Die Bundesregierung plant dem Vernehmen nach ein Verbot der Vollverschleierung für Beamtinnen. Offenbar ist der Druck der öffentlichen Meinung nun so groß geworden, daß die Politik handeln muß. Immerhin haben sich bei einer Meinungsumfrage Ende August dieses Jahres 51 % der Befragten für ein Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit, und 30 % für ein Verbot der Vollverschleierung von Beamtinnen, etwa Lehrerinnen oder Richterinnen, ausgesprochen. Die Bürger unseres Landes ergreift wohl immer mehr angesichts einer voll verschleierten Muslimin – andere Frauen tun so etwas nicht – ein Gefühl des Unwohlseins. Der Anblick einer solchen Gestalt ist für die meisten Deutschen wohl nicht nur fremdartig, sondern hat zunehmend auch etwas bedrohliches. Man kann diesen Ausdruck extremer muslimischer Religiosität auch kaum von sonstigen extremen Ausprägungen dieser Religion trennen, etwa vom Dschihadismus. Die Trägerinnen dieser Kleidung bekunden damit auch jedenfalls in der Wahrnehmung der allermeisten Bürger dieses Landes eine bewußte und radikale Distanzierung von unserer Lebensweise. Diese Kleidung wird auch – meines Erachtens zu Recht – als radikale Ablehnung einer säkularen Rechtsordnung, wie sie unser Grundgesetz statuiert, verstanden. Als Ausdruck einer Ideologie nämlich, die zum Beispiel die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das Gebot religiöser Neutralität des Staates, das Recht seine Religion zu wechseln, oder auch gar keine Religion zu haben, entschieden ablehnt. Das schlägt im übrigen auch auf die gewissermaßen mildere Variante dieser Vollverschleierung, das sogenannte islamische Kopftuch (Hijab), durch. Gerade weil Musliminnen nicht selten behaupten, dieses Kleidungsstück, häufig kombiniert mit unförmigen langen Mänteln, aus freien Stücken zu tragen. Dies sei nämlich ein Zeichen für ihre sexuelle Nichtverfügbarkeit. Offenbar begreifen immer mehr einheimische Deutsche, daß dieses Argument spiegelbildlich einen unverschämten Vorwurf gegen alle Frauen beinhaltet, die keine islamische Kleidung tragen. Diese bekunden damit dann denknotwendig doch ihre sexuelle Verfügbarkeit, mit anderen Worten, es handelt sich um Flittchen. Daß viele muslimische Männer das genauso sehen, und sich entsprechend gegenüber deutschen Frauen verhalten, gehört zu den großen gesellschaftlichen Ärgernissen unserer Zeit. Deswegen verbieten Mütter bereits ihren Töchtern, öffentliche Schwimmbäder aufzusuchen, wenn sie nicht schon von sich aus da nicht mehr hingehen wollen.
Es bleibt abzuwarten, ob unsere Politiker tatsächlich den Mut haben werden, ein Verbot der Vollverschleierung, also das Tragen des sogenannten Niqab oder der Burka, wenigstens für den öffentlichen Dienst gesetzlich einzuführen. Die verfassungsrechtlich geschützte Religionsfreiheit dürfte dem nicht entgegenstehen. Zwar kann die Religionsfreiheit grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Dennoch unterliegt auch sie immanenten Schranken, wie jedes Grundrecht. Dazu gehören grundsätzlich kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsgüter. So zum Beispiel das in Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes geschützte Erziehungsrecht der Eltern. Dies steht einer religiösen Indoktrination in den Schulen, auch mittelbar, entgegen. Wer als Schüler gezwungen ist, den Anblick einer religiös gekleideten Lehrerin täglich zu ertragen, wird damit auch subtil indoktriniert. Auch muß darüber nachgedacht werden, ob nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter – Art. 2 Abs. 1 GG – auch ein Abwehrrecht gegen Belästigungen gibt, die sich aus einer allzu penetranten Kundgebung religiöser Überzeugungen ergeben. Wer sich zu Behörden und Gerichten begeben muß, und dabei mit Beamtinnen konfrontiert wird, die im Dienst auffällige und unangenehm berührende religiöse Kleidung zur Schau tragen, der kann dem ja nicht ausweichen. Zwar steht das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG sicherlich nicht der Gewaltunterworfenheit gegenüber dem Staat generell entgegen. Ihre Grenze findet diese Gewaltunterworfenheit jedoch in dem, was zur Funktion des Staates unbedingt erforderlich ist. Ganz und gar nicht erforderlich für die Funktion des Staates und die Aufgabe der jeweiligen Behörde ist jedoch ein religiöses, erst recht ein penetrant religiöses Äußeres der jeweiligen Beamtinnen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den sogenannten Kopftuchurteilen des Bundesverfassungsgerichts aus den Jahren 2003 und 2015. Schon im ersten Kopftuchurteil von 2003, in dem letztendlich das Bundesverfassungsgericht eine hinreichende gesetzliche Grundlage für ein Verbot des islamischen Kopftuchs im Schuldienst vermißt hat, haben die Richter durchaus das Spannungsfeld zwischen Religionsfreiheit und dem sozialen Frieden, der nichts anderes als die kollektive Ausprägung der individuellen Freiheitsrechte ist, gesehen. Der soziale Friede besteht eben zu einem guten Teil darin, daß wir in Freiheit leben, und über unsere Lebensweise im wesentlichen Konsens besteht. Wenn aber einzelne Gruppen Ausgrenzungstendenzen zeigen, ist dieser soziale Frieden gefährdet. Deswegen führen die Richter aus Karlsruhe im ersten Kopftuchurteil auch aus:
„Der mit zunehmender religiöser Pluralität verbundene gesellschaftliche Wandel kann Anlaß zu einer Neubestimmung des zulässigen Ausmaßes religiöser Bezüge in der Schule sein. Aus einer hierauf zielenden Regelung in den Schulgesetzen können sich dann für Lehrkräfte Konkretisierungen ihrer allgemeinen beamtenrechtlichen Pflichten auch in Bezug auf ihr äußeres Auftreten ergeben, soweit dies ihre Verbundenheit mit bestimmten Glaubensüberzeugungen oder Weltanschauungen deutlich werden läßt. Insoweit sind unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben auch gesetzliche Einschränkungen der Glaubensfreiheit denkbar….. Es mag deshalb auch gute Gründe dafür geben, der staatlichen Neutralitätspflicht im schulischen Bereich eine striktere und mehr als bisher distanzierende Bedeutung beizumessen und demgemäß auch durch das äußere Erscheinungsbild einer Lehrkraft vermittelte religiöse Bezüge von den Schülern grundsätzlich fern zu halten, um Konflikte mit Schülern, Eltern oder Lehrkräften von vornherein zu vermeiden..“
In die gleiche Richtung geht das zweite Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27.01.2015. Nach dem Hinweis auf das erhebliche Gewicht der grundgesetzlich geschützten Glaubensfreiheit führen die Richter aus: „Anders verhält es sich dann, wenn das äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften zu einer hinreichend konkreten Gefährdung oder Störung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität führt oder wesentlich dazu beiträgt. Dann wäre es ihnen zumutbar, von der Befolgung eines nachvollziehbar als verpflichtend empfunden religiösen Bedeckungsgebots Abstand zu nehmen. Darüber hinaus kann ein verfassungsrechtlich anzuerkennendes Bedürfnis bestehen, äußere religiöse Bekundungen über eine gewisse Zeit auch allgemeiner zu unterbinden, wenn in bestimmten Schulen oder Schulbezirken aufgrund substantieller Konfliktlagen über das richtige religiöse Verhalten die Schwelle zu einer hinreichend konkreten Gefährdung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität in einer beachtlichen Zahl von Fällen erreicht wird.“
Wenn also schon das sogenannte islamische Kopftuch jedenfalls in den Schulen unter bestimmten Umständen per Gesetz verboten werden kann, dann muß dies erst recht für die Vollverschleierung gelten. Denn hier tritt in der Tat das von der Bundesregierung nun angeführte Argument hinzu, daß Kommunikation nur möglich ist, wenn man das Gesicht des Gegenübers erkennen kann. Worte sind das eine, die Mimik das andere. Beides zusammen ist die Äußerung eines Menschen. Worte können je nach Gesichtsausdruck ihres Sprechers durchaus unterschiedlich gewertet werden. Hinzu kommt, daß die islamische Vollverschleierung überhaupt nicht anders verstanden werden kann, denn als Ausdruck der entschiedenen Ablehnung unserer freiheitlichen, säkularen Gesellschaftsordnung, wie sie unser Grundgesetz statuiert.
Die Richter des Bundesverfassungsgerichts haben sich offenbar auch von der Überlegung leiten lassen, daß die immanenten Schranken der Grundrechte auch davon bestimmt werden, was gesellschaftlich allgemeiner Konsens ist. Wenn religiös oder ideologisch bestimmte Verhaltensweisen von Gruppen das Potenzial haben, gesellschaftlich Unfrieden zu stiften oder gar den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden, dann hat der Staat das Recht, meines Erachtens auch die Pflicht, dem entgegenzuwirken. Es hängt also von unserem Verhalten als Bürger ab, wie die Juristen diese Problematik einschätzen. Je deutlicher die Mehrheitsbevölkerung, wie Politik und Medien gerne formulieren, diesen religiösen Fanatismus ablehnt, was sich natürlich auch in entsprechenden Reaktionen auf seine Symbole manifestiert, je eher werden Verfassungsrichter einschlägige Verbotsgesetze akzeptieren. Das würde sicher auch dann gelten, wenn etwa auf Grund einer Volksabstimmung in Bayern ein allgemeines Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit, nicht nur im öffentlichen Dienst, gesetzlich verfügt würde. Hier sind wir Bürger durchaus gefordert. Warum soll man nicht angesichts einer voll verschleierten Frau seinen Unmut über diesen Anblick laut und deutlich äußern, ohne dabei die Grenzen der Höflichkeit zu überschreiten? Warum soll man nicht etwa auch die Gelegenheit nutzen, einer Burkaträgerin in der Öffentlichkeit zu erklären, daß man es eben nicht gut findet, wenn bei uns Frauen in dieser Kleidung öffentlich auftreten? Warum soll man etwa nicht beim Anblick einer Niqab-Trägerin Trägerin dem Unmut darüber auch den entsprechenden Gesichtsausdruck verleihen? Das ist im übrigen weit weg vom Delikt der Volksverhetzung und auch keineswegs beleidigend. Aber es trägt dazu bei, der Mehrheitsmeinung, wie sie in der eingangs zitierten Umfrage zum Ausdruck gekommen ist, öffentlich Präsenz zu verleihen. Seien wir nicht weniger selbstbewußt, als diese auftrumpfenden Muslime! Mia san mia, sagt der Bayer mit Recht. Das gesellschaftliche Klima muß dem religiösen Rigorismus, wie er jedenfalls von einem nicht geringen Teil der Muslime bei uns immer aggressiver gelebt wird, eindeutig entgegenstehen. Dann können Verfassungsrichter im Spannungsfeld zwischen individueller Freiheit, friedlichem Zusammenleben und Freiheit der Religionsausübung richtig entscheiden. Politiker und Juristen sprechen gerne von der wehrhaften Demokratie. In der Tat gilt es unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung zu verteidigen. Nicht nur gegen politischen Extremismus, sondern auch gegen einen religiösen Rigorismus, der alle Lebensbereiche des Menschen ergreift. Principiis obsta!