Die bemerkenswerten Erfolge der Alternative für Deutschland bei den jüngsten Wahlen rufen natürlich politische Analytiker auf den Plan. Dies um so mehr, als die Partei sich nun Ende dieses Monats endlich ein verbindliches Parteiprogramm geben will. Die FAZ, hinter der nach ihrer früher allgemein bekannten Werbung immer ein kluger Kopf stecken soll, hat sich nun auf die Suche nach den ideologischen Grundlagen dieser Partei begeben. In der sachsen-anhaltinischen Provinz glaubt man nun fündig geworden zu sein. Denn dort hat in einem kleinen Bauerndorf namens Schnellroda der Publizist Götz Kubitschek offenbar die Kaderschmiede der völkischen Bewegung eingerichtet, die künftig Programm und Richtung der AfD bestimmen soll. Zwischen rechtslastiger Bibliothek und kleinbäuerlichem Ziegenstall erzieht der Meister seine Kinderschar mit altgermanischen Vornamen und indoktriniert seine Adepten, zu denen aufstrebende Politiker dieser Partei, vorwiegend natürlich aus dem Osten, gehören. Den Landesvorsitzenden Höcke und Poggenburg ist er demnach der Mentor und Spiritus Rektor. Finstere Größen aus der Vergangenheit, wie etwa der sogenannte Kronjurist der NSDAP Carl Schmitt werden rezipiert und für die praktische politische Arbeit nutzbar gemacht.
Wer so informiert wird, den wird es wohl grausen. Das ist ja auch gewollt. Allerdings kann nicht übersehen werden, daß man sich in Kubitscheks Institut für Staatspolitik sicherlich innerhalb des Verfassungsbogens bewegt, wobei im Rahmen wissenschaftlicher Arbeit vieles, was außerhalb der universitären Seminare und ähnlicher Einrichtungen erwogen, diskutiert und am Ende verworfen werden kann, was für die Diskussionen in der breiten Öffentlichkeit schon deswegen nicht geeignet ist, weil es den sprichwörtlichen Mann auf der Straße intellektuell überfordert. Das ist keineswegs überheblich. Es ist ja auch nicht überheblich darauf hinzuweisen, daß Fachgespräche unter Naturwissenschaftlern den Rest der Menschheit, zu dem sich der Verfasser gerne bescheiden zählt, schlicht überfordern.
Wie man allerdings damit umgeht, wenn man glaubt, das Erscheinen Luzifers ankündigen zu müssen, ist auch wiederum bemerkenswert. Das korrespondiert im übrigen auch mit der Wahrnehmung eines unabhängig von seiner politischen Bewertung bedeutenden Juristen wie Carl Schmitt. Wer ihn, wie Götz Kubitschek das offenbar tut, im wesentlichen auf seine Favorisierung eines autoritären Regimes aus der Erfahrung gescheiterter Demokratien reduziert und seine Dichotomie von Politik und Recht, die ersterer auch den Vorrang zuweist, gewissermaßen als Substrat seines Denkens bezeichnet und begrüßt, greift natürlich zu kurz. Er greift ebenso zu kurz, wie Politiker und Journalisten, die Schmitt auf den sogenannten Kronjuristen des Dritten Reiches reduzieren. Freilich hat Schmitt sich nach der Machtergreifung, insbesondere nach dem Röhm-Putsch, in geradezu peinlicher Weise dem Regime angebiedert. Das hat ihm indessen nicht wirklich geholfen, denn seine Mitbewerber im Rennen um gut dotierte Positionen und angesehene Lehrstühle haben ihn sehr bald als abtrünnigen Karrieristen ausgemacht und seine Kaltstellung erreicht. Daß er in seinen grundlegenden politikwissenschaftlichen wie auch staatsrechtlichen Werken auch für die Linke in Deutschland zum Stichwortgeber, ja teilweise zum Spiritus Rektor geworden ist, wird gerne übersehen. Habermas bezieht sich nicht selten direkt auf Schmidt. Eine Vielzahl von bedeutenden Juristen, bis hin zu eher sozialdemokratisch geprägten Wissenschaftlern wie Böckenförde haben seine Gedanken aufgegriffen. Wie so häufig, haben alle Unrecht, die einen Gelehrten wie Schmitt entweder alleine für sich vereinnahmen oder zum Gottseibeiuns abstempeln wollen.
Auch wenn man die Äußerungen etwa des Herrn Höcke mit Recht für peinlich hält, und deswegen eigentlich an Herrn Kubitschek appellieren müßte, seinen Jüngern erst einmal die Grundlagen des politischen Generalkonsenses in Deutschland zu vermitteln, muß man doch auch sehen, daß selbst die kruden Theorien eines Herrn Höcke nicht als rechtsextremistisch eingeordnet werden können. Auf das bekannte Gutachten des Politikwissenschaftlers Werner Patzelt aus dem Januar dieses Jahres darf verwiesen werden.
Als Fazit darf derzeit wohl die Erkenntnis gelten, dass einerseits die AfD gut beraten wäre, ihre Kader nicht in der würzigen Landluft Sachsen-Anhalts heranzubilden, andererseits die FAZ vom Nazialarm zu seriöser Berichterstattung übergehen sollte. Die Wirklichkeit ist halt niemals einfach, sondern immer kompliziert. Für manche offenbar zu kompliziert.