommt wohl ebenfalls aus den Kinderkrankheiten nicht heraus. Lediglich 70 Fahrzeuge können genutzt werden, die restlichen 110 sind in der Instandsetzung.

Der Nachfolger des SPz Marder wird ziemlich verloren in den Hallen und auf den Übungsplätzen herumstehen, denn statt der ursprünglich geplanten 1.000 Gefechtsfahrzeuge werden nur 350 angeschafft. Über die Mängel bei einsatzwichtiger Elektronik kann man aber hinwegsehen, denn im hinteren Kampfraum können auch hochschwangere Soldatinnen ihren Gefechtseinsatz absolvieren. Das paßt ja gut in das Attraktivitätsprogramm der Frau Verteidigungsministerin.

Die mangelnde Präzision des Standard-Sturmgewehrs G 36 unter Hitzebedingungen wird inzwischen von diversen Ausschüssen untersucht. Es gibt Berichte, wonach der Hersteller nach Auslieferung der Waffe an die Truppe das Material der Kunststoffbauteile durch ein billigeres ersetzt haben soll, das sich bei Hitze verzieht und damit die bekannten Einbußen bei der Treffsicherheit verursacht.

Die Personalprobleme infolge der Umstellung von einer Armee mit einem großen Anteil von Wehrpflichtigen in eine reine Berufsarmee zeigen sich immer deutlicher. Es fehlt in allen Laufbahnen an qualifiziertem Nachwuchs. Stellen können nicht besetzt werden. Anforderungen müssen zum Teil herabgesetzt werden. Nach Jahren der Fokussierung auf Einsätze im Rahmen von Missionen wie KFOR, IFOR, ISAF und ähnlichen muß festgestellt werden, daß die Fähigkeit zur Landesverteidigung auch im NATO-Verbund verlorengegangen ist, allein schon mangels Masse. Hektische Aktionen wie die Rückführung von 100 bereits ausgemusterten Kampfpanzern in die Truppe zeigen doch nur wo diese Armee inzwischen wirklich angekommen ist.

Dieser Befund bliebe aber nichtssagend, wenn er nicht zum Anlaß genommen würde, nach den Ursachen zu suchen. Sie sind leicht aufzufinden. „Im Westen nichts Neues“ heißt ein bekannter Roman über den I. Weltkrieg. „In Deutschland nichts Neues“ wäre das Kapitel über die Ursachen der Misere zu übertiteln. Die Bundeswehr stößt in unserem Lande allenfalls auf ein höfliches Desinteresse, hat ein früherer Bundespräsident zutreffend festgestellt. Ihre Entstehung verdankt sie nicht dem Wunsch eines selbstbewußten Volkes nach einer starken Armee. Vielmehr wurde sie als Beitrag der unter Kuratel der Westmächte stehenden Bundesrepublik Deutschland zur NATO aufgestellt. Das geschah gegen den erbitterten Widerstand großer Teile der Bevölkerung und der SPD. Nach dem Zusammenbruch Deutschlands 1945, dem Totalverlust seiner Staatlichkeit und der Umerziehung der Deutschen von angeblich brutalen Militaristen zu sanften Pazifisten war die Abneigung gegen alles militärische so verbreitet, daß noch im Bundestagswahlkampf 1949 der spätere Verteidigungsminister Strauß tönte: „Wer noch einmal ein Gewehr in die Hand nehmen will, dem soll die Hand abfallen!“ Das Mißtrauen der Politiker und Bürger gegen die eigene Armee war dementsprechend groß. Es führte zur strikten Trennung von Armee und Verwaltung, zum Verbot des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren, zu einer international beispiellosen Dominanz der zivilen Seite über die militärische Führung, zu einer teilweise grotesken Abgrenzung gegenüber der Wehrmacht bis hin zum Formaldienst und der Uniform, die zunächst nur eine schlechte Kopie der amerikanischen sein durfte. Dem pazifizierten, besser gesagt, kastrierten Volk konnte die Existenz einer eigenen Armee überhaupt nur mit der Behauptung schmackhaft gemacht werden, sie solle ja nicht eingesetzt werden, sondern existiere nur, damit es zu ihrem Einsatz erst gar nicht käme. Die älteren ehemaligen Soldaten erinnern sich noch an das Motto: „Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen“. Natürlich ist es jedem Soldaten lieber, wenn er nicht kämpfen muß. Aber ihm ist klar, daß er dazu da ist, zu kämpfen, wenn sein Land ihn braucht. Diese Befindlichkeit war von Anfang an insbesondere unter den Intellektuellen dieser Republik verbreitet, was angesichts des Geisteszustandes der meisten heutigen Intellektuellen auch nicht weiter wundert. So schreibt Hans-Georg von Studnitz 1967 zu diesem Thema:

„Die Deutschen, die sich an Hitler nicht mehr erinnern wollen und Stalin vergessen haben, sind weit davon entfernt zu begreifen, daß nur solche Staaten Subjekte der Politik sein können, die Macht zu bilden und auszuüben verstehen. Noch heute wissen viele Deutsche nicht, wozu die Bundeswehr geschaffen wurde, welchen Auftrag sie haben und welche Stellung sie in der als pluralistisch bezeichneten Gesellschaft einnehmen sollte. Daß sich unter den Nichtwissenden viele Intellektuelle befinden, kennzeichnet den Grad der Verwirrung in einem Land, in dem gebildete Leute sich häufiger als anderswo durch einen erschreckenden Mangel an Intelligenz auszeichnen.“

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen außer, daß sich daran bis heute nichts geändert hat. In einem solchen Lande wird eine Armee immer allenfalls als notwendiges Übel betrachtet, für das so wenig Geld wie möglich ausgegeben werden soll und deren Soldaten bestenfalls auf das von Bundespräsident Horst Köhler so treffend formulierte freundliche Desinteresse stoßen. Das wird sich nach der Aussetzung der Wehrpflicht noch weiter zum Schlechten entwickeln. Denn wenn die allermeisten Bürger nicht mehr aus eigener Kenntnis oder den Erzählungen naher Verwandter wissen, was die Bundeswehr ist und wozu sie fähig ist, dann schwindet das Interesse an ihr und der Sicherheitspolitik immer mehr. Den führenden Industriellen liegt die militärische Stärke ihres Vaterlandes auch nicht am Herzen, vielmehr macht man mit einem solventen und wenig kritischen Kunden einfach gute Geschäfte. Man gewinnt als Politiker mit sicherheitspolitischen Themen auch keine Wahlkämpfe. Im Gegenteil. Wer durch die Lande tingelt und höhere Renten statt mehr Panzer verspricht, hat allemal die besseren Chancen gewählt zu werden als derjenige, der Geld für die Bundeswehr fordert, jedenfalls soweit damit nicht Kitas in Kasernen finanziert werden sollen.

Wird sich etwas ändern? Kaum, jedenfalls nicht zum Guten. Hier in Bundesrepublikanien.

 

Empörung

Wer sich außerhalb des politisch korrekten Meinungsspektrums bewegt, muß mit heftigen Vorwürfen rechnen. Wenn schon nicht die Nazikeule auf ihn niedersaust, so sieht er sich mindestens dem Vorwurf ausgesetzt, seine Äußerungen über dieses und jenes verletzten die Menschenwürde. Zwei Beispiele aus jüngster Zeit belegen das eindrucksvoll. In Bremen weist eine kleine Partei darauf hin, daß jugendliche Asylbewerber trotz schwerster Straftaten kaum mit Strafverfolgung oder gar Ausweisung zu rechnen haben. Weil dort zur Zeit Wahlkampf ist, liest man auf einem ihrer Plakate vor dem Hintergrund eines als Haftanstalt erkennbaren Gebäudes „Vollzug statt Schöner Wohnen“. Natürlich ist das eine wahlkampftypische griffige Formulierung, trifft aber auch den Kern des Problems, das diese Partei im Wahlkampf aufgreift. Die mediale Empörung ist erwartbar schrill ausgefallen. „Menschenverachtend“ sei das, so tönen Politiker und Journalisten. Ein weiteres Beispiel. Ein Mainzer Dachdecker wirbt für sein Unternehmen mit der grafischen Darstellung eines Schwarzafrikaners, der als solcher mit wulstigen Lippen und großen Ohrringen gezeichnet wird. Dieses Firmenlogo hat vor Jahrzehnten sein Großvater, der legendäre Karnevalist Ernst Neger, gewählt. Daß sein Enkel daran nicht rühren will, ist verständlich. Rassismus sei das, muß er sich anhören, eine Verletzung ihrer Grundrechte konstatieren organisierte Schwarzafrikaner. Die Grafik soll wohl genauso auf dem Altar der political correctness verbrannt werden, wie der Sarotti-Mohr, den bald nur noch die Älteren kennen werden.

Wer noch nicht verbildet ist, reibt sich verwundert die Augen. Warum es menschenverachtend sein soll, für Straftäter Strafvollzug zu fordern, erschließt sich auch bei angestrengtem Nachdenken nicht. Wieso eine Grafik in der Art des Sarotti-Mohrs rassistisch sein und gar die Grundrechte verletzen soll, ebensowenig. Das macht auch nichts, denn dazu erläutern uns die erwähnten organisierten Schwarzafrikaner, das könne natürlich nur verstehen, wer selbst Rassismuserfahrung habe. Aha. Wir brauchen also nicht zu verstehen, warum wir etwas nicht dürfen. Wir müssen nur den Weisungen der Leute folgen, die sich in ihren Grundrechten verletzt fühlen.

Natürlich sind diese Vorwürfe absurd. Sie wären auch der Rede nicht wert, wenn es sich dabei nur um die Hirngespinste von Außenseitern handeln würde. Indessen handelt es sich aber leider um das, was die Juristen die „herrschende Meinung“ nennen. Doch entwertet gerade das Ausmaß der Empörung mit ihrer ebenso penetranten wie permanenten Klage über angeblich verletzte Menschenrechte ihr Anliegen auch da, wo es ausnahmsweise einmal berechtigt ist. Denn in unserer Verfassung steht der Schutz der Menschenwürde aus gutem Grund an prominentester Stelle in ihrem Art. 1 Abs. 1 Satz 1. Sie ist auch durch nichts und niemanden beschränkt und antastbar. Juristen sprechen von der Menschenwürde als absolutem Recht. Aber gerade daraus folgt auch denknotwendig, daß man sie nicht allenthalben als Argument einsetzen kann. Vielmehr verhält es sich mit ihr wie mit einem kostbaren Gefäß, das nur selten aus dem Schrank geholt und für seinen profanen Zweck verwendet wird. Führende Verfassungsjuristen formulieren das zum Beispiel so: „In der besonderen Stellung der Menschenwürde in den Verfassungstexten kommt zugleich zum Ausdruck, daß die Menschenwürde nicht beliebig und inflationär gegen jede denkbare Unannehmlichkeit eingesetzt werden soll.“ (Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte S. 353). Doch daran halten sich offenbar nur die wenigsten. So rügt Eric Hilgendorf, Ordinarius für Strafrecht und Rechtstheorie an der Universität Würzburg, in seinem Aufsatz „Die mißbrauchte Menschenwürde“ aus dem Jahre 1999: „Nicht wenige scheinen die Menschenwürde als Passepartout für sämtliche rechtspolitischen Fragen mit Grundlagenbezug anzusehen…Die Menschenwürde wird zur „kleinen Münze“ herabgestuft, zur Floskel für Sonntagsredner. Schlimmstenfalls könnte die Berufung auf die Menschenwürde in den Geruch der Beliebigkeit und Scharlatanerie geraten:“ Tatsächlich ist hier äußerste Zurückhaltung angebracht. Der große Verfassungsjurist Günter Dürig hat zum richtigen Umgang mit diesem Menschenrecht die sog. Objektformel in die Rechtswissenschaft eingeführt. Danach ist die Menschenwürde getroffen, wenn der konkrete Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewürdigt wird. Ins Positive gewendet geht es doch nur um ganz elementare Dinge wie das Existenzminimum, das Recht auf die eigene Persönlichkeit und den Status als Rechtssubjekt und nicht eines bloßen Objekts. Um die Menschenwürdegarantie nicht auszuweiten und ihr damit die Durchschlagskraft zu nehmen, sollte ein Menschenwürdeverstoß allerdings nur bei gravierenden Verletzungen dieser Schutzgüter angenommen werden, so Hilgendorf in dem erwähnten Aufsatz.

Eine verbale Abrüstung tut not. Überall die Menschenwürde in Gefahr zu sehen, ist kontraproduktiv. Ebenso wie die allzu häufig Fehlalarm gebende Diebstahlsicherung im Auto nicht mehr beachtet wird, kann der allenthalben aus vergleichsweise nichtigem Anlaß erhobenen Vorwurf der Menschenwürdeverletzung noch ernstgenommen werden. Und noch schlimmer ist es, wenn berechtigte oder auch nur tolerierbare Meinungsäußerungen fälschlich mit dem Etikett der Menschenrechtsverletzung versehen werden. Doch Einsicht setzt Verstand voraus. Den sucht man bei politisch korrekten Zeitgenossen meist vergebens.

 

Regenbogen über Baden-Württemberg

Alle Menschen sind gleich – vor dem Gesetz. Alle Menschen sind ungleich – von Natur. Die Gleichheit vor dem Gesetz ist die große zivilisatorische Errungenschaft der Aufklärung. Nicht einmal die Hochkulturen der Antike in Europa, geschweige denn in anderen Teilen der Welt, haben diese höchste Stufe der Zivilisation erreicht, die notwendig auch mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verbunden ist. Diesen Weg zu gehen und dieses Ziel zu erreichen, hatten wir Menschen auch in unserer Hand. Denn die Organisation unseres Zusammenlebens war und ist das Ergebnis unserer Willensbildung. Das wird auch in der Zukunft so sein. Wie wir indessen sind, ob groß oder klein, weiß oder schwarz, dumm oder intelligent, gelassen oder nervös, faul oder fleißig, männlich oder weiblich, musisch oder sportlich begabt, handwerklich geschickt oder mit zehn Daumen ausgestattet, das alles sind wir einfach und wir können es nicht ändern. Niemand wird ernsthaft behaupten, aus einem unmusikalischen Menschen könne durch fleißiges Üben ein Pavarotti oder eine Callas werden, oder aus einem Menschen mit IQ unter 80 durch intensive Beschulung ein Nobelpreisträger. Zwar wird, dem biblischen Gleichnis von den Talenten entsprechend, durch redliches Mühen verbessert oder vermehrt werden können, was vorhanden ist. Nur grundlegend verändert wird der Mensch dadurch nicht. Aus dem unsportlichen Menschen mag durch hartes Ausdauertraining ein passabler Läufer werden. Ein Olympiasieger wird er sicher nicht, ebensowenig ein geschmeidiger Ballartist. Diese Beispiele sollten genügen, auch plastisch klarzumachen, was auf der Hand liegt: Auf unsere eigene Natur können wir nur wenig bis garnicht willentlich einwirken. Mit unseren Veranlagungen müssen wir leben und zurechtkommen. An alledem hat auch seit Menschengedenken niemand gezweifelt. Nicht die Religionen, nicht die Philosophie, nicht Literatur und Kunst, solange das Denken der Menschen aufgezeichnet wird. Vorher natürlich erst recht nicht.

Es war unserer Zeit vorbehalten, die Natur zu korrigieren, jedenfalls gedanklich. Denn seit rund hundert Jahren glauben manche Wissenschaftler oder solche Menschen, die sich dafür halten, der Mensch werde nicht durch natürliche Veranlagung, sondern durch soziale Einwirkung geprägt. Das gelte keineswegs nur für die Erlernung dessen, was gemeinhin Kulturtechniken genannt wird, wie etwa Familienleben, Benimmregeln, Fremdsprachenbeherrschung und Erwerb von fachlichen Qualifikationen. Nein, das gelte auch für die Unterscheidung in Frau oder Mann und die daraus folgenden Konsequenzen für das Leben als einzelner wie in der Gemeinschaft. Von der französischen Schriftstellerin Simone de Beauvoir stammt der fundamentale Glaubenssatz des Feminismus: „Man wird nicht als Frau geboren, man wird dazu gemacht.“ Demnach gibt es keine biologische Festlegung des Geschlechts, sondern eine soziale Bestimmung dazu. Die „moderne“ Genderforschung behauptet deswegen, bei der Geburt eines Menschen werde ihm auf Grund der äußerlich erkennbaren Geschlechtsmerkmale ein Geschlecht „zugewiesen“ und ihm dann durch Erziehung eingeprägt wie Kopf und Zahl dem Münzrohling. In einem unauflöslichen Widerspruch dazu stehen allerdings alle „modernen“ Vorstellungen über die schicksalhafte Veranlagung von Menschen, die mit einer unklaren oder gar den biologischen Geschlechtsmerkmalen entgegengesetzten sexuellen Empfindung geboren werden oder diese entwickeln. So ganz klar ist das alles aber wohl nicht, die Variablen sowohl in der medizinischen Wissenschaft wie auch der Pseudowissenschaft namens „Genderstudies“ sind unübersichtlich. Außer der gewissermaßen „handelsüblichen“ Variante des Menschen, der als Mann und Frau zusammenlebt und gemeinsame Kinder großzieht, gibt es demnach nicht nur homosexuelle Menschen beiderlei Geschlechts, die in modischer Sprache als „schwul“ bzw. „lesbisch“ bezeichnet werden, sondern auch noch die Varianten „bisexuell“, „transsexuell“, „transgender“, „intersexuell“, „queer“ und viele andere. Das geht bis hin zu solchen Kapriolen der Phantasie wie „Girlfags“ (schwule Frauen) und „Guydykes“ (lesbische Männer). Handelte es sich dabei nur um wissenschaftliche Forschungen auf einem Randgebiet der Humanbiologie oder um randständige Debatten in den Feuilletons, so könnte man das achselzuckend zur Kenntnis nehmen und zur Tagesordnung übergehen.

Doch so ist es leider nicht. Vielmehr gibt es in Politik und Medien starke Bestrebungen, unsere natürliche, von Anbeginn der Menschheit gewachsene Vorstellung über die menschliche Natur und hier vor allem ihre geschlechtliche Seite radikal zu verändern. Daß man als Mann oder Frau, als Vater oder Mutter ins Leben gestellt ist, wird als irrige Vorstellung abgetan. Vielmehr handele es sich dabei lediglich um Rollen, die man – selbstverständlich unreflektiert – spiele. Demgemäß ist dann auch davon die Rede, daß kleinen Mädchen eine Mutter „rolle“ anerzogen werde, wie auch Buben männliche „Rollenbilder“ vorgegeben würden. Diese Sprache ist verräterisch. Sie zeigt, worum es geht. Man ist demnach nicht etwa schlicht und einfach ein Mann oder eine Mutter, nein man spielt eine Rolle wie es Schauspieler im Theater tun. Schauspieler indessen spielen heute diese und morgen jene Rolle, mal den Kriminalkommissar, mal den Ganoven, mal die Kaiserin Sissi, mal die Kameliendame. Sie sind es aber nicht. Wer diesen Sprachgebrauch übernimmt und etwa von der „Mutterrolle“ spricht, der ist diesen Gesellschaftsveränderern schon auf den Leim gegangen, denn die Veränderung der Wirklichkeit beginnt mit der Manipulation der Sprache. Diese Umgestaltung der Geschlechter hin zur bloßen Rolle, die man spielt und natürlich wechseln kann, ist kein Selbstzweck. Sie ist eine wesentliche Voraussetzung für die Umgestaltung der Gesellschaft an sich. Die klassische Familie, die natürlich voraussetzt, daß die Menschen klar definiert als Männer und Frauen existieren, die gemeinsame Kinder zeugen und erziehen, wird als bloßer Unterdrückungsmechanismus diffamiert, der die patriarchalische, ja faschistische Gesellschaftsordnung erst ermöglicht. Deswegen muß hier angesetzt werden, um die Menschheit zu befreien und sie in die allein humane Lebensform des Sozialismus zu überführen. Nicht von ungefähr war die sogenannte sexuelle Revolution ein Hauptbestandteil der 1968er Bewegung, und nicht von ungefähr war die sexuelle Emanzipation der Frau auch ein Anliegen sozialistischer Theoretiker von Anfang an. Sexualforscher wie Wilhelm Reich wirkten eben im linken Milieu und nicht etwa in konservativen Kreisen.

Ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht diese Bewegung derzeit in Baden-Württemberg, wo die grün-rote Landesregierung einen Aktionsplan „Für Akzeptanz & gleiche Rechte Baden-Württemberg“ in eine Vielzahl gesetzgeberische und verwaltungstechnische Maßnahmen umsetzen will. Daß derartiges gerade dort geschieht, sollte niemanden überraschen. Sowohl die Partei- und Wahlprogramme der GRÜNEN wie auch der SPD enthalten Forderungen in diesem Sinne. Betrachtet man sich nun diesen Katalog von sage und schreibe über 200 Einzelmaßnahmen, dann wird klar, daß es um nichts weniger als um die vollständige Umgestaltung unseres privaten und gesellschaftlichen Lebens geht. Und weil das alles natürlich nicht allein durch gutes Zureden erreicht werden kann, werden auch Maßnahmen vorbereitet, die man sonst nur aus Diktaturen mit stringenter Ideologie kennt. Nachfolgend einige Beispiele, an denen man erkennt, wie tiefgreifend und umfassend der Staat in das Leben seiner Bürger eingreifen will, um ihr Leben nachhaltig zu verändern. Das geschieht über vordergründig bürokratische Regelungen wie etwa die „Abbildung der Vielfalt in Formularen etc.“, zum Beispiel der „Überarbeitung des Elterngeldantrages (Heteronormativität)“. Das bedarf wohl der Erläuterung. Unter „Heteronormativität“ verstehen diese Designer des neuen Menschen eben, daß es bisher jedenfalls die Norm ist, daß Männer und Frauen heterosexuell leben und dies auch die gesellschaftliche Wahrnehmung prägt. Ausweisformulare kennen eben nur zwei Geschlechter, männlich und weiblich. Das soll gegendert, pardon, geändert werden. Alle Ministerien haben daher künftig Formulare, Fragebögen und Software anzupassen, um so die vielfältigen Lebensformen abzubilden (bei Geschlecht dritte Option einfügen, Möglichkeit der gewünschten Ansprache als Frau beim biologischen Geschlecht männlich, zentrale Stelle zur Meldung des Namenswechsels etc.). Das muß sich natürlich ganz generell zeigen, wo auch immer der Staat in Erscheinung tritt. Wichtig ist hier die Nutzung einer „sensiblen Sprache“ in allen Veröffentlichungen und Reden des Landes, z.B. mittels geschlechtsneutraler Anrede. In diesem Zusammenhang erfolgt auch eine kritische Betrachtung des Dudens. Für die nötige Breitenwirkung sorgt dann auch die „diskriminierungsfreie Arbeitswelt“, wobei das Land Baden- Württemberg als Arbeitgeber Vorbild für andere sein wird, indem verpflichtende Schulungen und Sensibilisierung von Führungskräften und den Personalabteilungen, Amtsleitung, Referatsleitung, Personalreferaten helfen und natürlich die Amtsspitze sich klar zu diesen Zielen bekennt und das Thema in das Leitbild aufnimmt. Damit sich das alles in den Köpfen von Anfang an festsetzt, beginnt man folgerichtig beim Kindergarten, wo z.B. „Vielfalt“ sichtbar gemacht wird durch die Anpassung von Büchern und Spielen. Dazu werden natürlich die Verlage von Büchern und Spielen für die frühkindliche Bildung in die Pflicht genommen. Darauf kann dann in der Schule aufgebaut werden. Hier wird ein „diskriminierungsfreier“ Schulalltag gewährleistet durch die Verankerung der Themen LSBTTIQ (Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transsexuell, Transgender, Intersexuell, Queer) bzw. sexuelle und geschlechtliche Identität (ist das zweierlei?) im Bildungsplan. Das ganze muß natürlich auch juristisch abgesichert werden. Dazu wird der Art. 3 des Grundgesetzes ergänzt um die sexuelle und geschlechtliche Identität und natürlich das Herzensanliegen der GRÜNEN vorangetrieben, indem eine Bundesratsinitiative zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften gestartet wird. In diesen Zusammenhang gehört auch Stärkung und Unterstützung von „Regenbogenfamilien“ durch die Einführung der sogenannten „dritten Elternschaft“. Weil man an der Bereitschaft aller benötigten Institutionen daran freudig mitzuwirken zweifelt, wird natürlich auch direkter wie indirekter Zwang ausgeübt. So sind die Zuschüsse für Hochschulen zu kürzen oder ganz zu streichen, die ein „veraltetes Menschenbild lehren“, und es findet keine Unterstützung bzw. keine Vergabe von Aufträgen an Institutionen mehr statt, die diskriminieren, z.B. Kirchen. George Orwell läßt grüßen. Die grüne Stasi kommt zum Einsatz. Dafür werden LSBTTIQ-Belange und „Diversity“ in Förderprogrammen oder bei der Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand berücksichtigt. Selbstverständlich werden auch die Medien scharf kontrolliert und Sanktionen verhängt für „transphobe“ und „homophobe“ Medieninhalte in Wort und Bild. Der Zensor schneidet nicht nur, er bestraft auch gleich. Es ist dann auch nur konsequent, wenn sich das Land Baden-Württemberg klar positioniert bei „homo- und transphoben“  Aktivitäten im Ausland und dies auch vom Bund wie den Kommunen erwartet. Denn auch dort sollen künftig so wichtige Dinge wie die Seelsorge für „TTI-Menschen“ (transsexuelle, transgender und intersexuelle Menschen) aus der Bauernschaft stattfinden, und auch „queere“ Gottesdienste gefeiert werden können, und auch LSSBTTIQ in der Schwangerschaftsberatung verankert werden, nicht zu vergessen die „Unterstützung von Partys und Veranstaltungen der Community“ auch an konservativen Plätzen, und die Anerkennung von Szenelokalitäten. Dieser kleine Ausschnitt aus dem Absurditätenkatalog der Landesregierung von Baden-Württemberg mag erst einmal genügen.

Das Interesse der betroffenen Bürger des Landes an diesem Aktionsplan seiner gewählten Politiker steht im umgekehrten Verhältnis zur fundamentalen Bedeutung des Aktionsplans, der ja nichts weniger als die vollständige Veränderung des Verhältnisses der Geschlechter zueinander und die Indoktrination, besser: Belästigung, der Kinder ab 3 Jahren (!) mit einem so irrwitzigen Aberglauben durch staatlichen Zwang beinhaltet. An der Demonstration gegen diesen Aktionsplan in Stuttgart nahmen lediglich ca. 1.000 Menschen teil. Die Erklärung dafür kann nur sein, daß der Masse der betroffenen Bürger einfach nicht klar ist, was da abläuft, sie sich vielmehr gar nicht vorstellen können, daß es so etwas überhaupt gibt, und sich erst recht nicht vorstellen können, daß der Staat einen solchen Schwachsinn Gesetz werden läßt. Man kommt also nicht daran vorbei, daß hier aufgeklärt werden muß. Das ist mühsam, vor allem, weil man dabei regelmäßig erst einmal auf völlige Verständnislosigkeit stößt. Zum einen ist es schon sehr schwer, all diese verquasten Begriffe zu erläutern, um die es hier geht, und zum anderen fällt es jedem normalen Bürger schwer zu erkennen, daß der Staat nicht immer eine seriöse Einrichtung ist.

Wer die Vertreter des Gendermainstreaming und des „Alles ist egal, liebt euch doch, wie ihr wollt LSBTTIQ“ kritisiert, muß allerdings auch eine Antwort darauf haben, wie denn mit den Menschen umzugehen ist, denen die Natur nun einmal eine andere geschlechtliche Veranlagung gegeben hat, als nahezu allen anderen. Zwar beharren gerade die Vertreter von Homosexuellenverbänden und sonstige Lobbyisten von LSBTTIQ darauf, daß ihre Zahl sehr viel größer ist, als dies in Wirklichkeit der Fall ist. Statt ca. 1 % müssen es dann ca. 5 % sein, und statt vielleicht einem vom hunderttausend Menschen mit einer besonders abweichenden Veranlagung muß das dann ebenfalls eine Quote weit oberhalb der homöopathischen Verdünnung sein. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Je größer eine Gruppe in der Relation ist, um so weniger müssen ihre Mitglieder das Gefühl haben, Außenseiter zu sein. Das Selbstwertgefühl wächst. Und für ihre Funktionäre wächst natürlich die eigene Bedeutung mit der absoluten wie mit der relativen Größe der vertretenen Gruppe. Noch wichtiger: Je mehr die eigene Veranlagung nicht als einfach abseitig, sondern bloß als eine (gleichwertige) Variante von vielen wahrgenommen wird, um erträglicher erscheint sie. Natürlich ist das alles bloßes Schönreden einer ebenso unabänderlichen wie unerfreulichen Tatsache: Was 99% der Menschen als erfülltes Leben ansehen, nämlich die (biologisch) eigene Familie, bleibt ihnen unerreichbar. Wer sich damit bewußt abfindet und sein Leben darauf einrichtet, statt krampfhaft nach „Gleichberechtigung“ zu streben, etwa in der Übernahme von Rechtsinstituten wie der Ehe, dem gebührt meine Achtung. Wer aber wie die Propagandisten von „Gender & Diversity“ von „Aufhebung der Heteronormativität“ faselt, den muß ich als Feind der Gesellschaft bekämpfen.

Eine Anregung zum Schluß. Die grün-roten Propagandisten des Aktionsplans „Für Akzeptanz & gleiche Rechte Baden-Württemberg“ haben sich als Wappentier einen Stauferlöwen in Regenbogenfarben gewählt. Passend wäre indessen ein Bonobo, jene Schimpansenart, die sich durch ihr Sexualverhalten im Sinne von LSBTTIQ von allen anderen Tieren unterscheidet, natürlich auch in Regenbogenfarben.

 

Blutgeld

Nun will Griechenland also von Deutschland Schadensersatz wegen der Kriegsverbrechen, die deutsche Soldaten vor über 70 Jahren begangen haben. Der Krieg war in der Tat schrecklich und zeigte furchtbare Auswüchse wie die Auslöschung ganzer Dörfer als Reaktion auf mörderische Aktionen griechischer Partisanen. Es besteht nicht der geringste juristische Zweifel daran, daß es sich dabei in keinem Fall um Repressalien handelte, die vom damals geltenden Kriegsvölkerrecht auch nur annähernd gedeckt waren. Allerdings darf auch nicht vergessen werden, in welch grausamer Weise griechische Partisanen in nicht wenigen Fällen deutsche Soldaten umgebracht haben. Gefangenen die Kehle durchzuschneiden haben eben nicht die IS-Terroristen „erfunden“, nein auch griechische Partisanen haben solch scheußliche Morde begangen. Dennoch rechtfertigte auch das nicht die Massenmorde an griechischen Zivilisten einschließlich Frauen und Kindern. Bemerkenswert ist im übrigen, daß Griechenland wegen der Kriegsverbrechen, die Italien und Bulgarien in diesem Krieg begangen haben, keine Ansprüche erhebt, obgleich sie große Ausmaße hatten. Es gehört aber zum Wesen der Wahrheit, daß sie unteilbar ist. Betrachtet man im übrigen die Kriegsgeschichte, so findet man derartige Greueltaten bereits in der Antike.

Es mag auf den ersten Blick überraschend erscheinen, daß gerade die Griechen des klassischen Altertums in ihren Friedensverträgen ausdrücklich amnestia (Vergessen begangenen Unrechts) und adeia (Straflosigkeit) bezüglich der wechselseitig begangenen Greueltaten zu vereinbaren pflegten. Das kann oder muß man sogar mit der Philosophie erklären. Denn der Verzicht auf Rache oder Bestrafung ist wohl Ausfluß einer Kultur des Maßhaltens und der Besonnenheit. Über dem Eingang des Tempels von Delphi, in dem die Seherin Pythia ihr Orakel sprach, stand zu lesen: „meden agan“ (nichts im Übermaß). Aristoteles, den man wohl bis heute als einen der größten griechischen Philosophen bezeichnen kann, hat dem Thema Maß und Übermaß in seiner Nikomachischen Ethik breiten Raum gegeben und eingehend begründet, warum alle Maßlosigkeit schadet. Es ist deswegen auch ein Beleg bemerkenswerter Weisheit, daß die Vertragsparteien des Westfälischen Friedens in Art. II. des Vertrages vom 24.10.1648 festgelegt haben: „Beiderseits sei immerwährendes Vergessen und Amnestie alles dessen, was seit Anbeginn dieser Unruhen an irgendeinem Ort und auf irgendeine Weise vom einen oder anderen Teil hüben und drüben, feindlich begangen worden ist….Vielmehr sollen alle und jede hin und her, sowohl vor dem Kriege als auch im Kriege, mit Worten, Schriften oder Taten zugefügten Beleidigungen, Feindseligkeiten, Schäden und Unkosten ohne alles Ansehen der Personen dergestalt gänzlich abgetan sein, daß alles, was deshalb der eine vom anderen fordern könnte, in immerwährendem Vergessen begraben sein soll.“ Nun war der Dreißigjährige Krieg wahrlich von einer Art, die uns heute noch schaudern macht. Auch von den Menschen jener Zeit wurde das so wahrgenommen, weshalb sich gerade dieser unfaßbar grausame Krieg tief im kollektiven Gedächtnis der Europäer festgesetzt hat. Und dennoch hat man am Ende auf allen Seiten eingesehen, daß nur eine solche allgemeine Amnestie eine tragfähige Grundlage für das friedliche Zusammenleben der Völker sein kann. „In amnesia consistit substantia pacis“ (Das Vergessen ist die Grundlage des Friedens).

Die Weisheit und das Maßhalten sind den Menschen unserer Zeit offenbar abhanden gekommen. Nach dem Ersten, noch mehr aber nach dem Zweiten Weltkrieg ging man daran, den Verlierern Reparationen ungeheuren Ausmaßes aufzuerlegen und ihre Soldaten für ihre Taten zur Verantwortung zu ziehen, zu Recht oder Unrecht sei in diesem Zusammenhang einmal dahingestellt. Denn wir befassen uns nicht mit der Frage, ob sich der eine oder andere im Zweiten Weltkrieg schuldig im moralischen oder rechtlichen Sinne gemacht hat. Wir gehen vielmehr der Frage nach, ob es klug ist, über die Taten und Untaten der Vergangenheit zu rechten. Und wir prüfen, ob das Ansinnen der Griechen, Deutschland nun auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, juristisch überhaupt noch begründbar sein kann. Zwei Generationen nach dem Krieg noch solche Ansprüche zu erheben, kann nicht klug sein. Abgesehen davon, daß frühere Generationen das aus gutem Grund generell nicht getan haben, wie wir gesehen haben, sollte schon der schiere Zeitablauf entgegenstehen. Nicht umsonst kennen alle Rechtsordnungen den Grundsatz, daß zwischen dem Ereignis, das für jemanden einen Rechtsanspruch begründen kann und der Erhebung eines solchen Anspruchs nicht unendlich viel Zeit vergehen darf, sondern nach einer gewissen Zeit und bestimmten Umständen Rechtsfriede herrschen muß. Dann muß Vergangenes eben vergangen sein, alte Wunden müssen verheilen können. Deswegen kennt zum Beispiel das griechische Zivilrecht die Verjährung von Ansprüchen, im Falle der Schadensersatzforderungen kann die Verjährung nach 20 Jahren eingewandt werden. Das deutsche Zivilrecht sieht im Höchstmaß eine Frist von 30 Jahren vor. Und auch die Strafbarkeit des Mordes findet in manchen Staaten dieser Erde ihre zeitliche Befristung, endet jedoch in jedem Falle mit dem Tod des Mörders. Seine Nachkommen „erben“ eben nicht seine Schuld.

Im Falle Deutschlands und des Zweiten Weltkrieges ist das offenbar anders. Diese Vergangenheit soll wohl niemals vergehen und in die Obhut Klios, der Muse der Geschichte gegeben werden. Wie offene Wunden wirken Gedenkstätten wie etwa im griechischen Distomo. Die Schädel der Ermordeten und ihre Namen werden in gläsernen Vitrinen und auf Schautafeln präsentiert. Die Pietät, die allen Toten, auch diesen geschuldet ist, muß der ewigen Anklage weichen, die Sühne fordert und Geld generieren soll. Deutschland, dessen Soldaten und mehr noch Zivilisten ebenfalls den furor belli (Schrecken des Krieges) erdulden mußten, hat von solchen Forderungen abgesehen. Über die Gründe dafür kann man geteilter Meinung sein, im Ergebnis war es jedoch richtig, und wenn es aus den Gründen geschehen ist, die frühere Generationen von dem Ruf nach Genugtuung und Sühne abgehalten haben, dann war es auch weise.

Griechenland indessen scheint sich von allem weit entfernt zu haben, was gerade seine große Tradition ausmacht. Nicht die Weisheit der Philosophen, sondern die Wut der Rachegöttin Nemesis bestimmt das Denken seiner Politiker. Und nicht die mesotes (Mitte, rechtes Maß) bestimmt die Höhe der geltend gemachten Forderung. Nein, auf sage und schreibe 323 Milliarden Euro errechnen griechische Beamte die Reparationsforderungen gegen Deutschland. Das ist mehr als vier mal so viel, wie die Höhe der gesamten Staatseinnahmen Griechenlands im Jahre 2014, die sich auf ca. 80 Milliarden Euro belaufen haben. Der Staat könnte also gut vier Jahre seine Ausgaben bestreiten, ohne auch nur einen Cent Steuereinnahmen ausgeben zu müssen. Daß dies auch nicht entfernt den Gegenwert der im Krieg zerstörten Gebäude und der gern ins Feld geführten Zwangsanleihe ausmacht, liegt auf der Hand. Die ermordeten Zivilisten können in die Berechnung ohnehin nicht einfließen, es sei denn, man will nach archaischem Muster Blutgeld berechnen (wie viel eigentlich pro Person?). Dem Völkerrecht ist eine solche  Kommerzialisierung von Opfern kriegerischer Ereignisse fremd.

In rechtlicher Hinsicht muß unterschieden werden zwischen den Reparationszahlungen, die der Staat Griechenland von Deutschland als dem Rechtsnachfolger, mindestens aber Haftungsnachfolger des Deutschen Reiches verlangen konnte bzw. immer noch verlangen zu können glaubt, und den individuellen Ansprüchen griechischer Bürger gegen Deutschland auf Schadensersatz für den Verlust ihrer Eltern oder ihres Besitzes.

Beginnen wir mit den Reparationen. Da sind zunächst einmal die Kreditverträge von 1942, wonach Griechenland der deutschen Besatzungsmacht insgesamt 476 Millionen Reichsmark als zinsloses Darlehen gewähren mußte. Dazu muß man wissen, daß Art. 49 der Haager Landkriegsordnung der Besatzungsmacht das Recht einräumt, Geldmittel des besetzten Landes zum Unterhalt der Besatzungstruppe in Anspruch zu nehmen. Das ist später grundsätzlich ein reparationsfähiger Posten. Man hat auch im Pariser Reparationsabkommen vom 14.01.1946 diesen Punkt geregelt, indem Griechenland 2,7 % der gesamten Reparationen, die Deutschland zu zahlen hatte, zugesprochen wurden. Die erwähnten Kredite wurden ausdrücklich von diesem Abkommen erfaßt. Deutschland zahlte dann in Erfüllung dieser Verbindlichkeit im Laufe der nächsten Jahre 25 Millionen US-Dollar an Griechenland. Ob damit der Gegenwert von 476 Millionen Reichsmark (was war die Reichsmark eigentlich am Ende des Krieges oder auch bereits 1942 international noch wert?) bezahlt war, kann offen bleiben, denn im Jahre 1953 wurde im Rahmen des Londoner Schuldenabkommens ein Reparationsmoratorium vereinbart. Weitere Zahlungen sollten den Regelungen eines Friedensvertrages vorbehalten bleiben. Zu dem kam es bekanntlich nicht. Statt dessen schlossen die alliierten Sieger des Zweiten Weltkrieges USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich mit den beiden deutschen Staaten am 12. 09.1990 den sogenannten Zwei plus Vier Vertrag, in dem auch die Frage der Reparationen abschließend geregelt wurde, und zwar mit ausdrücklichem Mandat auch der seinerzeit von Deutschland besetzten Länder wie etwa Griechenland. Dieser Vertrag sieht keine weiteren Zahlungen Deutschlands an diese Länder vor. Damit können Reparationen nicht mehr gefordert werden.

Griechenland fordert aber auch, daß die Nachkommen der Opfer von Kriegsverbrechen entschädigt werden sollen. Einschlägige Klagen dieser Menschen vor griechischen Gerichten waren und sind auch erfolgreich, vor deutschen Gerichten nicht, was auch das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 15.02.2006 gebilligt hat. Denn dem steht der Grundsatz der Staatenimmunität entgegen. Nach allgemeiner Ansicht im Völkerrecht können Staaten nicht vor den Gerichten eines anderen Staates verklagt werden. Gleichwohl von diesen Gerichten gegen einen fremden Staat erlassene Urteile können nicht vollstreckt werden. Das ist auch die Auffassung des Internationalen Gerichtshofs, der verbindlich völkerrechtliche Streitfragen entscheidet. Mit Urteil vom 03.02.2012 hat er in einem Rechtsstreit zwischen Deutschland und Italien festgestellt, daß Italien seine internationale Verpflichtung zur Respektierung der Immunität des deutschen Staates verletzt, wenn es erlaubt, daß vor seinen Gerichten Ansprüche auf Schadensersatz wegen Kriegsverbrechen gegen Deutschland eingeklagt werden können. Ebenso sieht er den Grundsatz der Staatenimmunität verletzt, wenn Italien es erlaubt, daß auf seinem Staatsgebiet Urteile griechischer Gerichte gegen Deutschland wegen solcher Ansprüche vollstreckt werden. Die Entscheidung des Gerichts ist zum ersten Punkt mit einer Mehrheit von 12 zu 3, und zum zweiten Punkt mit einer Mehrheit vom 14 zu 1 Richterstimmen ergangen. Es kann schlechterdings nicht erwartet werden, daß der Gerichtshof nun zu einem anderen Ergebnis kommen könnte, wenn etwa ein gleichartiges Verfahren zwischen Deutschland und Griechenland geführt würde. Dies auch vor dem Hintergrund, daß die Frage der individuellen Entschädigungen für griechische Staatsbürger bereits mit Vertrag vom 18.03.1960 zwischen beiden Ländern geregelt worden ist. Danach zahlte Deutschland an Griechenland einen Betrag von 115 Millionen DM zur Wiedergutmachung und erhielt im Gegenzug von Griechenland die Zusicherung, keine weiteren individuellen Ansprüche griechischer NS-Opfer geltend zu machen. Ergänzend ist auch hier auf den Zwei plus Vier Vertrag zu verweisen.

Selbst wenn entgegen der glasklaren Rechtslage noch irgendwelche Ansprüche offen sein könnten, so stünde deren Geltendmachung der Zeitablauf entgegen. Zwar gibt es kein internationales Zivilgesetzbuch mit Verjährungsregelungen, wie das in den nationalen Rechtsordnungen der Fall ist. Dennoch kann dies nicht dazu führen, daß Ansprüche auf Entschädigung für Kriegsverbrechen zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden können. Denn dann könnte Griechenland beispielsweise die Türkei für Vorgänge aus der Zeit in Anspruch nehmen, als Atatürk die Griechen aus Kleinasien vertrieben und in Massen hat umbringen lassen. Im deutschen Zivilrecht spricht man von der Verwirkung eines Anspruchs. Diese tritt unabhängig von der Verjährung ein. Zu prüfen ist zweierlei. Zum einen muß der Zeitablauf dafür sprechen, daß die Geltendmachung des Anspruchs unangemessen verspätet erscheint. Zum anderen müssen die Umstände dafür sprechen, daß der Schuldner des Anspruchs nicht mehr erwarten muß, daß der Gläubiger noch gegen ihn vorgeht. Das kann sich aus dem Verhalten des Gläubigers ergeben. Führen beide Prüfungsschritte dazu, daß die Geltendmachung des Anspruchs nunmehr unbillig erscheint, hat der Gläubiger sein Recht zur Geltendmachung verwirkt. Das kann als allgemeiner Rechtsgrundsatz angesehen werden, denn der Rechtsfriede ist in jeder Rechtsordnung ein hohes Gut. Im vorliegenden Falle sind nicht nur mehr als 70 Jahre seit den Ereignissen des Jahres 1944 verstrichen. Es sind daraus resultierende Ansprüche in verschiedenen völkerrechtlichen Abkommen erledigt worden. Dem Zwei plus Vier Vertrag von 1990 hat Griechenland seinerzeit, also auch schon vor einem Vierteljahrhundert, zugestimmt. Somit gehören diese Dinge endgültig in das Reich der Geschichte. Die Gerichte haben sich damit nicht mehr zu befassen.

Auch das Blutgeld altertümlicher Rechtsordnungen wurde den Angehörigen des Ermordeten zeitnah gezahlt, denn es sollte sie für den Verlust entschädigen, den sie durch seinen Tod auch in materieller Hinsicht erlitten hatten. Bei Enkeln und Urenkeln ist er nicht mehr meßbar. Ob der Schaden meßbar ist, den die Herren Tsipras, Varoufakis und ihre Gesinnungsgenossen dem Ansehen ihres Volkes mit dieser wahnwitzigen Forderung zufügen, wird sich weisen.

Die gemeinsame europäische Armee

Wir haben Jean-Claude Juncker schon viel zu verdanken. Rettungspakete für Banken und europäische Schuldenstaaten im Wege der unbegrenzten Geldvermehrung, aber auch die Erkenntnis, daß man in der Politik lügen muß. Nun also die gemeinsame europäische Armee. Denn damit, so der Lordsiegelbewahrer des europäischen Friedensprojekts namens Euro, damit könne man den Russen doch endlich zeigen, was eine Harke ist. Dieses Sammelsurium europäischer Kleinarmeen macht doch niemandem Angst, eine Europäische Armee aber, das wäre doch was, da spielte man doch in der gleichen Liga wie die Russen, vielleicht sogar wie die Amerikaner oder die Chinesen! Und die politische Union Europas bekommt man da doch gleich mit, denn es bleibt ja von der Souveränität der Staaten praktisch nichts mehr übrig, wenn ihre Streitkräfte in einer gemeinsamen europäischen Armee aufgehen. Bei soviel Europaseligkeit können die deutschen Politiker natürlich nicht zurückstehen. Unisono verkünden die Verteidigungsministerin und der SPD-Verteidigungsexperte begeistert ihre Zustimmung. Es ist erreicht!

Oder doch nicht? Ja, eher doch nicht. Blicken wir zunächst einmal zurück und stellen mit Ben Akiba fest: „Alles schon mal dagewesen!“ Anfang der 50er Jahre entwickelte man in den Gründerstaaten der EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft – wer kann sich daran noch erinnern?) Benelux-Länder, Frankreich, Italien und Deutschland den Gedanken, eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zu schaffen, selbstverständlich mit einer gemeinsamen Armee. Das hätte vor allem aus der Sicht der Franzosen den Vorteil gehabt, daß man zwar deutsche Soldaten, aber keine deutsche Armee bekommen hätte, natürlich alles unter vorwiegend französischer Führung. Das scheiterte dann 1954 in der französischen Nationalversammlung, der selbst diese Konstruktion noch zu viel Preisgabe französischer Souveränität bedeutete. Man beließ es dann bei der NATO, in die nun auch die Deutschen (west) mit einer eigenen Armee, allerdings in die Bündnisstruktur voll integriert, aufgenommen werden durften, aus der Sicht der USA aufgenommen werden mußten. Die NATO hat dann auch den Russen, pardon, Sowjets gezeigt was eine Harke ist. Das Ergebnis ist bekannt. Wir haben den kalten Krieg gewonnen, ohne daß wir auch nur einen Schuß abgeben mußten. Darauf dürfen wir stolz sein.

Warum wir nach diesen positiven Erfahrungen außer der NATO eine Neuauflage, neudeutsch wohl „relaunch“ der EVG brauchen, um den Russen zeigen zu können, was eine Harke ist, bleibt im Dunkeln. Zumal unsere braven europäischen Politiker in Sachen Rußland fest an der Seite der USA stehen, so fest wie damals, als es gegen die Sowjetunion ging. Die war bekanntlich deutlich größer und mächtiger als Rußland alleine, weil ja noch all die anderen „Sowjetrepubliken“ einschließlich der von den USA so heißgeliebten Ukraine dazugehörten, und man überdies noch seine sozialistischen Bruderarmeen in der DDR, Polen, CSSR usw. ins Treffen schicken konnte. Völlig außen vor bleibt, daß wir ja schon jetzt funktionierende europäische Verteidigungsstrukturen neben der NATO haben. Da wäre z.B. EUFOR. Diese militärische Organisation bewältigt Aufgaben wie Friedensmissionen im ehemaligen Jugoslawien und in Afrika. Da gibt es multinationale europäische Großverbände wie das Eurokorps oder das multinationale Korps Nord-Ost. Da gibt es in kleinerem Rahmen seit vielen Jahren die deutsch-französische Brigade. Die Reihe kann beliebig fortgesetzt werden. Gemeinsamer Nenner all dieser Organisationsformen ist, daß Kräfte gebündelt werden, um Aufgaben bewältigen zu können, die eine Nation alleine nicht oder nur sehr schwer bewältigen kann.

Allerdings unterscheiden sich all diese Formen der militärischen Zusammenarbeit und Integration von einer gemeinsamen europäischen Armee, wie sie bisher nur in den Träumen von Einheitseuropäern wie Juncker existiert, in einem entscheidenden Punkt: Es handelt sich jeweils um Truppenteile einer nationalen Armee, die einem multinationalen Kommando unterstellt oder in einen Großverband des Partnerstaates eingegliedert werden. Letzteres ist z.B. aktuell bei der deutschen Division Schnelle Kräfte (DSK) der Fall, der eine niederländische Brigade organisch eingegliedert worden ist. Allerdings könnte das jederzeit wieder rückgängig gemacht werden. Vor allem aber bleiben diese Soldaten niederländische Soldaten, sind also disziplinarisch und laufbahnrechtlich nach wie vor dem Verteidigungsministerium der Niederlande unterstellt und tragen demgemäß niederländische Uniformen, haben niederländische Dienstgradbezeichnungen und werden auf ihren König und nicht etwa Herrn Juncker vereidigt. Wie sollte es auch anders sein?

Von allen Bedenken gegen die gemeinsame europäische Armee dürfte zunächst einmal die damit notwendig verbundene Aufgabe der Souveränität das schwerwiegendste sein. Vor allem daran ist ja seinerzeit die EVG in der französischen Nationalversammlung gescheitert. Im deutschen Bundestag wäre sie nicht gescheitert, weil eben Deutschland im Gegensatz zu Frankreich damals nicht souverän war. Noch heute ist das leicht daran zu erkennen, daß diejenigen Artikel unserer Verfassung, die Regelungen über die Streitkräfte enthalten, offensichtlich nachträglich eingefügt sind, weil sie nach ihrer Ordnungszahl angehängte Buchstaben aufweisen (z.B. Art.  12a, 45a, 87a, 87b usw.). Seine Politiker und Meinungsfürsten legten infolge ihrer mentalen Kastration durch die Sieger des II. Weltkrieges auch gar keinen Wert mehr auf Souveränitätsrechte. Für Franzosen undenkbar, damals wie heute. Daß etwa Briten, Italiener oder Spanier auch nur daran denken könnten, einen Kernbereich der Staatssouveränität abzugeben, den die eigene Armee neben der eigenen Finanzhoheit und der  eigenen Polizei nun einmal darstellt, ist schlechterdings nicht vorstellbar. Jedenfalls nicht mehr in diesem Jahrhundert, und wohl auch nicht in einem der nächsten.

Kommen wir zum Praktischen. Eine gemeinsame europäische Armee müßte ja nun einmal alles einheitlich organisieren. Die Soldaten dieser Armee müßten ja in jeder Kompanie und auf jedem Kriegsschiff dienen können, egal aus welchem Land (oder schon aus welcher Region?) sie auch kämen. Also zuallererst eine gemeinsame Sprache im Dienst. Welche? In der NATO funktioniert das mit englisch in den Stäben. Ein aus Franzosen, Italienern, Polen, Esten und Deutschen bestehender Infanteriezug, in dem die Verständigung in englischer Sprache wirklich funktioniert, ist schwer , eigentlich gar nicht vorstellbar. Und überhaupt: Wieso englisch? Machen die Briten denn mit?  Und wenn, wie klein ist deren Anteil? Wieso nicht französisch? (Deutsch natürlich nicht. Könnten sich deutsche Politiker nicht vorstellen). Wieso nicht polnisch? Oder italienisch? Oder tschechisch? Oder spanisch? Vielleicht als Kompromiß Esperanto? Kann doch keiner! Halt! Gehen wir zu den europäischen Wurzeln. Latein! Die Römer haben doch eine prima Armee gehabt, den Drill erfunden und die Taktik. Ja, und wenigstens die europäischen Offiziere haben doch in der Schule Latein gelernt, jedenfalls manchmal. Darauf bauen wir dann auf: Statt eines harten, preußisch-metallischen: „Kompanie: Stillgestanden! Rechts um! Im Gleichschritt: Marsch!“ ertönt es klassisch-kultiviert: „Milites: state! ad dextram! aequatis passibus: pergite!“ Die nationalen Uniformen kommen ins Museum. Die gemeinsame europäische Uniform entwirft ganz im europäischen Geist der deutsch-französische Modezar Karl Lagerfeld. Die militärische Strenge des Uniformschnitts weicht der zivilen Eleganz. Die maskuline Erscheinung des Soldaten verschwindet endgültig, weil die natürlich endlich in angemessener Quote (50%) vorhandenen Soldatinnen in Uniformen, die endlich auch die weibliche Anatomie ausreichend berücksichtigen, für ein mehr feminines Erscheinungsbild der Armee sorgen. Nicht alles werden wir vom römischen Vorbild übernehmen. Der schwere Marschtritt der Legionen wird abgelöst von der tänzerischen Eleganz, mit der die SoldatInnen bzw. Soldat_innen, bzw. Soldatxxx sich ganz gendermainstreamig auf dem Gefechtsfeld bewegen. Natürlich wird auch das Durcheinander der Dienstgradbezeichnungen abgeschafft. Wer blickt denn da noch durch, wenn in der Luftwaffe der Major bei den  Franzosen Commandant und bei den Briten Squadron Leader heißt? Auch hier: Zurück zu den Wurzeln! Der Centurio erhält seine Befehle vom Tribunus und der vom Legatus.

Ach ja. Billiger soll es natürlich auch werden. Einheitliches Material. Einheitliche Ausrüstung. Wo konzentriert sich die Rüstungsindustrie? Natürlich in Frankreich. Schon wegen des Exports in Krisenregionen. Für die deutsche Politik wunderbar. Keine deutschen Waffen in Unterdrückerhände. Alles wird gut. Mit dem bißchen Monopol werden wir dann auch noch fertig werden. Die europäische Rüstungsindustrie lassen wir doch nicht die Preise diktieren! Lieber kaufen wir dann nicht so viel. Wird ja eh alles friedlicher, wenn wir dann den Russen gezeigt haben, was eine Harke ist. Die Personalkosten? Na ja. Europäisch eben. Wie in Brüssel. Soldat wird ein sehr attraktiver Beruf! Der Gefreite dürfte dann ca. 5.000,00 € monatlich bekommen. Der Porsche-Händler neben der Kaserne macht glänzende Geschäfte. Wer das nicht glaubt, der schaue sich einmal die Gehälter bei der Europäischen Union an. Aber das muß es uns doch wert sein, nicht wahr? Und wenn dann auch noch die Leistung der Europäischen Armee im Sternenkranz das Niveau der Europäischen Kommission erreicht haben wird, ist der Friede endgültig garantiert. Denn mit dieser Armee wird man keinen Krieg mehr führen können.

Zuletzt noch einmal Latein. Impossiblile erat, satiram non scribere. (Es war unmöglich, keine Satire zu schreiben.)

 

Sprachverwirrung

In Deutschland herrscht eine eigentümliche Scheu vor Begriffen, die klar beschreiben, worum es geht, doch anscheinend politisch vergiftet sind. Dazu gehört neben anderen das Wort Ideologie. Vor allem konservative, aber auch sozialdemokratische Politiker und Journalisten möchten die eigene Position ungern mit diesem Begriff belegt sehen, belegen aber gerne die Position des Gegners mit diesem Begriff. Es lohnt sich daher, sich diesem Begriff mit den Methoden der Semantik zu nähern, die ja dazu dient, den Sinngehalt eines Wortes herauszuarbeiten. Die Vokabel setzt sich aus den Bestandteilen Idee und logos zusammen, also dem Gedanken, der Vorstellung einerseits und dem Wort andererseits. Das Wort benennt die Sache. Eine Ideologie ist demnach der ausgesprochene bzw. niedergeschriebene Gedanke. So ist es ja auch. Eine Ideologie ist nach allgemeinem Verständnis ein Gedankengebäude, eine Theorie. Das ist zunächst einmal eine sachliche Beschreibung und paßt deswegen auch auf jedes theoretische Gedankengebäude. In Verruf geraten ist das Wort offensichtlich dadurch, daß man die jeweils abgelehnte politische Theorie des Anderen damit bezeichnet hat, weswegen im Laufe der Zeit die Vokabel Ideologie negativ konnotiert ist. Wer von Ideologen spricht, meint genau genommen die Anhänger einer Ideologie, die der seinen entgegengesetzt ist. Aus der Sicht des Konservativen ist der Linke ein Ideologe, aus der Sicht des Linken ist der Konservative ein Ideologe. Das gilt natürlich auch für jede andere politische Theorie, denn sie ist die Ausformung einer Idee, mithin eine Ideologie. Warum also wehrt man sich so vehement dagegen, als Anhänger einer Ideologie bezeichnet zu werden? Warum will man partout nicht eine Ideologie verbreiten? Sprachlich zutreffend ist es also, zur Beschreibung politischer Grundsatzpositionen und Theorien stets von einer Ideologie zu sprechen. Die kann richtig oder falsch, hilfreich oder schädlich sein, Ideologie ist sie immer. Man sollte also den Vorwurf, eine „ideologische“ Position zu vertreten, als substanzlos betrachten, wenn man nicht gar seinen Gegenüber mit der Frage bloßstellen will, ob es eine Theorie ohne Idee geben kann.

Merkwürdig ist auch die Scheu konservativer Bürger, Journalisten und Politiker vor der Bezeichnung des eigenen Standpunktes als „rechts“. Linke hingegen, ob sozialdemokratisch oder sozialistisch orientiert, haben mit der Benennung ihres Standpunktes als „links“ offenbar überhaupt kein Problem. Kommunisten und noch weiter links zu verortende Extremisten erst recht nicht. Warum eigentlich werden politische Positionen („Ideologien“!) mit Begriffen benannt, die zunächst einmal von ihrer Wortbedeutung her völlig neutral sind, weil sie lediglich eine topographische Zuordnung bezeichnen? Links und rechts bezeichnen die Lage eines Gegenstandes vom Betrachter aus, sei es die eigene Hand, die eben aus dem Blickwinkel eines jeden Menschen eben die rechte oder linke ist, sei es das Gebäude, das sich aus dem Blickwinkel des Betrachters vor dem Hause rechter Hand, aus dem Betrachter hinter dem Hause aber linker Hand befindet, vorausgesetzt die Standpunkte der beiden Betrachter liegen auf den Schnittpunkten der Linie, welche die Vorder- und Rückseite des Hauses im rechten Winkel schneidet. Inhaltlich sagt die Situierung eines Menschen im Raum zunächst einmal nichts aus. Erstmals politisch wurde die unschuldige Richtungsbezeichnung 1789, als in der französischen Nationalversammlung die Anhänger einer egalitären Umgestaltung des politischen Systems im Sitzungssaal vom Parlamentspräsidenten aus gesehen links Platz nahmen, um möglichst weit von den Vertretern der ersten beiden Stände Adel und Klerus entfernt zu sitzen, die rechts vom Präsidenten die Ehrenplätze einnahmen. Auf der vom Präsidenten aus gesehenen rechten Seite im Saal nahmen denn auch die Monarchisten Platz, denen eben eine konstitutionelle Monarchie als künftige Gesellschaftsordnung vorschwebte. Seither gibt es neben der aussagekräftigen inhaltlichen Beschreibung einer Parlamentsfraktion bzw. der sie tragenden politischen Partei eben auch die von der Saaltopographie abgeleitete Bezeichnung als links, rechts und in neuerer Zeit Mitte. Was also ist an einer Bezeichnung wie „rechts“ so schlimm, außer ihrer Unschärfe, besser gesagt Inhaltslosigkeit?

Schuld daran sind zunächst die politischen Extreme, vor allem aber der Mißbrauch der Sprache durch die Linke, die ja nun einmal die Deutungshoheit über die politischen Begriffe usurpiert hat. Das konnte sie, weil nun einmal Journalisten und Publizisten in ihrer übergroßen Mehrheit im weitesten Sinne „links“ sind, und mit ihren Waffen für die Umgestaltung der Gesellschaft in ihrem Sinne kämpfen. Die Waffe des Intellektuellen ist das Wort. Wie bei den „richtigen“ Waffen gibt es auch hier solche, die man ehrlich nennen kann, weil sie offen getragen und angewandt werden, wie auch solche, die hinterhältig benutzt werden und wie ein schleichendes Gift wirken. Das Sachargument tritt offen auf und will am Gegenargument gemessen werden; es gleicht dem regelgerecht geführten Angriff des Fechters, der mit einer ebenso regelgerechten Abwehr beantwortet werden kann. In beiden Fällen obsiegt, wer das überzeugendste Argument bzw. die durchschlagendste Aktion in die Auseinandersetzung einführt. Die Manipulation der Sprache indessen setzt anders an. Sie will den redlichen Teilnehmer am Diskurs hintergehen, indem sie die Regeln ändert, ohne daß er es bemerkt. Wie der Fechter, dessen Florett kürzer ist, als das seines Gegners, ohne daß er davon weiß, kämpft er auf verlorenem Posten. Im Falle der politischen Topographie ist es nun so, daß den bloß die Sitzordnung im Parlament beschreibenden Begriffen eine moralische Wertung injiziert worden ist. Links ist demnach mit Begriffen wie sozial, gerecht, mitfühlend, demokratisch, international konnotiert, rechts hingegen mit national(istisch), kapitalistisch, privilegiert, kaltherzig, autoritär. Vor allem aber wird „rechts“ konsequent auch gleichbedeutend mit „rechtsradikal“ bzw. sogar „rechtsextrem“ gebraucht, was den Begriff vergiftet. Deutlich wird das in Deutschland am sogenannten „Kampf gegen rechts“. Es heißt eben nicht gegen Rechtsextremismus, nein es heißt gegen „rechts“. Das geschieht natürlich mit der Absicht, auch die politischen Positionen zu diffamieren, deren Vertreter in der klassischen Sitzordnung der Parlamente die vom Präsidium aus gesehen rechten Sitze einnehmen, und an deren demokratischer Überzeugung nicht der leiseste Zweifel bestehen kann. Denn das ist wirkungsvoller, als die mühselige Argumentation mit Fakten. Ich sage Absicht, weil den Virtuosen des Sprachgebrauchs, die Intellektuelle nun einmal sind, dergleichen nicht einfach unterläuft. Wer sich beruflich mit Sprache befaßt, wer darauf angewiesen ist, daß seine Gedanken verstanden und übernommen werden, der verschreibt sich nicht, der manipuliert, wenn er Begriffen Bedeutungen gibt, die sie ursprünglich nicht hatten.

Diese Entwicklung hat dazu geführt, daß Intellektuelle und Politiker des klassischen rechten Spektrums, zu dem in Deutschland vor vielen Jahren auch einmal die Unionsparteien gehört haben, diese Zuordnung meiden wie der Teufel das Weihwasser. Statt dessen verortet man sich in der Mitte. Die hat es ursprünglich nicht gegeben. Sie hat erst mit der zunehmenden Differenzierung innerhalb der klassischen Rechten und Linken Eingang in den Sprachgebrauch gefunden. In den meisten europäischen Ländern führt das seit langer Zeit auch zu Mitte-Bindestrich Koalitionen wie Mitte-Rechts-Regierung oder Mitte-Links-Opposition. In Deutschland indessen würden sich die ehemals „rechten“ Unionsparteien pikiert dagegen verwahren, wenn man sie so bezeichnen und etwa eine CDU-CSU/FDP Koalition als „Mitte-Rechts-Koalition“ bezeichnen würde. Das führt zu dem absurden Ergebnis, daß wir in unseren deutschen Parlamenten linke Parteien (Die Linke, Bündnis 90 – Die Grünen, SPD) und Parteien „der Mitte“ (CDU, CSU, FDP, Freie Wähler, AfD) haben, wobei letztere übrigens aus dem linken Spektrum heraus gerne als rechte, schlimmer noch „rechtspopulistische“ Partei bezeichnet wird. Dabei hilft es auch nicht, daß der Vorsitzende der SPD mit Blick auf die Pegida-Bewegung geäußert hat, es habe doch jeder das gute Recht, nationalkonservativ zu sein. Denn das Recht zu haben, eine bestimmte politische Meinung zu haben, heißt noch lange nicht, daß diese als gleichwertig neben anderen anerkannt wird. Etwas pointierter gesagt, man kommt nicht ins Gefängnis, wenn man zum Beispiel nationalkonservativ ist, man wird aber auch nicht akzeptiert.

Es ist an der Zeit, den politischen Sprachgebrauch zu entgiften. Der erste Schritt muß sein, sich als Konservativer und/oder Wirtschaftsliberaler nicht mehr ängstlich dem Sprachgebrauch des politischen Gegners anzupassen, besser, zu unterwerfen, sondern selbstbewußt zu sagen: Ich bin rechts, wenn es um die politische Gesäßtopographie geht. Im zweiten Satz folgt dann die Forderung, doch bitte inhaltlich zu diskutieren, statt bei der Sitzordnung stehen zu bleiben. Denn da kann man vielleicht nette Wortspielchen veranstalten wie „right is right and left is wrong“ (der Wortwitz geht im Deutschen verloren). In der Sachdiskussion hingegen kann man mit den besseren Argumenten aufwarten und obsiegen. Wer wagt, der winnt, sagt ein altes Sprichwort. Feigheit indessen hat noch nie zum Sieg geführt.

Der listenreiche Odysseus

Es war zu erwarten. Die europäischen Steuerzahler, allen voran die deutschen, werden Griechenland weiter mit Milliarden stützen. Nichts wird sich ändern. Die kleinen Leute in Griechenland werden wie bisher darauf bauen können, daß irgendein korrupter Politiker – eine hier angebrachte Tautologie – ihnen irgendeine Stelle bei einer der zahllosen Behörden verschafft, die keine Funktion hat, außer der, daß Wählerklientel alimentiert wird. Und die großen Schmarotzer werden wie bisher keine Steuern zahlen, außer dem Bruchteil der eigentlich geschuldeten Steuerlast, die als Bestechungsgeld an Politiker und Beamte fließt. Natürlich werden die Herren Tsipras und Varoufakis das vehement in Abrede stellen und ihre lauteren Absichten bekunden. Die europäischen Politiker, allen voran die deutschen, werden das auch nur zu gerne glauben. Denn sie sind von dem Glauben durchdrungen, daß nur die Gemeinschaftswährung Euro das „europäische Friedenswerk“ (Wolfgang Schäuble) vollenden kann. Ob ein Land die vertraglich festgelegten Voraussetzungen und Bedingungen der Mitgliedschaft in der Eurozone erfüllt oder nicht, ob seine Wirtschaftskraft auf dem Niveau Deutschlands, der Niederlande oder Österreichs liegt oder eher dem eines Landes der Dritten Welt entspricht, ist unwichtig. Denn wir brauchen angeblich nicht ein deutsches Europa, sondern ein europäisches Deutschland, mit anderen Worten: Ein vereintes Europa muß her, auch wenn das nur um den Preis zu haben ist, daß Deutschland finanziell und wirtschaftlich auf das Niveau der „Olivenländer“ hinabsinkt. Denn nur die Schaffung eines vereinten Europa, im Klartext: eines europäischen Staates, garantiert den ewigen Frieden.

Dagegen wirken keine rationalen Argumente, wie sie anerkannte Wirtschaftsfachleute immer wieder vorbringen. Nein, es handelt sich um eine quasireligiöse Überzeugung, weswegen Kritik an dieser „alternativlosen“ Politik auch folgerichtig als Ketzerei betrachtet wird. Nur daß eben der Ketzer nicht mehr real auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird, sondern das Autodafe´auf dem Marktplatz der Medien zelebriert wird. Ebensowenig wie man die Inquisitoren und Hexenverfolger des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit davon hätte überzeugen können, daß sie einem finsteren Aberglauben anhängen, ist es heute möglich, die politisch-mediale Klasse davon zu überzeugen, daß der Friede in Europa nicht etwa durch eine Einheitswährung und die Heilserwartung eines Einheitsstaates dauerhaft gesichert werden kann, sondern dadurch eher gefährdet wird. Die Einheitswährung wirkt als Prokrustesbett für die finanziell eher soliden und wirtschaftlich starken Länder und als Streckbank für die finanziell maroden und wirtschaftlich schwachen Länder. Die immer unverschämter zur Kasse gebetenen Steuerzahler der wohlhabenden Länder in Mittel- und Nordeuropa murren, das immer weiter wachsende und verarmende Prekariat der Länder im Süden entwickelt Haßgefühle gegen ihre Geldgeber; man möchte die Hand beißen, die einen füttert. Neben denjenigen Griechen (beileibe sind das nicht alle!), die auf diese Weise zu einem anstrengungslosen Wohlstand (Guido Westerwelle) kommen, profitieren davon vor allem die Banken, im Klartext: deren Großaktionäre. So haben sich die Visionäre eines vereinten Europas nach 1945 das nicht vorgestellt. Das liegt nicht etwa daran, daß zum Arzt muß, wer Visionen hat, wie das unser Altkanzler Schröder einmal formuliert hat, sondern daran, daß Visionen eben mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben. Tatsächlich wird der Friede in Europa durch etwas ganz anderes dauerhaft gesichert. Vertraglich natürlich durch die NATO, insbesondere den Grad ihrer Integration, der es unmöglich macht, daß ihre Mitglieder Krieg gegeneinander führen, was sich eindrucksvoll daran zeigt, daß nicht einmal ihre verfeindeten Mitglieder Griechenland und Türkei militärische Gewalt gegeneinander anwenden können, sondern sich auf Stellvertreterkriege ihrer zypriotischen Marionettenstaaten beschränken müssen. Vor allem aber ist es der Stand der Waffentechnik, der einen Krieg entwickelter Staaten gegeneinander völlig ausschließt. Es ist einfach nicht mehr möglich, ein militärisch und wirtschaftlich entwickeltes Land anzugreifen. Man hat nicht einmal den Hauch einer Chance auf irgendeinen Erfolg, vielmehr würde man mit Sicherheit nur ungeheure Verluste an Menschen und Sachwerten erleiden. Der Warschauer Pakt hat das während des kalten Krieges immer wieder in Planspielen und Übungen durchgespielt, jedes Mal mit dem ernüchternden Ergebnis, daß es einfach nicht geht. Dabei mußte der Atomkrieg erst gar nicht hinzugedacht werden. Allenfalls Stellvertreterkriege in wenig entwickelten Regionen dieser Erde sind noch möglich. Das garantiert den Frieden in Europa wirklich und nachhaltig, nichts anderes.

Die europäischen Politiker und ihre journalistischen Dienstboten sind jedoch von ihrer Heilserwartung derart durchdrungen, daß sie blind für alle Zeichen von Fehlentwicklungen und taub für alle Warnungen vor dem Beschreiten von Irrwegen sind. Sie gleichen vielmehr dem hoffnungslos in eine schöne, junge, aber skrupellose Frau verliebten alten Toren, der ihr jeden Wunsch von den Augen abliest und jeden Betrag für sie bezahlt, nur um ihre Gunst zu gewinnen, egal, wie oft sie ihn betrügt. Wer als Gläubiger Verhandlungen über die Verlängerung der Kredite mit der öffentlichen Erklärung einleitet, das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone müsse unter allen Umständen verhindert werden, der gibt damit seinem Schuldner unmißverständlich zu verstehen, daß er bereit ist, jeden Betrug zu verzeihen und jedes Geschenk zu machen, wenn ihm damit nur seine Freundschaft erhalten bleibt. Wer indessen seinen Schuldner zur Vertragstreue zwingen will, der macht ihm zunächst einmal klar, daß es nicht um seine wirtschaftliche Existenz, sondern um die seines Schuldners geht. Das gilt ganz besonders dann, wenn der Schuldner insolvenzreif ist und deswegen der Gläubiger kaum noch etwas zu verlieren hat, der Schuldner indessen alles gewinnen kann.

Das sollte eigentlich auch dem Dümmsten klar sein, den schlauen Griechen ist es seit langem klar. Die Nationalepen der Griechen sind bekanntlich Homers Ilias und Odyssee. Der listenreiche Odysseus ist wohl nicht von ungefähr die alles überragende Gestalt dieser großen nationalen Erzählung. Man mag den Rückgriff auf nationale Epen zur Charakterisierung eines Volkes für abwegig, zumindest weit hergeholt halten. Ich denke jedoch, daß die großen nationalen Erzählungen durchaus kollektive Befindlichkeiten und Eigenschaften abbilden, und sei es nur deswegen, weil sie Teil der prägenden kulturellen Überlieferung sind. Betrachten wir unter diesem Blickwinkel die großen Erzählungen Europas, so finden wir zum Beispiel Vergils Aeneis, die Gründungssage Roms, voller tragischer Helden des geschlagenen und zerstörten Troja, das Artuslied des alten England voller edler Ritter lauterster Gesinnung, das Rolandslied der Franzosen, diese Hymne an den selbstlosen Retter des Abendlandes und die Sage von El Cid, dem tapfersten der Tapferen Spaniens. In allen diesen Sagen werden uns edle, lautere und verehrungswürdige Charaktere vorgestellt, die alle guten Eigenschaften haben. Besonders raffiniert und verschlagen ist jedoch keiner von ihnen, allenfalls schon mal weise. Bei keinem von ihnen können wir uns das kennzeichnende Adjektiv „der listenreiche“ vorstellen. Das alles gilt erst recht für das Nibelungenlied, das uns Deutschen als nationale Identifikationsfigur nicht etwa den verschlagenen Hagen von Tronje, sondern den edlen Recken Siegfried überliefert, einen Helden, dem alle guten Eigenschaften beigemessen werden, Schlauheit oder gar Verschlagenheit ganz sicher nicht.

In der Ilias endet bekanntlich der trojanische Krieg mit der Eroberung und Zerstörung Trojas durch eine List der Griechen. Die gutgläubigen Trojaner fallen auf die Erzählungen des falschen Boten Sinon herein, den Odysseus mit dem Auftrag zu ihnen geschickt hat, sie davon zu überzeugen, daß sie das am Strande zurückgelassene riesige Standbild eines Pferdes in ihre Stadt verbringen müßten, denn dann würden die Götter Verderben und Tod in die Mauern der Städte ihrer griechischen Feinde tragen. Natürlich sind in der Sage die Götter mit den Griechen im Bunde und lassen den Priester Laokoon, der die Trojaner mit den klassischen Worten timeo Danaos et dona ferentes (ich mißtraue den Griechen, selbst wenn sie Geschenke bringen) samt seinen Söhnen von zwei riesigen Schlangen erwürgen (Vergil, Aeneis, II. Buch, Vers 49). Der Rest der Geschichte ist bekannt: In der Nacht steigen die schwer bewaffneten Griechen aus dem Bauch des hölzernen Pferdes, töten die trojanischen Wachen und öffnen die Stadttore für das heimlich zurückgekehrte griechische Heer. Trojas Schicksal ist besiegelt. Erleben wir gerade nicht die Wiederkehr des Odysseus in Gestalt von Herrn Tsipras und seines Boten Sinon in Gestalt von Herrn Varoufakis? Die Trojaner geben in dieser Tragödie die europäischen Politiker von Juncker bis Merkel, einen Laokoon haben sie jedoch nicht in ihren Reihen. Stünde er auf und erhöbe seine warnende Stimme, so schickten ihm zwar nicht die Götter, so doch die Gralshüter der europäischen Religion die Würgeschlangen der political correctness.

 

 

 

Henker und Mörder

Die Berichterstattung über die Untaten der islamistischen Terroristen, vor allem über ihre grauenhaften Mordtaten, ist natürlich traurige Chronistenpflicht. Was mich daran stört, nein, empört, ist die durchgängige Verwendung des Begriffs „Hinrichtung“ für diese Morde. Diese Vokabel wird seit Menschengedenken für die von Staats wegen erfolgte Tötung eines Menschen auf Grund Gerichtsurteils oder sonstiger staatlicher Machtausübung verwandt. Sie impliziert daher mindestens die Legalität, mindestens jedoch die beanspruchte Legalität, eines solchen Tötungsakts. Auch wenn man wie ich die Todesstrafe aus gutem Grund ablehnt (auch wenn es manchmal schwerfällt), so ist es doch völlig klar, daß nur ihr Vollzug juristisch und sprachlich zutreffend mit dem Begriff der Hinrichtung belegt werden kann. Das ist auch diesem islamistischen Terroristengeschmeiß bewußt, das seine Mordtaten in der äußeren Form einer Hinrichtung inszeniert und in seinen Verlautbarungen diesen Begriff für sich usurpiert. Denn dies ist Teil seiner irrsinnigen Strategie, die darauf hinausläuft, sich als legitime, wenn nicht sogar legale Institution darzustellen, die sich dazu noch, und das ist der Gipfel der Blasphemie, als gottgesetzte Ordnung aufspielt.

Es ist mehr als erstaunlich, eigentlich unbegreiflich, daß unsere Medien seit Jahren diese Sprachregelung der Terroristen übernehmen, besser gesagt, nachplappern. Denkvorgänge können dem nicht zugrunde liegen. Die Anforderungen an Bildung und Intelligenz der Bewerber für den Beruf des Journalisten müssen wohl in den letzten Jahrzehnten ständig gesunken sein. Es wird jedenfalls Zeit, daß wenigstens zu diesem Thema eine Sprachregelung Platz greift, die den Sachverhalt beschreibt, statt ihn zu verbrämen: Mord bleibt Mord.