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Willkommenskultur

Der Strom von Flüchtlingen, Asylbewerbern und, sagen wir einmal, Wirtschaftsmigranten schwillt in einem ungeahnten Ausmaß an. Behörden kommen mit der Einrichtung von Unterkünften und Sammellagern nicht nach. Turnhallen werden zur Unterbringung von Flüchtlingen benutzt mit der Folge, daß voraussichtlich auf lange Zeit der Sportunterricht in den Schulen ausfallen wird, und Sportvereine auf die Nutzung dieser Hallen verzichten müssen. Die Kosten für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge gehen bereits in die Milliarden. Die Verwaltungsgerichte kommen mit der Bearbeitung von Asylverfahren nicht mehr nach. Deswegen müssen andere Verfahren, etwa wegen Baugenehmigungen, liegen bleiben. Die Juristische Bewältigung der Schleuserkriminalität beginnt Staatsanwaltschaften und Amtsgerichte zu überfordern.

Politik, Kirchen und Medien werden indessen nicht müde, von den Bürgern eine „Willkommenskultur“ einzufordern. Will heißen, wir sollen auf vieles verzichten und Zustände dulden, die in den Ländern herrschen, welche die Flüchtlinge aus welchen Gründen auch immer verlassen haben. Es ist also an der Zeit, sich kritisch damit auseinanderzusetzen, was hier eigentlich abläuft, und was von uns letztendlich verlangt wird.

Zunächst einmal frage ich mich doch, warum ich Leute willkommen heißen soll, die ich nicht eingeladen habe. Natürlich steht es außer Frage, daß jeder Mensch, der sich legal oder illegal in unserem Lande aufhält, einen Rechtsanspruch auf Sicherung der wesentlichen Lebensgrundlagen hat. Das bedeutet, ein Dach über dem Kopf, ausreichende Ernährung und notwendige medizinische Versorgung. Das bedeutet natürlich auch einen korrekten Umgang mit diesen Menschen einschließlich der Wahrung der bei uns üblichen höflichen Umgangsformen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Über das Strafgesetzbuch sollte man in diesem Zusammenhang erst gar nicht reden müssen. Wer etwa zum Haß auf Asylbewerber oder andere Flüchtlinge aufruft, oder dem sogar Taten in Form von Brandstiftungen folgen läßt, stellt sich als Straftäter außerhalb der Gesellschaft.

Gerade die ungeheure und weiter anschwellende Zahl der Flüchtlinge muß uns jedoch zu denken geben. Zwar gebietet Art. 16 a des Grundgesetzes, daß Asylsuchende und Bürgerkriegsflüchtlinge von uns aufzunehmen sind. Indessen steht auch dieses Grundrecht unter dem Vorbehalt der sonstigen Gesetze. So ist es ja ausdrücklich zulässig, gewisse Quotenregeln, auch in internationalen Verträgen, zu statuieren. Ein Blick über die Grenzen zeigt allerdings auch, daß längst nicht alle europäischen Staaten – von der übrigen Welt soll an dieser Stelle einmal keine Rede sein, – bereit sind, Flüchtlinge in größerer Zahl aufzunehmen. Manche wollen das überhaupt nicht. Man kann auch nicht sagen, daß es sich dabei um undemokratische Unrechtssysteme handelt. Vielmehr handelt es sich um geachtete Mitglieder der internationalen Gemeinschaft. Das wirft die Frage auf, ob es tatsächlich zu den menschenrechtlichen Standards gehört, uneingeschränkt oder doch in großem Umfang Asyl zu gewähren und Bürgerkriegsflüchtlinge aufzunehmen. Auch wenn Deutschland diese Verpflichtung in seine Verfassung aufgenommen hat und durchaus großzügig handhabt, so muß doch geprüft werden, ob dies auch dann noch Geltung beanspruchen muß, wenn sich die tatsächlichen Grundlagen, auf denen eine solche Rechtsgewährung beschlossen worden ist, so massiv verändert haben, wie das derzeit der Fall ist. Der Vorbehalt der clausula rebus sic stantibus (unter den gegebenen Umständen) gehört ja nun einmal zu den juristischen Grundlagen ebenso wie der Rechtssatz, daß Verträge nach dem Grundsatz von Treu und Glauben auszulegen sind. Dies gilt umso mehr, wenn es durchaus möglich ist, das Vorliegen von Asyl-und Fluchtgründen bereits in der geographischen Nähe der jeweiligen Heimatländer zu prüfen. Dies setzt die Schaffung entsprechender Einrichtungen dort voraus, allerdings auch den Willen der Staatengemeinschaft, dies durchzusetzen. Und wer sagt denn, daß man vor Verfolgung erst sicher ist, wenn man ein Dutzend Länder durchquert hat? Wird man etwa als Eritreer auch in Ägypten verfolgt? Als Syrer auch in Saudi-Arabien? Auch ist es möglich, etwa Bootsflüchtlinge im Mittelmeerraum nach ihrer Rettung nicht etwa nach Norden in die Zielländer, sondern nach Süden in die Herkunftsländer zu verbringen. Denn damit würde den Schleuserorganisationen ihr Geschäft verdorben, anstatt es wie derzeit zu fördern. Heute ist es doch so, daß Flüchtlinge, die ein Schlauchboot an der libyischen Küste besteigen, sich sicher sein können, auch in Italien anzukommen. Entweder schaffen sie es selbst, oder sie werden von Schiffen der italienischen Küstenwache bzw. diverser NATO-Staaten, darunter Deutschland, in Italien an Land gebracht und betreut. Danach erfolgt die Weiterreise nach Deutschland.

Was wirklich auf uns zukommt, erfährt man ja auch ungeschminkt aus dem Munde der Schleuser. O-Ton eines Schleusers, der bei Passau aufgegriffen worden ist: „Was wollt ihr, wir sind tausende und wir scheißen euch mit Flüchtlingen zu!“ Der Mann hat unreflektiert und drastisch zwei Grundtatsachen benannt. Zum einen die Schlagkraft der Schleuserorganisationen, vor der die Polizeibehörden der Zielländer schon längst kapituliert haben, und den Zustrom der Flüchtlinge nur noch kanalisieren. Zum anderen die ungeheure Zahl der Flüchtlinge, die unsere Gesellschaft bei weitem überfordert. Wir stehen vor der Wahl, entweder unsere Lebensstandards im wesentlichen zu halten, oder aber im Sinne eines immer selbstloseren Teilens unsere Lebensverhältnisse denen in den Herkunftsländern anzunähern. Darüber wird zu reden und zu entscheiden sein.

Kampf um die Pressefreiheit oder politische Kabale?

Die Affäre um den blog netzpolitik.org erhitzt weiterhin die Gemüter. Inzwischen wurde der Generalbundesanwalt vom Bundesminister der Justiz in den einstweiligen Ruhestand versetzt, volkstümlich gesprochen: gefeuert. Die Wogen gehen hoch. Von einem selbstverständlich unerhörten Angriff auf die Pressefreiheit, dieses gewissermaßen konstituierende Grundrecht in einem demokratischen Rechtsstaat, wird landauf. landab geschrieben und gesendet, und man sieht förmlich die Unterlippe des empörten Kommentators vor Erregung beben. Man ergeht sich in – wohlfeilen – Verdammungen des Verfassungsschutzpräsidenten, der ein Ermittlungsverfahren gegen die beiden Journalisten von netzpolitik. org angeregt hat, und noch mehr des inzwischen geschassten Generalbundesanwalts. So gut wie keine Rede ist davon, was denn eigentlich rechtlich inmitten liegt.

Ausgangspunkt war eine Veröffentlichung der beiden Blogger, die vertrauliche, möglicherweise unter Geheimschutz stehende Papiere des Verfassungsschutzes jedermann zum Mitlesen präsentiert hatten. Die Frage, ob dies tatsächlich strafbarer Landesverrat (§ 94 StGB) gewesen sein könnte, interessiert offenbar niemanden. Zur Erinnerung: Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz hatte diesen Vorgang dem Generalbundesanwalt vorgelegt und angeregt zu prüfen, ob hier strafbarer Landesverrat vorliege. Das ist auch seines Amtes. Ebenso war der Generalbundesanwalt verpflichtet, zumindest strafrechtliche Vorermittlungen einzuleiten, was er auch erst einmal getan hat. Nachdem sich in den Medien ein Sturm der Entrüstung erhoben hatte, bekam es der Bundesjustizminister offenbar mit der Angst und machte von seinem Weisungsrecht gegenüber dem Generalbundesanwalt in der Weise Gebrauch, daß er die Einstellung der Ermittlungen verlangte. Die weiteren Einzelheiten sind bekanntlich strittig. Es ist auch relativ gleichgültig, ob und welche Gutachten zu dieser Frage in Auftrag gegeben worden sind, und zu welchem Ergebnis dem Vernehmen nach der ein oder andere Gutachter gelangt sein soll. Entscheidend ist vielmehr, daß die Einleitung von strafrechtlichen Ermittlungen wegen irgend eines Sachverhaltes ein völlig normaler Vorgang ist. Die Staatsanwaltschaft ist eben verpflichtet, solche Ermittlungen anzustellen, sobald ihr eine Strafanzeige vorgelegt oder auch nur ein Vorgang mit der Anregung vorgelegt wird, dessen strafrechtliche Relevanz zu prüfen. Das bedeutet natürlich noch lange nicht, daß die Staatsanwaltschaft diesen Vorgang dann auch zur Anklage bringt. Vielmehr kommt es nicht selten vor, daß die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren einstellt, weil ihres Erachtens kein Tatverdacht besteht, § 170 Abs. 2 StPO. Und selbst wenn sie zu dem Ergebnis kommt, es liege eine strafbare Handlung vor und deswegen Anklage zum zuständigen Gericht erhebt, ist damit noch lange nicht gesagt, daß es auch zu einer Verurteilung kommt. Nicht selten ist ein Gericht dann der Auffassung, es liege eben keine strafbare Handlung vor, anders als die Staatsanwaltschaft meint. Also handelt es sich in jedem Falle um einen völlig normalen Vorgang, den unsere Rechtsordnung so vorsieht. Amerikanisch-flapsig ausgedrückt: So what?!  An Recht und Gesetz gebundene Staatsanwälte und unabhängige Richter sind dazu berufen, über die Strafbarkeit oder Unbedenklichkeit der Handlungen von Bürgern zu befinden. Insbesondere liegt weder in der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens noch in der Durchführung eines Strafprozesses etwas ehrenrühriges. Das ist erst dann der Fall, wenn es zu einer Verurteilung kommt, und dann auch zu Recht.

Das sind alles Binsenweisheiten, und wäre nicht der Rede wert, gäbe es diesen Vorgang nicht. Erst der von Politikern und Journalisten fälschlich als solcher bezeichnete Angriff auf die Pressefreiheit hat diesen Sturm im Wasserglas ausgelöst. Dabei war man sich von taz bis SPIEGEL, von Süddeutscher Zeitung bis WAZ, von ARD bis ZDF nicht zu schade, Parallelen zur SPIEGEL-Affäre von 1962 zu ziehen und vom Angriff auf den demokratischen Rechtsstaat zu faseln. Tatsächlich handelt es sich nur um eine politische Kabale.

Was dieser Geschichte allerdings einen bitteren Beigeschmack gibt, ist der Umstand, daß hier ganz offensichtlich geworden ist, wie in Deutschland mit zweierlei Maß gemessen wird. Man stelle sich nur einen kurzen Augenblick lang vor, bei den Betreibern von netzpolitik.org hätte sich nicht um linksdrehende Journalisten gehandelt, (ein Prädikat, das wohl nicht bezweifelt werden kann) sondern um Journalisten aus dem konservativen oder gar rechten demokratischen Spektrum. Letzteres gibt es entgegen der Propaganda von linksdrehenden Journalisten und Politikern durchaus. Maßstab ist nämlich alleine die Verfassung, die auch Raum für Auffassungen rechts von den Unionsparteien, aber links von der vermutlich verfassungsfeindlichen (was noch nicht gerichtlich entschieden ist) NPD läßt. Hätte also der Generalbundesanwalt gegen Journalisten aus diesem sehr schmalen Sektor der Publizistik ermittelt, so hätte er sich des einhelligen Beifalls von Politik und Medien sicher sein können. Die politisch korrekten Journalisten und ihre politischen Schirmherren (-und Damen natürlich, die hysterische Doppelnull mit der Lizenz zum Dummschwätzen aus Augsburg vorneweg) hätten sich nicht eingekriegt vor Begeisterung darüber, daß die Justiz endlich nicht mehr auf dem rechten Auge blind ist.

Wer glaubt, daß sich dabei doch nur um eine Fiktion oder einen Fantasy-Roman handelt, der irrt. Anfang dieses Jahrhunderts ermittelte das Landesamt für Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen gegen die Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit und erwähnte das in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten. Damit waren das Blatt und seine Redakteure an den Pranger gestellt. Die klagten dann dagegen und bekamen im Jahr 2005 vor dem Bundesverfassungsgericht Recht. Die Verfassungsrichter fanden sehr deutliche Worte für das Vorgehen der nordrhein-westfälischen Verfassungsschützer. Allerdings blieb dieser Vorgang in der breiten Öffentlichkeit völlig unbekannt, weil Politik und Medien darüber den Mantel des Schweigens gebreitet hatten. Lediglich wirkliche Leuchten des Journalismus wie Peter Scholl-Latour und Helmut Markwort warfen sich für ihre Berliner Kollegen in die Schanze.

Was für die Willensbildung in der Demokratie dabei bedenklich ist, ist eben der Umstand, daß die große Masse der Bürger über solche Vorgänge und ihre Hintergründe nicht oder nur irreführend informiert wird, wie der vorliegende Fall netzpolitik.org zeigt.Wer sich nur aus den Tageszeitungen, auflagenstarken Wochenzeitungen sowie Rundfunk und Fernsehen informiert, wird desinformiert. Und das betrifft leider die große Masse der arbeitenden und steuerzahlenden Bürger. Sie werden von Politik und Medien gezielt in die Irre geführt. Der Demokratie ist das alles andere als förderlich.

Wenn das Recht nicht paßt,

dann wird es eben passend gemacht.

Das scheint jedenfalls die Auffassung des Sozialsenators der Freien und Hansestadt Hamburg zu sein. Wie komme ich zu dieser Aussage? Kurz zum Sachverhalt. Im zweifellos noblen Stadtteil Harvestehude der Hansestadt, die von einer Bebauung mit schönen und repräsentativen Wohnhäusern (Villen) geprägt ist, steht seit vielen Jahren das ehemalige Kreiswehrersatzamt leer. Auch die Hansestadt Hamburg steht vor dem Problem, den ständig anschwellenden Strom von Asylbewerbern und Bürgerkriegsflüchtlingen irgendwo unterbringen zu müssen. Da kam dieses große leerstehende Bürogebäude gerade recht, meinte man in der Hamburger Baubehörde und erteilte am 26. September 2014 eine Baugenehmigung für die „öffentlich-rechtliche Unterbringung in Wohneinheiten“ in dem ehemaligen Kreiswehrersatzamt, wonach dort bis zu 220 Personen in 23 Wohneinheiten unterschiedlicher Größe (Wohnflächen von 50 m² bis zu 240 m²) mit zwei,drei, vier, fünf oder acht Zimmern untergebracht werden sollen. Gegen diesen Bescheid erhoben drei Nachbarn Widerspruch und beantragten beim Verwaltungsgericht Hamburg die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Zur Begründung führten sie an, die Nutzung des Gebäudes als Unterkunft für Asylbewerber und Flüchtlinge verändere den Charakter dieses Wohngebiets nachteilig. Sie hätten doch einen Anspruch auf Erhaltung des Gebietscharakters. Diesem Argument folgte das Verwaltungsgericht Hamburg auch mit Beschluss vom 22. Januar 2015. Die Freie und Hansestadt Hamburg sowie der künftige Betreiber des Flüchtlingsheims legten dagegen Beschwerde ein, die das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 28.Mai 2015 zurückwies. Auf absehbare Zeit wird das ehemalige Kreiswehrersatzamt nicht mit Flüchtlingen und Asylbewerbern belegt werden. Auch das Oberverwaltungsgericht ist der Auffassung, daß man es den umliegenden Nachbarn in einem solchen Baugebiet einfach nicht zumuten kann, eine derartige Einrichtung in ihrer unmittelbaren Nähe zu haben. Maßstab für die Zulässigkeit einer solchen Nutzung sei die Gebietsverträglichkeit, bei der es um die Frage gehe, ob ein Vorhaben – unabhängig vom Einzelfall – mit der Eigenart des Gebietes städtebaulich verträglich sei. Das Vorhaben sei gebietsunverträglich, weil es aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirke. Denn die typischerweise bestehende räumliche Enge in einer Flüchtlingsunterkunft werde häufig dazu führen, daß sich die Bewohner nicht nur in den Gemeinschaftsräumen, sondern in größerer Zahl auch im Freien vor der Unterkunft aufhalten würden. Dies sei geeignet, eine Unruhe in das Gebiet zu bringen, die eine erhebliche Auswirkung auf die im besonders geschützten Wohngebiet erstrebte gebietsbezogene Wohnruhe darstelle. Bei diesen Auswirkungen einer Flüchtlingsunterkunft handele es sich auch nicht bloß um wohnähnliche Störungen, die ungeeignet seien, in einem Wohngebiet eine Gebietsunverträglichkeit zu begründen. Denn die Auswirkungen beruhten auf den besonderen Verhältnissen in einer Flüchtlingsunterkunft, die in vergleichbarer Weise in einem Wohngebäude so regelmäßig nicht anzutreffen seien. Dazu gehörten beispielsweise solche Umstände, wie ein mit dieser Nutzung einhergehender gesteigerter Ziel- und Quellverkehr, sowie die Tatsache, daß sich nach der Lebenserfahrung das Leben in dieser Einrichtung vielfach im Freien vor dem Hause abspielen werde, was zu entsprechenden Unzuträglichkeiten führen werde, für die es nicht einmal auf die absolute Geräuschentwicklung ankomme. Das alles sei mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung nicht in Einklang zu bringen, zu der unter anderem die Berücksichtigung der Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen gehöre.

Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht möglich. Deswegen will der Hamburger Senat nun nach den Worten seines Sozialsenators den Bebauungsplan ändern. „Wir werden hier modernes Planrecht schaffen und sind fest entschlossen, so die dauerhafte Unterbringung von 220 Flüchtlingen an der Sophienterrasse zu ermöglichen!“ Also wird das Recht passend gemacht, wenn es nicht paßt. Natürlich wird auch hier die Änderung der einschlägigen Hamburger Bausatzung nicht das letzte Wort sein. Auch gegen Gesetze und Satzungen kann geklagt werden. Den betroffenen Nachbarn wird ja auch nichts anderes übrig bleiben. Derartige Verfahren nehmen auch erhebliche Zeit in Anspruch. Zu wünschen ist, daß bis dahin das Asyl-und Flüchtlingsproblem sich in anderer Weise erledigt hat, am besten dadurch, daß die Probleme in den Herkunftsländern dieser Menschen so gelöst werden, daß sie keinen Grund mehr haben, ihr Heimatland zu verlassen.

Interessant ist allerdings, wie gewisse Politiker, zu denen jener famose Sozialsenator offenbar gehört, über die Rechte ihrer Bürger und Wähler denken. Jener Herr Scheele (SPD) wird mit der Aussage zitiert, es seien ja nur „drei reiche Pinsel“ in Harvestehude, die da Stimmung machten. Damit sind offenbar die drei Antragsteller des erwähnten Verfahrens vor den Hamburger Verwaltungsgerichten gemeint. Daß diese „drei reichen Pinsel“ ersichtlich zu den 10 % der Steuerzahler gehören, die ca. 50 % des Steueraufkommens leisten, und deren Arbeitnehmer neben den öffentlich Bediensteten für die zweite Hälfte aufkommen, scheint dieser Leuchte der Hamburger Politik entweder nicht bewußt oder aber völlig gleichgültig zu sein. Das Verhältnis dieses Mitgliedes der Hamburgischen Landesregierung zur Dritten Gewalt – den Gerichten – scheint ein ganz besonderes zu sein.

Aufschlussreich ist auch der Sprachgebrauch dieses Herrn. Gerade seine politischen Freunde werden nicht müde, ihren politischen Gegnern eine menschenverachtende Sprache vorzuwerfen, wenn sie sich erdreisten, Mißstände beim Namen zu nennen. Wer sich indessen dem Gutmenschentum verweigert, der darf getrost mit abfälligen Vokabeln belegt werden.

Aus einer solchen Haltung spricht auch ein erhebliches Maß an Geringschätzung für solche Bürger, die nicht bereit sind, persönlich jede Zumutung zu tragen, die ihnen von der Politik angesonnen wird. Wenn die Politik uns eben befiehlt, eine sogenannte Willkommenskultur zu entwickeln, und jeden willkommen zu heißen, den wir selbst gar nicht eingeladen haben, dann haben wir eben zu gehorchen. Und wer da glaubt, er könne sich für viel Geld, das er sich in den meisten Fällen auch durch seine Leistung verdient hat, wenigstens ein ruhiges Privatleben kaufen, dem muß klargemacht werden, daß eine solche Haltung nicht geduldet wird. Und wenn das Recht dazu nicht paßt, dann wird es eben passend gemacht. Wenn die Gerichte nicht mitmachen, dann werden eben Gesetze geändert.

Politiker werden gewählt. Vielleicht kommt inzwischen so manchem in Hamburg ein Zitat von Bert Brecht in den Sinn. „Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber.“

Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode

Pressemeldungen ist zu entnehmen, daß die Regierungskoalition sich auf eine Entschädigung früherer sowjetischer Kriegsgefangener verständigt haben soll. Damit folgt sie einem Vorschlag von Linkspartei und Grünen, ehemaligen Soldaten der Roten Armee eine Entschädigung für ihre Kriegsgefangenschaft zu bezahlen. Dem Vernehmen nach werden hierfür 10 Millionen € bereitgestellt. Damit könnten 4000 ehemalige Kriegsgefangene eine Entschädigung von je 2.500,00 € erhalten. Angesichts dieser Meldung ist man versucht, sich mit einem Blick auf den Kalender zu vergewissern, daß das Datum dieser Meldung nicht der 1. April ist.

Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode, läßt Shakespeare den Polonius im zweiten Aufzug des zweiten Aktes seines Hamlet sagen, nachdem er dessen wirres Reden angehört hat. Ist es auch Wahnsinn, so hat es auch Methode, muß man auch angesichts dieser Meldung konstatieren. Denn dieser Vorgang ist nicht nur historisch einmalig. Es ist noch niemals in der Geschichte vorgekommen, daß Kriegsgefangene für ihre Gefangenschaft, nicht einmal für dabei völkerrechtswidrig erlittene Leiden, entschädigt worden sind. Kriegsgefangene gibt es, seitdem es Kriege gibt. Kriegsgefangene hatten leider in aller Regel ein schlimmes Schicksal. Daran haben auch die internationalen Abkommen von 1929 und 1949 über die Behandlung von Kriegsgefangenen wenig geändert. Insbesondere der Zweite Weltkrieg, der zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion ausdrücklich als Weltanschauungskrieg geführt worden ist, in dem die üblichen Kriegsregeln keine Geltung hatten, auch nicht völkerrechtlich verbindliche Abkommen, hat für die Kriegsgefangenen, namentlich die deutschen und die sowjetischen, unermeßliche Leiden mit sich gebracht. Aber auch das Los der Kriegsgefangenen anderer Parteien dieses Krieges war häufig nicht besser, insbesondere, wenn man an den asiatischen Kriegsschauplatz denkt. Wenn man in diesem Zusammenhange alleine die Japaner für Völkerrechtsverstöße und Kriegsverbrechen verantwortlich machen wollte, so wäre das schlicht unhistorisch.

Betrachtet man die Art und Weise, in der gegenwärtig im Nahen Osten Krieg geführt wird, fragt man sich, wozu es überhaupt eine internationale Rechtsordnung und ein Kriegsvölkerrecht gibt.

In keinem einzigen Falle sind jedoch nach einem Kriege, sei es unmittelbar danach oder Jahre und Jahrzehnte später, Kriegsgefangene für ihre Gefangenschaft als solche und/oder für die dabei erlittenen Leiden entschädigt worden. Es bleibt wohl den deutschen Politikern und ihren Stichwortgebern vorbehalten, eine solche Neuerung in das Völkerrecht einzuführen. Denn es wäre mehr als naiv anzunehmen, daß eine solche Entschädigung nicht als völkerrechtlicher Präzedenzfall gewertet werden würde. Aber auch insoweit bleibt es offenbar deutschen Politikern und Völkerrechtlern vorbehalten, auf der internationalen Bühne den Candide zu geben. Insofern bleibt es abzuwarten, wie sich andere Nationen zu diesem in der Tat einmaligen Vorgang stellen werden. Ob wir ausgesprochene Ablehnung oder auch gar nichts hören werden: selbst das Schweigen der übrigen Welt auf diesen Vorgang wäre ein dröhnendes Schweigen. Denn es ist schlechterdings nicht vorstellbar, daß irgend ein anderer Staat auf dieser Erde sich auch nur rechtsgrundsätzlich zu einer derartigen Entschädigung von Kriegsgefangenen herbeilassen würde. Denn das würde ja voraussetzen, daß er davon ausgehen würde, selbst das Völkerrecht gebrochen zu haben. Ein solches „mea culpa!“ ist für alle anderen Staaten dieser Erde kein politisches Handlungsmuster, sondern bleibt den Bundesdeutschen und dem Stufengebet im katholischen Meßritus vorbehalten.

Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode. Methode insoweit, als sich die vorgeblichen deutschen Eliten mit der Erbsünde des nationalsozialistischen Deutschland behaftet sehen, und sich in ihrer Bußfertigkeit darob immer heftiger geißeln. Uns Bürgern bleibt angesichts kollektiven Wahns unserer Politiker nichts anderes, als dem Zug der Flagellanten kopfschüttelnd zuzusehen.

8.Mai 2015 – Eine Nachbetrachtung

Die Gedenkfeierlichkeiten zum 70. Jahrestag des Kriegsendes in Europa sind nun vorbei. Die Kinder und Enkel der Generation, die den Zweiten Weltkrieg erlebt und erlitten hat, haben das Ende dieses Krieges gefeiert, soweit sie den damals siegreichen Völkern angehören. Die Deutschen, jedenfalls ihre politische Klasse, haben auch dieses Tages gedacht. Mangels großer öffentlicher Feierlichkeiten hat eine nennenswerte Beteiligung der Bürger nicht stattgefunden.

Es ist sicher angemessen, wenn Deutschland, das diesen Krieg nun einmal verloren hat, diesen Tag nicht mit Militärparaden und Lobreden auf die Helden des Krieges begeht. Inwieweit allerdings der Bombast, den die russische Administration entfalten ließ, dem Ernst des Ereignisses angemessen ist, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden. Denn wir sollten nicht andere kritisieren. Kritisieren muß man indessen, was die politische Klasse unseres Landes für die angemessene Würdigung dieses Ereignisses hält.

Am 8. Mai 1945 endete in Europa der bis dahin – und hoffentlich auch für immer – größte Krieg der Menschheitsgeschichte. In diesem Krieg sind von den insgesamt etwa 18,2 Millionen kämpfenden deutschen Soldaten etwa 5,3 Millionen gefallen. Etwa 11 Millionen deutsche Soldaten gerieten in Kriegsgefangenschaft, davon kamen etwa 1,6 Millionen in den Gefangenenlagern oder schon auf dem Marsch dorthin um ihr Leben, viele mußten jahrelang völkerrechtswidrig Zwangsarbeit leisten.

Erstmals in der neueren Geschichte wurde der Krieg auch gezielt gegen die Zivilbevölkerung geführt. Allein der Bombenkrieg der Alliierten gegen deutsche Städte kostete etwa 600.000 Menschen das Leben, weitere ca. 400.000 Zivilisten kamen in den Endkämpfen vorwiegend im Osten ums Leben, die meisten davon durch Kriegsverbrechen der Roten Armee.

Natürlich forderte auch das nationalsozialistische Regime Millionen von Opfern. Doch davon soll an dieser Stelle einmal keine Rede sein. Das ist jedem ohnehin bewußt.

Was mir äußerst unangenehm aufgefallen ist, das ist die Tatsache, daß die deutschen Politiker ein ausdrückliches Gedenken an die gefallenen Soldaten, in den Lagern umgekommenen Kriegsgefangenen und der alliierten Kriegführung zum Opfer gefallenen Zivilpersonen nicht für angebracht gehalten haben. Man hat den Bundespräsidenten zwar mit ehemaligen russischen Kriegsgefangenen gesehen. Man hat auch eine Ehrenwache der Bundeswehr an einem Denkmal für ermordete russische Kriegsgefangene gesehen. Der Präsident des Bundestages hat in der Gedenkstunde zum 70. Jahrestag des Kriegsendes ausdrücklich „der Millionen Opfer eines beispiellosen Vernichtungsfeldzugs gegen andere Nationen und Völker, gegen Slawen, gegen die europäischen Juden“ gedacht. Angesichts dessen, was geschehen ist, hat er es als geradezu erstaunlich empfunden, „daß unser Land trotz seiner Schuld aufgefangen wurde, von den Europäern, von Nachbarn, über die es so unvorstellbar großes Leid gebracht hatte“. Schuld haben also die Deutschen, nicht die Nazis. Als Redner für die Gedenkstunde hatte man sich den Historiker Heinrich August Winkler eingeladen, dessen wissenschaftliche Arbeit am besten mit dem Titel seines bekannten Hauptwerks: „Der lange Weg nach Westen“, den seines Erachtens Deutschland nach dem 8. Mai 1945 gegangen ist, gekennzeichnet wird. Demgemäß hat Winkler – erwartungsgemäß – auch davon gesprochen, Deutschland habe bis weit in das 20. Jahrhundert hinein, auf jeden Fall bis zum Zweiten Weltkrieg, an der Entwicklung des Westens mit den Ideen der Aufklärung, die die französische Revolution getragen hätten, und den Ideen der unveräußerlichen Menschenrechte, der Volkssouveränität und der  repräsentativen Demokratie, wie sie in der amerikanischen Revolution von 1776 zum Tragen gekommen seien, nicht teilgenommen. Dies, obgleich es doch an den Emanzipationsprozessen vom Mittelalter über die Frühe Neuzeit, vom Humanismus über die Reformation zur Aufklärung teilgenommen und sie entscheidend mitgeprägt habe. Schon diese Analyse für sich ist bemerkenswert. Noch bemerkenswerter wird sie allerdings mit Blick auf die Grundrechtsbestimmungen der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919. Dort ist zum Beispiel in Art. 100 bereits der Gleichheitssatz formuliert, in Art. 113 werden gerade den nationalen Minderheiten alle Rechte garantiert, die auch das Mehrheitsvolk nach der Verfassung hat, in Art. 114 die Unverletzlichkeit der Freiheit der Person und das Rechtsstaatsprinzip festgehalten, und in Art. 135 das Grundrecht der Glaubens-und Gewissensfreiheit festgeschrieben. Nur auf der Grundlage dieser unzutreffenden Analyse ist es wohl möglich, wie Winkler anzunehmen, erst mit dem 8. Mai 1945 sei es für die Deutschen möglich geworden, an der Entwicklung der westlichen Demokratien teilzuhaben. Daß eine Reihe von Greueltaten, die sich deutsche Streitkräfte im Verlaufe dieses Krieges zuschulden kommen ließen ebenso wie der Holocaust einen breiten Raum in seiner Rede eingenommen haben, überrascht nicht weiter. Die Konsequenz aus der Geschichte kann für Winkler daher nur sein, daß Deutschland sich außenpolitisch eng an die westlichen Demokratien, in erster Land Linie natürlich an die USA anschließt. Aktuell dann wohl vor allem für die Politik gegenüber Russland.

Daß die deutsche politische Klasse das Gedenken an Leistung und Leid unserer Soldaten, an die Schrecken des Krieges gerade für das eigene Volk, völlig ausschließt, ist eigentlich unfaßbar. Auch die militärischen Leistungen der deutschen Soldaten, die sonst überall in der Welt bewundert werden, hätten hier erwähnt werden müssen. Durchaus auch mit dem Hinweis auf die Tragik, die darin begründet liegt, daß diese Leistungen im Dienst eines verbrecherischen Regimes, aber auch gegen Ende des Krieges in der Absicht, dem eigenen Volk Schlimmeres zu ersparen, erbracht worden sind.

Die Politiker aller anderen betroffenen Staaten und Völker haben ihrer gefallenen Soldaten und Ziviltoten gedacht und ihren Soldaten für ihren Einsatz und ihre Tapferkeit gedankt. Für die damaligen Sieger des Krieges ist sicherlich auch die Form der Militärparade die angemessene Art und Weise des Gedenkens. Dem Lande, das diesen Krieg verloren und dessen Soldaten und Bevölkerung darunter so unendlich gelitten haben, ist eine solche Form des Gedenken nicht angemessen. Wohl aber eine würdige, die breite Öffentlichkeit einschließende Form des Gedenkens, die vor allem auch – immerhin geht es um einen Krieg – Leistung und Leiden ihrer Soldaten angemessen würdigt. So hätte man die Friedhöfe, auf denen sowohl unsere Soldaten als auch unsere zivilen Toten ihre letzte Ruhe gefunden haben, aufsuchen können, um dieser Toten zu gedenken und sie zu ehren. Die Abordnung von Ehrenformationen der Bundeswehr wäre ein ebenso angemessenes selbstverständliches Zeichen der Verbundenheit mit unseren Kriegstoten und ihrer Wertschätzung gewesen. Für die Politiker in Berlin hätte es eine Reihe von Orten gegeben, die sich für ein öffentliches Gedenken dieser Art eignen. Zum Beispiel den großen Friedhof in Halbe bei Berlin, der zur letzten Ruhestätte für tausende Soldaten und Zivilisten geworden ist, die in den letzten Kriegstagen ihr Leben verloren haben.

Eine zentrale Gedenkveranstaltung im Plenarsaal des Reichstages, in der unsere gefallenen Soldaten und ermordeten Landsleute nicht vorgekommen sind, spiegelt die Geisteshaltung unserer politischen Klasse wieder. Symptomatisch ist auch der Ort dieser Veranstaltung. Man ist nicht nur inhaltlich unter sich geblieben.

Die Deutschen wollten ihre Vergangenheit bewältigen. Nun hat ihre Vergangenheit sie überwältigt.

 

Sühne ohne Schuld

 

Dresden BombenkriegAm 8. Mai 1945 endete der II. Weltkrieg in Europa. In Asien erst am 2. September, was in Deutschland gewöhnlich unter den Tisch fällt. Kampfhandlungen, Kriegsverbrechen und Völkermord hatten ca. 65 Millionen Menschen das Leben gekostet. Dieser Krieg war in jeder Hinsicht anders, schrecklicher und monströser als alle Kriege zuvor.

Der Krieg nach dem Krieg:

Neuartig, wenn auch mit einem vergleichsweise blassen Vorläufer in Gestalt der Pariser Vorortverträge nach dem I. Weltkrieg war aber auch die Brandmarkung und Verdammung der Verlierer dieses Krieges. Konnten die Kriegsparteien nach dem Ende des 30-jährigen Krieges, der in Mitteleuropa ca. 5 Millionen Menschenleben gefordert und zu bis dahin nicht erlebten Verwüstungen geführt hatte, sich in den Friedensverhandlungen auf Augenhöhe begegnen, so fanden nach dem Ende dieses Krieges erst gar keine Friedensverhandlungen mehr statt. Legte Art. II des Vertrages von Osnabrück 1648 noch fest:

„Beide Seiten gewähren einander immerwährendes Vergessen und Amnestie alles dessen, was seit Beginn der Kampfhandlungen an irgendeinem Ort und auf irgendeine Weise von dem einen oder anderen Teil, hüben wie drüben, in feindlicher Absicht begangen worden ist…“,

so wurden die Verlierer des II. Weltkrieges vor Tribunale gestellt und dafür bestraft, daß sie nicht nur große und scheußliche Verbrechen in diesem Kriege begangen hatten, sondern vor allem dafür, daß sie diesen Krieg alleine verschuldet hätten. Doch damit nicht genug. Sie sollten auch lernen, daß sie für alle Übel dieses Krieges und seiner Begleiterscheinungen verantwortlich waren und einsehen, daß ihr Volkscharakter einer nachhaltigen Umformung bedurfte. Schließlich hatte der die Deutschen angeblich geradewegs nach Auschwitz geführt.

Die Vorstellungen der Alliierten waren unmißverständlich in der Direktive der Vereinigten Stabschefs Nr. 1067 vom April 1945 festgelegt, die dem Oberbefehlshaber der US-Besatzungstruppen aufgab, wie er sein Amt zu führen habe. Zu Beginn dieser Weisung werden die grundlegenden Ziele der Militärregierung in Deutschland formuliert. Dort heißt es unter anderem:

„Es muß den Deutschen (nicht etwa den Nazis, der Verfasser) klargemacht werden, daß Deutschlands rücksichtslose Kriegführung und der fanatische Widerstand der Nazis die deutsche Wirtschaft zerstört und Chaos und Leiden unvermeidlich gemacht haben, und daß sie nicht der Verantwortung für das entgehen können, was sie selbst auf sich geladen haben. Deutschland wird nicht besetzt zum Zwecke seiner Befreiung, sondern als ein besiegter Feindstaat…Das Hauptziel der Alliierten ist es, Deutschland daran zu hindern, je wieder eine Bedrohung des Weltfriedens zu werden…“

Daß es um ein weit in die Zukunft wirkendes und die politisch-kulturellen Grundlagen der Nation nachhaltig gestaltendes Programm ging, erhellt aus dem Kapitel Erziehung, wo es unter anderem heißt:

„Ein koordiniertes Kontrollsystem über die deutsche Erziehung und ein bejahendes Programm der Neuausrichtung sollen aufgestellt werden, um die nazistischen und militaristischen Lehren völlig auszurotten und die Entwicklung demokratischen Gedankenguts zu fördern.“

Überflüssig zu sagen, daß die Definition der Begriffe demokratisch, militaristisch und nazistisch natürlich der Militärregierung vorbehalten war. Die mit dem Beginn des Kalten Krieges notwendig gewordene Wiederbewaffnung der Deutschen führte allerdings gerade zum Thema „Militarismus“ zu gewissen Zielkonflikten und Erklärungsnöten, die zu allerhand semantischen und rhetorischen Verrenkungen zwangen. Aber das ist ein anderes Thema.

Zwischen Selbstachtung und Unterwerfung:

Es ist an sich erstaunlich, daß ein Teil der Eliten in Deutschland das umgehend akzeptiert und umgesetzt hat, noch erstaunlicher, daß der Anteil dieser Leute heute so hoch ist, daß man nahezu von einer allgemeinen Überzeugung der Deutschen sprechen kann, Deutschland trage die alleinige Schuld am II. Weltkrieg und habe dafür auch heute noch geradezustehen. Deswegen hält sich zum Beispiel der Widerspruch in Grenzen, wenn der Bundespräsident unbegründete oder längst erledigte Wiedergutmachungsforderungen der Griechen für verständlich erklärt und dazu auffordert darüber nachzudenken, wie man das geschehene Unrecht wiedergutmachen könnte.

Unmittelbar nach dem Krieg war diese einseitige Schuldzuschreibung, dazu noch nicht beschränkt auf Hitler und seine Paladine, keineswegs allgemein akzeptiert. Insbesondere das Ansinnen der Alliierten, die Deutschen sollten einsehen, daß sie in ihrer Gesamtheit schuldig geworden seien, wurde auch von maßgeblichen Persönlichkeiten aus den Bereichen Kirchen, Politik und Wissenschaften zurückgewiesen. So wandte sich der Philosoph Karl Jaspers bereits 1946 gegen die Behauptung einer Kollektivschuld der Deutschen. Ein Volk könne nie als Ganzes angeklagt werden, da Verbrecher immer nur der Einzelne sei. Ein Volk könne aber auch nie als Ganzes moralische Schuld tragen, da es keine allgemein verbindende Moral oder Unmoral eines ganzen Volkes gebe. Der mutige Kämpfer gegen den nationalsozialistischen Ungeist, Clemens August Kardinal Graf von Galen, prangerte bereits am 1. Juli 1945 in einer Predigt die Unhaltbarkeit der kollektiven Verdammung des deutschen Volkes an:

„Es ist eine Verleumdung der Gerechtigkeit und der Liebe, wenn man uns alle, jeden deutschen Menschen, für mitschuldig an jenen Verbrechen und darum für strafwürdig erklärt. Die unvermeidlichen Kriegsfolgen, das Leid um unsere Toten, um unsere zerstörten Städte, Wohnungen und Kirchen wollen wir annehmen und mit Gottes Hilfe geduldig tragen. Nicht aber ungerechte Beschuldigung und Bestrafung für Geschehnisse, unter deren Willkür, Ungerechtigkeit und Grausamkeit wir selbst lange Jahre geseufzt und schwer gelitten haben.“

Im Namen der überwiegenden Mehrheit der Deutschen konnte Bundeskanzler Konrad Adenauer dann auch im Deutschen Bundestag am 27.September 1951 erklären:

„Das deutsche Volk hat in seiner überwiegenden Mehrheit die an den Juden begangenen Verbrechen verabscheut und hat sich an ihnen nicht beteiligt. Es hat in der Zeit des Nationalsozialismus im deutschen Volke viele gegeben, die mit eigener Gefährdung aus religiösen Gründen, aus Gewissensnot, aus Scham über die Schändung des deutschen Namens ihren jüdischen Mitbürgern Hilfsbereitschaft gezeigt haben.“

Anders dagegen die führenden Repräsentanten der Evangelischen Kirche in Deutschland. In dem „Stuttgarter Schuldbekenntnis“ vom Oktober 1945 heißt es:

„… als wir uns mit unserem Volk nicht nur in einer großen Gemeinschaft der Leiden wissen, sondern auch in einer Solidarität der Schuld. Mit großem Schmerz sagen wir: Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden. Was wir unseren Gemeinden oft bezeugt haben, das sprechen wir jetzt im Namen der ganzen Kirche aus: Wohl haben wir lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft, der im nationalsozialistischen Gewaltregiment seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat; aber wir klagen uns an, daß wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“

Wer seine Opposition zum Regime nicht soweit getrieben hat, daß er selbst deswegen ermordet wurde, der ist eben schuldig geworden. Die neuen Herren werden das zufrieden zur Kenntnis genommen haben. Angesichts der Fakten, auf die wir anschließend näher eingehen werden, ist diese Erklärung jedoch überraschend. Das wurde auch in der Vergangenheit nicht überall in der EKD so gesehen. Der evangelische Theologe Prof. Walter Künneth wandte sich gegen die Kollektivschuldthese und führte aus:

„Zum Volk gehören ja auch immer die politisch Unbeteiligten, wie die Kinder, die Kranken, die alten Menschen, aber auch die Menge derer, welche eine spezielle politische Einsicht und Urteilsmöglichkeit gar nicht besitzen können und darum ohne Schuld zu Instrumenten der politischen Beeinflussung werden. Es widerspricht dem Sinn des geschichtlichen und volkhaften Lebens wie auch der Forderung der Gerechtigkeit und Billigkeit, wollte man all diese Millionen eines Volkes als politisch verantwortlich und schuldig an Unheilstaten der Herrschenden deklarieren.“

Haben die Deutschen Krieg und Holocaust gewählt?

Es ist in der Tat denknotwendig falsch, ein ganzes Volk für die Verbrechen seiner Führung, zumal einer diktatorischen Führung, in die moralische, geschweige denn juristische Haftung zu nehmen. Es findet aber auch gerade im Falle Deutschlands und der Ereignisse des II. Weltkrieges keine Begründbarkeit in den Fakten. Zunächst muß beachtet werden, daß Hitler und die NSDAP in freien Wahlen niemals auch nur annähernd die absolute Mehrheit der Stimmen erreicht haben. Bei den letzten freien Reichstagswahlen erhielt die NSDAP 33,1 % der Stimmen. Zur Regierungsbildung war eine Koalition mit anderen Parteien und Kräften erforderlich. Selbst bei der letzten Wahl, zu der andere Parteien als die NSDAP zugelassen waren, allerdings massiv in ihren Rechten beschnitten worden waren, erhielt sie „nur“ 43,9 % der Stimmen. Doch auch diese 33,1 % bzw. 43,9 % der Wähler konnten nicht ahnen, was in den nächsten Jahren auf sie zukommen würde. Entgegen dem Eindruck, den „politisch korrekte“ Kreise erwecken wollen, war weder im (sehr knappen) Parteiprogramm der NSDAP noch in Hitlers „Mein Kampf“ die Rede davon, daß man beabsichtige, den II. Weltkrieg zu beginnen und die Juden auszurotten. Das Parteiprogramm enthielt zwar antisemitische Passagen, unter anderem die Forderung, Juden von bestimmten Berufen auszuschließen. Hitlers Buch ist natürlich entschieden antisemitisch und beschreibt programmatisch den Weg des deutschen Volkes zur Großmacht in Europa, die es seines Erachtens werden müsse, wenn es nicht untergehen wolle. Eine Absicht, etwa die Sowjetunion angreifen zu wollen, wird dort nicht bekundet. Die einschlägigen Äußerungen auf Seite 721 formulieren vielmehr die Erwartung, daß die Sowjetunion zusammenbrechen und somit Raum für die deutsche Besiedelung entstehen werde. Auch die dokumentierten Wahlreden Hitlers lassen jedenfalls für ihre Zuhörer nicht erkennen, daß Hitler alles das zu tun gedachte, was er später tatsächlich getan hat. Nur wenn man mit der heute möglichen Kenntnis der Ereignisse an diese Texte herangeht, kann man sie im Nachhinein dahingehend interpretieren, daß genau diese Dinge beabsichtigt waren. Seine Wähler erwarteten von Hitler schlicht ein besseres Leben, Arbeit und Brot, sowie die Revision des in der Tat nicht nur als ungerecht empfundenen Versailler Vertrages.

Antisemitismus in der Geschichte und seine heutige Wahrnehmung: 

Der wüste Antisemitismus der Nazis war im übrigen seinerzeit keineswegs einzigartig. Vielmehr war er in mehr oder weniger radikaler Form in Europa allgegenwärtig. Er war auch in Deutschland gewissermaßen salonfähig. Selbst unter den Unterzeichnern des Stuttgarter Schuldbekenntnisses der EKD waren Persönlichkeiten, die sich mit derartigen Äußerungen hervorgetan hatten. Dazu gehörte Martin Niemöller, der im I. Weltkrieg U-Bootkommandant gewesen war, danach aus Protest gegen die demokratische Entwicklung in Deutschland seinen Abschied nahm, 1920 Kommandeur eines Freikorpsbataillons wurde und seit 1924 NSDAP wählte. Sein späterer Bruch mit dem Nationalsozialismus war theologisch, nicht politisch begründet, so daß er noch nach seiner Verurteilung zu einer Haftstrafe wegen seiner oppositionellen Haltung bei Kriegsbeginn 1939 Hitler persönlich um das Kommando über ein U-Boot bat, um seinen patriotischen Pflichten nachkommen zu können. Seinen Namen trägt in Nürnberg noch heute eine Kirche; mehrere Schulen in Deutschland und 38 Straßen sind nach ihm benannt. Dies ungeachtet seiner nachstehend zitierten Äußerung:

„Wir sprechen vom ewigen Juden und schauen das Bild eines unsteten Wanderers, der keine Heimat hat und keinen Frieden findet; und wir schauen das Bild eines hochbegabten Volkes, das Ideen über Ideen hervorbringt, um die Welt damit zu beglücken; aber was es auch beginnt, verwandelt sich in Gift; und was es erntet, ist immer wieder Verachtung und Haß, weil je und dann die betrogene Welt den Betrug merkt und sich auf ihre Weise rächt. „Auf ihre Weise“: denn wir wissen wohl, daß es keinen Freibrief gibt, der uns ermächtigte, dem Fluch Gottes mit unserem Haß nachzuhelfen.“ 

Ein weiterer Unterzeichner dieses Stuttgarter Schuldbekenntnisses, Bischof Hans Meiser, setzte sich zwar mutig für die Juden ein und rettete mehr als hundert von ihnen das leben, mußte sich jedoch 50 Jahre nach seinem Tod wegen vergleichsweise harmloser Äußerungen zum Judentum vor den Tribunalen der political correctness verantworten. Auf Betreiben eines Nürnberger Stadtrates wurde die nach ihm benannte Straße in der Altstadt (mit den Stimmen der CSU) ebenso umbenannt wie das in München auf Betreiben linker Politiker geschah. Es lohnt sich, auch seine Äußerungen zu zitieren:

„Die kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen, die wir den Juden zu verdanken haben, sollen voll anerkannt werden. Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß der jüdische Geist für uns etwas Wesensfremdes hat und daß sein Umsichgreifen zum allergrößten Schaden für unser Volk wäre. Es ist oft betont worden, daß der jüdische Verstand etwas Zersetzendes, Ätzendes, Auflösendes in sich hat. Er ist kritisch zersetzend, nicht kontemplativ, konstruierend, produktiv. Das ist von jüdischer Seite selbst anerkannt, wenn der Jude Abraham Geiger im Hinblick auf Börne und Heine schreibt: „Es ist jüdischer Geist, der in ihnen lebendig ist, der sprudelnde, zersetzende, witzige, weniger positiv aufbauende, aber Ferment hineinbringende in den stockphiliströsen, zähen, trockenen, deutschen Geist:“ 

Vor der Entnamung in Nürnberg und München konnte ihn auch nicht bewahren, daß er die Widerstandskämpfer aus dem „Kreisauer Kreis“ unterstützt hatte.

Von guten und bösen Antisemitisten:

Man fragt sich natürlich, warum Niemöller weiterhin unangefochten die Ehre der Altäre zuteil wird, weil keine der nach ihm benannten Kirchen, Schulen und Straßen bisher umbenannt worden ist, Meiser hingegen in München und Nürnberg – in anderen bayerischen Städten sind solche Entnamungsaktionen gescheitert – an den Pranger gestellt worden ist. Und es bedeutet zweifellos eine Herabsetzung des Ansehens, wenn einer historischen Persönlichkeit nachträglich die Ehre genommen wird, als Namensgeber einer Straße wahrgenommen zu werden. Wenn demgegenüber der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die auf die Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts gestützte Klage der Nachkommen des Entehrten mit der Begründung abgewiesen hat, die Benennung von Straßen habe lediglich rein ordnungspolitischen Charakter und diene nicht zum Schutz der Ehre von namensgebenden Personen, dann hat er sich damit schlicht um die Entscheidung darüber herumgedrückt, ob diese Entnamung das postmortale Persönlichkeitsrecht des Landesbischofs Meiser berührt, und vor allem seine Worte und Taten in ihrer Gesamtheit dies rechtfertigen oder nicht. Wer dahinter die Angst der Richter vermutet, mit einer Entscheidung in der Sache, also gegründet auf die rechtliche Beurteilung der Leistungen und Fehlleistungen des Verstorbenen, sich dem shitstorm der politisch korrekten Zeitgenossen auszusetzen, dürfte in Ansehung der bundesrepublikanischen Befindlichkeiten nicht ganz falsch liegen. Niemöller dürfte unanfechtbar geworden sein, weil er sich nach dem II. Weltkrieg angesichts der Existenz von Atomwaffen zum radikalen Pazifisten und Gegner der Bundeswehr entwickelt hat. Das kompensiert in den Augen der politisch korrekten Zeitgenossen unseres Landes offenbar selbst die Unterstützung der NSDAP und antisemitische Äußerungen. Meiser hingegen hat derartiges nicht vorzuweisen, sich jedoch nach dem Kriege unter anderem für verurteilte Kriegsverbrecher eingesetzt und die amerikanische Siegerjustiz kritisiert.

Die Schuld der Unwissenden und Ohnmächtigen:    

Weder Niemöller noch Meiser konnten auch nur ahnen, welch furchtbare Konsequenz Hitlers Judenhass dereinst haben werde. Das gilt es recht für die Masse der einfachen Leute, die von Hitler einfach eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse und die Revision des nicht nur als ungerecht empfundenen Versailler Vertrages mit seinen drückenden Reparationen und demütigenden Restriktionen erwarteten. Als dann tatsächlich der Krieg begann, gab es schon lange keine Wahlen mehr, erst recht nicht, als die planmäßige Vernichtung der Juden ins Werk gesetzt wurde. Hinzu kommt, daß diese unter schärfster Geheimhaltung und dazu noch in für „Normalsterbliche“ unzugänglichen Gegenden der eroberten Ostgebiete stattfand. Wenn gewisse Historiker darauf abheben, daß vielfach unter den Augen der Bevölkerung, teilweise auch (leider) unter ihrem Beifall, Juden deportiert wurden, so muß man dabei beachten, daß dies dem Volk als „Umsiedlung“ dargestellt wurde. Welches Schicksal diesen Menschen wirklich zugedacht war, machten die Nazis der Bevölkerung gerade nicht klar. Vielmehr galt auch hierfür der berüchtigte Geheimhaltungsbefehl Nr. 1 des Diktators, wonach niemand mehr wissen durfte, als er für die Erfüllung der eigenen Aufgabe unbedingt wissen mußte. Wer sich über dieses Thema näher informieren will, dem sei die Lektüre der einschlägigen Bücher von Konrad Löw empfohlen, der freilich in den Augen der „politisch korrekten“ Historiker, Journalisten und Politiker ein Diener Satans ist, dessen Bücher man dem Bürger möglichst vorenthalten muß.

Wofür haben unsere Vorfahren gesühnt? Wofür sollen wir sühnen? Schuldig werden kann nur der Täter, nicht aber sein Werkzeug, denn dieses, auch wenn es aus Fleisch und Blut ist, handelt nicht selbst und aus eigenem Antrieb, sondern es wird benutzt. Deswegen erklärte Papst Benedikt XVI. anläßlich seines Besuchs in Auschwitz-Birkenau am 28. Mai 2006, er sei hierhergekommen „als Sohn des Volkes, über das eine Schar von Verbrechern mit lügnerischen Versprechungen, mit der Verheißung der Größe, des Wiedererstehens der Ehre der Nation und ihrer Bedeutung, mit der Verheißung des Wohlergehens und auch mit Terror und Einschüchterung Macht gewonnen hatte, so daß unser Volk zum Instrument ihrer Wut des Zerstörens und des Herrschens gebraucht und mißbraucht werden konnte.“

Am Maßstab dieser Worte des emeritierten Papstes aus Deutschland wollen wir die Reden und Artikel messen, die in diesen Tagen in großer Zahl regierungsamtlich wie publizistisch die Medien überfluten werden, denn zum 70ten Jahrestag des Kriegsendes in Europa will ja niemand abseits stehen wenn es darum geht, die endgültige Deutung der Geschichte vorzunehmen, die ja nur heißen kann: Sühnt Eure Schuld!

 


Bedingt abwehrbereit

 

Unter dieser Überschrift veröffentlichte das Hamburger Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL am 10.10.1962 einen Artikel über das soeben zu Ende gegangene NATO-Manöver „Fallex 62“. Die Verfasser, darunter der kriegsgediente Fallschirmjägerleutnant Conrad Ahlers, berichteten darin über erhebliche Mängel der Verteidigungsplanung des westlichen Bündnisses und über einen geradezu katastrophalen Zustand der Bundeswehr. (War eigentlich gerade mal sechs Jahre nach der Aufstellung dieser Armee gewissermaßen aus dem Nichts etwas anderes zu erwarten?) Das löste zunächst die sogenannte SPIEGEL-Affäre aus, über die an dieser Stelle nichts gesagt werden soll, obgleich es auch dazu einiges zu sagen gäbe. In der Folgezeit kam es jedoch zur Änderung der NATO-Doktrin, weg von der massive retaliation hin zur flexible response. Vor allem aber wurden Organisation und Ausrüstung der Bundeswehr erheblich verbessert. Unter anderem führte der erkannte Mangel an Offizieren und Unteroffizieren für die mobil gemachten Truppenteile zur Entwicklung und Umsetzung einer Reservistenkonzeption. Diese Armee hatte sich in der Zeit des Kalten Krieges zu einer durchaus ansehnlichen Truppe entwickelt, trotz aller Mängel.

Mehr als 50 Jahre nach Fallex 62 muß man jedoch feststellen, daß ein Zustandsbericht über die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr erneut unter der Überschrift „Bedingt abwehrbereit“ erscheinen müßte, eher noch mit „Nicht abwehrbereit“ überschrieben werden sollte. Denn in diesen Tagen häufen sich die Meldungen über Mängel und Lieferverzögerungen von Großgerät wie Luftfahrzeugen, Kriegsschiffen und Gefechtsfahrzeugen.  Eine kurze Übersicht, basierend auf Medienberichten, die aber wegen ihrer relativ übereinstimmenden Berichterstattung einigermaßen glaubhaft erscheinen:

Der A 400 M sollte eigentlich schon seit Jahren die Transall aus den 60er Jahren abgelöst haben. zur Zeit rechnet man mit der Einsatzfähigkeit 2019. Ob bis dahin alle Mängel abgestellt sein werden, wird sich weisen.

Von den bisher mit ca. zwei Jahrzehnten Verspätung ausgelieferten 109 Eurofightern sind dem Vernehmen nach nur 42 einsatzbereit.

Der Kampfhubschrauber Tiger fliegt inzwischen zwar auch in der Truppe, muß aber alle 25 Flugstunden in die Inspektion. Meistens kann er nicht geflogen werden, denn Ende 2014 waren nur 11% der Maschinen startklar.

Nicht besser steht es um die Einsatzbereitschaft des Transporthubschraubers NH 90. Er steht derzeit überhaupt am Boden, im vergangenen Jahr waren durchschnittlich nur 17,45 % der Maschinen einsatzbereit.

Wenig gutes hört man auch von der Marineversion MH 90. So soll das vorgesehene Leistungsspektrum nicht erreicht werden.

Kaum weniger Freude machen der Bundesmarine ihre neuen U-Boote der Klasse 212 A. Es scheint, als seien Vorserienmodelle zu Entwicklungszwecken ausgeliefert worden.

Die fünf neuen Korvetten der „Braunschweig“-Klasse sind nicht nur verspätet und, wen wundert’s noch, wesentlich teurer als bestellt ausgeliefert worden, nein, die stolzen Schiffe haben auch allerhand Gebresten, vom untauglichen Getriebe bis zum Schimmel in der Klimaanlage.

Das Gruppenfahrzeug der Infanterie „Boxer“, von dem überhaupt nur kümmerliche 180 Stück an die Truppe ausgeliefert worden sind, kommt wohl ebenfalls aus den Kinderkrankheiten nicht heraus. Lediglich 70 Fahrzeuge können genutzt werden, die restlichen 110 sind in der Instandsetzung.

Der Nachfolger des SPz Marder wird ziemlich verloren in den Hallen und auf den Übungsplätzen herumstehen, denn statt der ursprünglich geplanten 1.000 Gefechtsfahrzeuge werden nur 350 angeschafft. Über die Mängel bei einsatzwichtiger Elektronik kann man aber hinwegsehen, denn im hinteren Kampfraum können auch hochschwangere Soldatinnen ihren Gefechtseinsatz absolvieren. Das paßt ja gut in das Attraktivitätsprogramm der Frau Verteidigungsministerin.

Die mangelnde Präzision des Standard-Sturmgewehrs G 36 unter Hitzebedingungen wird inzwischen von diversen Ausschüssen untersucht. Es gibt Berichte, wonach der Hersteller nach Auslieferung der Waffe an die Truppe das Material der Kunststoffbauteile durch ein billigeres ersetzt haben soll, das sich bei Hitze verzieht und damit die bekannten Einbußen bei der Treffsicherheit verursacht.

Die Personalprobleme infolge der Umstellung von einer Armee mit einem großen Anteil von Wehrpflichtigen in eine reine Berufsarmee zeigen sich immer deutlicher. Es fehlt in allen Laufbahnen an qualifiziertem Nachwuchs. Stellen können nicht besetzt werden. Anforderungen müssen zum Teil herabgesetzt werden. Nach Jahren der Fokussierung auf Einsätze im Rahmen von Missionen wie KFOR, IFOR, ISAF und ähnlichen muß festgestellt werden, daß die Fähigkeit zur Landesverteidigung auch im NATO-Verbund verlorengegangen ist, allein schon mangels Masse. Hektische Aktionen wie die Rückführung von 100 bereits ausgemusterten Kampfpanzern in die Truppe zeigen doch nur wo diese Armee inzwischen wirklich angekommen ist.

Dieser Befund bliebe aber nichtssagend, wenn er nicht zum Anlaß genommen würde, nach den Ursachen zu suchen. Sie sind leicht aufzufinden. „Im Westen nichts Neues“ heißt ein bekannter Roman über den I. Weltkrieg. „In Deutschland nichts Neues“ wäre das Kapitel über die Ursachen der Misere zu übertiteln. Die Bundeswehr stößt in unserem Lande allenfalls auf ein höfliches Desinteresse, hat ein früherer Bundespräsident zutreffend festgestellt. Ihre Entstehung verdankt sie nicht dem Wunsch eines selbstbewußten Volkes nach einer starken Armee. Vielmehr wurde sie als Beitrag der unter Kuratel der Westmächte stehenden Bundesrepublik Deutschland zur NATO aufgestellt. Das geschah gegen den erbitterten Widerstand großer Teile der Bevölkerung und der SPD. Nach dem Zusammenbruch Deutschlands 1945, dem Totalverlust seiner Staatlichkeit und der Umerziehung der Deutschen von angeblich brutalen Militaristen zu sanften Pazifisten war die Abneigung gegen alles militärische so verbreitet, daß noch im Bundestagswahlkampf 1949 der spätere Verteidigungsminister Strauß tönte: „Wer noch einmal ein Gewehr in die Hand nehmen will, dem soll die Hand abfallen!“ Das Mißtrauen der Politiker und Bürger gegen die eigene Armee war dementsprechend groß. Es führte zur strikten Trennung von Armee und Verwaltung, zum Verbot des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren, zu einer international beispiellosen Dominanz der zivilen Seite über die militärische Führung, zu einer teilweise grotesken Abgrenzung gegenüber der Wehrmacht bis hin zum Formaldienst und der Uniform, die zunächst nur eine schlechte Kopie der amerikanischen sein durfte. Dem pazifizierten, besser gesagt, kastrierten Volk konnte die Existenz einer eigenen Armee überhaupt nur mit der Behauptung schmackhaft gemacht werden, sie solle ja nicht eingesetzt werden, sondern existiere nur, damit es zu ihrem Einsatz erst gar nicht käme. Die älteren ehemaligen Soldaten erinnern sich noch an das Motto: „Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen“. Natürlich ist es jedem Soldaten lieber, wenn er nicht kämpfen muß. Aber ihm ist klar, daß er dazu da ist, zu kämpfen, wenn sein Land ihn braucht. Diese Befindlichkeit war von Anfang an insbesondere unter den Intellektuellen dieser Republik verbreitet, was angesichts des Geisteszustandes der meisten heutigen Intellektuellen auch nicht weiter wundert. So schreibt Hans-Georg von Studnitz 1967 zu diesem Thema:

„Die Deutschen, die sich an Hitler nicht mehr erinnern wollen und Stalin vergessen haben, sind weit davon entfernt zu begreifen, daß nur solche Staaten Subjekte der Politik sein können, die Macht zu bilden und auszuüben verstehen. Noch heute wissen viele Deutsche nicht, wozu die Bundeswehr geschaffen wurde, welchen Auftrag sie haben und welche Stellung sie in der als pluralistisch bezeichneten Gesellschaft einnehmen sollte. Daß sich unter den Nichtwissenden viele Intellektuelle befinden, kennzeichnet den Grad der Verwirrung in einem Land, in dem gebildete Leute sich häufiger als anderswo durch einen erschreckenden Mangel an Intelligenz auszeichnen.“

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen außer, daß sich daran bis heute nichts geändert hat. In einem solchen Lande wird eine Armee immer allenfalls als notwendiges Übel betrachtet, für das so wenig Geld wie möglich ausgegeben werden soll und deren Soldaten bestenfalls auf das von Bundespräsident Horst Köhler so treffend formulierte freundliche Desinteresse stoßen. Das wird sich nach der Aussetzung der Wehrpflicht noch weiter zum Schlechten entwickeln. Denn wenn die allermeisten Bürger nicht mehr aus eigener Kenntnis oder den Erzählungen naher Verwandter wissen, was die Bundeswehr ist und wozu sie fähig ist, dann schwindet das Interesse an ihr und der Sicherheitspolitik immer mehr. Den führenden Industriellen liegt die militärische Stärke ihres Vaterlandes auch nicht am Herzen, vielmehr macht man mit einem solventen und wenig kritischen Kunden einfach gute Geschäfte. Man gewinnt als Politiker mit sicherheitspolitischen Themen auch keine Wahlkämpfe. Im Gegenteil. Wer durch die Lande tingelt und höhere Renten statt mehr Panzer verspricht, hat allemal die besseren Chancen gewählt zu werden als derjenige, der Geld für die Bundeswehr fordert, jedenfalls soweit damit nicht Kitas in Kasernen finanziert werden sollen.

Wird sich etwas ändern? Kaum, jedenfalls nicht zum Guten. Hier in Bundesrepublikanien.

 

Regenbogen über Baden-Württemberg

Alle Menschen sind gleich – vor dem Gesetz. Alle Menschen sind ungleich – von Natur. Die Gleichheit vor dem Gesetz ist die große zivilisatorische Errungenschaft der Aufklärung. Nicht einmal die Hochkulturen der Antike in Europa, geschweige denn in anderen Teilen der Welt, haben diese höchste Stufe der Zivilisation erreicht, die notwendig auch mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verbunden ist. Diesen Weg zu gehen und dieses Ziel zu erreichen, hatten wir Menschen auch in unserer Hand. Denn die Organisation unseres Zusammenlebens war und ist das Ergebnis unserer Willensbildung. Das wird auch in der Zukunft so sein. Wie wir indessen sind, ob groß oder klein, weiß oder schwarz, dumm oder intelligent, gelassen oder nervös, faul oder fleißig, männlich oder weiblich, musisch oder sportlich begabt, handwerklich geschickt oder mit zehn Daumen ausgestattet, das alles sind wir einfach und wir können es nicht ändern. Niemand wird ernsthaft behaupten, aus einem unmusikalischen Menschen könne durch fleißiges Üben ein Pavarotti oder eine Callas werden, oder aus einem Menschen mit IQ unter 80 durch intensive Beschulung ein Nobelpreisträger. Zwar wird, dem biblischen Gleichnis von den Talenten entsprechend, durch redliches Mühen verbessert oder vermehrt werden können, was vorhanden ist. Nur grundlegend verändert wird der Mensch dadurch nicht. Aus dem unsportlichen Menschen mag durch hartes Ausdauertraining ein passabler Läufer werden. Ein Olympiasieger wird er sicher nicht, ebensowenig ein geschmeidiger Ballartist. Diese Beispiele sollten genügen, auch plastisch klarzumachen, was auf der Hand liegt: Auf unsere eigene Natur können wir nur wenig bis garnicht willentlich einwirken. Mit unseren Veranlagungen müssen wir leben und zurechtkommen. An alledem hat auch seit Menschengedenken niemand gezweifelt. Nicht die Religionen, nicht die Philosophie, nicht Literatur und Kunst, solange das Denken der Menschen aufgezeichnet wird. Vorher natürlich erst recht nicht.

Es war unserer Zeit vorbehalten, die Natur zu korrigieren, jedenfalls gedanklich. Denn seit rund hundert Jahren glauben manche Wissenschaftler oder solche Menschen, die sich dafür halten, der Mensch werde nicht durch natürliche Veranlagung, sondern durch soziale Einwirkung geprägt. Das gelte keineswegs nur für die Erlernung dessen, was gemeinhin Kulturtechniken genannt wird, wie etwa Familienleben, Benimmregeln, Fremdsprachenbeherrschung und Erwerb von fachlichen Qualifikationen. Nein, das gelte auch für die Unterscheidung in Frau oder Mann und die daraus folgenden Konsequenzen für das Leben als einzelner wie in der Gemeinschaft. Von der französischen Schriftstellerin Simone de Beauvoir stammt der fundamentale Glaubenssatz des Feminismus: „Man wird nicht als Frau geboren, man wird dazu gemacht.“ Demnach gibt es keine biologische Festlegung des Geschlechts, sondern eine soziale Bestimmung dazu. Die „moderne“ Genderforschung behauptet deswegen, bei der Geburt eines Menschen werde ihm auf Grund der äußerlich erkennbaren Geschlechtsmerkmale ein Geschlecht „zugewiesen“ und ihm dann durch Erziehung eingeprägt wie Kopf und Zahl dem Münzrohling. In einem unauflöslichen Widerspruch dazu stehen allerdings alle „modernen“ Vorstellungen über die schicksalhafte Veranlagung von Menschen, die mit einer unklaren oder gar den biologischen Geschlechtsmerkmalen entgegengesetzten sexuellen Empfindung geboren werden oder diese entwickeln. So ganz klar ist das alles aber wohl nicht, die Variablen sowohl in der medizinischen Wissenschaft wie auch der Pseudowissenschaft namens „Genderstudies“ sind unübersichtlich. Außer der gewissermaßen „handelsüblichen“ Variante des Menschen, der als Mann und Frau zusammenlebt und gemeinsame Kinder großzieht, gibt es demnach nicht nur homosexuelle Menschen beiderlei Geschlechts, die in modischer Sprache als „schwul“ bzw. „lesbisch“ bezeichnet werden, sondern auch noch die Varianten „bisexuell“, „transsexuell“, „transgender“, „intersexuell“, „queer“ und viele andere. Das geht bis hin zu solchen Kapriolen der Phantasie wie „Girlfags“ (schwule Frauen) und „Guydykes“ (lesbische Männer). Handelte es sich dabei nur um wissenschaftliche Forschungen auf einem Randgebiet der Humanbiologie oder um randständige Debatten in den Feuilletons, so könnte man das achselzuckend zur Kenntnis nehmen und zur Tagesordnung übergehen.

Doch so ist es leider nicht. Vielmehr gibt es in Politik und Medien starke Bestrebungen, unsere natürliche, von Anbeginn der Menschheit gewachsene Vorstellung über die menschliche Natur und hier vor allem ihre geschlechtliche Seite radikal zu verändern. Daß man als Mann oder Frau, als Vater oder Mutter ins Leben gestellt ist, wird als irrige Vorstellung abgetan. Vielmehr handele es sich dabei lediglich um Rollen, die man – selbstverständlich unreflektiert – spiele. Demgemäß ist dann auch davon die Rede, daß kleinen Mädchen eine Mutter „rolle“ anerzogen werde, wie auch Buben männliche „Rollenbilder“ vorgegeben würden. Diese Sprache ist verräterisch. Sie zeigt, worum es geht. Man ist demnach nicht etwa schlicht und einfach ein Mann oder eine Mutter, nein man spielt eine Rolle wie es Schauspieler im Theater tun. Schauspieler indessen spielen heute diese und morgen jene Rolle, mal den Kriminalkommissar, mal den Ganoven, mal die Kaiserin Sissi, mal die Kameliendame. Sie sind es aber nicht. Wer diesen Sprachgebrauch übernimmt und etwa von der „Mutterrolle“ spricht, der ist diesen Gesellschaftsveränderern schon auf den Leim gegangen, denn die Veränderung der Wirklichkeit beginnt mit der Manipulation der Sprache. Diese Umgestaltung der Geschlechter hin zur bloßen Rolle, die man spielt und natürlich wechseln kann, ist kein Selbstzweck. Sie ist eine wesentliche Voraussetzung für die Umgestaltung der Gesellschaft an sich. Die klassische Familie, die natürlich voraussetzt, daß die Menschen klar definiert als Männer und Frauen existieren, die gemeinsame Kinder zeugen und erziehen, wird als bloßer Unterdrückungsmechanismus diffamiert, der die patriarchalische, ja faschistische Gesellschaftsordnung erst ermöglicht. Deswegen muß hier angesetzt werden, um die Menschheit zu befreien und sie in die allein humane Lebensform des Sozialismus zu überführen. Nicht von ungefähr war die sogenannte sexuelle Revolution ein Hauptbestandteil der 1968er Bewegung, und nicht von ungefähr war die sexuelle Emanzipation der Frau auch ein Anliegen sozialistischer Theoretiker von Anfang an. Sexualforscher wie Wilhelm Reich wirkten eben im linken Milieu und nicht etwa in konservativen Kreisen.

Ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht diese Bewegung derzeit in Baden-Württemberg, wo die grün-rote Landesregierung einen Aktionsplan „Für Akzeptanz & gleiche Rechte Baden-Württemberg“ in eine Vielzahl gesetzgeberische und verwaltungstechnische Maßnahmen umsetzen will. Daß derartiges gerade dort geschieht, sollte niemanden überraschen. Sowohl die Partei- und Wahlprogramme der GRÜNEN wie auch der SPD enthalten Forderungen in diesem Sinne. Betrachtet man sich nun diesen Katalog von sage und schreibe über 200 Einzelmaßnahmen, dann wird klar, daß es um nichts weniger als um die vollständige Umgestaltung unseres privaten und gesellschaftlichen Lebens geht. Und weil das alles natürlich nicht allein durch gutes Zureden erreicht werden kann, werden auch Maßnahmen vorbereitet, die man sonst nur aus Diktaturen mit stringenter Ideologie kennt. Nachfolgend einige Beispiele, an denen man erkennt, wie tiefgreifend und umfassend der Staat in das Leben seiner Bürger eingreifen will, um ihr Leben nachhaltig zu verändern. Das geschieht über vordergründig bürokratische Regelungen wie etwa die „Abbildung der Vielfalt in Formularen etc.“, zum Beispiel der „Überarbeitung des Elterngeldantrages (Heteronormativität)“. Das bedarf wohl der Erläuterung. Unter „Heteronormativität“ verstehen diese Designer des neuen Menschen eben, daß es bisher jedenfalls die Norm ist, daß Männer und Frauen heterosexuell leben und dies auch die gesellschaftliche Wahrnehmung prägt. Ausweisformulare kennen eben nur zwei Geschlechter, männlich und weiblich. Das soll gegendert, pardon, geändert werden. Alle Ministerien haben daher künftig Formulare, Fragebögen und Software anzupassen, um so die vielfältigen Lebensformen abzubilden (bei Geschlecht dritte Option einfügen, Möglichkeit der gewünschten Ansprache als Frau beim biologischen Geschlecht männlich, zentrale Stelle zur Meldung des Namenswechsels etc.). Das muß sich natürlich ganz generell zeigen, wo auch immer der Staat in Erscheinung tritt. Wichtig ist hier die Nutzung einer „sensiblen Sprache“ in allen Veröffentlichungen und Reden des Landes, z.B. mittels geschlechtsneutraler Anrede. In diesem Zusammenhang erfolgt auch eine kritische Betrachtung des Dudens. Für die nötige Breitenwirkung sorgt dann auch die „diskriminierungsfreie Arbeitswelt“, wobei das Land Baden- Württemberg als Arbeitgeber Vorbild für andere sein wird, indem verpflichtende Schulungen und Sensibilisierung von Führungskräften und den Personalabteilungen, Amtsleitung, Referatsleitung, Personalreferaten helfen und natürlich die Amtsspitze sich klar zu diesen Zielen bekennt und das Thema in das Leitbild aufnimmt. Damit sich das alles in den Köpfen von Anfang an festsetzt, beginnt man folgerichtig beim Kindergarten, wo z.B. „Vielfalt“ sichtbar gemacht wird durch die Anpassung von Büchern und Spielen. Dazu werden natürlich die Verlage von Büchern und Spielen für die frühkindliche Bildung in die Pflicht genommen. Darauf kann dann in der Schule aufgebaut werden. Hier wird ein „diskriminierungsfreier“ Schulalltag gewährleistet durch die Verankerung der Themen LSBTTIQ (Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transsexuell, Transgender, Intersexuell, Queer) bzw. sexuelle und geschlechtliche Identität (ist das zweierlei?) im Bildungsplan. Das ganze muß natürlich auch juristisch abgesichert werden. Dazu wird der Art. 3 des Grundgesetzes ergänzt um die sexuelle und geschlechtliche Identität und natürlich das Herzensanliegen der GRÜNEN vorangetrieben, indem eine Bundesratsinitiative zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften gestartet wird. In diesen Zusammenhang gehört auch Stärkung und Unterstützung von „Regenbogenfamilien“ durch die Einführung der sogenannten „dritten Elternschaft“. Weil man an der Bereitschaft aller benötigten Institutionen daran freudig mitzuwirken zweifelt, wird natürlich auch direkter wie indirekter Zwang ausgeübt. So sind die Zuschüsse für Hochschulen zu kürzen oder ganz zu streichen, die ein „veraltetes Menschenbild lehren“, und es findet keine Unterstützung bzw. keine Vergabe von Aufträgen an Institutionen mehr statt, die diskriminieren, z.B. Kirchen. George Orwell läßt grüßen. Die grüne Stasi kommt zum Einsatz. Dafür werden LSBTTIQ-Belange und „Diversity“ in Förderprogrammen oder bei der Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand berücksichtigt. Selbstverständlich werden auch die Medien scharf kontrolliert und Sanktionen verhängt für „transphobe“ und „homophobe“ Medieninhalte in Wort und Bild. Der Zensor schneidet nicht nur, er bestraft auch gleich. Es ist dann auch nur konsequent, wenn sich das Land Baden-Württemberg klar positioniert bei „homo- und transphoben“  Aktivitäten im Ausland und dies auch vom Bund wie den Kommunen erwartet. Denn auch dort sollen künftig so wichtige Dinge wie die Seelsorge für „TTI-Menschen“ (transsexuelle, transgender und intersexuelle Menschen) aus der Bauernschaft stattfinden, und auch „queere“ Gottesdienste gefeiert werden können, und auch LSSBTTIQ in der Schwangerschaftsberatung verankert werden, nicht zu vergessen die „Unterstützung von Partys und Veranstaltungen der Community“ auch an konservativen Plätzen, und die Anerkennung von Szenelokalitäten. Dieser kleine Ausschnitt aus dem Absurditätenkatalog der Landesregierung von Baden-Württemberg mag erst einmal genügen.

Das Interesse der betroffenen Bürger des Landes an diesem Aktionsplan seiner gewählten Politiker steht im umgekehrten Verhältnis zur fundamentalen Bedeutung des Aktionsplans, der ja nichts weniger als die vollständige Veränderung des Verhältnisses der Geschlechter zueinander und die Indoktrination, besser: Belästigung, der Kinder ab 3 Jahren (!) mit einem so irrwitzigen Aberglauben durch staatlichen Zwang beinhaltet. An der Demonstration gegen diesen Aktionsplan in Stuttgart nahmen lediglich ca. 1.000 Menschen teil. Die Erklärung dafür kann nur sein, daß der Masse der betroffenen Bürger einfach nicht klar ist, was da abläuft, sie sich vielmehr gar nicht vorstellen können, daß es so etwas überhaupt gibt, und sich erst recht nicht vorstellen können, daß der Staat einen solchen Schwachsinn Gesetz werden läßt. Man kommt also nicht daran vorbei, daß hier aufgeklärt werden muß. Das ist mühsam, vor allem, weil man dabei regelmäßig erst einmal auf völlige Verständnislosigkeit stößt. Zum einen ist es schon sehr schwer, all diese verquasten Begriffe zu erläutern, um die es hier geht, und zum anderen fällt es jedem normalen Bürger schwer zu erkennen, daß der Staat nicht immer eine seriöse Einrichtung ist.

Wer die Vertreter des Gendermainstreaming und des „Alles ist egal, liebt euch doch, wie ihr wollt LSBTTIQ“ kritisiert, muß allerdings auch eine Antwort darauf haben, wie denn mit den Menschen umzugehen ist, denen die Natur nun einmal eine andere geschlechtliche Veranlagung gegeben hat, als nahezu allen anderen. Zwar beharren gerade die Vertreter von Homosexuellenverbänden und sonstige Lobbyisten von LSBTTIQ darauf, daß ihre Zahl sehr viel größer ist, als dies in Wirklichkeit der Fall ist. Statt ca. 1 % müssen es dann ca. 5 % sein, und statt vielleicht einem vom hunderttausend Menschen mit einer besonders abweichenden Veranlagung muß das dann ebenfalls eine Quote weit oberhalb der homöopathischen Verdünnung sein. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Je größer eine Gruppe in der Relation ist, um so weniger müssen ihre Mitglieder das Gefühl haben, Außenseiter zu sein. Das Selbstwertgefühl wächst. Und für ihre Funktionäre wächst natürlich die eigene Bedeutung mit der absoluten wie mit der relativen Größe der vertretenen Gruppe. Noch wichtiger: Je mehr die eigene Veranlagung nicht als einfach abseitig, sondern bloß als eine (gleichwertige) Variante von vielen wahrgenommen wird, um erträglicher erscheint sie. Natürlich ist das alles bloßes Schönreden einer ebenso unabänderlichen wie unerfreulichen Tatsache: Was 99% der Menschen als erfülltes Leben ansehen, nämlich die (biologisch) eigene Familie, bleibt ihnen unerreichbar. Wer sich damit bewußt abfindet und sein Leben darauf einrichtet, statt krampfhaft nach „Gleichberechtigung“ zu streben, etwa in der Übernahme von Rechtsinstituten wie der Ehe, dem gebührt meine Achtung. Wer aber wie die Propagandisten von „Gender & Diversity“ von „Aufhebung der Heteronormativität“ faselt, den muß ich als Feind der Gesellschaft bekämpfen.

Eine Anregung zum Schluß. Die grün-roten Propagandisten des Aktionsplans „Für Akzeptanz & gleiche Rechte Baden-Württemberg“ haben sich als Wappentier einen Stauferlöwen in Regenbogenfarben gewählt. Passend wäre indessen ein Bonobo, jene Schimpansenart, die sich durch ihr Sexualverhalten im Sinne von LSBTTIQ von allen anderen Tieren unterscheidet, natürlich auch in Regenbogenfarben.

 

Blutgeld

Nun will Griechenland also von Deutschland Schadensersatz wegen der Kriegsverbrechen, die deutsche Soldaten vor über 70 Jahren begangen haben. Der Krieg war in der Tat schrecklich und zeigte furchtbare Auswüchse wie die Auslöschung ganzer Dörfer als Reaktion auf mörderische Aktionen griechischer Partisanen. Es besteht nicht der geringste juristische Zweifel daran, daß es sich dabei in keinem Fall um Repressalien handelte, die vom damals geltenden Kriegsvölkerrecht auch nur annähernd gedeckt waren. Allerdings darf auch nicht vergessen werden, in welch grausamer Weise griechische Partisanen in nicht wenigen Fällen deutsche Soldaten umgebracht haben. Gefangenen die Kehle durchzuschneiden haben eben nicht die IS-Terroristen „erfunden“, nein auch griechische Partisanen haben solch scheußliche Morde begangen. Dennoch rechtfertigte auch das nicht die Massenmorde an griechischen Zivilisten einschließlich Frauen und Kindern. Bemerkenswert ist im übrigen, daß Griechenland wegen der Kriegsverbrechen, die Italien und Bulgarien in diesem Krieg begangen haben, keine Ansprüche erhebt, obgleich sie große Ausmaße hatten. Es gehört aber zum Wesen der Wahrheit, daß sie unteilbar ist. Betrachtet man im übrigen die Kriegsgeschichte, so findet man derartige Greueltaten bereits in der Antike.

Es mag auf den ersten Blick überraschend erscheinen, daß gerade die Griechen des klassischen Altertums in ihren Friedensverträgen ausdrücklich amnestia (Vergessen begangenen Unrechts) und adeia (Straflosigkeit) bezüglich der wechselseitig begangenen Greueltaten zu vereinbaren pflegten. Das kann oder muß man sogar mit der Philosophie erklären. Denn der Verzicht auf Rache oder Bestrafung ist wohl Ausfluß einer Kultur des Maßhaltens und der Besonnenheit. Über dem Eingang des Tempels von Delphi, in dem die Seherin Pythia ihr Orakel sprach, stand zu lesen: „meden agan“ (nichts im Übermaß). Aristoteles, den man wohl bis heute als einen der größten griechischen Philosophen bezeichnen kann, hat dem Thema Maß und Übermaß in seiner Nikomachischen Ethik breiten Raum gegeben und eingehend begründet, warum alle Maßlosigkeit schadet. Es ist deswegen auch ein Beleg bemerkenswerter Weisheit, daß die Vertragsparteien des Westfälischen Friedens in Art. II. des Vertrages vom 24.10.1648 festgelegt haben: „Beiderseits sei immerwährendes Vergessen und Amnestie alles dessen, was seit Anbeginn dieser Unruhen an irgendeinem Ort und auf irgendeine Weise vom einen oder anderen Teil hüben und drüben, feindlich begangen worden ist….Vielmehr sollen alle und jede hin und her, sowohl vor dem Kriege als auch im Kriege, mit Worten, Schriften oder Taten zugefügten Beleidigungen, Feindseligkeiten, Schäden und Unkosten ohne alles Ansehen der Personen dergestalt gänzlich abgetan sein, daß alles, was deshalb der eine vom anderen fordern könnte, in immerwährendem Vergessen begraben sein soll.“ Nun war der Dreißigjährige Krieg wahrlich von einer Art, die uns heute noch schaudern macht. Auch von den Menschen jener Zeit wurde das so wahrgenommen, weshalb sich gerade dieser unfaßbar grausame Krieg tief im kollektiven Gedächtnis der Europäer festgesetzt hat. Und dennoch hat man am Ende auf allen Seiten eingesehen, daß nur eine solche allgemeine Amnestie eine tragfähige Grundlage für das friedliche Zusammenleben der Völker sein kann. „In amnesia consistit substantia pacis“ (Das Vergessen ist die Grundlage des Friedens).

Die Weisheit und das Maßhalten sind den Menschen unserer Zeit offenbar abhanden gekommen. Nach dem Ersten, noch mehr aber nach dem Zweiten Weltkrieg ging man daran, den Verlierern Reparationen ungeheuren Ausmaßes aufzuerlegen und ihre Soldaten für ihre Taten zur Verantwortung zu ziehen, zu Recht oder Unrecht sei in diesem Zusammenhang einmal dahingestellt. Denn wir befassen uns nicht mit der Frage, ob sich der eine oder andere im Zweiten Weltkrieg schuldig im moralischen oder rechtlichen Sinne gemacht hat. Wir gehen vielmehr der Frage nach, ob es klug ist, über die Taten und Untaten der Vergangenheit zu rechten. Und wir prüfen, ob das Ansinnen der Griechen, Deutschland nun auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, juristisch überhaupt noch begründbar sein kann. Zwei Generationen nach dem Krieg noch solche Ansprüche zu erheben, kann nicht klug sein. Abgesehen davon, daß frühere Generationen das aus gutem Grund generell nicht getan haben, wie wir gesehen haben, sollte schon der schiere Zeitablauf entgegenstehen. Nicht umsonst kennen alle Rechtsordnungen den Grundsatz, daß zwischen dem Ereignis, das für jemanden einen Rechtsanspruch begründen kann und der Erhebung eines solchen Anspruchs nicht unendlich viel Zeit vergehen darf, sondern nach einer gewissen Zeit und bestimmten Umständen Rechtsfriede herrschen muß. Dann muß Vergangenes eben vergangen sein, alte Wunden müssen verheilen können. Deswegen kennt zum Beispiel das griechische Zivilrecht die Verjährung von Ansprüchen, im Falle der Schadensersatzforderungen kann die Verjährung nach 20 Jahren eingewandt werden. Das deutsche Zivilrecht sieht im Höchstmaß eine Frist von 30 Jahren vor. Und auch die Strafbarkeit des Mordes findet in manchen Staaten dieser Erde ihre zeitliche Befristung, endet jedoch in jedem Falle mit dem Tod des Mörders. Seine Nachkommen „erben“ eben nicht seine Schuld.

Im Falle Deutschlands und des Zweiten Weltkrieges ist das offenbar anders. Diese Vergangenheit soll wohl niemals vergehen und in die Obhut Klios, der Muse der Geschichte gegeben werden. Wie offene Wunden wirken Gedenkstätten wie etwa im griechischen Distomo. Die Schädel der Ermordeten und ihre Namen werden in gläsernen Vitrinen und auf Schautafeln präsentiert. Die Pietät, die allen Toten, auch diesen geschuldet ist, muß der ewigen Anklage weichen, die Sühne fordert und Geld generieren soll. Deutschland, dessen Soldaten und mehr noch Zivilisten ebenfalls den furor belli (Schrecken des Krieges) erdulden mußten, hat von solchen Forderungen abgesehen. Über die Gründe dafür kann man geteilter Meinung sein, im Ergebnis war es jedoch richtig, und wenn es aus den Gründen geschehen ist, die frühere Generationen von dem Ruf nach Genugtuung und Sühne abgehalten haben, dann war es auch weise.

Griechenland indessen scheint sich von allem weit entfernt zu haben, was gerade seine große Tradition ausmacht. Nicht die Weisheit der Philosophen, sondern die Wut der Rachegöttin Nemesis bestimmt das Denken seiner Politiker. Und nicht die mesotes (Mitte, rechtes Maß) bestimmt die Höhe der geltend gemachten Forderung. Nein, auf sage und schreibe 323 Milliarden Euro errechnen griechische Beamte die Reparationsforderungen gegen Deutschland. Das ist mehr als vier mal so viel, wie die Höhe der gesamten Staatseinnahmen Griechenlands im Jahre 2014, die sich auf ca. 80 Milliarden Euro belaufen haben. Der Staat könnte also gut vier Jahre seine Ausgaben bestreiten, ohne auch nur einen Cent Steuereinnahmen ausgeben zu müssen. Daß dies auch nicht entfernt den Gegenwert der im Krieg zerstörten Gebäude und der gern ins Feld geführten Zwangsanleihe ausmacht, liegt auf der Hand. Die ermordeten Zivilisten können in die Berechnung ohnehin nicht einfließen, es sei denn, man will nach archaischem Muster Blutgeld berechnen (wie viel eigentlich pro Person?). Dem Völkerrecht ist eine solche  Kommerzialisierung von Opfern kriegerischer Ereignisse fremd.

In rechtlicher Hinsicht muß unterschieden werden zwischen den Reparationszahlungen, die der Staat Griechenland von Deutschland als dem Rechtsnachfolger, mindestens aber Haftungsnachfolger des Deutschen Reiches verlangen konnte bzw. immer noch verlangen zu können glaubt, und den individuellen Ansprüchen griechischer Bürger gegen Deutschland auf Schadensersatz für den Verlust ihrer Eltern oder ihres Besitzes.

Beginnen wir mit den Reparationen. Da sind zunächst einmal die Kreditverträge von 1942, wonach Griechenland der deutschen Besatzungsmacht insgesamt 476 Millionen Reichsmark als zinsloses Darlehen gewähren mußte. Dazu muß man wissen, daß Art. 49 der Haager Landkriegsordnung der Besatzungsmacht das Recht einräumt, Geldmittel des besetzten Landes zum Unterhalt der Besatzungstruppe in Anspruch zu nehmen. Das ist später grundsätzlich ein reparationsfähiger Posten. Man hat auch im Pariser Reparationsabkommen vom 14.01.1946 diesen Punkt geregelt, indem Griechenland 2,7 % der gesamten Reparationen, die Deutschland zu zahlen hatte, zugesprochen wurden. Die erwähnten Kredite wurden ausdrücklich von diesem Abkommen erfaßt. Deutschland zahlte dann in Erfüllung dieser Verbindlichkeit im Laufe der nächsten Jahre 25 Millionen US-Dollar an Griechenland. Ob damit der Gegenwert von 476 Millionen Reichsmark (was war die Reichsmark eigentlich am Ende des Krieges oder auch bereits 1942 international noch wert?) bezahlt war, kann offen bleiben, denn im Jahre 1953 wurde im Rahmen des Londoner Schuldenabkommens ein Reparationsmoratorium vereinbart. Weitere Zahlungen sollten den Regelungen eines Friedensvertrages vorbehalten bleiben. Zu dem kam es bekanntlich nicht. Statt dessen schlossen die alliierten Sieger des Zweiten Weltkrieges USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich mit den beiden deutschen Staaten am 12. 09.1990 den sogenannten Zwei plus Vier Vertrag, in dem auch die Frage der Reparationen abschließend geregelt wurde, und zwar mit ausdrücklichem Mandat auch der seinerzeit von Deutschland besetzten Länder wie etwa Griechenland. Dieser Vertrag sieht keine weiteren Zahlungen Deutschlands an diese Länder vor. Damit können Reparationen nicht mehr gefordert werden.

Griechenland fordert aber auch, daß die Nachkommen der Opfer von Kriegsverbrechen entschädigt werden sollen. Einschlägige Klagen dieser Menschen vor griechischen Gerichten waren und sind auch erfolgreich, vor deutschen Gerichten nicht, was auch das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 15.02.2006 gebilligt hat. Denn dem steht der Grundsatz der Staatenimmunität entgegen. Nach allgemeiner Ansicht im Völkerrecht können Staaten nicht vor den Gerichten eines anderen Staates verklagt werden. Gleichwohl von diesen Gerichten gegen einen fremden Staat erlassene Urteile können nicht vollstreckt werden. Das ist auch die Auffassung des Internationalen Gerichtshofs, der verbindlich völkerrechtliche Streitfragen entscheidet. Mit Urteil vom 03.02.2012 hat er in einem Rechtsstreit zwischen Deutschland und Italien festgestellt, daß Italien seine internationale Verpflichtung zur Respektierung der Immunität des deutschen Staates verletzt, wenn es erlaubt, daß vor seinen Gerichten Ansprüche auf Schadensersatz wegen Kriegsverbrechen gegen Deutschland eingeklagt werden können. Ebenso sieht er den Grundsatz der Staatenimmunität verletzt, wenn Italien es erlaubt, daß auf seinem Staatsgebiet Urteile griechischer Gerichte gegen Deutschland wegen solcher Ansprüche vollstreckt werden. Die Entscheidung des Gerichts ist zum ersten Punkt mit einer Mehrheit von 12 zu 3, und zum zweiten Punkt mit einer Mehrheit vom 14 zu 1 Richterstimmen ergangen. Es kann schlechterdings nicht erwartet werden, daß der Gerichtshof nun zu einem anderen Ergebnis kommen könnte, wenn etwa ein gleichartiges Verfahren zwischen Deutschland und Griechenland geführt würde. Dies auch vor dem Hintergrund, daß die Frage der individuellen Entschädigungen für griechische Staatsbürger bereits mit Vertrag vom 18.03.1960 zwischen beiden Ländern geregelt worden ist. Danach zahlte Deutschland an Griechenland einen Betrag von 115 Millionen DM zur Wiedergutmachung und erhielt im Gegenzug von Griechenland die Zusicherung, keine weiteren individuellen Ansprüche griechischer NS-Opfer geltend zu machen. Ergänzend ist auch hier auf den Zwei plus Vier Vertrag zu verweisen.

Selbst wenn entgegen der glasklaren Rechtslage noch irgendwelche Ansprüche offen sein könnten, so stünde deren Geltendmachung der Zeitablauf entgegen. Zwar gibt es kein internationales Zivilgesetzbuch mit Verjährungsregelungen, wie das in den nationalen Rechtsordnungen der Fall ist. Dennoch kann dies nicht dazu führen, daß Ansprüche auf Entschädigung für Kriegsverbrechen zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden können. Denn dann könnte Griechenland beispielsweise die Türkei für Vorgänge aus der Zeit in Anspruch nehmen, als Atatürk die Griechen aus Kleinasien vertrieben und in Massen hat umbringen lassen. Im deutschen Zivilrecht spricht man von der Verwirkung eines Anspruchs. Diese tritt unabhängig von der Verjährung ein. Zu prüfen ist zweierlei. Zum einen muß der Zeitablauf dafür sprechen, daß die Geltendmachung des Anspruchs unangemessen verspätet erscheint. Zum anderen müssen die Umstände dafür sprechen, daß der Schuldner des Anspruchs nicht mehr erwarten muß, daß der Gläubiger noch gegen ihn vorgeht. Das kann sich aus dem Verhalten des Gläubigers ergeben. Führen beide Prüfungsschritte dazu, daß die Geltendmachung des Anspruchs nunmehr unbillig erscheint, hat der Gläubiger sein Recht zur Geltendmachung verwirkt. Das kann als allgemeiner Rechtsgrundsatz angesehen werden, denn der Rechtsfriede ist in jeder Rechtsordnung ein hohes Gut. Im vorliegenden Falle sind nicht nur mehr als 70 Jahre seit den Ereignissen des Jahres 1944 verstrichen. Es sind daraus resultierende Ansprüche in verschiedenen völkerrechtlichen Abkommen erledigt worden. Dem Zwei plus Vier Vertrag von 1990 hat Griechenland seinerzeit, also auch schon vor einem Vierteljahrhundert, zugestimmt. Somit gehören diese Dinge endgültig in das Reich der Geschichte. Die Gerichte haben sich damit nicht mehr zu befassen.

Auch das Blutgeld altertümlicher Rechtsordnungen wurde den Angehörigen des Ermordeten zeitnah gezahlt, denn es sollte sie für den Verlust entschädigen, den sie durch seinen Tod auch in materieller Hinsicht erlitten hatten. Bei Enkeln und Urenkeln ist er nicht mehr meßbar. Ob der Schaden meßbar ist, den die Herren Tsipras, Varoufakis und ihre Gesinnungsgenossen dem Ansehen ihres Volkes mit dieser wahnwitzigen Forderung zufügen, wird sich weisen.

Die gemeinsame europäische Armee

Wir haben Jean-Claude Juncker schon viel zu verdanken. Rettungspakete für Banken und europäische Schuldenstaaten im Wege der unbegrenzten Geldvermehrung, aber auch die Erkenntnis, daß man in der Politik lügen muß. Nun also die gemeinsame europäische Armee. Denn damit, so der Lordsiegelbewahrer des europäischen Friedensprojekts namens Euro, damit könne man den Russen doch endlich zeigen, was eine Harke ist. Dieses Sammelsurium europäischer Kleinarmeen macht doch niemandem Angst, eine Europäische Armee aber, das wäre doch was, da spielte man doch in der gleichen Liga wie die Russen, vielleicht sogar wie die Amerikaner oder die Chinesen! Und die politische Union Europas bekommt man da doch gleich mit, denn es bleibt ja von der Souveränität der Staaten praktisch nichts mehr übrig, wenn ihre Streitkräfte in einer gemeinsamen europäischen Armee aufgehen. Bei soviel Europaseligkeit können die deutschen Politiker natürlich nicht zurückstehen. Unisono verkünden die Verteidigungsministerin und der SPD-Verteidigungsexperte begeistert ihre Zustimmung. Es ist erreicht!

Oder doch nicht? Ja, eher doch nicht. Blicken wir zunächst einmal zurück und stellen mit Ben Akiba fest: „Alles schon mal dagewesen!“ Anfang der 50er Jahre entwickelte man in den Gründerstaaten der EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft – wer kann sich daran noch erinnern?) Benelux-Länder, Frankreich, Italien und Deutschland den Gedanken, eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zu schaffen, selbstverständlich mit einer gemeinsamen Armee. Das hätte vor allem aus der Sicht der Franzosen den Vorteil gehabt, daß man zwar deutsche Soldaten, aber keine deutsche Armee bekommen hätte, natürlich alles unter vorwiegend französischer Führung. Das scheiterte dann 1954 in der französischen Nationalversammlung, der selbst diese Konstruktion noch zu viel Preisgabe französischer Souveränität bedeutete. Man beließ es dann bei der NATO, in die nun auch die Deutschen (west) mit einer eigenen Armee, allerdings in die Bündnisstruktur voll integriert, aufgenommen werden durften, aus der Sicht der USA aufgenommen werden mußten. Die NATO hat dann auch den Russen, pardon, Sowjets gezeigt was eine Harke ist. Das Ergebnis ist bekannt. Wir haben den kalten Krieg gewonnen, ohne daß wir auch nur einen Schuß abgeben mußten. Darauf dürfen wir stolz sein.

Warum wir nach diesen positiven Erfahrungen außer der NATO eine Neuauflage, neudeutsch wohl „relaunch“ der EVG brauchen, um den Russen zeigen zu können, was eine Harke ist, bleibt im Dunkeln. Zumal unsere braven europäischen Politiker in Sachen Rußland fest an der Seite der USA stehen, so fest wie damals, als es gegen die Sowjetunion ging. Die war bekanntlich deutlich größer und mächtiger als Rußland alleine, weil ja noch all die anderen „Sowjetrepubliken“ einschließlich der von den USA so heißgeliebten Ukraine dazugehörten, und man überdies noch seine sozialistischen Bruderarmeen in der DDR, Polen, CSSR usw. ins Treffen schicken konnte. Völlig außen vor bleibt, daß wir ja schon jetzt funktionierende europäische Verteidigungsstrukturen neben der NATO haben. Da wäre z.B. EUFOR. Diese militärische Organisation bewältigt Aufgaben wie Friedensmissionen im ehemaligen Jugoslawien und in Afrika. Da gibt es multinationale europäische Großverbände wie das Eurokorps oder das multinationale Korps Nord-Ost. Da gibt es in kleinerem Rahmen seit vielen Jahren die deutsch-französische Brigade. Die Reihe kann beliebig fortgesetzt werden. Gemeinsamer Nenner all dieser Organisationsformen ist, daß Kräfte gebündelt werden, um Aufgaben bewältigen zu können, die eine Nation alleine nicht oder nur sehr schwer bewältigen kann.

Allerdings unterscheiden sich all diese Formen der militärischen Zusammenarbeit und Integration von einer gemeinsamen europäischen Armee, wie sie bisher nur in den Träumen von Einheitseuropäern wie Juncker existiert, in einem entscheidenden Punkt: Es handelt sich jeweils um Truppenteile einer nationalen Armee, die einem multinationalen Kommando unterstellt oder in einen Großverband des Partnerstaates eingegliedert werden. Letzteres ist z.B. aktuell bei der deutschen Division Schnelle Kräfte (DSK) der Fall, der eine niederländische Brigade organisch eingegliedert worden ist. Allerdings könnte das jederzeit wieder rückgängig gemacht werden. Vor allem aber bleiben diese Soldaten niederländische Soldaten, sind also disziplinarisch und laufbahnrechtlich nach wie vor dem Verteidigungsministerium der Niederlande unterstellt und tragen demgemäß niederländische Uniformen, haben niederländische Dienstgradbezeichnungen und werden auf ihren König und nicht etwa Herrn Juncker vereidigt. Wie sollte es auch anders sein?

Von allen Bedenken gegen die gemeinsame europäische Armee dürfte zunächst einmal die damit notwendig verbundene Aufgabe der Souveränität das schwerwiegendste sein. Vor allem daran ist ja seinerzeit die EVG in der französischen Nationalversammlung gescheitert. Im deutschen Bundestag wäre sie nicht gescheitert, weil eben Deutschland im Gegensatz zu Frankreich damals nicht souverän war. Noch heute ist das leicht daran zu erkennen, daß diejenigen Artikel unserer Verfassung, die Regelungen über die Streitkräfte enthalten, offensichtlich nachträglich eingefügt sind, weil sie nach ihrer Ordnungszahl angehängte Buchstaben aufweisen (z.B. Art.  12a, 45a, 87a, 87b usw.). Seine Politiker und Meinungsfürsten legten infolge ihrer mentalen Kastration durch die Sieger des II. Weltkrieges auch gar keinen Wert mehr auf Souveränitätsrechte. Für Franzosen undenkbar, damals wie heute. Daß etwa Briten, Italiener oder Spanier auch nur daran denken könnten, einen Kernbereich der Staatssouveränität abzugeben, den die eigene Armee neben der eigenen Finanzhoheit und der  eigenen Polizei nun einmal darstellt, ist schlechterdings nicht vorstellbar. Jedenfalls nicht mehr in diesem Jahrhundert, und wohl auch nicht in einem der nächsten.

Kommen wir zum Praktischen. Eine gemeinsame europäische Armee müßte ja nun einmal alles einheitlich organisieren. Die Soldaten dieser Armee müßten ja in jeder Kompanie und auf jedem Kriegsschiff dienen können, egal aus welchem Land (oder schon aus welcher Region?) sie auch kämen. Also zuallererst eine gemeinsame Sprache im Dienst. Welche? In der NATO funktioniert das mit englisch in den Stäben. Ein aus Franzosen, Italienern, Polen, Esten und Deutschen bestehender Infanteriezug, in dem die Verständigung in englischer Sprache wirklich funktioniert, ist schwer , eigentlich gar nicht vorstellbar. Und überhaupt: Wieso englisch? Machen die Briten denn mit?  Und wenn, wie klein ist deren Anteil? Wieso nicht französisch? (Deutsch natürlich nicht. Könnten sich deutsche Politiker nicht vorstellen). Wieso nicht polnisch? Oder italienisch? Oder tschechisch? Oder spanisch? Vielleicht als Kompromiß Esperanto? Kann doch keiner! Halt! Gehen wir zu den europäischen Wurzeln. Latein! Die Römer haben doch eine prima Armee gehabt, den Drill erfunden und die Taktik. Ja, und wenigstens die europäischen Offiziere haben doch in der Schule Latein gelernt, jedenfalls manchmal. Darauf bauen wir dann auf: Statt eines harten, preußisch-metallischen: „Kompanie: Stillgestanden! Rechts um! Im Gleichschritt: Marsch!“ ertönt es klassisch-kultiviert: „Milites: state! ad dextram! aequatis passibus: pergite!“ Die nationalen Uniformen kommen ins Museum. Die gemeinsame europäische Uniform entwirft ganz im europäischen Geist der deutsch-französische Modezar Karl Lagerfeld. Die militärische Strenge des Uniformschnitts weicht der zivilen Eleganz. Die maskuline Erscheinung des Soldaten verschwindet endgültig, weil die natürlich endlich in angemessener Quote (50%) vorhandenen Soldatinnen in Uniformen, die endlich auch die weibliche Anatomie ausreichend berücksichtigen, für ein mehr feminines Erscheinungsbild der Armee sorgen. Nicht alles werden wir vom römischen Vorbild übernehmen. Der schwere Marschtritt der Legionen wird abgelöst von der tänzerischen Eleganz, mit der die SoldatInnen bzw. Soldat_innen, bzw. Soldatxxx sich ganz gendermainstreamig auf dem Gefechtsfeld bewegen. Natürlich wird auch das Durcheinander der Dienstgradbezeichnungen abgeschafft. Wer blickt denn da noch durch, wenn in der Luftwaffe der Major bei den  Franzosen Commandant und bei den Briten Squadron Leader heißt? Auch hier: Zurück zu den Wurzeln! Der Centurio erhält seine Befehle vom Tribunus und der vom Legatus.

Ach ja. Billiger soll es natürlich auch werden. Einheitliches Material. Einheitliche Ausrüstung. Wo konzentriert sich die Rüstungsindustrie? Natürlich in Frankreich. Schon wegen des Exports in Krisenregionen. Für die deutsche Politik wunderbar. Keine deutschen Waffen in Unterdrückerhände. Alles wird gut. Mit dem bißchen Monopol werden wir dann auch noch fertig werden. Die europäische Rüstungsindustrie lassen wir doch nicht die Preise diktieren! Lieber kaufen wir dann nicht so viel. Wird ja eh alles friedlicher, wenn wir dann den Russen gezeigt haben, was eine Harke ist. Die Personalkosten? Na ja. Europäisch eben. Wie in Brüssel. Soldat wird ein sehr attraktiver Beruf! Der Gefreite dürfte dann ca. 5.000,00 € monatlich bekommen. Der Porsche-Händler neben der Kaserne macht glänzende Geschäfte. Wer das nicht glaubt, der schaue sich einmal die Gehälter bei der Europäischen Union an. Aber das muß es uns doch wert sein, nicht wahr? Und wenn dann auch noch die Leistung der Europäischen Armee im Sternenkranz das Niveau der Europäischen Kommission erreicht haben wird, ist der Friede endgültig garantiert. Denn mit dieser Armee wird man keinen Krieg mehr führen können.

Zuletzt noch einmal Latein. Impossiblile erat, satiram non scribere. (Es war unmöglich, keine Satire zu schreiben.)