Blutgeld

Nun will Griechenland also von Deutschland Schadensersatz wegen der Kriegsverbrechen, die deutsche Soldaten vor über 70 Jahren begangen haben. Der Krieg war in der Tat schrecklich und zeigte furchtbare Auswüchse wie die Auslöschung ganzer Dörfer als Reaktion auf mörderische Aktionen griechischer Partisanen. Es besteht nicht der geringste juristische Zweifel daran, daß es sich dabei in keinem Fall um Repressalien handelte, die vom damals geltenden Kriegsvölkerrecht auch nur annähernd gedeckt waren. Allerdings darf auch nicht vergessen werden, in welch grausamer Weise griechische Partisanen in nicht wenigen Fällen deutsche Soldaten umgebracht haben. Gefangenen die Kehle durchzuschneiden haben eben nicht die IS-Terroristen „erfunden“, nein auch griechische Partisanen haben solch scheußliche Morde begangen. Dennoch rechtfertigte auch das nicht die Massenmorde an griechischen Zivilisten einschließlich Frauen und Kindern. Bemerkenswert ist im übrigen, daß Griechenland wegen der Kriegsverbrechen, die Italien und Bulgarien in diesem Krieg begangen haben, keine Ansprüche erhebt, obgleich sie große Ausmaße hatten. Es gehört aber zum Wesen der Wahrheit, daß sie unteilbar ist. Betrachtet man im übrigen die Kriegsgeschichte, so findet man derartige Greueltaten bereits in der Antike.

Es mag auf den ersten Blick überraschend erscheinen, daß gerade die Griechen des klassischen Altertums in ihren Friedensverträgen ausdrücklich amnestia (Vergessen begangenen Unrechts) und adeia (Straflosigkeit) bezüglich der wechselseitig begangenen Greueltaten zu vereinbaren pflegten. Das kann oder muß man sogar mit der Philosophie erklären. Denn der Verzicht auf Rache oder Bestrafung ist wohl Ausfluß einer Kultur des Maßhaltens und der Besonnenheit. Über dem Eingang des Tempels von Delphi, in dem die Seherin Pythia ihr Orakel sprach, stand zu lesen: „meden agan“ (nichts im Übermaß). Aristoteles, den man wohl bis heute als einen der größten griechischen Philosophen bezeichnen kann, hat dem Thema Maß und Übermaß in seiner Nikomachischen Ethik breiten Raum gegeben und eingehend begründet, warum alle Maßlosigkeit schadet. Es ist deswegen auch ein Beleg bemerkenswerter Weisheit, daß die Vertragsparteien des Westfälischen Friedens in Art. II. des Vertrages vom 24.10.1648 festgelegt haben: „Beiderseits sei immerwährendes Vergessen und Amnestie alles dessen, was seit Anbeginn dieser Unruhen an irgendeinem Ort und auf irgendeine Weise vom einen oder anderen Teil hüben und drüben, feindlich begangen worden ist….Vielmehr sollen alle und jede hin und her, sowohl vor dem Kriege als auch im Kriege, mit Worten, Schriften oder Taten zugefügten Beleidigungen, Feindseligkeiten, Schäden und Unkosten ohne alles Ansehen der Personen dergestalt gänzlich abgetan sein, daß alles, was deshalb der eine vom anderen fordern könnte, in immerwährendem Vergessen begraben sein soll.“ Nun war der Dreißigjährige Krieg wahrlich von einer Art, die uns heute noch schaudern macht. Auch von den Menschen jener Zeit wurde das so wahrgenommen, weshalb sich gerade dieser unfaßbar grausame Krieg tief im kollektiven Gedächtnis der Europäer festgesetzt hat. Und dennoch hat man am Ende auf allen Seiten eingesehen, daß nur eine solche allgemeine Amnestie eine tragfähige Grundlage für das friedliche Zusammenleben der Völker sein kann. „In amnesia consistit substantia pacis“ (Das Vergessen ist die Grundlage des Friedens).

Die Weisheit und das Maßhalten sind den Menschen unserer Zeit offenbar abhanden gekommen. Nach dem Ersten, noch mehr aber nach dem Zweiten Weltkrieg ging man daran, den Verlierern Reparationen ungeheuren Ausmaßes aufzuerlegen und ihre Soldaten für ihre Taten zur Verantwortung zu ziehen, zu Recht oder Unrecht sei in diesem Zusammenhang einmal dahingestellt. Denn wir befassen uns nicht mit der Frage, ob sich der eine oder andere im Zweiten Weltkrieg schuldig im moralischen oder rechtlichen Sinne gemacht hat. Wir gehen vielmehr der Frage nach, ob es klug ist, über die Taten und Untaten der Vergangenheit zu rechten. Und wir prüfen, ob das Ansinnen der Griechen, Deutschland nun auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, juristisch überhaupt noch begründbar sein kann. Zwei Generationen nach dem Krieg noch solche Ansprüche zu erheben, kann nicht klug sein. Abgesehen davon, daß frühere Generationen das aus gutem Grund generell nicht getan haben, wie wir gesehen haben, sollte schon der schiere Zeitablauf entgegenstehen. Nicht umsonst kennen alle Rechtsordnungen den Grundsatz, daß zwischen dem Ereignis, das für jemanden einen Rechtsanspruch begründen kann und der Erhebung eines solchen Anspruchs nicht unendlich viel Zeit vergehen darf, sondern nach einer gewissen Zeit und bestimmten Umständen Rechtsfriede herrschen muß. Dann muß Vergangenes eben vergangen sein, alte Wunden müssen verheilen können. Deswegen kennt zum Beispiel das griechische Zivilrecht die Verjährung von Ansprüchen, im Falle der Schadensersatzforderungen kann die Verjährung nach 20 Jahren eingewandt werden. Das deutsche Zivilrecht sieht im Höchstmaß eine Frist von 30 Jahren vor. Und auch die Strafbarkeit des Mordes findet in manchen Staaten dieser Erde ihre zeitliche Befristung, endet jedoch in jedem Falle mit dem Tod des Mörders. Seine Nachkommen „erben“ eben nicht seine Schuld.

Im Falle Deutschlands und des Zweiten Weltkrieges ist das offenbar anders. Diese Vergangenheit soll wohl niemals vergehen und in die Obhut Klios, der Muse der Geschichte gegeben werden. Wie offene Wunden wirken Gedenkstätten wie etwa im griechischen Distomo. Die Schädel der Ermordeten und ihre Namen werden in gläsernen Vitrinen und auf Schautafeln präsentiert. Die Pietät, die allen Toten, auch diesen geschuldet ist, muß der ewigen Anklage weichen, die Sühne fordert und Geld generieren soll. Deutschland, dessen Soldaten und mehr noch Zivilisten ebenfalls den furor belli (Schrecken des Krieges) erdulden mußten, hat von solchen Forderungen abgesehen. Über die Gründe dafür kann man geteilter Meinung sein, im Ergebnis war es jedoch richtig, und wenn es aus den Gründen geschehen ist, die frühere Generationen von dem Ruf nach Genugtuung und Sühne abgehalten haben, dann war es auch weise.

Griechenland indessen scheint sich von allem weit entfernt zu haben, was gerade seine große Tradition ausmacht. Nicht die Weisheit der Philosophen, sondern die Wut der Rachegöttin Nemesis bestimmt das Denken seiner Politiker. Und nicht die mesotes (Mitte, rechtes Maß) bestimmt die Höhe der geltend gemachten Forderung. Nein, auf sage und schreibe 323 Milliarden Euro errechnen griechische Beamte die Reparationsforderungen gegen Deutschland. Das ist mehr als vier mal so viel, wie die Höhe der gesamten Staatseinnahmen Griechenlands im Jahre 2014, die sich auf ca. 80 Milliarden Euro belaufen haben. Der Staat könnte also gut vier Jahre seine Ausgaben bestreiten, ohne auch nur einen Cent Steuereinnahmen ausgeben zu müssen. Daß dies auch nicht entfernt den Gegenwert der im Krieg zerstörten Gebäude und der gern ins Feld geführten Zwangsanleihe ausmacht, liegt auf der Hand. Die ermordeten Zivilisten können in die Berechnung ohnehin nicht einfließen, es sei denn, man will nach archaischem Muster Blutgeld berechnen (wie viel eigentlich pro Person?). Dem Völkerrecht ist eine solche  Kommerzialisierung von Opfern kriegerischer Ereignisse fremd.

In rechtlicher Hinsicht muß unterschieden werden zwischen den Reparationszahlungen, die der Staat Griechenland von Deutschland als dem Rechtsnachfolger, mindestens aber Haftungsnachfolger des Deutschen Reiches verlangen konnte bzw. immer noch verlangen zu können glaubt, und den individuellen Ansprüchen griechischer Bürger gegen Deutschland auf Schadensersatz für den Verlust ihrer Eltern oder ihres Besitzes.

Beginnen wir mit den Reparationen. Da sind zunächst einmal die Kreditverträge von 1942, wonach Griechenland der deutschen Besatzungsmacht insgesamt 476 Millionen Reichsmark als zinsloses Darlehen gewähren mußte. Dazu muß man wissen, daß Art. 49 der Haager Landkriegsordnung der Besatzungsmacht das Recht einräumt, Geldmittel des besetzten Landes zum Unterhalt der Besatzungstruppe in Anspruch zu nehmen. Das ist später grundsätzlich ein reparationsfähiger Posten. Man hat auch im Pariser Reparationsabkommen vom 14.01.1946 diesen Punkt geregelt, indem Griechenland 2,7 % der gesamten Reparationen, die Deutschland zu zahlen hatte, zugesprochen wurden. Die erwähnten Kredite wurden ausdrücklich von diesem Abkommen erfaßt. Deutschland zahlte dann in Erfüllung dieser Verbindlichkeit im Laufe der nächsten Jahre 25 Millionen US-Dollar an Griechenland. Ob damit der Gegenwert von 476 Millionen Reichsmark (was war die Reichsmark eigentlich am Ende des Krieges oder auch bereits 1942 international noch wert?) bezahlt war, kann offen bleiben, denn im Jahre 1953 wurde im Rahmen des Londoner Schuldenabkommens ein Reparationsmoratorium vereinbart. Weitere Zahlungen sollten den Regelungen eines Friedensvertrages vorbehalten bleiben. Zu dem kam es bekanntlich nicht. Statt dessen schlossen die alliierten Sieger des Zweiten Weltkrieges USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich mit den beiden deutschen Staaten am 12. 09.1990 den sogenannten Zwei plus Vier Vertrag, in dem auch die Frage der Reparationen abschließend geregelt wurde, und zwar mit ausdrücklichem Mandat auch der seinerzeit von Deutschland besetzten Länder wie etwa Griechenland. Dieser Vertrag sieht keine weiteren Zahlungen Deutschlands an diese Länder vor. Damit können Reparationen nicht mehr gefordert werden.

Griechenland fordert aber auch, daß die Nachkommen der Opfer von Kriegsverbrechen entschädigt werden sollen. Einschlägige Klagen dieser Menschen vor griechischen Gerichten waren und sind auch erfolgreich, vor deutschen Gerichten nicht, was auch das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 15.02.2006 gebilligt hat. Denn dem steht der Grundsatz der Staatenimmunität entgegen. Nach allgemeiner Ansicht im Völkerrecht können Staaten nicht vor den Gerichten eines anderen Staates verklagt werden. Gleichwohl von diesen Gerichten gegen einen fremden Staat erlassene Urteile können nicht vollstreckt werden. Das ist auch die Auffassung des Internationalen Gerichtshofs, der verbindlich völkerrechtliche Streitfragen entscheidet. Mit Urteil vom 03.02.2012 hat er in einem Rechtsstreit zwischen Deutschland und Italien festgestellt, daß Italien seine internationale Verpflichtung zur Respektierung der Immunität des deutschen Staates verletzt, wenn es erlaubt, daß vor seinen Gerichten Ansprüche auf Schadensersatz wegen Kriegsverbrechen gegen Deutschland eingeklagt werden können. Ebenso sieht er den Grundsatz der Staatenimmunität verletzt, wenn Italien es erlaubt, daß auf seinem Staatsgebiet Urteile griechischer Gerichte gegen Deutschland wegen solcher Ansprüche vollstreckt werden. Die Entscheidung des Gerichts ist zum ersten Punkt mit einer Mehrheit von 12 zu 3, und zum zweiten Punkt mit einer Mehrheit vom 14 zu 1 Richterstimmen ergangen. Es kann schlechterdings nicht erwartet werden, daß der Gerichtshof nun zu einem anderen Ergebnis kommen könnte, wenn etwa ein gleichartiges Verfahren zwischen Deutschland und Griechenland geführt würde. Dies auch vor dem Hintergrund, daß die Frage der individuellen Entschädigungen für griechische Staatsbürger bereits mit Vertrag vom 18.03.1960 zwischen beiden Ländern geregelt worden ist. Danach zahlte Deutschland an Griechenland einen Betrag von 115 Millionen DM zur Wiedergutmachung und erhielt im Gegenzug von Griechenland die Zusicherung, keine weiteren individuellen Ansprüche griechischer NS-Opfer geltend zu machen. Ergänzend ist auch hier auf den Zwei plus Vier Vertrag zu verweisen.

Selbst wenn entgegen der glasklaren Rechtslage noch irgendwelche Ansprüche offen sein könnten, so stünde deren Geltendmachung der Zeitablauf entgegen. Zwar gibt es kein internationales Zivilgesetzbuch mit Verjährungsregelungen, wie das in den nationalen Rechtsordnungen der Fall ist. Dennoch kann dies nicht dazu führen, daß Ansprüche auf Entschädigung für Kriegsverbrechen zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden können. Denn dann könnte Griechenland beispielsweise die Türkei für Vorgänge aus der Zeit in Anspruch nehmen, als Atatürk die Griechen aus Kleinasien vertrieben und in Massen hat umbringen lassen. Im deutschen Zivilrecht spricht man von der Verwirkung eines Anspruchs. Diese tritt unabhängig von der Verjährung ein. Zu prüfen ist zweierlei. Zum einen muß der Zeitablauf dafür sprechen, daß die Geltendmachung des Anspruchs unangemessen verspätet erscheint. Zum anderen müssen die Umstände dafür sprechen, daß der Schuldner des Anspruchs nicht mehr erwarten muß, daß der Gläubiger noch gegen ihn vorgeht. Das kann sich aus dem Verhalten des Gläubigers ergeben. Führen beide Prüfungsschritte dazu, daß die Geltendmachung des Anspruchs nunmehr unbillig erscheint, hat der Gläubiger sein Recht zur Geltendmachung verwirkt. Das kann als allgemeiner Rechtsgrundsatz angesehen werden, denn der Rechtsfriede ist in jeder Rechtsordnung ein hohes Gut. Im vorliegenden Falle sind nicht nur mehr als 70 Jahre seit den Ereignissen des Jahres 1944 verstrichen. Es sind daraus resultierende Ansprüche in verschiedenen völkerrechtlichen Abkommen erledigt worden. Dem Zwei plus Vier Vertrag von 1990 hat Griechenland seinerzeit, also auch schon vor einem Vierteljahrhundert, zugestimmt. Somit gehören diese Dinge endgültig in das Reich der Geschichte. Die Gerichte haben sich damit nicht mehr zu befassen.

Auch das Blutgeld altertümlicher Rechtsordnungen wurde den Angehörigen des Ermordeten zeitnah gezahlt, denn es sollte sie für den Verlust entschädigen, den sie durch seinen Tod auch in materieller Hinsicht erlitten hatten. Bei Enkeln und Urenkeln ist er nicht mehr meßbar. Ob der Schaden meßbar ist, den die Herren Tsipras, Varoufakis und ihre Gesinnungsgenossen dem Ansehen ihres Volkes mit dieser wahnwitzigen Forderung zufügen, wird sich weisen.

Die gemeinsame europäische Armee

Wir haben Jean-Claude Juncker schon viel zu verdanken. Rettungspakete für Banken und europäische Schuldenstaaten im Wege der unbegrenzten Geldvermehrung, aber auch die Erkenntnis, daß man in der Politik lügen muß. Nun also die gemeinsame europäische Armee. Denn damit, so der Lordsiegelbewahrer des europäischen Friedensprojekts namens Euro, damit könne man den Russen doch endlich zeigen, was eine Harke ist. Dieses Sammelsurium europäischer Kleinarmeen macht doch niemandem Angst, eine Europäische Armee aber, das wäre doch was, da spielte man doch in der gleichen Liga wie die Russen, vielleicht sogar wie die Amerikaner oder die Chinesen! Und die politische Union Europas bekommt man da doch gleich mit, denn es bleibt ja von der Souveränität der Staaten praktisch nichts mehr übrig, wenn ihre Streitkräfte in einer gemeinsamen europäischen Armee aufgehen. Bei soviel Europaseligkeit können die deutschen Politiker natürlich nicht zurückstehen. Unisono verkünden die Verteidigungsministerin und der SPD-Verteidigungsexperte begeistert ihre Zustimmung. Es ist erreicht!

Oder doch nicht? Ja, eher doch nicht. Blicken wir zunächst einmal zurück und stellen mit Ben Akiba fest: „Alles schon mal dagewesen!“ Anfang der 50er Jahre entwickelte man in den Gründerstaaten der EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft – wer kann sich daran noch erinnern?) Benelux-Länder, Frankreich, Italien und Deutschland den Gedanken, eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zu schaffen, selbstverständlich mit einer gemeinsamen Armee. Das hätte vor allem aus der Sicht der Franzosen den Vorteil gehabt, daß man zwar deutsche Soldaten, aber keine deutsche Armee bekommen hätte, natürlich alles unter vorwiegend französischer Führung. Das scheiterte dann 1954 in der französischen Nationalversammlung, der selbst diese Konstruktion noch zu viel Preisgabe französischer Souveränität bedeutete. Man beließ es dann bei der NATO, in die nun auch die Deutschen (west) mit einer eigenen Armee, allerdings in die Bündnisstruktur voll integriert, aufgenommen werden durften, aus der Sicht der USA aufgenommen werden mußten. Die NATO hat dann auch den Russen, pardon, Sowjets gezeigt was eine Harke ist. Das Ergebnis ist bekannt. Wir haben den kalten Krieg gewonnen, ohne daß wir auch nur einen Schuß abgeben mußten. Darauf dürfen wir stolz sein.

Warum wir nach diesen positiven Erfahrungen außer der NATO eine Neuauflage, neudeutsch wohl „relaunch“ der EVG brauchen, um den Russen zeigen zu können, was eine Harke ist, bleibt im Dunkeln. Zumal unsere braven europäischen Politiker in Sachen Rußland fest an der Seite der USA stehen, so fest wie damals, als es gegen die Sowjetunion ging. Die war bekanntlich deutlich größer und mächtiger als Rußland alleine, weil ja noch all die anderen „Sowjetrepubliken“ einschließlich der von den USA so heißgeliebten Ukraine dazugehörten, und man überdies noch seine sozialistischen Bruderarmeen in der DDR, Polen, CSSR usw. ins Treffen schicken konnte. Völlig außen vor bleibt, daß wir ja schon jetzt funktionierende europäische Verteidigungsstrukturen neben der NATO haben. Da wäre z.B. EUFOR. Diese militärische Organisation bewältigt Aufgaben wie Friedensmissionen im ehemaligen Jugoslawien und in Afrika. Da gibt es multinationale europäische Großverbände wie das Eurokorps oder das multinationale Korps Nord-Ost. Da gibt es in kleinerem Rahmen seit vielen Jahren die deutsch-französische Brigade. Die Reihe kann beliebig fortgesetzt werden. Gemeinsamer Nenner all dieser Organisationsformen ist, daß Kräfte gebündelt werden, um Aufgaben bewältigen zu können, die eine Nation alleine nicht oder nur sehr schwer bewältigen kann.

Allerdings unterscheiden sich all diese Formen der militärischen Zusammenarbeit und Integration von einer gemeinsamen europäischen Armee, wie sie bisher nur in den Träumen von Einheitseuropäern wie Juncker existiert, in einem entscheidenden Punkt: Es handelt sich jeweils um Truppenteile einer nationalen Armee, die einem multinationalen Kommando unterstellt oder in einen Großverband des Partnerstaates eingegliedert werden. Letzteres ist z.B. aktuell bei der deutschen Division Schnelle Kräfte (DSK) der Fall, der eine niederländische Brigade organisch eingegliedert worden ist. Allerdings könnte das jederzeit wieder rückgängig gemacht werden. Vor allem aber bleiben diese Soldaten niederländische Soldaten, sind also disziplinarisch und laufbahnrechtlich nach wie vor dem Verteidigungsministerium der Niederlande unterstellt und tragen demgemäß niederländische Uniformen, haben niederländische Dienstgradbezeichnungen und werden auf ihren König und nicht etwa Herrn Juncker vereidigt. Wie sollte es auch anders sein?

Von allen Bedenken gegen die gemeinsame europäische Armee dürfte zunächst einmal die damit notwendig verbundene Aufgabe der Souveränität das schwerwiegendste sein. Vor allem daran ist ja seinerzeit die EVG in der französischen Nationalversammlung gescheitert. Im deutschen Bundestag wäre sie nicht gescheitert, weil eben Deutschland im Gegensatz zu Frankreich damals nicht souverän war. Noch heute ist das leicht daran zu erkennen, daß diejenigen Artikel unserer Verfassung, die Regelungen über die Streitkräfte enthalten, offensichtlich nachträglich eingefügt sind, weil sie nach ihrer Ordnungszahl angehängte Buchstaben aufweisen (z.B. Art.  12a, 45a, 87a, 87b usw.). Seine Politiker und Meinungsfürsten legten infolge ihrer mentalen Kastration durch die Sieger des II. Weltkrieges auch gar keinen Wert mehr auf Souveränitätsrechte. Für Franzosen undenkbar, damals wie heute. Daß etwa Briten, Italiener oder Spanier auch nur daran denken könnten, einen Kernbereich der Staatssouveränität abzugeben, den die eigene Armee neben der eigenen Finanzhoheit und der  eigenen Polizei nun einmal darstellt, ist schlechterdings nicht vorstellbar. Jedenfalls nicht mehr in diesem Jahrhundert, und wohl auch nicht in einem der nächsten.

Kommen wir zum Praktischen. Eine gemeinsame europäische Armee müßte ja nun einmal alles einheitlich organisieren. Die Soldaten dieser Armee müßten ja in jeder Kompanie und auf jedem Kriegsschiff dienen können, egal aus welchem Land (oder schon aus welcher Region?) sie auch kämen. Also zuallererst eine gemeinsame Sprache im Dienst. Welche? In der NATO funktioniert das mit englisch in den Stäben. Ein aus Franzosen, Italienern, Polen, Esten und Deutschen bestehender Infanteriezug, in dem die Verständigung in englischer Sprache wirklich funktioniert, ist schwer , eigentlich gar nicht vorstellbar. Und überhaupt: Wieso englisch? Machen die Briten denn mit?  Und wenn, wie klein ist deren Anteil? Wieso nicht französisch? (Deutsch natürlich nicht. Könnten sich deutsche Politiker nicht vorstellen). Wieso nicht polnisch? Oder italienisch? Oder tschechisch? Oder spanisch? Vielleicht als Kompromiß Esperanto? Kann doch keiner! Halt! Gehen wir zu den europäischen Wurzeln. Latein! Die Römer haben doch eine prima Armee gehabt, den Drill erfunden und die Taktik. Ja, und wenigstens die europäischen Offiziere haben doch in der Schule Latein gelernt, jedenfalls manchmal. Darauf bauen wir dann auf: Statt eines harten, preußisch-metallischen: „Kompanie: Stillgestanden! Rechts um! Im Gleichschritt: Marsch!“ ertönt es klassisch-kultiviert: „Milites: state! ad dextram! aequatis passibus: pergite!“ Die nationalen Uniformen kommen ins Museum. Die gemeinsame europäische Uniform entwirft ganz im europäischen Geist der deutsch-französische Modezar Karl Lagerfeld. Die militärische Strenge des Uniformschnitts weicht der zivilen Eleganz. Die maskuline Erscheinung des Soldaten verschwindet endgültig, weil die natürlich endlich in angemessener Quote (50%) vorhandenen Soldatinnen in Uniformen, die endlich auch die weibliche Anatomie ausreichend berücksichtigen, für ein mehr feminines Erscheinungsbild der Armee sorgen. Nicht alles werden wir vom römischen Vorbild übernehmen. Der schwere Marschtritt der Legionen wird abgelöst von der tänzerischen Eleganz, mit der die SoldatInnen bzw. Soldat_innen, bzw. Soldatxxx sich ganz gendermainstreamig auf dem Gefechtsfeld bewegen. Natürlich wird auch das Durcheinander der Dienstgradbezeichnungen abgeschafft. Wer blickt denn da noch durch, wenn in der Luftwaffe der Major bei den  Franzosen Commandant und bei den Briten Squadron Leader heißt? Auch hier: Zurück zu den Wurzeln! Der Centurio erhält seine Befehle vom Tribunus und der vom Legatus.

Ach ja. Billiger soll es natürlich auch werden. Einheitliches Material. Einheitliche Ausrüstung. Wo konzentriert sich die Rüstungsindustrie? Natürlich in Frankreich. Schon wegen des Exports in Krisenregionen. Für die deutsche Politik wunderbar. Keine deutschen Waffen in Unterdrückerhände. Alles wird gut. Mit dem bißchen Monopol werden wir dann auch noch fertig werden. Die europäische Rüstungsindustrie lassen wir doch nicht die Preise diktieren! Lieber kaufen wir dann nicht so viel. Wird ja eh alles friedlicher, wenn wir dann den Russen gezeigt haben, was eine Harke ist. Die Personalkosten? Na ja. Europäisch eben. Wie in Brüssel. Soldat wird ein sehr attraktiver Beruf! Der Gefreite dürfte dann ca. 5.000,00 € monatlich bekommen. Der Porsche-Händler neben der Kaserne macht glänzende Geschäfte. Wer das nicht glaubt, der schaue sich einmal die Gehälter bei der Europäischen Union an. Aber das muß es uns doch wert sein, nicht wahr? Und wenn dann auch noch die Leistung der Europäischen Armee im Sternenkranz das Niveau der Europäischen Kommission erreicht haben wird, ist der Friede endgültig garantiert. Denn mit dieser Armee wird man keinen Krieg mehr führen können.

Zuletzt noch einmal Latein. Impossiblile erat, satiram non scribere. (Es war unmöglich, keine Satire zu schreiben.)

 

Sprachverwirrung

In Deutschland herrscht eine eigentümliche Scheu vor Begriffen, die klar beschreiben, worum es geht, doch anscheinend politisch vergiftet sind. Dazu gehört neben anderen das Wort Ideologie. Vor allem konservative, aber auch sozialdemokratische Politiker und Journalisten möchten die eigene Position ungern mit diesem Begriff belegt sehen, belegen aber gerne die Position des Gegners mit diesem Begriff. Es lohnt sich daher, sich diesem Begriff mit den Methoden der Semantik zu nähern, die ja dazu dient, den Sinngehalt eines Wortes herauszuarbeiten. Die Vokabel setzt sich aus den Bestandteilen Idee und logos zusammen, also dem Gedanken, der Vorstellung einerseits und dem Wort andererseits. Das Wort benennt die Sache. Eine Ideologie ist demnach der ausgesprochene bzw. niedergeschriebene Gedanke. So ist es ja auch. Eine Ideologie ist nach allgemeinem Verständnis ein Gedankengebäude, eine Theorie. Das ist zunächst einmal eine sachliche Beschreibung und paßt deswegen auch auf jedes theoretische Gedankengebäude. In Verruf geraten ist das Wort offensichtlich dadurch, daß man die jeweils abgelehnte politische Theorie des Anderen damit bezeichnet hat, weswegen im Laufe der Zeit die Vokabel Ideologie negativ konnotiert ist. Wer von Ideologen spricht, meint genau genommen die Anhänger einer Ideologie, die der seinen entgegengesetzt ist. Aus der Sicht des Konservativen ist der Linke ein Ideologe, aus der Sicht des Linken ist der Konservative ein Ideologe. Das gilt natürlich auch für jede andere politische Theorie, denn sie ist die Ausformung einer Idee, mithin eine Ideologie. Warum also wehrt man sich so vehement dagegen, als Anhänger einer Ideologie bezeichnet zu werden? Warum will man partout nicht eine Ideologie verbreiten? Sprachlich zutreffend ist es also, zur Beschreibung politischer Grundsatzpositionen und Theorien stets von einer Ideologie zu sprechen. Die kann richtig oder falsch, hilfreich oder schädlich sein, Ideologie ist sie immer. Man sollte also den Vorwurf, eine „ideologische“ Position zu vertreten, als substanzlos betrachten, wenn man nicht gar seinen Gegenüber mit der Frage bloßstellen will, ob es eine Theorie ohne Idee geben kann.

Merkwürdig ist auch die Scheu konservativer Bürger, Journalisten und Politiker vor der Bezeichnung des eigenen Standpunktes als „rechts“. Linke hingegen, ob sozialdemokratisch oder sozialistisch orientiert, haben mit der Benennung ihres Standpunktes als „links“ offenbar überhaupt kein Problem. Kommunisten und noch weiter links zu verortende Extremisten erst recht nicht. Warum eigentlich werden politische Positionen („Ideologien“!) mit Begriffen benannt, die zunächst einmal von ihrer Wortbedeutung her völlig neutral sind, weil sie lediglich eine topographische Zuordnung bezeichnen? Links und rechts bezeichnen die Lage eines Gegenstandes vom Betrachter aus, sei es die eigene Hand, die eben aus dem Blickwinkel eines jeden Menschen eben die rechte oder linke ist, sei es das Gebäude, das sich aus dem Blickwinkel des Betrachters vor dem Hause rechter Hand, aus dem Betrachter hinter dem Hause aber linker Hand befindet, vorausgesetzt die Standpunkte der beiden Betrachter liegen auf den Schnittpunkten der Linie, welche die Vorder- und Rückseite des Hauses im rechten Winkel schneidet. Inhaltlich sagt die Situierung eines Menschen im Raum zunächst einmal nichts aus. Erstmals politisch wurde die unschuldige Richtungsbezeichnung 1789, als in der französischen Nationalversammlung die Anhänger einer egalitären Umgestaltung des politischen Systems im Sitzungssaal vom Parlamentspräsidenten aus gesehen links Platz nahmen, um möglichst weit von den Vertretern der ersten beiden Stände Adel und Klerus entfernt zu sitzen, die rechts vom Präsidenten die Ehrenplätze einnahmen. Auf der vom Präsidenten aus gesehenen rechten Seite im Saal nahmen denn auch die Monarchisten Platz, denen eben eine konstitutionelle Monarchie als künftige Gesellschaftsordnung vorschwebte. Seither gibt es neben der aussagekräftigen inhaltlichen Beschreibung einer Parlamentsfraktion bzw. der sie tragenden politischen Partei eben auch die von der Saaltopographie abgeleitete Bezeichnung als links, rechts und in neuerer Zeit Mitte. Was also ist an einer Bezeichnung wie „rechts“ so schlimm, außer ihrer Unschärfe, besser gesagt Inhaltslosigkeit?

Schuld daran sind zunächst die politischen Extreme, vor allem aber der Mißbrauch der Sprache durch die Linke, die ja nun einmal die Deutungshoheit über die politischen Begriffe usurpiert hat. Das konnte sie, weil nun einmal Journalisten und Publizisten in ihrer übergroßen Mehrheit im weitesten Sinne „links“ sind, und mit ihren Waffen für die Umgestaltung der Gesellschaft in ihrem Sinne kämpfen. Die Waffe des Intellektuellen ist das Wort. Wie bei den „richtigen“ Waffen gibt es auch hier solche, die man ehrlich nennen kann, weil sie offen getragen und angewandt werden, wie auch solche, die hinterhältig benutzt werden und wie ein schleichendes Gift wirken. Das Sachargument tritt offen auf und will am Gegenargument gemessen werden; es gleicht dem regelgerecht geführten Angriff des Fechters, der mit einer ebenso regelgerechten Abwehr beantwortet werden kann. In beiden Fällen obsiegt, wer das überzeugendste Argument bzw. die durchschlagendste Aktion in die Auseinandersetzung einführt. Die Manipulation der Sprache indessen setzt anders an. Sie will den redlichen Teilnehmer am Diskurs hintergehen, indem sie die Regeln ändert, ohne daß er es bemerkt. Wie der Fechter, dessen Florett kürzer ist, als das seines Gegners, ohne daß er davon weiß, kämpft er auf verlorenem Posten. Im Falle der politischen Topographie ist es nun so, daß den bloß die Sitzordnung im Parlament beschreibenden Begriffen eine moralische Wertung injiziert worden ist. Links ist demnach mit Begriffen wie sozial, gerecht, mitfühlend, demokratisch, international konnotiert, rechts hingegen mit national(istisch), kapitalistisch, privilegiert, kaltherzig, autoritär. Vor allem aber wird „rechts“ konsequent auch gleichbedeutend mit „rechtsradikal“ bzw. sogar „rechtsextrem“ gebraucht, was den Begriff vergiftet. Deutlich wird das in Deutschland am sogenannten „Kampf gegen rechts“. Es heißt eben nicht gegen Rechtsextremismus, nein es heißt gegen „rechts“. Das geschieht natürlich mit der Absicht, auch die politischen Positionen zu diffamieren, deren Vertreter in der klassischen Sitzordnung der Parlamente die vom Präsidium aus gesehen rechten Sitze einnehmen, und an deren demokratischer Überzeugung nicht der leiseste Zweifel bestehen kann. Denn das ist wirkungsvoller, als die mühselige Argumentation mit Fakten. Ich sage Absicht, weil den Virtuosen des Sprachgebrauchs, die Intellektuelle nun einmal sind, dergleichen nicht einfach unterläuft. Wer sich beruflich mit Sprache befaßt, wer darauf angewiesen ist, daß seine Gedanken verstanden und übernommen werden, der verschreibt sich nicht, der manipuliert, wenn er Begriffen Bedeutungen gibt, die sie ursprünglich nicht hatten.

Diese Entwicklung hat dazu geführt, daß Intellektuelle und Politiker des klassischen rechten Spektrums, zu dem in Deutschland vor vielen Jahren auch einmal die Unionsparteien gehört haben, diese Zuordnung meiden wie der Teufel das Weihwasser. Statt dessen verortet man sich in der Mitte. Die hat es ursprünglich nicht gegeben. Sie hat erst mit der zunehmenden Differenzierung innerhalb der klassischen Rechten und Linken Eingang in den Sprachgebrauch gefunden. In den meisten europäischen Ländern führt das seit langer Zeit auch zu Mitte-Bindestrich Koalitionen wie Mitte-Rechts-Regierung oder Mitte-Links-Opposition. In Deutschland indessen würden sich die ehemals „rechten“ Unionsparteien pikiert dagegen verwahren, wenn man sie so bezeichnen und etwa eine CDU-CSU/FDP Koalition als „Mitte-Rechts-Koalition“ bezeichnen würde. Das führt zu dem absurden Ergebnis, daß wir in unseren deutschen Parlamenten linke Parteien (Die Linke, Bündnis 90 – Die Grünen, SPD) und Parteien „der Mitte“ (CDU, CSU, FDP, Freie Wähler, AfD) haben, wobei letztere übrigens aus dem linken Spektrum heraus gerne als rechte, schlimmer noch „rechtspopulistische“ Partei bezeichnet wird. Dabei hilft es auch nicht, daß der Vorsitzende der SPD mit Blick auf die Pegida-Bewegung geäußert hat, es habe doch jeder das gute Recht, nationalkonservativ zu sein. Denn das Recht zu haben, eine bestimmte politische Meinung zu haben, heißt noch lange nicht, daß diese als gleichwertig neben anderen anerkannt wird. Etwas pointierter gesagt, man kommt nicht ins Gefängnis, wenn man zum Beispiel nationalkonservativ ist, man wird aber auch nicht akzeptiert.

Es ist an der Zeit, den politischen Sprachgebrauch zu entgiften. Der erste Schritt muß sein, sich als Konservativer und/oder Wirtschaftsliberaler nicht mehr ängstlich dem Sprachgebrauch des politischen Gegners anzupassen, besser, zu unterwerfen, sondern selbstbewußt zu sagen: Ich bin rechts, wenn es um die politische Gesäßtopographie geht. Im zweiten Satz folgt dann die Forderung, doch bitte inhaltlich zu diskutieren, statt bei der Sitzordnung stehen zu bleiben. Denn da kann man vielleicht nette Wortspielchen veranstalten wie „right is right and left is wrong“ (der Wortwitz geht im Deutschen verloren). In der Sachdiskussion hingegen kann man mit den besseren Argumenten aufwarten und obsiegen. Wer wagt, der winnt, sagt ein altes Sprichwort. Feigheit indessen hat noch nie zum Sieg geführt.

Der listenreiche Odysseus

Es war zu erwarten. Die europäischen Steuerzahler, allen voran die deutschen, werden Griechenland weiter mit Milliarden stützen. Nichts wird sich ändern. Die kleinen Leute in Griechenland werden wie bisher darauf bauen können, daß irgendein korrupter Politiker – eine hier angebrachte Tautologie – ihnen irgendeine Stelle bei einer der zahllosen Behörden verschafft, die keine Funktion hat, außer der, daß Wählerklientel alimentiert wird. Und die großen Schmarotzer werden wie bisher keine Steuern zahlen, außer dem Bruchteil der eigentlich geschuldeten Steuerlast, die als Bestechungsgeld an Politiker und Beamte fließt. Natürlich werden die Herren Tsipras und Varoufakis das vehement in Abrede stellen und ihre lauteren Absichten bekunden. Die europäischen Politiker, allen voran die deutschen, werden das auch nur zu gerne glauben. Denn sie sind von dem Glauben durchdrungen, daß nur die Gemeinschaftswährung Euro das „europäische Friedenswerk“ (Wolfgang Schäuble) vollenden kann. Ob ein Land die vertraglich festgelegten Voraussetzungen und Bedingungen der Mitgliedschaft in der Eurozone erfüllt oder nicht, ob seine Wirtschaftskraft auf dem Niveau Deutschlands, der Niederlande oder Österreichs liegt oder eher dem eines Landes der Dritten Welt entspricht, ist unwichtig. Denn wir brauchen angeblich nicht ein deutsches Europa, sondern ein europäisches Deutschland, mit anderen Worten: Ein vereintes Europa muß her, auch wenn das nur um den Preis zu haben ist, daß Deutschland finanziell und wirtschaftlich auf das Niveau der „Olivenländer“ hinabsinkt. Denn nur die Schaffung eines vereinten Europa, im Klartext: eines europäischen Staates, garantiert den ewigen Frieden.

Dagegen wirken keine rationalen Argumente, wie sie anerkannte Wirtschaftsfachleute immer wieder vorbringen. Nein, es handelt sich um eine quasireligiöse Überzeugung, weswegen Kritik an dieser „alternativlosen“ Politik auch folgerichtig als Ketzerei betrachtet wird. Nur daß eben der Ketzer nicht mehr real auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird, sondern das Autodafe´auf dem Marktplatz der Medien zelebriert wird. Ebensowenig wie man die Inquisitoren und Hexenverfolger des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit davon hätte überzeugen können, daß sie einem finsteren Aberglauben anhängen, ist es heute möglich, die politisch-mediale Klasse davon zu überzeugen, daß der Friede in Europa nicht etwa durch eine Einheitswährung und die Heilserwartung eines Einheitsstaates dauerhaft gesichert werden kann, sondern dadurch eher gefährdet wird. Die Einheitswährung wirkt als Prokrustesbett für die finanziell eher soliden und wirtschaftlich starken Länder und als Streckbank für die finanziell maroden und wirtschaftlich schwachen Länder. Die immer unverschämter zur Kasse gebetenen Steuerzahler der wohlhabenden Länder in Mittel- und Nordeuropa murren, das immer weiter wachsende und verarmende Prekariat der Länder im Süden entwickelt Haßgefühle gegen ihre Geldgeber; man möchte die Hand beißen, die einen füttert. Neben denjenigen Griechen (beileibe sind das nicht alle!), die auf diese Weise zu einem anstrengungslosen Wohlstand (Guido Westerwelle) kommen, profitieren davon vor allem die Banken, im Klartext: deren Großaktionäre. So haben sich die Visionäre eines vereinten Europas nach 1945 das nicht vorgestellt. Das liegt nicht etwa daran, daß zum Arzt muß, wer Visionen hat, wie das unser Altkanzler Schröder einmal formuliert hat, sondern daran, daß Visionen eben mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben. Tatsächlich wird der Friede in Europa durch etwas ganz anderes dauerhaft gesichert. Vertraglich natürlich durch die NATO, insbesondere den Grad ihrer Integration, der es unmöglich macht, daß ihre Mitglieder Krieg gegeneinander führen, was sich eindrucksvoll daran zeigt, daß nicht einmal ihre verfeindeten Mitglieder Griechenland und Türkei militärische Gewalt gegeneinander anwenden können, sondern sich auf Stellvertreterkriege ihrer zypriotischen Marionettenstaaten beschränken müssen. Vor allem aber ist es der Stand der Waffentechnik, der einen Krieg entwickelter Staaten gegeneinander völlig ausschließt. Es ist einfach nicht mehr möglich, ein militärisch und wirtschaftlich entwickeltes Land anzugreifen. Man hat nicht einmal den Hauch einer Chance auf irgendeinen Erfolg, vielmehr würde man mit Sicherheit nur ungeheure Verluste an Menschen und Sachwerten erleiden. Der Warschauer Pakt hat das während des kalten Krieges immer wieder in Planspielen und Übungen durchgespielt, jedes Mal mit dem ernüchternden Ergebnis, daß es einfach nicht geht. Dabei mußte der Atomkrieg erst gar nicht hinzugedacht werden. Allenfalls Stellvertreterkriege in wenig entwickelten Regionen dieser Erde sind noch möglich. Das garantiert den Frieden in Europa wirklich und nachhaltig, nichts anderes.

Die europäischen Politiker und ihre journalistischen Dienstboten sind jedoch von ihrer Heilserwartung derart durchdrungen, daß sie blind für alle Zeichen von Fehlentwicklungen und taub für alle Warnungen vor dem Beschreiten von Irrwegen sind. Sie gleichen vielmehr dem hoffnungslos in eine schöne, junge, aber skrupellose Frau verliebten alten Toren, der ihr jeden Wunsch von den Augen abliest und jeden Betrag für sie bezahlt, nur um ihre Gunst zu gewinnen, egal, wie oft sie ihn betrügt. Wer als Gläubiger Verhandlungen über die Verlängerung der Kredite mit der öffentlichen Erklärung einleitet, das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone müsse unter allen Umständen verhindert werden, der gibt damit seinem Schuldner unmißverständlich zu verstehen, daß er bereit ist, jeden Betrug zu verzeihen und jedes Geschenk zu machen, wenn ihm damit nur seine Freundschaft erhalten bleibt. Wer indessen seinen Schuldner zur Vertragstreue zwingen will, der macht ihm zunächst einmal klar, daß es nicht um seine wirtschaftliche Existenz, sondern um die seines Schuldners geht. Das gilt ganz besonders dann, wenn der Schuldner insolvenzreif ist und deswegen der Gläubiger kaum noch etwas zu verlieren hat, der Schuldner indessen alles gewinnen kann.

Das sollte eigentlich auch dem Dümmsten klar sein, den schlauen Griechen ist es seit langem klar. Die Nationalepen der Griechen sind bekanntlich Homers Ilias und Odyssee. Der listenreiche Odysseus ist wohl nicht von ungefähr die alles überragende Gestalt dieser großen nationalen Erzählung. Man mag den Rückgriff auf nationale Epen zur Charakterisierung eines Volkes für abwegig, zumindest weit hergeholt halten. Ich denke jedoch, daß die großen nationalen Erzählungen durchaus kollektive Befindlichkeiten und Eigenschaften abbilden, und sei es nur deswegen, weil sie Teil der prägenden kulturellen Überlieferung sind. Betrachten wir unter diesem Blickwinkel die großen Erzählungen Europas, so finden wir zum Beispiel Vergils Aeneis, die Gründungssage Roms, voller tragischer Helden des geschlagenen und zerstörten Troja, das Artuslied des alten England voller edler Ritter lauterster Gesinnung, das Rolandslied der Franzosen, diese Hymne an den selbstlosen Retter des Abendlandes und die Sage von El Cid, dem tapfersten der Tapferen Spaniens. In allen diesen Sagen werden uns edle, lautere und verehrungswürdige Charaktere vorgestellt, die alle guten Eigenschaften haben. Besonders raffiniert und verschlagen ist jedoch keiner von ihnen, allenfalls schon mal weise. Bei keinem von ihnen können wir uns das kennzeichnende Adjektiv „der listenreiche“ vorstellen. Das alles gilt erst recht für das Nibelungenlied, das uns Deutschen als nationale Identifikationsfigur nicht etwa den verschlagenen Hagen von Tronje, sondern den edlen Recken Siegfried überliefert, einen Helden, dem alle guten Eigenschaften beigemessen werden, Schlauheit oder gar Verschlagenheit ganz sicher nicht.

In der Ilias endet bekanntlich der trojanische Krieg mit der Eroberung und Zerstörung Trojas durch eine List der Griechen. Die gutgläubigen Trojaner fallen auf die Erzählungen des falschen Boten Sinon herein, den Odysseus mit dem Auftrag zu ihnen geschickt hat, sie davon zu überzeugen, daß sie das am Strande zurückgelassene riesige Standbild eines Pferdes in ihre Stadt verbringen müßten, denn dann würden die Götter Verderben und Tod in die Mauern der Städte ihrer griechischen Feinde tragen. Natürlich sind in der Sage die Götter mit den Griechen im Bunde und lassen den Priester Laokoon, der die Trojaner mit den klassischen Worten timeo Danaos et dona ferentes (ich mißtraue den Griechen, selbst wenn sie Geschenke bringen) samt seinen Söhnen von zwei riesigen Schlangen erwürgen (Vergil, Aeneis, II. Buch, Vers 49). Der Rest der Geschichte ist bekannt: In der Nacht steigen die schwer bewaffneten Griechen aus dem Bauch des hölzernen Pferdes, töten die trojanischen Wachen und öffnen die Stadttore für das heimlich zurückgekehrte griechische Heer. Trojas Schicksal ist besiegelt. Erleben wir gerade nicht die Wiederkehr des Odysseus in Gestalt von Herrn Tsipras und seines Boten Sinon in Gestalt von Herrn Varoufakis? Die Trojaner geben in dieser Tragödie die europäischen Politiker von Juncker bis Merkel, einen Laokoon haben sie jedoch nicht in ihren Reihen. Stünde er auf und erhöbe seine warnende Stimme, so schickten ihm zwar nicht die Götter, so doch die Gralshüter der europäischen Religion die Würgeschlangen der political correctness.

 

 

 

Henker und Mörder

Die Berichterstattung über die Untaten der islamistischen Terroristen, vor allem über ihre grauenhaften Mordtaten, ist natürlich traurige Chronistenpflicht. Was mich daran stört, nein, empört, ist die durchgängige Verwendung des Begriffs „Hinrichtung“ für diese Morde. Diese Vokabel wird seit Menschengedenken für die von Staats wegen erfolgte Tötung eines Menschen auf Grund Gerichtsurteils oder sonstiger staatlicher Machtausübung verwandt. Sie impliziert daher mindestens die Legalität, mindestens jedoch die beanspruchte Legalität, eines solchen Tötungsakts. Auch wenn man wie ich die Todesstrafe aus gutem Grund ablehnt (auch wenn es manchmal schwerfällt), so ist es doch völlig klar, daß nur ihr Vollzug juristisch und sprachlich zutreffend mit dem Begriff der Hinrichtung belegt werden kann. Das ist auch diesem islamistischen Terroristengeschmeiß bewußt, das seine Mordtaten in der äußeren Form einer Hinrichtung inszeniert und in seinen Verlautbarungen diesen Begriff für sich usurpiert. Denn dies ist Teil seiner irrsinnigen Strategie, die darauf hinausläuft, sich als legitime, wenn nicht sogar legale Institution darzustellen, die sich dazu noch, und das ist der Gipfel der Blasphemie, als gottgesetzte Ordnung aufspielt.

Es ist mehr als erstaunlich, eigentlich unbegreiflich, daß unsere Medien seit Jahren diese Sprachregelung der Terroristen übernehmen, besser gesagt, nachplappern. Denkvorgänge können dem nicht zugrunde liegen. Die Anforderungen an Bildung und Intelligenz der Bewerber für den Beruf des Journalisten müssen wohl in den letzten Jahrzehnten ständig gesunken sein. Es wird jedenfalls Zeit, daß wenigstens zu diesem Thema eine Sprachregelung Platz greift, die den Sachverhalt beschreibt, statt ihn zu verbrämen: Mord bleibt Mord.

Die deutsche Krankheit

In seiner Rede zum 70ten Jahrestag der Zerstörung der Innenstadt von Dresden durch Bomberflotten der Briten und Amerikaner am 13.Februar 1945 erklärte Bundespräsident Joachim Gauck diese apokalyptische Schreckensnacht zur gerechten Strafe für das deutsche Volk, denn ein Land, das für eine Ungeheuerlichkeit wie den Völkermord gestanden habe, habe nicht damit rechnen können, ungestraft und unbeschädigt aus einem Krieg hervorzugehen, den es selbst vom Zaun gebrochen habe. Damit hat Gauck mit dem für ihn typischen pastoralen Ton der Grundbefindlichkeit der deutschen Intellektuellen seit den 60er Jahren Ausdruck verliehen, was ihr Selbstverständnis als Deutsche betrifft. Daß ein in der DDR sozialisierter und damit doch von der westdeutschen akademischen Welt und dem philosophisch-politischen Diskurs abgekoppelter Pfarrer aus Rostock sich 25 Jahre nach der Wiedervereinigung so perfekt in den intellektuellen Mainstream unseres Landes einreihen konnte, kann nur diejenigen überraschen, die die Wirkmächtigkeit akademischer Vordenker unterschätzen. Dies betrifft vor allem die Deutung der Geschichte, die man inhaltlich an der Behauptung eines deutschen „Sonderweges“ abweichend von der geistesgeschichtlichen Entwicklung Europas im übrigen, aber auch der USA, und personell, stellvertretend für die große Mehrheit der maßgeblichen Denker in Deutschland seit 1968, an Jürgen Habermas darstellen kann. Seine Schriften zum Geschichtsverständnis haben großen Widerhall gefunden und das Denken von Generationen deutscher Intellektueller geprägt.

Was also ist der Kern bundesdeutscher Geschichtsdeutung? Habermas knüpft zunächst an die Überlegungen von Karl Jaspers über die Schuld und Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus aus dem Jahre 1946 an. Darin hat sich der Philosoph sehr differenziert zu diesen Fragen geäußert und dabei insbesondere erklärt, ein Volk könne nie als ganzes moralische Schuld tragen, weil es keine allgemein verbindende Moral oder Unmoral eines ganzen Volkes gebe. Das reicht Habermas nicht aus. Er sucht eine Erklärung dafür, daß so Ungeheuerliches geschehen konnte und findet sie darin, daß die Deutschen eine Art Erbsünde in sich tragen, die so etwas wie einen Völkermord möglich gemacht hat. Der habe am Ende eines Sonderweges gestanden, den dieses Volk in der Mitte Europas gegangen sei. Es habe einen Traum von einer Hegemonie der Mittelmächte geträumt und sei einer Ideologie der Mitte gefolgt, die von der Romantik bis zu Heidegger im „antizivilisatorischen, antiwestlichen Unterstrom der deutschen Überlieferung“ (Theodor W. Adorno) tief verwurzelt gewesen sei. Das an die geographische Mittellage fixierte Selbstbewußtsein sei während der Nazi-Zeit noch einmal sozialdarwinistisch zugespitzt worden. Und diese Mentalität gehöre zu den Faktoren, die erklärten, wie es dazu kommen konnte, daß eine ganze zivilisierte Bevölkerung vor Massenverbrechen die Augen verschlossen habe. Wir Deutschen hätten uns damals von der westlichen, ja von jeder Zivilisation losgesagt. Dafür, und deswegen nenne ich das die Zuschreibung einer Erbsünde, müsse das „Unterlassungshandeln“ (sic!) der Eltern und Großeltern den Nachgeborenen zur Last gelegt werden. Denn, so wörtlich: „Nach wie vor gibt es die einfache Tatsache, daß auch die Nachgeborenen in einer Lebensform aufgewachsen sind, in der das möglich war. Mit jenem Lebenszusammenhang, in dem Auschwitz möglich war, ist unser eigenes Leben nicht durch kontingente (zufällige, der Verf.) Umstände, sondern innerlich verknüpft. Unsere Lebensform ist mit der Lebensform unserer Eltern und Großeltern verbunden durch ein schwer entwirrbares Geflecht von familialen, örtlichen, politischen, auch intellektuellen Überlieferungen – durch ein geschichtliches Milieu also, das uns erst zu dem gemacht hat, was und wer wir heute sind. Niemand von uns kann sich aus diesem Milieu herausstehlen, weil mit ihm unsere Identität, sowohl als Individuen wie als Deutsche, unauflöslich verwoben ist.“ Was uns allein von dieser Erbsünde zu erlösen vermag, ist die Einnahme einer geschichtlichen Distanz und Gewinnung eines reflexiv gebrochenen Verhältnisses zu den identitätsbildenden Überlieferungen und geistigen Formationen. Dieser Prozeß hat seines Erachtens nach 1945 eingesetzt. Das soll seiner Zielsetzung nach zu einer vollständigen geistigen Abkoppelung von unserer Geschichte führen, wörtlich: „Wenn unter den Jüngeren die nationalen Symbole ihre Prägkraft verloren haben, wenn die naiven Identifikationen mit der eigenen Herkunft einem eher tentativen ( tastenden, versuchenden, der Verf.) Umgang mit der Geschichte gewichen sind, wenn Diskontinuitäten stärker empfunden, Kontinuitäten nicht um jeden Preis gefeiert werden, wenn nationaler Stolz und kollektives Selbstwertgefühl durch den Filter universalistischer Wertorientierungen hindurchgetrieben werden – in dem Maße, wie das wirklich zutrifft, mehren sich die Anzeichen für die Ausbildung einer postkonventionellen Identität.“

Die Unterstellung eines mentalitätsbedingten Sonderweges der Deutschen durch die Geschichte setzt allerdings voraus, daß all die negativen Eigenschaften und Entwicklungen, die diesen Sonderweg kennzeichnen, tatsächlich einzigartig sind und nur bei uns Deutschen gefunden werden können. Ein Blick in die Vergangenheit lehrt uns jedoch, daß davon keine Rede sein kann. Demokratiefeindliche Episoden kennt die Geschichte der meisten europäischen Länder, auch der westeuropäischen. So finden wir in England die diktatorische Herrschaft Oliver Cromwells im 17. Jahrhundert, in Spanien und Portugal die diktatorischen Regime von Franco und Salazar, denen jeweils eine beträchtliche Dauer beschieden war, in Italien den Faschismus Mussolinis, und auch die als Geburt der modernen Demokratie betrachtete französische Revolution mündete zunächst in die despotische Herrschaft der Jakobiner und dann in die zeitgemäß in eine monarchische Form überführte Alleinherrschaft Napoleons. Die vorherrschende Regierungsform der osteuropäischen Staaten im 19. und 20. Jahrhundert auch vor der alles erstickenden Gewaltherrschaft Lenins und seiner Nachfolger war ebenfalls die Alleinherrschaft, mal in monarchischer, mal in autokratisch bis diktatorischer Form. Wenn Habermas den Deutschen einen antizivilisatorischen, antiwestlichen Charakterzug zuschreibt, der sich in der deutschen Romantik wie auch der Philosophie Heideggers exemplarisch zeige, dann muß darauf hingewiesen werden, daß selbstverständlich auch anderswo der besondere Rang der eigenen Nation und die Kraft ihrer Überlieferung sinnstiftend herausgestrichen wurden. Die Bestrebungen der Deutschen, sich nach Jahrhunderten der Zersplitterung in verschiedene Staaten, teilweise auch als nationale Minderheiten in anderen Staaten, endlich in einem Nationalstaat wiederzufinden, liefen parallel mit den gleichartigen Bewegungen in Italien, Polen und anderen Regionen. Allerdings waren Großmachtphantasien wie etwa im Falle Polens, dessen Ultranationalisten von einem Reich zwischen dem Schwarzen Meer und Berlin träumten, oder im Falle Italiens, dessen Faschisten mit breiter Unterstützung die Wiederherstellung des Römischen Imperiums auf ihre Fahnen geschrieben hatten, in Deutschland nicht festzustellen.

Weil Auschwitz gewissermaßen der Fixpunkt der Theorien Habermas‘ und seiner Adepten ist, soll auf den sozialdarwinistischen Antisemitismus der Polen im 19. und 20. Jahrhundert hingewiesen werden, der noch in der 30er Jahren die Juden in Scharen zur Flucht aus Polen nach Deutschland veranlaßt hatte, wie überhaupt der Rassismus gerade keine deutsche Erfindung war, sondern sich beispielhaft im Umgang der Briten, aber auch der Belgier und Niederländer mit den Völkern in ihren Kolonien gezeigt hat. Über den Rassismus der Amerikaner muß nicht eigens gesprochen werden, seine Virulenz bis zum heutigen Tage ist offenkundig.

Von einem deutschen „Sonderweg“ durch die Geschichte kann keine Rede sein. Somit sind auch alle Überlegungen hinfällig, die nach der Ursache dafür in der Mentalität der Deutschen suchen. Es muß deswegen auch keine Erbsünde getilgt werden, vor allem nicht dadurch, daß die Nachfahren jener angeblich so furchtbaren Deutschen der Zeit zwischen 1815 und 1945 „nationalen Stolz und kollektives Selbstwertgefühl durch den Filter universalistischer Wertorientierungen hindurchtreiben“, wie Habermas das von ihnen fordert.

Man sollte angesichts der offensichtlichen Unhaltbarkeit der Geschichtsrezeption, wie sie Habermas und sein Umfeld propagieren annehmen, daß diesen Theorien kein langes Leben beschieden gewesen sei und wir es hier nur noch mit einem Kapitel der deutschen Geistesgeschichte zu tun haben. Bekanntlich ist dem nicht so. Der Erfolg dieser Denkschule zeigte sich erstmals in der 68er Bewegung augenfällig. Die Theorien von Theodor W. Adorno, Jürgen Habermas, Herbert Marcuse, aber auch Historikern wie Fritz Fischer und Hans-Ulrich Wehler wurden von großen Teilen der Studenten jener Jahre begeistert aufgenommen und lieferten die Grundlagen der sogenannten Studentenbewegung, die sich zunächst im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und dann in seinen diversen Abspaltungen durchweg linksradikaler Natur bis hin zu den heute aus der politischen Landschaft der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr hinwegzudenkenden GRÜNEN zeigte. Welch abstruse Gedanken dort populär wurden, zeigt beispielhaft der Ausspruch des SDS-Funktionärs Frank Wolff, der die Aufgabe seines Musikstudiums damit begründete, nach Auschwitz könne man eigentlich nicht mehr Cello spielen. Den entscheidenden Sieg, jedenfalls für die nächsten Jahrzehnte, erfochten Habermas und seine publizistischen Unterstützer im sogenannten Historikerstreit 1986. Ausgangspunkt war die Veröffentlichung des Manuskripts einer Rede, die der Historiker Ernst Nolte eigentlich während einer Veranstaltung in Frankfurt hätte halten sollen, in der FAZ vom 06.06.1986 unter der Überschrift „Vergangenheit, die nicht vergehen will“ . Darin stellte er eine Verbindung zwischen dem als „Archipel GULag“ bekannt gewordenen sowjetischen Lagersystem zur Disziplinierung oder Vernichtung politischer Gegner und dem Nationalsozialismus her, wobei er aus der zeitlichen Priorität des ersteren eine Kausalität für letzteren folgerte. Schärfer konnte der Widerspruch zur Habermas’schen Erbsündentheorie wohl kaum ausfallen, weswegen es zu heftigen Kontroversen zwischen den Vertretern einer an der sogenannten kritischen Theorie ausgerichteten Geschichtsdeutung, allen voran Habermas selbst auf der einen Seite, und den eher konservativen Historikern wie Stürmer, Hillgruber, Nolte und anderen kam. Bemerkenswert daran ist, daß damals noch die konservativen Historiker, die sich um eine Interpretation der deutschen Geschichte im Sinne einer respektablen Entwicklung, die eben lediglich in den Verbrechen der Nazis eine Unterbrechung ins Negative gefunden habe, in den renommierten Zeitungen wie FAZ und ZEIT publizieren konnten. Am Ende behielten Habermas und seine Mannen bekanntlich die Oberhand, seine Kontrahenten verloren deutlich an Einfluß auf die öffentliche Debatte, Nolte wurde gar zur Unperson.

Die Entwicklung nahm nun den Verlauf, den sie unter den Gesetzmäßigkeiten des akademischen und journalistischen Betriebes einfach nehmen mußte. In den Studiengängen Politologie, Soziologie, Philosophie und Geschichte dominierten seit der Studentenrevolte von 1968 die Linken vor allem zahlenmäßig. Der wissenschaftliche Nachwuchs übernimmt regelmäßig die Lehren seiner Professoren. Etwa 20 Jahre nach dem Abschluß des Studiums hat man entweder selbst einen Lehrstuhl erklommen, oder man ist Redakteur, Oberstudienrat, Verlagslektor, vielleicht auch Berufspolitiker auf der Ebene Abgeordneter, Staatssekretär, Minister gar. Der „Marsch durch die Institutionen“ ist erfolgreich absolviert. Habermas und seine Kampfgefährten konnten mit Wohlgefallen auf die erfolgreiche Durchdringung des deutschen Geisteslebens durch ihre Jünger blicken. Die Probe aufs Exempel konnte man dann bei der nächsten öffentlich ausgetragenen Kontroverse um die Deutung der deutschen Geschichte machen. Martin Walser hielt anläßlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an ihn am 11.Oktober 1998 in der Frankfurter Paulskirche eine Rede, in der er die Überfrachtung der Rezeption unserer Geschichte mit dem Holocaust ansprach. Das war natürlich eine Todsünde wider den bundesrepublikanischen Tugendkatalog, dessen Bedeutung für uns noch vor dem Dekalog zu liegen hat. Die daraufhin entbrannte moralisch aufgeladene öffentliche Diskussion ist als Walser-Bubis-Debatte in die Geistesgeschichte der Bundesrepublik Deutschland eingegangen und dürfte den Dichter Walser auch vor weiteren höheren Ehrungen bewahrt haben. Die Editorials und Feuilletons prangerten erwartungsgemäß nahezu einhellig den Walser’schen Mißgriff an, wobei natürlich ein wenig brauner Schmutz am weißen Hemd des Gescholtenen gesehen wurde. Wer damit noch nicht genügend gewarnt war, der konnte wenige Jahre später nicht mehr im Zweifel darüber sein, daß jede auch nur behauptete Abweichung vom Pfade der geschichtspolitischen Tugend zum bürgerlichen Tod führen mußte. Der Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann (CDU) hielt am 03.Oktober2003 zum Tag der deutschen Einheit in der hessischen Provinz eine Rede, in der er neben anderen Mißständen auch die seines Erachtens bestehende Schieflage bei der Wahrnehmung der deutschen Geschichte in den Medien beklagte, was das Verhältnis der 12 Jahre Nationalsozialismus zur übrigen deutschen Geschichte angehe. Aus heutiger Sicht mutet es dabei als Treppenwitz der Geschichte an, daß Hohmann Joachim Gauck mit der Aussage zwei Tage zuvor zum gleichen Thema zitieren konnte, daß die in Deutschland dominierende politische Klasse und Wissenschaft „fast neurotisch auf der deutschen Schuld beharre“. Diese politische Klasse konnte soviel eigenständiges Denken nicht vertragen und belegte Hohmann deswegen mit der Höchststrafe. Er habe eine antisemitische Rede gehalten. Das geht in Deutschland absolut nicht. Antisemitische Passagen sucht man in dieser Rede vergebens, dennoch wurde Hohmann auf Geheiß seiner Parteivorsitzenden aus der CDU ausgeschlossen und vom Scherbengericht der politisch korrekt denkenden Medienfürsten, Lehrstuhlbesitzer und politischen Lehensmänner (und -frauen selbstverständlich) zum Paria erklärt. Wer noch Charakter hatte und ihm deswegen Mut machte, erlitt das gleiche Schicksal. Durch einen krassen Verstoß eines dieser medialen Sprechautomaten gegen die Regeln des journalistischen Anstandes wurde bekannt, daß der damalige Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr Martin Hohmann brieflich zu seiner Rede beglückwünscht hatte. Das führte dazu, daß ihn der Verteidigungsminister cum infamia schasste, und zwar subito. Auch wenn man über Verstorbene nichts böses sagen soll, so kann ich nicht umhin, in diesem Falle dem damaligen Minister Struck zu attestieren, daß er mit Begründung und Durchführung dieser Generalsentlassung mit Schimpf und Schande den bisherigen Tiefpunkt des Wirkens eines Oberbefehlshabers unserer Bundeswehr markiert hat.

Seine Bewunderer nennen Habermas gerne den „praeceptor germaniae“ (Lehrer Deutschlands). Er selbst sieht sich offenbar als eine Art Hoher Priester des „herrschaftsfreien Diskurses“. Tatsächlich ist der Diskurs in Deutschland alles andere als herrschaftsfrei, jedenfalls was die sogenannte Geschichtspolitik angeht, und hier insbesondere die Rezeption und Deutung der deutschen Geschichte seit den Befreiungskriegen, insbesondere der Geschichte des Nationalsozialismus. Hier herrscht eine erzwungene Gleichförmigkeit, die vor allem damit durchgesetzt wird, daß jede noch so geringfügige Abweichung von der herrschenden Meinung nicht nur als falsch, eventuell auch als wissenschaftlich nicht haltbar, sondern als moralische Verfehlung der schlimmsten Sorte gebrandmarkt wird und der Betreffende als Wiedergänger des Nationalsozialismus auf dem medialen Scheiterhaufen verbrannt wird. Das erklärt natürlich auch, warum die Medien so einseitig sind und läßt sogar ein gewisses menschliches Verständnis dafür entstehen, daß Journalisten, Nachwuchspolitiker und junge Geisteswissenschaftler selbst dann, wenn sie es besser wissen, ihre Meinung mit der „Schere im Kopf“ karriereverträglich zurechtschneiden. Man hat ja schließlich Kinder zu ernähren und muß die Raten für sein Haus abbezahlen.

Kann sich etwas ändern? Es kann und wird sich etwas ändern, nicht nur weil es sich ändern muß. Zum einen sei an die Erkenntnis Schopenhauers erinnert, daß die Wahrheit warten kann, weil sie ein langes Leben hat. Zum anderen kann man auf den natürlichen Oppositionsgeist der Jugend setzen. Irgendwann empfindet eine Generation die Lehren ihrer Väter als Unfug. Sie weiß es eben besser. Und weil auch im Bereich der Geschichte eine Dichotomie von Lüge und Wahrheit vorzufinden ist, und es ein Drittes nicht gibt, wird die Lüge dann durch die Wahrheit ersetzt. Die ist dann neu und generiert für Generationen Auskommen und Lehrstühle. Die Zeit dafür ist reif, woran das Internet mit seinen unbegrenzten Möglichkeiten der freien Meinungsäußerung einen nicht unerheblichen Anteil hat. Das Monopol der Medien ist gebrochen. Wir sind nicht mehr zum Schweigen verdammt.

Deutschland zahnlos

Einst war Deutschland ein wehrhaftes Land. Seine Bürger hielten es für wichtig, eine starke Armee zu haben, denn nur so waren Freiheit und Wohlstand zu gewährleisten. Der Soldat stand in hoher Achtung. Selbst Soldat gewesen zu sein („gedient zu haben“) war selbstverständlich, ja es war eine Ehre, seinem Land zu dienen. In allen sozialen Schichten stand der aktive Soldat wie der Angehörige der Reserve in hohem Ansehen. Der sprichwörtliche preußische Assessor, dessen Dienstgrad Leutnant der Reserve gesellschaftlich höher geschätzt wird, als seine zivile Amtsbezeichnung, ist nur das bekannteste Beispiel dafür. Allerdings war er auch – unberechtigt – Zielscheibe des Spotts der linken Presse. Die Identifizierung der Bürger mit „seinen“ Streitkräften ging so weit, daß man glaubte den Staat finanziell über die Steuerpflicht hinaus unterstützen zu müssen, damit er eine angemessen ausgerüstete Streitmacht vorhalten konnte. Das bekannteste Beispiel hierfür ist der Deutsche Flottenverein, der bis zu seiner Auflösung durch das NS-Regime 1934 Geld für den Bau von Kriegsschiffen sammelte. Nicht schwer zu erraten ist, daß diese Beschreibung auf Deutschland vor dem I. Weltkrieg zutrifft. Die bittere Niederlage in diesem Krieg hat – aus heutiger Sicht vielleicht erstaunlich – an dieser Wertschätzung des Soldaten nichts geändert. Gerade die demütigenden Bedingungen des Versailler Vertrages, die Deutschland zu einer Abrüstung und Verkleinerung seiner Streitkräfte zwangen, die es auf den Status eines machtlosen und unbedeutenden Kleinstaates reduzieren sollte, führten bei der übergroßen Mehrheit des Volkes zu einer trotzigen jetzt-erst-recht Haltung. Sie war die Grundlage für die heimliche Aufrüstung und das Unterlaufen der hunderttausend Mann Regelung für die Reichswehr dergestalt, daß in diesem engen Rahmen ein Offiziers- und Unteroffizierskorps herangebildet werden konnte, das auf Grund seiner Ausbildung für eine Verwendung auf Führungsebenen weit über dem aktuellen Dienstgrad binnen kürzester Frist eine mehrfach größere Armee zu führen in der Lage war. Die Selbstverständlichkeit, mit der Bürger aller Schichten und beruflichen Qualifikationen der Einberufung zum Dienst auch im Krieg folgten, mag heute ungläubiges Staunen hervorrufen. Damals war die Verweigerung des Wehrdienstes ungesetzlich und wurde auch nur von Sektierern praktiziert. Dieses ausgeprägte Bewußtsein der Wehrhaftigkeit, gespeist aus Einsicht in die Notwendigkeit und Stolz auf das Vaterland, gepaart mit einer aus dem Vollen schöpfenden Bestenauswahl schufen Armeen, die nach dem Urteil führender Militärhistoriker an Kampfkraft, Führungskunst und Disziplin ihresgleichen nicht hatten. Das galt auch für den II. Weltkrieg, und zwar bis zum letzten Tag, wobei gerade die Leistungen der deutschen Soldaten in den letzten Kriegsmonaten unter den Bedingungen des Mangels und der monströsen materiellen und personellen Überlegenheit des Feindes nur noch ungläubiges Staunen auslösen.

Was ist davon geblieben? 70 Jahre nach dem Ende des II. Weltkrieges ist Deutschland als militärische Macht nicht mehr ernst zu nehmen. Betrachten wir stellvertretend für das gesamte militärische Potential eines Landes einmal die Zahl der durchsetzungsfähigen Landsysteme ausgewählter Staaten welt- und europaweit:

Land      KPz             SPz           GTK/Tpz         Art (Rohr)        Art (Rak)           Kampfhubschr.

USA          8.325         8.580          k.A.                 k.A.              1.000                 908

RUS       12.000        25.000     25.000            2.000               1.500                 700

SYR          2.600          2.300       1.500                450                    ?                      36

ÄGY         2.450          1.042        1.400               800                  380                     7

CHI          7.500          5.000           ?                 1.000               3.500                 148

ISR          2.800             350         5.500               672                    48                    80

POL           478           1.737          –                      315                  180                    30

ITA            500              442         1.127                 70                     20                    59

GBR          200              786         1.150                 89                     36                    66

FRA          448              630          2.080               114                     13                    60

DEU         225             350              918                 89                      28                    40

Die Zahlen lehnen sich (außer USA) an Janes Defence, zit. in Europäische Sicherheit & Technik 2/2015 an.

Dieses Zahlenbild zeigt mit erschreckender Deutlichkeit, welchen Stellenwert das wirtschaftlich starke Deutschland seiner militärischen Stärke beimißt. Die Bundeswehr verfügt über gerade mal halb so viele Kampfpanzer wie die NATO-Partner Polen, Frankreich oder auch Italien, bei SPz bzw. GTK sieht es noch schlechter aus. Nur bei der Artillerie kann man mit Armeen wie der italienischen, britischen oder französischen mithalten, bei den Kampfhubschraubern fällt man schon deutlich ab. Im weltweiten Vergleich steht man hinter Staaten wie Syrien und Ägypten weit zurück. Selbst das kleine Israel ist militärisch im Vergleich zu Deutschland eine Großmacht. Dazu paßt natürlich, daß Deutschland seit Jahren nur 1,3 % des Bruttosozialprodukts für seine Verteidigung ausgibt, obwohl die Vorgaben der NATO md. 2% verlangen.

Eine solche Entwicklung ist natürlich nicht zufällig. Sie hat Gründe und Ursachen. Die Politik tut im Großen und Ganzen durchaus, was die Wähler wollen. Wenn die übergroße Mehrheit der Deutschen an einer starken Armee interessiert wäre, könnte man als Politiker mit dem Versprechen, einen hohen Verteidigungshaushalt zu beschließen, Wahlen gewinnen. Von nichts verstehen Politiker mehr, als von der Erwartungshaltung ihrer Wähler. Weil die Deutschen schon während des kalten Krieges, aber erst recht seit dessen Ende, für Militär und Rüstung nichts übrig haben, kümmert die Bundeswehr dahin. Die Aussetzung (de facto Abschaffung) der Wehrpflicht ist von den meisten Deutschen gleichgültig bis zustimmend zur Kenntnis genommen worden, von den nicht wenigen Pazifisten in Politik, Medien und Kirchen enthusiastisch begrüßt worden.

Wie konnte das geschehen? Die totale Niederlage von 1945 wurde von vielen, viel zu vielen maßgeblichen meinungsbildenden Institutionen nicht nur als Scheitern des Nationalsozialismus, verlorener Krieg oder Meilenstein der Weltgeschichte, sondern viel tiefer gehend als Ende des deutschen Weges – manche sagten Sonderweges – gesehen. Dabei spielte natürlich die massiv betriebene Umerziehung vor allem durch die USA eine Rolle, von der zu sprechen heute als unschicklich, wenn nicht gar rechtsradikal gilt. Die destruktiven Lehren der sog. Frankfurter Schule um Marcuse und Habermas, die auf weite Teile der deutschen akademischen Jugend eine große Anziehungskraft ausübten und letztendlich die theoretischen Grundlagen der 68er schufen, taten ein übriges. Das Ergebnis ist eine Gesellschaft, die ihre eigene Armee allenfalls mit freundlichem Desinteresse betrachtet, wie es ein früherer Bundespräsident treffend formuliert hat. Hinzu kommt ein Wohlstandspazifismus, der angestrengt darüber hinwegsieht, daß unsere Art zu leben nur möglich ist, weil es einen militärischen Zaun um diese Idylle gibt, den aber bittschön doch die anderen bezahlen und bewachen sollen. Peter Scholl-Latour hat diese dümmliche Spießigkeit einmal als den „blökenden Pazifismus“ der Deutschen bezeichnet. Ich habe in meiner Ansprache als scheidender Kommandeur des PiBtl 761 im November 1995 zustimmend ergänzt, daß ihnen auch ein „grunzender Hedonismus“ eignet. Ein solches Volk findet auch kaum irgendwo auf dieser Erde seinesgleichen. Wer etwa die Wertschätzung des Soldaten in den USA, Frankreich oder Italien, die sich nicht nur an den nationalen Gedenk- und Feiertagen, sondern im Alltag zeigt, mit der Bedeutung der Streitkräfte in unserem Land vergleicht, der wird erhebliche Unterschiede feststellen. Das beginnt mit solchen Äußerlichkeiten wie Paradeuniformen und der selbstverständlichen Führung des Dienstgrades auch ausgeschiedener Soldaten im gesellschaftlichen Verkehr und vollendet sich eben in der materiellen Ausstattung der Streitkräfte, aber auch der Bereitschaft, sie ganz selbstverständlich als Machtmittel im Inneren wie auch nach außen einzusetzen. Daß Welten zwischen dem Selbstverständnis der Bundeswehr und den Streitkräften anderer Nationen liegen, kann der aufmerksame Beobachter etwa bei Paraden mit internationaler Beteiligung sehen. Nicht nur das Fehlen einer Paradeuniform historischen Gepräges, selbstverständlich mit Seitenwaffe für die Offiziere, läßt die schlicht gewandeten Deutschen irgendwie merkwürdig erscheinen, auch der Paradedrill, als dessen Erfinder sie lange galten, ist offensichtlich nicht im international üblichen Maß vorhanden, wenn nicht gerade das Wachbataillon eingesetzt wird. So konnte es sich Adalbert Weinstein, der legendäre Fachmann für das Militär bei der FAZ, der immerhin als als wehrübender Reserveoffizier einmal eine Brigade des deutschen Heeres führen durfte, in seinem Bericht über eine Parade von NATO-Truppen 1979 nicht verkneifen, den Auftritt der deutschen Formation unter die Überschrift zu stellen: „Unbeholfen stolperte der Leutnant vor seinen Reisigen her…“. Man mag das für unwesentlich halten. Doch schon Friedrich Schiller hat in „Wallensteins Lager“ festgestellt: „Der Soldat muß sich können fühlen!“ Wenn das Auto nicht geputzt wird, dann wird bald auch das Motoröl nicht mehr nachgefüllt und die Inspektion vergessen. In diesen Zusammenhang gehört auch die offensichtliche Mißachtung der soldatischen Traditionen unseres Landes. Wenn ein Generalinspekteur zum Thema Traditionspflege nichts anderes beizutragen weiß, als daß die Tradition der deutschen Streitkräfte „in die Waschmaschine gehört“, und wenn nur die preußischen Reformer und die Befreiungskriege, der militärische Widerstand gegen Hitler und die Geschichte der Bundeswehr selbst als identitätsstiftend für diese Armee gelten dürfen, dann ist klar, daß die Politik eine Verteidigungsorganisation wünscht, die nichts mehr mit den Armeen früherer Zeiten zu tun hat. Auch hier ist die Saat aufgegangen, die Historiker Wie Hans-Ulrich Wehler und andere gesät haben, denen die Uminterpretation der deutschen Geschichte als verhängnisvoller Sonderweg heraus aus der aufgeklärten demokratischen Gesellschaft, hinein in autoritäre Strukturen und eine aggressive Außenpolitik, Aufgabe und Verpflichtung war. Die Armee des auf diese Weise geschaffenen neuen, demokratischen und zivilen Deutschland soll kostengünstig politische Ziele unterstützen, nur ja keinen Bezug zur als unrühmlich angesehenen Vergangenheit aufweisen und ein unauffälliger Bestandteil der bundesrepublikanischen Wirklichkeit sein. Dazu paßt es und ist nachgerade bezeichnend, daß die Auslieferung des neuen SPz „Puma“ sich deswegen verzögert, weil noch keine Lösung dafür gefunden worden ist, wie hochschwangere Soldatinnen im hinteren Kampfraum transportiert werden können. Daß Gefechtsfahrzeuge und Luftfahrtgerät inzwischen „kannibalisiert“ werden, damit wenigstens ein kleiner Teil davon einsatzfähig bleibt, rundet das Bild ab. Daß der Ruf nach einer Vermehrung des Verteidigungshaushalts um 1 Mrd. € jährlich, damit die Bundeswehr überhaupt noch einsatzfähig bleibt, nicht etwa von den verantwortlichen hohen Offizieren kommt, sondern wie bei der ähnlich gelagerten Problematik im Bereich der inneren Sicherheit von der berufsständischen gewerkschaftlichen Vertretung der Soldaten bzw. Polizei, spricht Bände über das Verhältnis der Politik zu ihren hochqualifizierten Soldaten. Sie wünscht sich nicht Blücher, nicht von der Marwitz, sie wünscht sich „Lakeitel“ in Bundeswehruniform.

Vielleicht würde es in Deutschland kaum jemand merken, wenn die Bundeswehr völlig verschwände und bei Staatsbesuchen nur noch eine Komparsentruppe der Babelsberger Filmstudios die Ehrenformation stellte. Kostengünstiger wäre es allemal.

 

Nachsatz: Das Bild zeigt mich als wehrübenden Major in der Verwendung als Urlaubsvertreter des Kommandeurs PiBtl 10 in Ingolstadt 1989

10.02.2015

Leises Entsetzen

Ein sehr gern genutztes Mittel der Erziehung der Deutschen zum politisch korrekten Denken ist die „Geschichtspolitik“. Will heißen, die Geschichte wird so dargestellt, vor allem interpretiert, wie es zur Erreichung dieses Ziels notwendig und zweckmäßig erscheint. Nun halte ich die Vokabel Geschichtspolitik für ein Unwort, denn die Geschichte besteht aus abgeschlossenen, nicht mehr veränderbaren Vorgängen der Vergangenheit, während die Politik Gegenwart und Zukunft gestaltet. Somit handelt es sich bei dem Wort „Geschichtspolitik“ um ein Oxymoron, (altgriechisch: stumpfe Schärfe), also einen Widerspruch in sich selbst. Natürlich wird dieser sonderbare Umgang mit der Geschichte nicht, oder zumindest kaum im Zusammenhang mit dem klassischen Altertum, den salischen und stauffischen Kaisern des Mittelalters oder den portugiesischen Seefahrern der frühen Neuzeit gepflogen. Nein, geschichtspolitisch beflissene Politiker, Journalisten und karriereorientierte Wissenschaftler befassen sich mit der deutschen Geschichte seit 1870. Sie wollen uns glauben machen, daß Deutschland mindestens seit dieser Zeit einen Sonderweg beschritten hat, der von Bismarck über Hindenburg in gerader Linie zu Hitler geführt hat. Deswegen müssen wir Deutschen nach ihrer Auffassung gewissermaßen dem Ahasver gleich, welcher der Sage nach rast- und ruhelos über die Erde wandern muß, weil er sich seinerzeit an Christus vergangen hat, auf ewig mit dem Makel leben, die fünfzig Millionen Toten des II. Weltkrieges verantwortet und den Völkermord an den Juden begangen zu haben. Während alle anderen Völker aufrechten Ganges über diese Erde wandeln, müssen wir uns auf ewig mit gebeugtem Rücken und gesenktem Blick an der Wand entlang drücken und froh und dankbar jeden huldvollen Blick der Guten und Reinen als Ansporn zu selbstlosen Leistungen für die übrige Menschheit empfinden.

In diesem verordneten Weltbild ist natürlich kein Platz für Verbrechen anderer und noch weniger für die Benennung der Täter oder gar die wertungsfreie Darstellung der vollständigen historischen Wahrheit. Wer dies dennoch öffentlich versucht, der darf sich der einhelligen Verurteilung als „Geschichtsrevisionist“ sicher sein, denn er hat das Verbrechen der Relativierung begangen. Alleine schon die schlichte Erwähnung von Verbrechen anderer Nationen oder auch nur Machthaber über andere Nationen erfüllt den Tatbestand des Vergleichens, das nicht nur sprachlich fehlerhaft als Gleichsetzung betrachtet wird. „Denken heißt vergleichen“ hat allerdings Walter Rathenau einmal formuliert, jener deutsche Jude, der als Industrieller wie als Politiker Maßstäbe gesetzt hat, die von seinen Nachfolgern kaum einer erreicht hat. Es liegt nahe, daß gerade diese Brillanz seine durchweg mittelmäßigen bis minderbegabten Feinde so wütend gemacht hat, daß sie meinten, ihn ermorden zu müssen. Bedient man sich allerdings seines Verstandes im Sinne Walter Rathenaus, wenn man die Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert betrachtet, dann zeigen sich Bilder und Sachverhalte, welche die politisch korrekte Geschichtsdarstellung entweder ganz verschweigt oder aber nach der ehernen Regel bewertet, daß sie nie und nimmer den „deutschen Verbrechen“ (gemeint sind Verbrechen, die von den Nationalsozialisten begangen worden sind, wobei sie für sich in Anspruch genommen haben, im Namen aller Deutschen zu handeln), gleich waren, geschweige denn etwa größer oder schlimmer gewesen sein können.

Nun ist die Geschichte eine außerordentlich komplexe Angelegenheit. Sie entzieht sich der schwarz-weiß Malerei. Vorherrschend sind die Grautöne. So wie es zum Beispiel zutrifft, daß der Antisemitismus vor allem im 20. Jahrhundert (aber auch schon im Mittelalter, denkt man etwa an die Judenpogrome in Nürnberg, denen der Hauptmarkt seine Entstehung verdankt) in ganz Europa virulent war und zum Beispiel in Polen während der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts zu Pogromen mit tausenden von Toten geführt hat, so ist es nun einmal eine historische Tatsache, daß der industriell durchgeführte Massenmord an den Juden, dem man den zutreffenden Namen Holocaust (ganz und gar verbrannt) gegeben hat, vom deutschen Diktator Hitler und seinen Speichelleckern ins Werk gesetzt worden ist. Indessen stand er damit keineswegs allein. Vielmehr gesellen sich ihm Stalin und Mao, Pol Pot und Milosevic hinzu, ohne daß damit die Aufzählung abgeschlossen wäre. Nein, man könnte das 20. Jahrhundert mit Fug und Recht das Jahrhundert der Völkermorde nennen. Vielleicht werden spätere Generationen das auch tun.

Wer indessen eine solche Betrachtung der Geschichte einfordert, der verstößt damit offensichtlich gegen den Konsens des „juste milieu“, wonach nichts, aber auch gar nichts den „deutschen Verbrechen“ auch nur an die Seite gestellt werden darf, denn damit würden diese ja verharmlost. Das hält man im Deutschland der bundesrepublikanischen Befindlichkeit für „Gedenkkultur“. Wenn sich die Schnappatmung der politisch korrekten Zeitgenossen angesichts solcher Insubordination gegenüber den geschichtspolitischen Dogmen gelegt hat, dann sollten sie sich zunächst doch der einfachen Logik zuwenden und erkennen, daß die Aufzählung von Sachverhalten für sich allein weder eine Abstufung noch eine sonstige Wertung bedeutet. Vielmehr ermöglicht sie erst Beurteilung und Bewertung. Rathenau läßt grüßen.

Ein nachgerade klassisches Beispiel für den intellektuell unterwertigen Umgang mit der deutschen Geschichte konnte man in den Tagen vor dem Gedenktag der Befreiung des KZ Auschwitz vor 70 Jahren am 27.01.1945 erleben. Die Fraktion der AfD im Thüringer Landtag wollte am 27.01.2015 in der Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar einen Kranz niederlegen, auf dessen Schleife man hätte lesen können: „Den Opfern des Konzentrations- und Speziallagers Buchenwald“. Das wollte der Direktor der Gedenkstätte, Volkhard Knigge, nicht dulden, denn darin erblickte er ganz im Sinne politisch korrekter „Geschichtspolitik“ den Versuch, die Opfer des Stalinismus und des NS-Regimes gleichzusetzen. Den AfD-Politikern blieb nichts anderes übrig, als den Text der Aufschrift zu ändern. Sie beschränkten sich auf ein schlichtes „Im stillen Gedenken“. Herr Knigge ließ darob verlauten, auch dies erfülle ihn mit „leisem Entsetzen“. Nun fragt man sich schon, ob nicht jedes Opfer eines Unrechtssystems, gleichgültig welches, des Gedenkens der nachfolgenden Generationen würdig und wert ist. Ist es doch vor allem für diese Opfer der Gewalt- und Willkürherrschaft gleichgültig, ob ihre Henker sie im Zeichen des Hakenkreuzes, des Sowjetsterns oder eines anderen Kainszeichens zu Tode gequält haben. Und ist es für ihre Hinterbliebenen, ihre Eltern, Geschwister, Ehegatten, Kinder oder Enkel wirklich schlimmer, daß ihre Henker Nazi-Schergen waren, als daß sie den Befehlen eines kommunistischen Politbüros Folge geleistet haben?

Daß diese Frage nicht nur in qualitativer, sondern auch in quantitativer Hinsicht zu Recht gestellt wird, zeigt gerade der Fall Buchenwald sehr deutlich. Nach den offiziellen Darstellungen haben die Nationalsozialisten damals mindestens 250.000 Menschen in dieses Lager gesperrt und zur Zwangsarbeit getrieben. Das haben wenigstens 64.000 von ihnen nicht überlebt, wobei nicht wenige auch Opfer von Hinrichtungen geworden sind. Bekanntlich haben die sowjetischen Besatzer unmittelbar nach der Inbesitznahme des Lagers es als „Speziallager“ weitergeführt. Wie viele Menschen dort wirklich eingesperrt waren und zu Tode gekommen sind, weiß man nicht. Michael Klonovsky nennt in seinen „Acta diurna“ vom 21.01.2015 für die Speziallager in der sowjetischen Besatzungszone für den Zeitraum 1945 bis 1950 unter Berufung auf das sowjetische Innenministerium 122.671 deutsche Gefangene, wovon 42.889 verstorben, 12.770 in die UdSSR verbracht und 6.680 in Kriegsgefangenenlager interniert worden seien. 14.202 Internierte seien den ostdeutschen Behörden übergeben und 756 durch Militärtribunale zum Tode verurteilt worden. Zu Recht bemerkt Klonovsky, daß  „die Exaktheit der Zahlen eine Exaktheit des Zählens suggeriert“, die in den Wirren jener Nachkriegszeit gar nicht möglich war. Tatsächlich dürften die Zahlen der Opfer deutlich höher liegen. Sicher waren unter diesen Internierten auch viele kleine und manche größere Nazis. Die ganz großen waren ja schon weg. Doch war es rechtens, solche Mitschuldige an den Verbrechen des Nazi-Regimes ohne Urteil einzusperren, verhungern zu lassen oder zum Tode zu verurteilen? Nach unseren rechtsstaatlichen Maßstäben fraglos nicht. Doch lassen wie das alles einmal beiseite und lenken den Blick auf des wesentliche: Gibt es Opfer erster und zweiter Klasse? Darf man um die Opfer des roten Terrors nicht auch trauern? Darf man den nachfolgenden Generationen nur von den Verbrechen der Nationalsozialisten berichten, von den Verbrechen der anderen Seite jedoch nicht? Waren das gewissermaßen nur die unvermeidlichen „Kollateralschäden“ bei der Niederwerfung des Nationalsozialismus, jener angeblich konsequenten Endstation des „deutschen Sonderweges“?

Die Antwort kann nur heißen: Nein. Es ist an der Zeit, die Mörder unterschiedslos beim Namen zu nennen. Es ist an der Zeit, die Geschichtsklitterung zu beenden, die uns Mörder erster und zweiter Klasse präsentieren will. Es ist an der Zeit, beim Namen zu nennen, was unseren Vorfahren von jener verbrecherischen Clique angetan worden ist. Es ist an der Zeit, unseren Eltern und Großeltern, denen wir Leben, Freiheit und Wohlstand verdanken, ihre Ehre wiederzugeben. Papst Benedikt XVI. hat das anläßlich seines Besuchs der Gedenkstätte Auschwitz am 28.06.2006 mit der ihm eigenen Klarheit des Denkens und der Formulierungen getan, als er sich in seiner Ansprache bezeichnet hat „als Sohn des Volkes, über das eine Schar von Verbrechern mit lügnerischen Versprechungen, mit der Verheißung der Größe, des Wiedererstarkens der Ehre der Nation und ihrer Bedeutung, mit der Verheißung des Wohlergehens und auch mit Terror und Einschüchterung Macht gewonnen hatte, so daß unser Volk zum Instrument ihrer Wut des Zerstörens und des Herrschens gebraucht und mißbraucht werden konnte.“ Diese Analyse der Geschehnisse erhebt sich hoch wie ein gotischer Dom über dem Gräberfeld der nicht lebensfähigen Gedankenkonstrukte der politisch korrekten „Geschichtspolitik“ und läßt ihre Vertreter als armselige Gedankenquetscher und Wortklauber am Wegesrand liegen. Man wirft ihre Hervorbringungen am besten in den Papierkorb, der auf den Müllhaufen der Geschichte ausgeleert wird. Daß in Deutschland immer noch Leute wie jener Herr Knigge die Deutungshoheit über die Geschichte haben, erfüllt mich allerdings mit „leisem Entsetzen“.

30. Januar 2015

 

 

 

kritisch betrachtet

Eine alte Soldatenweisheit besagt, daß für die Truppe im Frieden der Stab den Feind ersetzt. Will heißen, daß die Soldaten im Frieden nicht den Feind zu bekämpfen haben, dafür aber mit „dem Stab“, hier als Synonym für die Bürokratie da oben im Nebel um die Gipfelhöhen der Führung gemeint, ihre täglichen und nicht selten frustrierenden Kämpfe auszufechten haben. Kaum ist der Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan zu Ende, wird die Truppe wieder mit dieser alten Weisheit konfrontiert. Die Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt hat geruht, die Truppe vor eine völlig neue Herausforderung zu stellen. Die Frauenquote. Ja, dieses Produkt des Zeitgeistes steht auf Geheiß der Frau Ministerin nun auch vor den Toren der Kasernen und Dienststellen der Bundeswehr und  begehrt gebieterisch Einlaß. Weil die Kameradinnen nicht entsprechend ihrer Quote auch reüssieren, muß – Beurteilung hin, Beurteilung her – die Quote der leitenden SanOffz(w) unverzüglich dem Prozentsatz der weiblichen Angehörigen der SanTruppe angepaßt werden. Und den derzeit 14 % weiblichen Soldaten, was der IBUK (Inh. d. Befehls- und Kommandogewalt) natürlich ohnehin deutlich zu wenig erscheint, müssen natürlich 14 % Generale (w), auf allen 4 Stufen, versteht sich, in der Bundeswehr entsprechen. Um das weiter zu denken: Ist es nicht ein glatter Fall von Frauendiskriminierung, daß es bei den Kampfschwimmern der Marine und dem Kommando Spezialkräfte des Heeres immer noch keine Soldatinnen gibt? Ganz offensichtlich sind da die Auswahl- und Prüfungskriterien zu ändern, damit dieser unerträgliche Zustand beendet wird. Und überhaupt: Lernt man heutzutage nicht auf der Uni in den diversen Gender-Studies, daß die Einteilung der Menschen in zwei Geschlechter völliger Blödsinn ist, und alle übrigen 84 oder mehr Geschlechter ganz übel diskriminiert? Mindestens eine quotenmäßige Sortierung nach schwulen, lesbischen, bisexuellen, transgender und vielleicht doch auch noch heterosexuellen Frauen und Männern wäre mal für den Anfang notwendig. Nachdem dann das ebenso antiquierte wie fortschrittshindernde Leistungsprinzip endlich auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen ist, wird die Bundeswehr allein durch ihr glänzendes Beispiel diese sexistische, rassistische (natürlich muß das alles auch hautfarblich ausgewogen sein) Welt nachhaltig zum Guten verändern, ohne einen einzigen Schuß abzugeben. Die Verleihung des Friedensnobelpreises an unsere Ursula feiern wir dann mit einem Regenbogenfest und singen glücklich lächelnd „we shall overcome“, bevor wir dann zur Amtsübergabe von Frau Merkel, Herrn Juncker und Herrn Ban Ki Moon an Frau Dr, von der Leyen eilen. Liebe Feinde von IS, Al Quaida, Boko Haram und wer das alles sonst noch nicht versteht: Bitte nicht schießen!

27. Januar 2015

 

kritisch betrachtet

Warum betrachten Politik und Medien Pegida, aber auch die AfD, nahezu einhellig als „igitt!“? Die programmatischen Inhalte können es nicht sein, jedenfalls wenn man sachlich bleibt. Darüber lasse ich auch gerne mit mir reden. Der tiefere Grund liegt woanders. Die Etablierten können es nicht ertragen, daß ihnen die Deutungs- und Erklärungshoheit langsam entgleitet. Daß da plötzlich Außenseiter aus der Mitte der Gesellschaft, im Falle der AfD vorwiegend aus dem akademischen Bereich, dazu noch häufig Fleisch vom eigenen Fleische, Gehör und Gefolgschaft finden. Daß die Grundlinien ihrer Politik nicht mehr „alternativlos“ sind. Deswegen werden Pedida und AfD ungeachtet ihrer großen Unterschiede beide einfach als Schmutzkonkurrenz behandelt. Gegen Schmutz ist natürlich jedes Mittel recht, auch das schärfste, wenn es den Schmutz nur zuverlässig beseitigt. Wir werden sehen, an wem der Schmutz dann kleben bleibt.

19. Januar 2015

Kreta 2010