Geht’s noch?

Der Sonntags-Stammtisch des Bayerischen Fernsehens ist eine Talkshow ganz eigener Art. Einer der wenigen Journalisten, denen man ein großes Maß von Klugheit und Unabhängigkeit attestieren darf, Helmut Markwort, moderiert an nahezu jedem Sonntagvormittag des Jahres ein Gespräch mit zwei Stammgästen und zwei geladenen Gästen aus Politik, Medien, Kultur oder Wirtschaft. Im allgemeinen wird dort ausgewogen, aber durchaus auch pointiert diskutiert, was sich in der vergangenen Woche ereignet hat. Es gibt aber auch Ausreißer. Einen solchen konnte man am letzten Sonntag erleben. Ein bayerischer Bänkelsänger, dessen Name hier nichts zur Sache tut, und den man sich auch nicht unbedingt merken muß, meinte als seinen sogenannten Ärger der Woche anführen zu müssen, daß die frühere Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen Erika Steinbach MdB vor einigen Tagen auf Twitter ein Bild gepostet hat, das ein kleines blondes Mädchen im Kreis von Menschen offensichtlich vom indischen Subkontinent zeigt, übertitelt mit „Deutschland 2030“ und der Unterzeile: „Woher kommst du denn?“ Darüber hat sich jener Zeitgenosse offenbar derartig gemopst, daß er glaubte erklären zu müssen: „Es ist unmöglich, daß die Frau immer noch im Deutschen Bundestag sitzt und vor allem später mal Pensionsansprüche stellt, die aus der Tasche der deutschen Steuerzahler bezahlt werden müssen.“ Was ist denn das für ein Demokrat? Seine Vorstellungen von Meinungsfreiheit bezieht er offenbar von Erdogan oder Putin. Das ohne wirklich entschiedenen Widerspruch am Tisch. Lediglich der Moderator selbst warf dazu die Frage auf, wie man jemanden eine Pension wegnehmen könne, wenn er seine Meinung äußert.

Es spielt im übrigen auch keine Rolle, ob Frau Steinbach das satirisch gemeint hat oder nicht. Wenn es Satire war, dann ist mit Kurt Tucholsky zu fragen: „Was darf Satire?“ Und mit ihm zu antworten: „Alles!“ Wenn es keine Satire ist und auch nicht so gemeint war, dann ist es eben ein sehr drastischer Hinweis auf die in Gang gekommene Veränderung der ethnischen Zusammensetzung der deutschen Bevölkerung. Wenn man in Deutschland nämlich ethnische Ghettos nach Art der französischen Banlieus zulassen sollte, wie wir sie leider teilweise in Berlin oder Duisburg schon haben, dann könnten sich in gut 20 Jahren dort derartige Szenen durchaus abspielen. Gerade eine Politikerin hat durchaus das Recht, vielleicht sogar die Pflicht, anstehende Probleme auch in plakativer, drastischer Form darzustellen.

Wenn man den Bereich der Satire betrachtet, etwa die diversen Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Zeitschrift ebenso wie in dem französischen Satiremagazin Charlie Hebdo, und sich daran erinnert, wie die deutschen Intellektuellen, die Künstler zumal, auch angesichts der geschmackloseren Exemplare jener Karikaturen eisern das Banner der Kunstfreiheit hochgehalten haben, dann fragt man sich schon, ob nicht bei dem eingangs genannten bayerischen Bänkelsänger und all denen, die auf Frau Steinbach wegen dieses tweets eingeschlagen haben, einige Hirnwindungen eingefroren sind. Den Problemen der Zuwanderung darf man sich jedenfalls in dem Teil der deutschen Gesellschaft, der vor den Fernsehkameras agiert, ausschließlich mit Merkel-freundlichen Kommentaren zuwenden, und wenn man das nicht tut, jedenfalls mit heiligem Ernst und der Beteuerung, auf der Suche nach noch humaneren Lösungen zu sein.

Glücklicherweise können wir vor den Bildschirmen wenigstens in Abständen von unserem Wahlrecht Gebrauch machen. Es scheint so, daß ein Teil der Bürger dies gerade in einer Weise tut, die den Leuten vor den Kameras ganz und gar nicht gefällt. Und das ist Demokratie.

Die Mitte

Politisch verorten sich die Deutschen am liebsten in der Mitte. Das ist ja auch der beste Platz für Leute, die keine Ahnung davon haben, was und warum gerade so auf dieser Welt passiert. Die Mitte hat von allen Seiten etwas. Das ist denknotwendig so, weil sie an alle Seiten angrenzt. Somit ist man irgendwie immer bei der Mehrheit, was auch immer sie gerade denkt. Der Platz in der „Mitte“ garantiert auch den Abstand zu den Rändern. Wer will denn schon Außenseiter sein? Aus diesem Grunde werden auch die Parteien nicht müde zu beteuern, sie seien die Mitte. Gemeint ist natürlich, daß sie die Mitte des politischen Spektrums besetzen. Aber die Sprache der Politik ist ebenso unpräzise und von schlecht formulierten Metaphern geprägt, wie der Sprachmüll der Werbung. Klar, es handelt sich ja auch um Werbung. Politik und Werbung erreichen „die Menschen“ (gemeint sind die leicht manipulierbaren Konsumenten) mit ihren Schlagworten gleichermaßen. Beide vermeiden auch tunlichst, das umworbene Publikum sachlich zu informieren. Dafür ist es auch dankbar, denn es macht sich nicht gern die Mühe, irgend etwas zu prüfen, zu recherchieren oder zu erforschen. Und das gilt keineswegs nur für die sogenannten einfachen Leute. Auch erfolgreiche Unternehmer, Manager und höhere Beamte sind da mitnichten durchwegs anspruchsvoller. Denn auch in diesen Kreisen ist der Typus sehr häufig anzutreffen, dessen außerberufliche Interessen sich auf gehobenen Konsum und flaches Vergnügen beschränken.

Alles Theater

Man hat die Szene noch vor Augen. Letzten Sonntag in Kassel, als ein Mann im Clownskostüm der AfD-Politikerin Beatrix von Storch eine Sahnetorte ins Gesicht warf. Der zweite Mann hatte das ja gefilmt und sofort ins Internet gestellt. Nun ist es das Verdienst der FAZ, die Hintergründe dieser Aktion aufgedeckt zu haben. Es handelte sich nämlich, man lese und staune, um ein Forschungsprojekt im Bereich der „Aktionskunst“. Die Täter, und angesichts einer Straftat ist diese Bezeichnung allein angemessen, waren Mitglieder des sogenannten „Peng! Collektive“. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich ein von der Kulturstiftung des Bundes gefördertes Projekt, bei dem es sich um folgendes handeln soll:

„Die Aktionskünstler/innen des Leipziger „Peng! Collektive“ gründen gemeinsam mit dem Schauspielhaus Dortmund die fiktive PR-Agentur ‚Die Populisten‘. In sechs Eskalationsstufen erforschen ‚Die Populisten‘ die Möglichkeiten politischer Aktionskunst im Stadtraum sowie im Netz, im Fernsehen und im Theater. Themen sind der Rechtsradikalismus in Dortmund sowie die nordrhein-westfälische Waffenproduktion für den internationalen Markt.“ Gefördert wird das Ganze offenbar aus einem Spezialfonds mit dem schönen Namen „Doppelpass“, der mit 2,25 Millionen € die „Kooperation von freien Gruppen und festen Tanz-und Theaterhäusern“ unterstützt. Derartiges Geschwurbel hätte man früher als höheren Blödsinn bezeichnet. Auf den Mülldeponien der mit öffentlichen Geldern hochsubventionierten Theater und ihrem Umfeld wachsen offenbar auch solche Sumpfdotterblumen.

Nun könnte man dieses Milieu, das sicherlich ein weites Forschungsfeld für Psychoanalytiker sein könnte, sich selbst überlassen. Wo ein paar bekiffte Möchtegernkünstler sich ihre bizarren Phantasien ausmalen, brauchte niemand anders hinzugehen. Leider wird dieses Milieu jedoch mit Steuergeldern finanziert. Ohne diese Gelder wäre es nicht lebensfähig. Das beweist zusammen mit anderen Abstrusitäten unseres Kulturbetriebes, daß Kunst und Kultur zu wichtig sind, um sie allein solchen Leuten zu überlassen, die aus diesem Milieu kommen. Wären in den Kultus- und Wissenschaftsministerien sowie den einschlägigen Stiftungen stattdessen Beamte mit einem akademischen Hintergrund als Juristen, Betriebswirte oder Naturwissenschaftler für diese Szene, insbesondere ihre Finanzierung zuständig, so würde allein schon diese Personalauswahl sicherstellen, daß für solchen Unfug kein Geld zur Verfügung steht. Das hätte zur Folge, daß dieser Quatsch völlig unterbleibt. Und Deutschland wäre ein kulturell höher stehendes Land als vorher.

Mia san mia

Der von Selbstzweifeln wenig angekränkelte Stamm der Bayern wird ob seiner zur Schau getragenen Eigenart vom übrigen Deutschland teils beneidet, teils belächelt. Wie auch immer, dieses Selbstbewußtsein gründet auf wirtschaftlichem Erfolg wie auch auf einem ausgeprägten Gefühl der Zusammengehörigkeit, das mit Abstrichen auch die fränkischen und schwäbischen Stämme innerhalb der Landesgrenzen einschließt. Allfälligen Moserern von außerhalb begegnet man gern mit dem Satz, daß man sich Neid natürlich verdienen muß, Mitleid hingegen geschenkt bekommt.

In diesen Tagen führt so viel kollektives Selbstbewußtsein zum Nachdenken darüber, wer wir sind, wie wir sind, warum wir sind wie wir sind, und vor allem darüber, ob das so bleiben muß, soll oder kann. Wie gehen wir damit um, daß in kurzer Zeit bislang schon rund 1,5 Millionen Zuwanderer aus unstrittig fremden Kulturkreisen zu uns gekommen sind, in den nächsten 2-3 Jahren sicherlich nochmal so viele dazustoßen werden, und zusammen mit den gefühlt oder geschätzt rund 4-5.000.000 Menschen aus anderen Kulturkreisen, die schon länger hier leben, doch an die 10 % der Wohnbevölkerung in diesem Lande ausmachen werden. Hilft uns da Multikulti weiter, oder die Integration, und wie soll diese dann aussehen? Wer über diese Fragen nachdenkt, vor allem öffentlich, begibt sich auf ein sehr glattes Parkett.

So hat vor kurzem ein Wissenschaftler die Frage aufgeworfen, wieso eigentlich wir Einheimischen, Biodeutschen oder Urdeutschen, wie man uns auch immer nennen will, von den Zuwanderern fremder Kulturen verlangen, sich uns anzupassen und unsere Kultur zu übernehmen. Es zeuge doch wohl von Überheblichkeit (gemeint ist wohl Rassendünkel), unsere Kultur Fremden als die überlegene und alleine in diesem Lande berechtigte aufzunötigen. Vielmehr bringe es uns doch weiter, wenn eine Vielfalt von Kulturen bei uns existiere und letztendlich die angekommene durchdringe. Zur richtigen Einordnung solcher Phantastereien ist es hilfreich, einen Blick zurück in die Antike zu werfen. Das Römische Reich dominierte und prägte über 1000 Jahre lang die Länder rund um das Mittelmeer, nach Norden und Osten weit darüber hinaus. Von Anfang an war Rom jedoch niemals ethnisch einheitlich strukturiert. Vielmehr wurden zuerst die umliegenden italischen Völker, unter anderem die Etrusker, integriert, man könnte auch sagen aufgesogen. Im Zuge der Eroberung von Provinzen außerhalb Italiens kamen natürlich viele Menschen aus diesen Regionen nach Rom bzw. in die römischen Städte und Provinzen innerhalb der Reichsgrenzen. Diese Menschen brachten zwar allerlei unterschiedliche Kulturen, darunter beispielsweise die griechische, in das Römische Reich. Die Römer übernahmen davon vieles, aber keineswegs alles. Philosophie und Kunst der Griechen wurden eins mit der römischen Kultur. Aberglauben, Barbarei und Despotie des Orients übernahm man nicht, sieht man von geduldeten religiösen Kulten ab, deren Anhängern man jedoch mit aller Strenge abverlangte, die römische Staatsreligion über die eigenen religiösen Überzeugungen zu stellen und dem Kaiser wie den römischen Göttern zu huldigen. Das ging über viele Jahrhunderte gut und tat dem römischen Volk auch gut. Die meisten der Kaiser nach den Juliern und Claudiern stammten nicht mehr aus dem römischen Adel, sondern waren zuvor Generäle aus den römischen Provinzen und damit aus unterworfenen fremden Völkern. Das änderte sich erst in der Spätzeit des Reiches, als im fünften Jahrhundert nach Christus germanische Völker unkontrolliert und in Massen in das römische Reich eindrangen und die alteingesessenen Römer verdrängten. Das römische Reich zerfiel.

Meden agan (von nichts zu viel) war über dem Eingang des Tempels von Delphi zu lesen. Das gilt ganz offensichtlich auch für die Zuwanderung. In Maßen und mit dem Ziel, in der Kultur der aufnehmenden Gesellschaft aufzugehen, nicht ohne dabei Spuren zu hinterlassen, wird daraus eine Erfolgsgeschichte. Das galt für das römische Weltreich wie auch für unser Land. Auch wir haben über die Jahrhunderte immer wieder Zuwanderer aus anderen Ländern aufgenommen, allerdings im wesentlichen nur aus Europa, aus ferneren Ländern nur in homöopathischen Dosen. Die Völker des amerikanischen Kontinents, Lateinamerika eingeschlossen, sind durch Zuwanderung entstanden, allerdings einhergehend mit mehr oder weniger brutaler Verdrängung der vorgefundenen Völker und Kulturen. Aus alledem kann nur der Schluß gezogen werden, daß eine kontrollierte und absichtsvoll gesteuerte Zuwanderung in einem Maß, das die Integration fördert, so daß ab der zweiten Generation schon nicht mehr von Zuwanderern gesprochen werden kann, sondern ungeachtet der Geschichte ihrer Vorfahren von Einheimischen gesprochen werden muss, stabilisierend wirkt. Wer sich in seinem beruflichen und privaten Umfeld umschaut, der wird nicht selten Landsleute sehen, deren Vorfahren zur Zeit Karls des Großen, Martin Luthers oder Otto von Bismarcks noch nicht in unserem Lande gelebt haben, jedoch nicht weniger deutsch sind, als ihre Nachbarn, deren Vorfahren in der Schlacht auf dem Lechfeld 955 unter Führung Ottos I. die Ungarn besiegt haben.

In diesen Tagen müssen wir allerdings auch feststellen, daß es im politisch-publizistischen Bereich Leute gibt, die uns Deutsche alleine über die Abstammung definieren, was man allgemein völkisch nennt, aber auch leicht als rassistisch eingeordnet werden kann. Wer allen Ernstes behauptet, daß jemand aus, sagen wir einmal, Syrien auf keinen Fall Deutscher werden könne, weil das eben biologisch nicht möglich sei, der stellt sich außerhalb unserer Verfassung. Denn eine solche Position ist weder mit dem unbedingten grundgesetzlichen Schutz der Menschenwürde noch mit dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung vereinbar. Deutscher ist eben wer deutscher Staatsangehöriger ist. Weil die Einbürgerung möglich ist, sind geborene und eingebürgerte Deutsche natürlich rechtlich gleich. Er befindet sich damit aber auch außerhalb des wissenschaftlichen Konsenses und schließt sich damit auch selbst aus dem Diskurs der ernst zunehmenden Gesprächspartner aus. Wer zielführend an der Debatte teilnehmen will, der muß sowohl eine Begrenzung der Zuwanderung auf ein die Integration überhaupt erst ermöglichendes Maß fordern, als auch diese Integration dadurch ermöglichen, daß er die Vermittlung unserer Kultur einschließlich Geschichte, Kunst und Rechtsordnung forciert. Das heißt, daß man uns erst einmal die Chance geben muß, die bereits eingewanderten Menschen, soweit sie bleiben dürfen (und das werden wohl die meisten), wirklich zu integrieren. Das schließt es aus, noch mehr herein zu lassen, und das schließt es aus, Ghettos nach dem Vorbild der unseligen französischen Banlieus zuzulassen. Nur dann wird die sprichwörtliche Kirche im Dorf bleiben, auch wenn beim Pfarrer drinnen nicht nur der Talar schwarz ist.

Noch eine gut bezahlte Null

Volker Beck ist mit Drogen erwischt worden. Jetzt versteht man vieles besser. Der Herr hat dann erklärt, seine Ämter umgehend niederzulegen. Die Ehrenämter hat er auch tatsächlich an den Nagel gehängt. Die Ehre, na ja. Aber das gut bezahlte Parlamentsmandat behält er natürlich. Wer viel Zeit hat, braucht auch viel Geld. Vor allem als Junkie. Als Trost bleibt uns, deren Steuergelder in seine Taschen fließen, nur die begründete Hoffnung, daß wir diesen widerlichen Kerl nicht mehr so oft auf der Mattscheibe sehen müssen. Nur noch hinten.

Ja, wo samma denn?

Bayern gilt in Deutschland in vielerlei Hinsicht als ganz besonderes Land. Unter anderen wird dort bekanntlich nicht selten eine deutliche, auch schon einmal derbe Sprache gepflegt. Je nach Betroffenheit und Standpunkt wird das dann begrüßt oder bekrittelt. Gleichgültig ist es den Leuten in der Regel nicht. Für Unterhaltung ist gesorgt. Diesen spezifischen Charakter der Menschen in seinem Sendegebiet abzubilden, ist natürlich auch eine der Aufgaben des Bayerischen Rundfunks. Eine gute Gelegenheit, diesen Auftrag zu entsprechen, hat er am 1. März dieses Jahres verpaßt.

In der wöchentlichen Münchener Runde moderierte Sigmund Gottlieb die Diskussion von vier Gesprächspartnern zum Thema Flüchtlingskrise: Schafft Merkel noch die Wende? Was denn sonst in diesen Tagen! Eingeladen waren der Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, der frühere griechische Außenminister Dimitris Droutsas, die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth und der Publizist Henryk M. Broder. Gerade das Aufeinandertreffen der, zurückhaltend formuliert, emotionsgesteuerten Claudia Roth und des scharfzüngigen Henryk M. Broder hätte ein unterhaltsames Wortgefecht garantiert. Indessen wurde Broder kurzfristig wieder ausgeladen. Seine Rückfrage bei der zuständigen Redakteurin des Bayerischen Rundfunks ergab, daß Claudia Roth sich geweigert hatte, an der Sendung teilzunehmen, wenn Broder mit am Tisch sitzen werde. Der Bayerische Rundfunk entschied sich dann dafür, Roth nachzugeben und Broder wieder auszuladen. An seiner Stelle wurde der Politik- und Medienwissenschaftler Norbert Bolz eingeladen, der zwar mit durchaus klugen Beiträgen das leistete, was man von einem seriösen Experten erwarten darf, aber doch etwas blaß blieb.

Der Vorgang ist erstaunlich und alarmierend zugleich. Merkmal einer freien und unabhängigen Presse, wozu sich gerade unser öffentlich-rechtlicher Rundfunk gerne zählt, ist es unter anderem, Wünschen oder gar Pressionen von Politikern unter keinen Umständen nachzugeben. Die richtige Entscheidung in diesem Sinne wäre es natürlich gewesen, der Politikerin Roth zu bedeuten, daß die Zusammensetzung der Diskussionsrunde nun einmal Sache des veranstaltenden Senders sei. Geladene Gäste hätten natürlich die Möglichkeit, zu kommen oder auch nicht. Wenn die Frau Bundestagsvizepräsidentin sich mit Herrn Broder nicht an einen Tisch setzen wolle, dann sei das ihr gutes Recht, sie müsse dann aber auch nicht kommen. Und wenn die Frau Spitzentörin ihrer Partei dann bockig geblieben wäre, hätte man halt jemand anders eingeladen. So aber wurde der fatale Eindruck erweckt, daß jedenfalls höherrangige amtierende Politiker gewisse Sonderrechte genießen, hinter die das Informationsinteresse der Fernsehzuschauer ebenso zurücktreten muß, wie der Anstand gegenüber einem geladenen Gast, der eben keine Extrawurst gebraten haben will, auf der Strecke bleibt.

Henryk M. Broder ist nun einmal wie gesagt ein außerordentlich scharfzüngiger, aber auch scharfsinniger Teilnehmer am politischen Diskurs in diesem Lande. Nach eigenem Bekunden hätte er bei dieser Gelegenheit Claudia Roth gerne gefragt, was sie sich eigentlich dabei denke, wenn sie bei Demonstrationszügen hinter Parolen hergehe wie: Deutschland verrecke! Oder: Deutschland, du mieses Stück Scheiße! Eine solche Frage ist nicht nur berechtigt, sondern auch notwendig. Wer sich sonst vor Sorge über allgegenwärtige Verletzungen der Menschenwürde nicht einkriegen kann, der muß sich gerade solche Fragen gefallen lassen. Diese Fragen führen dann auch unausweichlich zu Überlegungen, wo und wie Claudia Roth ihre Abneigungen, ihr Mitgefühl und ihre Sympathie zu verteilen pflegt. Nach Sachlage jedenfalls am wenigsten zu Gunsten der inzwischen sogenannten „Urdeutschen“, die in unserem Lande immer noch und gottlob die erdrückende Mehrheit der Bevölkerung stellen. Das inoffizielle Amt der Bundesempörungsbeauftragten übt sie keinesfalls unparteiisch aus. Wenn Broder sie deswegen teils mit harschen Formulierungen an der Grenzlinie zwischen Unhöflichkeit und Flapsigkeit bedenkt, dann ist das vor diesem Hintergrund durchaus nicht unangebracht. Zieht man des weiteren in Betracht, daß die Lösungskompetenz dieses Parlamentspapageis – was sich nicht nur auf den von ihr bevorzugten Modestil bezieht – gegen null geht, dann liege ich wohl mit meiner Charakterisierung als hysterische Doppel-Null aus Babenhausen mit der Lizenz zum Dummschwätzen richtig. Auf ein Fernsehduell Henryk M. Boder gegen Claudia Roth müssen wir jedoch leider immer noch warten.

Die Saat geht auf

Politiker der im Deutschen Bundestag vertretenen politischen Parteien werden seit Wochen nicht müde, vor den „Hetzern“ zu warnen. Und auch ihre Büchsenspanner in den gedruckten wie den gesendeten Medien wettern unablässig gegen die „Hetzer“. „Gehetzt“ wird natürlich gegen Flüchtlinge. „Gehetzt“ wird natürlich von „Rechts“. Deswegen ruft man auch zum „Kampf gegen Rechts“ auf.

Ein Vokabular, das sich um Begriffe wie Kampf und Hetze dreht, deutet auf aufgewühlte politische Leidenschaften hin. Einer nüchternen und sachlichen Befassung mit Aufgaben, Herausforderungen und Problemen ist eine solche Sprache fremd. Hier erwartet man Analysen, Definitionen und Lösungsvorschläge.

Was ist los in Deutschland? Betrachten wir stellvertretend für viele andere zwei Ereignisse des heutigen 28. Februar 2016. In Stuttgart demonstrieren ca. 4.500 Menschen, angeführt von Politikern, Publizisten und einem katholischen Geistlichen im Bischofsornat gegen Pläne der dortigen Landesregierung, im Schulunterricht und in der öffentlichen Verwaltung flächendeckend vom Kindergarten an ein Verständnis von Sexualität zu verbreiten, besser, zu verordnen, das jedenfalls den herkömmlichen Vorstellungen kraß zuwiderläuft. Ich habe mich in meinem Artikel „Baden-Württemberg unter dem Regenbogen“ im März des vergangenen Jahres dazu geäußert. Eine solche Veranstaltung kann in Deutschland allerdings nicht stattfinden, ohne daß massiv und gewalttätig dagegen agiert wird. Mit einem massiven Aufgebot von mehreren Hundertschaften und zahlreichen berittenen Kräften mußte die Polizei die Kundgebung vor Angriffen aggressiver linker Gewalttäter schützen. Linkspartei, Grünen-Jugend, Jusos, Gewerkschaften, linksextremistische Organisationen sowie eine Reihe von mit Steuergeldern finanzierten Kultureinrichtungen hatten zu insgesamt acht Gegenkundgebungen mit mehreren hundert Teilnehmern aufgerufen. Mit Schlagstock und Pfefferspray mußte die Polizei gewaltbereite Gegendemonstranten abwehren, darunter maskierte Linksextremisten der sogenannten Antifa. Dabei wurden drei Polizeibeamte verletzt. Um den Ablauf des Demonstrationszuges sicherzustellen, mußten die Einsatzkräfte Sitzblockaden räumen. Zweiter Vorfall: Während einer nicht-öffentlichen Sitzung der Bundesprogrammkommission der Alternative für Deutschland in einem Hotel in Kassel betraten am Sonntag nach Angaben von Parteisprecher Christian Lüth zwei verkleidete Männer den Raum. Einer von ihnen sang „Happy Birthday“. Dann warf er eine Sahnetorte auf die beiden stellvertretenden AfD-Vorsitzenden Beatrix von Storch und Albrecht Glaser. Der zweite Mann hat die Aktion offenbar gefilmt. Kurze Zeit später tauchte eine Video-Aufnahme der Attacke auf YouTube auf.

Diese Vorgänge sind nur die letzten Glieder in einer langen Kette von Straftaten gegen Politiker dieser Partei, wie das Beschmieren von Wohnhäusern ihrer Politiker mit Farbe, Brandanschläge auf Büros und Autos sowie massenhaften Diebstahl bzw. Zerstörung von Plakaten. Die Reaktionen seitens der etablierten Parteien wie auch der verbreiteten Medien sind so gut wie nicht wahrnehmbar. Was indessen täglich dröhnend die Nachrichten beherrscht, sind Politiker und Journalisten, die jeden, der die Politik der großen Koalition in Berlin, die ja nun auch von der Opposition mit Nachdruck unterstützt wird, kritisiert, ob vorsichtig oder grundsätzlich, als Hetzer, rechtsradikal, mindestens halben Nazi verdammt. Selbstverständlich stellen diese Herolde des Edlen und Guten einen Ursachenzusammenhang zwischen der Randale eines rechtsradikalen Mobs, darunter Straftaten wie Brandstiftungen, und der berechtigten Kritik an der verantwortungslosen Flüchtlingspolitik der Bundesregierung her. Von diesen Diffamierungen ist nicht einmal die CSU ausgenommen, die Politiker der AfD und die wenigen ihnen zustimmenden Journalisten trifft sie indessen in voller Wucht. Gleichzeitig wird nach einer Verstärkung des sogenannten „Kampfs gegen Rechts“ gerufen und die Aufstockung der Mittel für sogenannte zivilgesellschaftliche Gruppen, tatsächlich häufig jenes Gesindel, das als „Schwarzer Block“ die Straßen terrorisiert und deswegen getrost die moderne SA genannt werden darf, verlangt. Leider mit Erfolg. Genau diese Leute sind natürlich an vorderster Front, wenn es um Aktionen, genau gesagt Straftaten, wie die heutigen geht. Hier geht die Saat der Hetze von Politikern wie Gabriel, Hofreiter, Maas und Oppermann auf. Daß ausgerechnet ein Politiker wie Maas, der immerhin derzeit das Amt des Bundesministers der Justiz bekleidet, sich als Hetzer betätigt, indem er andere zu Unrecht mit diesen Invektiven belegt, wirft ein düsteres Licht auf die gegenwärtige politische Verfassung unserer Gesellschaft. Denn Maas und seine skrupellosen Mitstreiter wissen ganz genau, daß der Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit gegen die AfD und ihre publizistischen Unterstützer nicht nur einfach falsch, sondern völlig abwegig und diffamierend ist. Bezeichnend ist ja, daß ständig von „rechts“ die Rede ist, ohne zwischen rechts, rechtsradikal und rechtsextrem zu unterscheiden. Vielmehr wird das alles in einen Topf geworfen. Wenn überhaupt irgendetwas in dem Bereich rechts von den Unionsparteien unter demokratischen und juristischen Gesichtspunkten zu beanstanden sein kann, dann muß man das Grundgesetz zu Rate ziehen, was denn sonst. Die Grundlagen des demokratischen Rechtsstaates, die für alle politischen Parteien wie auch uns Bürger verbindlich sind, werden in Art. 20 GG genannt. Diese Grundsätze fallen im übrigen unter die sogenannte Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG. D.h., daß sie nicht einmal mit einer verfassungsändernden Mehrheit Parlaments oder durch Volksabstimmung abgeschafft oder auch nur reduziert werden können. Betrachten wir sie im einzelnen:

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Bisher jedenfalls haben die genannten Kritiker der Flüchtlingspolitik unserer Bundesregierung noch nicht eine einzige Forderung erhoben, die mit den vorstehend zitierten im Grundgesetz festgelegten Grundlagen unseres Staates nicht vereinbar wäre. Keiner der von unserem Justizministerlein und seinen Lautsprechern als Hetzer diffamierten Politiker hat jemals auch nur andeutungsweise das demokratische System in Frage gestellt. Aus diesem Grunde hat sich ja auch der Präsident des Bundesamtes für den Verfassungsschutz gegen das Ansinnen jener Regierungspolitiker verwahrt, etwa die AfD von seiner Behörde überwachen zu lassen. Dafür bestehe jedenfalls derzeit keine Veranlassung. Nun muß man davon ausgehen, daß ein Bundesminister der Justiz mit erfolgreich abgelegtem großen juristischen Staatsexamen ebenso wie ein ehemaliger Verwaltungsrichter auch ganz genau weiß, daß diese Partei auch nicht einen Hauch von Verfassungsfeindlichkeit aufweist. Man muß also feststellen, daß hochrangige Politiker dieses Landes, der für das Recht und die Gesetzgebung zuständige Minister vorneweg, bewußt und wahrheitswidrig eine ungeliebte politische Konkurrenz als verfassungsfeindlich verleumden. Gäbe es in der Politik ein Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, wie das auf dem Gebiete der Wirtschaft seit 100 Jahren existiert, so würde es Abmahnungen, einstweilige Verfügungen und Unterlassungsurteile auf die Berliner politische Szene nur so hageln. Solche Gesetze existieren für das Gebiet der Politik nicht. Sowohl die Verfasser des Grundgesetzes als auch der Gesetze im Range darunter sind davon ausgegangen, daß auf dem Gebiet der Politik die Regeln des Anstandes genügen. Die Verrohung der politischen Sitten, wie wir sie nun konstatieren müssen, haben sie nicht vorausgesehen.

Die Randalierer von Stuttgart wie der Tortenwerfer von Kassel fühlen sich natürlich als den Erzengeln gleiche tapfere Kämpfer gegen Luzifers braunen Ungeist. Diese Haltung generieren ja Politiker wie Maas und Konsorten. Sie alle eint die Gewissheit, das Wahre, Gute und Schöne zu verteidigen. In Wahrheit zerstören sie die politische Kultur in diesem Lande und leisten Straftaten Vorschub. Deswegen kommt es ihnen auch nicht in den Sinn, sich dafür zu schämen. Das Phänomen ist allerdings nicht neu. Schon im ersten Jahrhundert vor Christus formulierte der römische Schriftsteller Publilius Syrus: Geminat peccatum, quem delicti non pudet. Es verdoppelt also seine Verfehlung, wer sich für das Vergehen nicht einmal schämt. Wenn die Schande als Tugend gilt, dann ist die Verlotterung des Gemeinwesens vollkommen.

Weißt du noch…

So beginnen die Geschichten, die man sich von alters her über die gute alte Zeit erzählt. Und so beginnen heute die Geschichten von unvergesslichen Fernsehabenden in Bayern, als auf dem Nockherberg noch fröhlich-gutmütig derbleckt wurde. Unvergessen die Salvatorreden aus der Feder des vortrefflichen Hannes Burger, von wem auch immer vorgetragen. Unvergesslich das Singspiel, in dem die bayerische wie auch die bundesdeutsche Politik trefflich persifliert wurde, zum Beispiel mit den Volksschauspielern Gerd und Walter Fitz in den Rollen von Franz Josef Strauß und Hans-Dietrich Genscher. Hier wurden geistreich mit feinem Humor, auch wenn dieser bisweilen krachledern daherkam, die bayerischen Politiker insbesondere, die übrigen bundesdeutschen am Rande, durch den sprichwörtlichen Kakao gezogen. Niemals indessen landeten die Schläge der Nockherberg-Kabarettisten unter der Gürtellinie der derbleckten Politiker an den Biertischen zu ihren Füßen. Man pflegte eben einen feinen, launigen Humor. Und niemals hatte man vor dem Bildschirm den Eindruck, die Zielscheiben stünden nur in einer politischen Himmelsrichtung und man befinde sich auf einer verkappten Wahlveranstaltung der SPD respektive der Grünen.

Diese Zeiten sind vorbei.

Wer am vergangenen Mittwochabend im Bayerischen Fernsehen die Veranstaltung auf dem Nockherberg angesehen hat, der sah sich im Verhältnis zu den oben geschilderten seligen Zeiten in eine andere Welt versetzt. Die Salvator-Rede der als „Mama Bavaria“ auftretenden Kabarettistin Luise Kinseher hätte man – zugegebenermaßen mit deutlich weniger rhetorischem Schliff – auch im bayerischen Landtag anhören können, wenn die Opposition die Regierungsmehrheit grundsätzlich angeht. Allerdings sollte man künftig davon Abstand nehmen, diese in einem demokratischen Rechtsstaat ganz sicher juristisch zulässigen Beschimpfungen aus dem Munde einer symbolischen Mutter über die betroffenen Politiker tönen zu lassen. Derart ätzende und persönlich herabwürdigende Invektiven, wie sie Frau Kinseher glaubte als strenge Mama über ihre Opfer ausgießen zu müssen, würde eine wirkliche Mutter ihren leiblichen Kindern niemals um die Ohren schlagen. Vielleicht steht dieser Erkenntnis nicht nur der offen zutage getretene politische Eifer von Frau Kinseher entgegen, sondern auch der Umstand, daß ihr die Gefühlswelt einer leiblichen Mutter jedenfalls bisher nicht eigen ist.

Auch über das anschließende Singspiel kann nichts Besseres gesagt werden. Nicht nur die inhaltsarmen Längen der Inszenierung und ihre vielfachen Anleihen beim modernen sogenannten Regietheater, das der unvergessene Loriot einmal so schön mit der Bemerkung gekennzeichnet hat: „…und man nimmt auf einer Stehleiter Platz“, sondern vor allem die auch hier penetrant einseitige Verteilung der politischen Zensuren ließen das schale Gefühl aufkommen, der Vorstellung einer grün-roten Laienspieltruppe beizuwohnen, deren Darbietung dramaturgisch allenfalls solchen Menschen gefallen konnte, die beim Frühstück in der Süddeutschen Zeitung („Seien Sie anspruchsvoll!“) erst das Feuilleton und dann den Leitartikel von Herrn Prantl mit nach Selbsteinschätzung kritischer Sympathie zu lesen pflegen.

Versucht man Ursachenforschung zu betreiben, so wird man sehr schnell darauf stoßen, daß bei unseren lieben und beliebten Kulturschaffenden eben nahezu durchgängig das Herz nicht nur medizinisch betrachtet links schlägt, sondern vor allem im übertragenen Sinne. Nun muß man Kulturschaffenden, Regisseuren und Schauspielern zumal, durchweg ein ausgeprägt emotionales Wesen zubilligen. Der kalte Verstandesmensch mit einer Vorliebe für Zahlen oder gar für das Organisieren und Anordnen ist im allgemeinen zum Künstler nicht begabt und hat auch keine Neigung dazu. Künstler indessen leben geradezu von der Emotion. Gefühl, Mitgefühl, ein großes Herz, der Wunsch die Welt zu umarmen, das alles sind Eigenschaften, die den Künstler zu seinen Leistungen befähigen. Und so nimmt es nicht Wunder, daß solche Menschen in der Flüchtlingskrise eben nur Menschen sehen, nicht aber verantwortungsbewußt zu lösende Probleme. Und so siegt bei ihnen regelmäßig das Herz über das Hirn. Natürlich rührt der Anblick eines Flüchtlingskindes am Stacheldrahtzaun das Herz, meines im übrigen auch. Wer sich allerdings Gedanken darüber macht, wie man verantwortungsvoll mit dem zig-millionenfachen Elend auf dieser Erde umgehen und dabei die berechtigten Interessen unserer eigenen Bürger wahren kann, dem stehen Gefühle nur im Wege. Als denkender Mensch muß man wohl damit leben, daß fühlende Menschen dies als herzlos tadeln, ja geißeln. Wer indessen seinen Acker nicht ordentlich bestellt, der wird dort alsbald nur noch wenig bis gar nichts ernten. Weder wird er dann für sich selbst genug zu essen haben, noch gar für andere sorgen können. Linke haben das noch nie begriffen. Die Geschichte des Sozialismus ist deswegen auch eine Geschichte des Scheiterns.

TTIP

Die Geheimniskrämerei um das sogenannte transatlantische Freihandelsabkommen hat nun einen Grad der Peinlichkeit erreicht, der kaum noch überbieten ist. Schon die Tatsache allein, daß der Text dieses Abkommens generell unter Verschluß gehalten wurde und man den europäischen – Vertragspartnern oder Befehlsempfängern? – ansinnen wollte, ein solches Papier ohne viel Federlesens zu unterschreiben, spricht Bände. Wer das Licht der Öffentlichkeit scheut, der hat auch etwas zu verbergen.

Seit einigen Wochen nun findet im Reichstagsgebäude zu Berlin ein Possenspiel statt, dessen Aufführung man eher auf einer der Berliner Bühnen vermuten würde. In ihrer unendlichen Großmut haben die amerikanischen industriellen ihre Regierung angewiesen, den lästigen deutschen Politikern doch so etwas ähnliches wie Akteneinsicht gewähren. In streng abgesicherten und von amerikanischem Sicherheitspersonal bewachten Räumen dürfen ausgewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestages die vorgesehenen Vertragstexte, besser gesagt, Anordnungen, lesen. Die Anfertigung von Kopien ist verboten, nicht einmal Notizen dürfen sich diese gewählten Repräsentanten des deutschen Volkes machen. Auch der Einsatz von Assistenten oder Sekretärinnen ist nicht erlaubt. Selbstverständlich liegt der Text auch ausschließlich in englischer Sprache vor, die natürlich sämtliche deutschen Politiker verhandlungssicher auf dem Niveau amerikanischer Wirtschaftsjuristen beherrschen. Nicht einmal weitersagen dürfen sie, was sie von ihrer Lektüre im Gedächtnis behalten haben. Bei dieser Sachlage nimmt es auch nicht Wunder, daß sich bisher nur sehr wenige Abgeordnete dazu verstehen konnten, sich als Statisten in diesem Schmierenstück zur Verfügung zu stellen.

Bemerkenswert ist allerdings, daß die deutsche Politik – hier gibt es offenbar in den Parteien kaum einen Dissens – dieses unwürdige Spiel mitmacht. Ein Land das auf sich hält, läßt so etwas nicht mit sich machen. Seine Regierung schickt die Abgesandten jenes Landes höflich, aber bestimmt nach Hause. Sie nimmt mit Wohlgefallen harsche Kommentare von Parlamentariern und Journalisten zum arroganten Verhalten jener von gierigen Geschäftemachern getriebenen Möchtegern-Weltregierung zur Kenntnis. Und sie läßt jedermann wissen, daß dieses Land auch ohne ein dubioses Freihandelsabkommen bislang keine Not gelitten hat, und auch künftig nicht leiden wird. Eine solche Regierung haben wir leider nicht.

An der Seite des Sultans

Angie allein zu Haus. Das gemeinsame Haus Europa, von dem man jahrzehntelang geträumt hat, wenn es überhaupt existiert, dann ist es verlassen. Nur noch Angie harrt unverdrossen darin aus. Betrachtet man die Flüchtlingspolitik der europäischen Länder unserer Tage, so muß man feststellen, daß es eine gemeinsame europäische Politik – natürlich – nicht gibt. Alleine Frau Merkel scheint noch daran zu glauben, jedenfalls verlangt sie unverdrossen eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik. Da ist sie in der Tat allein im Haus.

Damit könnte man es bewenden lassen und den Tag abwarten, an dem Frau Merkel entweder ganz gegen ihre Natur zugibt, seit dem 4. September 2015 eine falsche Politik verfolgt zu haben, oder aber die Konsequenz aus ihrem Scheitern zieht und zurücktritt. Politiker von Charakter und Statur ziehen schon einmal diese Konsequenz. Ob sie dazugehört, werden wir sehen.

Um das zu verhindern, ist Frau Merkel auf den wohl nur aus ihrer Sicht grandiosen Gedanken gekommen, die Hilfe der Türkei zu erbitten. Dieses Land soll den Flüchtlingsstrom aus dem Orient nach Europa aufhalten. Für Errichtung und Betrieb von Lagern, Errichtung und Bewachung von Grenzanlagen sowie Patrouillen in türkisch-griechischen Grenzgewässern verlangen die Türken natürlich eine angemessene, vielleicht auch üppige Bezahlung. Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wird man auch unter günstigen Umständen kaum bewerten können.

Warum das ganze? Die Antwort liegt auf der Hand. Frau Merkel möchte keine Fernsehbilder von meterhohen Zäunen, aufgetürmten S-Rollen und bewaffneten Grenzschützern auf der einen und Flüchtlingsfamilien auf der anderen Seite. Wenn überhaupt, dann sollten solche Bilder, natürlich auch sehr sparsam, aus der Türkei kommen, und nicht etwa von der Grenze zwischen Deutschland und Österreich.

Und dazu begibt sie sich in die Hände des Islamisten Erdogan. Es liegt auf der Hand, welches strategische Ziel dieser moderne Sultan verfolgt. Innenpolitisch betreibt er konsequent die Umwandlung des laizistischen Staates Kemal Atatürks in einen Gottesstaat iranischen Musters, nur eben in der sunnitischen statt der schiitischen Variante. Außenpolitisch geht es um die Vergrößerung des Einflusses der Türkei sowohl in der Region, was unter anderem die Verhinderung der Entstehung eines Kurdenstaates, gleichgültig auf welchem Staatsgebiet, bedingt. Auf türkischem Boden ohnehin nicht, aber auch nicht auf syrischem oder irakischem Boden. Nur das ist das Ziel des Einsatzes der türkischen Streitkräfte an ihrer Südgrenze. Die türkische Armee bekämpft kurdische Milizen, die von Deutschland ausgerüstet und ausgebildet werden. Das ist paradox. Wo es diesen Zielen dienlich erscheint, unterstützt der Sultan in Ankara sogar die Halsabschneider des sogenannten IS. Damit nicht genug. Nicht nur einmal hat Erdogan auf deutschem Boden vor tausenden begeisterter Türken mit oder ohne deutschen Paß dazu aufgefordert, Deutschland mittel- bis langfristig zu einer türkischen Provinz zu machen, in der natürlich alleine die Gesetze Allahs Geltung haben sollen.

Man reibt sich die Augen. Frau Merkel, die jahrelang die Aufnahme der Türkei in die Europäische Union zu Recht blockiert hat, will nun zur Rettung ihrer völlig verfehlten Flüchtlingspolitik das Schicksal unseres Landes einem Mann anvertrauen, dessen Verhältnis zur Demokratie mehr als zweifelhaft ist. Daß dabei unter Umständen auch der Beistandsmechanismus des NATO-Vertrages ausgelöst werden könnte, scheint sie nicht zu interessieren. Dabei sollte man angesichts der Entwicklung dieses Landes zurück in den islamischen Staat in der Nachfolge des Propheten Mohammed – und als nichts anderes sah sich der türkische Sultan jahrhundertelang – eher Gedanken darüber machen, ob die Mitgliedschaft der Türkei in der NATO noch zeitgemäß ist. 1952 wurde sie gleichzeitig mit Griechenland in das Bündnis aufgenommen, was damals durchaus geostrategisch geboten war. Ein Blick auf die Landkarte zeigt das überdeutlich. Die Südflanke der NATO konnte so mit Stützpunkten belegt werden. Wie alle Bündnisse, ist auch die NATO kein auf Ewigkeit angelegtes Konstrukt. Vielmehr kann man nach 20 Jahren ohne weiteres austreten. Das Bündnis existiert natürlich sehr viel länger. Man kann zwar kein Mitglied ausschließen. Wenn aber alle anderen austreten, ist das Bündnis am Ende. Ich halte es derzeit ohnehin für weit überdehnt. Ein neues Bündnis der NATO-Kernstaaten wäre weiterhin erforderlich, allerdings als Reaktion auf die heutigen sicherheitspolitischen Herausforderungen der westlichen Welt. Die Türkei gehört schon jetzt eher zu den Herausforderungen als zu den Antworten darauf.

Wer weder eine realistische Vorstellung von Europa, noch von den geopolitischen Problemen und Lösungsmöglichkeiten hat, sollte sein Scheitern einsehen und Platz machen für andere. Es wird zwar häufig gesagt, es sei zu unsicher, was nach Merkel komme, um ihren Rücktritt zu wünschen. Ich teile dieses Bedenken nicht. Schlechter kann es nicht mehr werden.