Archiv der Kategorie: gelesen und nachgedacht

Rezensionen

Il y a des juges à Karlsruhe

Die zum geflügelten Wort und damit Bestandteil unserer deutschen Kultur gewordene Antwort des Müllers von Sancoussi auf die Drohung seines Königs, die Mühle, die ihn so sehr störte, auch gegen seinen Willen abreißen zu lassen, steht für unser über Jahrhunderte gewachsenes rechtsstaatliches Bewußtsein. Der Müller war sich sicher, daß die Richter in Berlin dem despotischen Willen seines Königs Grenzen setzen würden. Und darum schleuderte er ihm das berühmte: „Es gibt Richter in Berlin!“ entgegen, selbstverständlich für die damalige Zeit typisch in französischer Sprache.

Ja es gibt bisweilen Richter, und auch an unserem höchsten Gericht. Offenbar unberührt von allen politisch korrekten Pressionen haben deutsche Richter bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht dem Ansinnen islamischer, besser gesagt islamistischer, Kreise eine Absage erteilt, ihren mittelalterlich geprägten Lebensvorstellungen Vorrang vor unseren Vorstellungen von gesellschaftlichem Zusammenleben, wie es in unseren Schulen – noch – gelehrt wird, einzuräumen.

Zum Sachverhalt:

Die Eltern der seinerzeit 11 bzw.12 Jahre alten Schülerin verboten ihr die Teilnahme am Schwimmunterricht in der Schule, weil dieser für die Mädchen und Buben der Klasse gemeinschaftlich erteilt wurde. Nicht einmal in dem grottenhässlichen Textil namens Burkini sollte sie teilnehmen dürfen. Denn schließlich habe der Koran verboten, daß fremde Männer den Körper einer Frau mit ihren lüsternen Blicken taxieren dürften. Auch sei es einer Muslimin nicht zumutbar, leicht bekleidete junge Männer oder auch nur Jungen anschauen zu müssen. Mit diesem Ansinnen waren sie zunächst bei der Schulleitung, und dann auf dem Rechtsweg durch die Instanzen der Verwaltungsgerichte gescheitert. Unverdrossen ließen sie ihr Kind dagegen Verfassungsbeschwerde einlegen, die das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 08.11.2016 wegen Aussichtslosigkeit nicht zur Entscheidung angenommen hat.

Zum Inhalt der Entscheidung:

Obwohl das Gericht nach dem Gesetz einen solchen Beschluß nicht begründen muß, hat es dies dankenswerter Weise im vorliegenden Falle getan. Zum Teil allerdings jedoch nur aus formalrechtlichen Gründen, etwa insoweit, als auch das Erziehungsrecht ihrer Eltern angeblich in verfassungswidriger Weise verletzt worden sei. Denn die Eltern waren ja gar nicht Partei im Verfahren. Auch vermissten die Richter auch in anderer Hinsicht eine den Anforderungen des Verfassungsbeschwerderechts genügende Begründung. Jedoch stellten sie klar, daß ihren religiösen Vorstellungen – genauer gesagt, den Vorstellungen der hinter der Klage offensichtlich stehenden islamistischen Kreise – doch damit Genüge getan werden könne, wenn sie in einem sogenannten Burkini am Schwimmunterricht teilnehme. Denn dieses Kleidungsstück verberge wohl ausreichend auch im nassen Zustand die Formen ihres Körpers. Als nicht nachvollziehbar erklärten die Richter die Behauptung, daß die Beschwerdeführerin beim Tragen eines Burkinis immer damit rechnen müsse, daß dieser verrutsche und bei Bewegungen oder Übungen Körperformen abbilde. Der Veröffentlichung dieser Entscheidung verdanken wir also unter anderem auch die Erkenntnis, welch krause Gedankengänge und abstruse Vorstellungen in den Köpfen von Islamfunktionären entstehen und dann auch noch ernsthaft vor den Gerichten geltend gemacht werden. Besonders pikant wird diese Argumentation, wenn man dann aus der Entscheidung entnimmt, daß die Beschwerdeführerin im folgenden Schuljahr am gemeinschaftlichen Schwimmunterricht ihrer Klasse teilgenommen hat, allerdings dabei das häßliche Textil namens Burkini getragen hat. Auch die Rüge, die Ausgangsgerichte hätten verkannt, daß es der Beschwerdeführerin im Schwimmunterricht anders als im sonstigen Alltag nicht möglich sei, den ihren religiösen Überzeugungen widerstrebenden Anblick leicht bekleideter Männer und Jungen durch Niederschlagen ihres Blicks zu vermeiden, sei nicht näher ausgeführt. Sie gehe auch an den Gründen der letztinstanzlichen Entscheidungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit vorbei. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit ausführlicher Begründung die Auffassung vertreten, die Glaubensfreiheit der Beschwerdeführerin müsse insoweit hinter den schulischen Wirkungsauftrag zurücktreten. Auch die Besorgnis hinsichtlich möglicher Übergriffe durch Mitschüler hielt das Bundesverfassungsgericht offensichtlich für abwegig. Denn die Verwaltungsgerichte hatten insoweit auf die umsichtige Leitung des Unterrichts durch die Lehrer sowie auf die schlichte Lebenserfahrung zurückgegriffen, daß jede Frau durch eigenes Verhalten diese Gefahr im täglichen Leben auf ein hinnehmbares Maß zurückführen kann. Schließlich war auch nicht ausreichend dargetan, warum insoweit eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erforderlich sein sollte.

Zur Bedeutung der Entscheidung:

Die Entscheidung läßt, wenn auch in begrenztem Maße, die Hoffnung aufkommen, daß zumindest die Auswüchse des Islam in unserem Lande an juristische Grenzen kommen können. Die Entscheidung läßt allerdings genügend Raum dafür, daß in dem einen oder anderen Punkt auch zugunsten der religiösen Vorstellungen entschieden werden könnte, wenn nur juristisch hinreichend gut argumentiert würde. Insofern ist in Sachen Islamisierung des gesellschaftlichen Klimas mit Hilfe der Rechtsordnung noch keineswegs das letzte Wort gesprochen. Denn solange das Grundrecht auf freie Religionsausübung ohne jede Einschränkung auch für die abstrusesten religiösen Vorstellungen Geltung beanspruchen kann, muß auch mit entsprechenden Gerichtsentscheidungen gerechnet werden. Erst wenn sich in der juristischen Welt bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht die Auffassung durchsetzt, daß dem Grundrecht auf freie Religionsausübung nicht alle möglichen Lebenssachverhalte zugeordnet werden können, und insbesondere auch die entgegenstehenden Grundrechte anderer auf Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte stärker berücksichtigt werden, kann dieser Entwicklung Einhalt geboten werden. Es ist wirklich nicht einzusehen, daß Angehörige anderer Religionen oder gar die große Zahl religiös nicht gebundener Menschen in unserem Lande Einschränkungen ihrer Lebensweise hinnehmen müssen, weil eine radikale Minderheit von Muslimen ihre Lebensvorstellungen nach und nach in das Alltagsleben implementiert, und zwar mit dem Segen von Behörden und Gerichten. Es ist auch zwingend geboten, die Definition von Religion immer wieder darauf hin zu überprüfen, ob es sich tatsächlich um Religion im ursprünglichen, in unserer Kultur überkommenen Sinne handelt, nämlich den Glauben an das Jenseits und die Beziehung des Menschen dazu. Sobald indessen Vorstellungen hinzutreten, die das Leben der Menschen auf der Erde verbindlich mit dem Anspruch auf Befolgung wie staatliche Gesetze regeln, ist der Bereich der Religion jedenfalls nach unserem aufgeklärten Verständnis verlassen. Das bedeutet in der rechtlichen Konsequenz, daß damit auch der Schutzbereich der Verfassung verlassen ist. Hinzu kommt im Falle des Islam, daß es sich dabei in großen Teilen um eine politische Ideologie handelt. Es ist die Aufgabe unserer Zeit, diesen Erkenntnissen in der öffentlichen Diskussion Bahn zu brechen, damit sie Eingang in das Denken der Juristen finden. Denn das Rechtsverständnis wird vom Vorverständnis der Tatsachen bestimmt. Nur dann klingt das Wort ermutigend: „Es gibt Richter in Karlsruhe!“

postfaktisch

Nun hat das Establishment zurückgeschlagen. Lange genug haben sich Politiker und Medienschaffende anhören müssen, sie verdrehten die Fakten und belögen das Volk. Die politischen Entscheidungen fußten nicht auf Fakten, sondern auf Ideologie oder seien lediglich interessegeleitet. Wie wir seit gestern wissen, ist das alles ganz anders. „Postfaktisch“ ist das Wort des Jahres. Kreiert von der Gesellschaft für deutsche Sprache nach der Vorlage von Angela Merkel. Der Begriff postfaktisch verweist nach deren Begründung für diese Wahl darauf, daß es in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen heute zunehmend um Emotionen anstelle von Fakten geht. Immer größere Bevölkerungsschichten sind danach in ihrem Widerwillen gegen „die da oben“ bereit, Tatsachen zu ignorieren und sogar offensichtliche Lügen bereitwillig zu akzeptieren. Nicht der Anspruch auf Wahrheit, sondern das Aussprechen der „gefühlten Wahrheit“ führe im „postfaktischen Zeitalter“ zum Erfolg.

Da haben wir’s. Der Bürger glaubt lieber an Märchen, als daß er seinen Politikern und ihren Paladinen mit dem Federkiel vertraut und singt fröhlich vor sich hin: „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt!“ Und weil der Simpel es ohnehin nicht so mit den Tatsachen hat, deren Erkenntnis ja nun einmal das Sammeln von Informationen und deren intellektuelle Durchdringung voraussetzt, sondern lieber aus dem Bauch heraus entscheidet und am liebsten glaubt, was er mit seinem Spatzenhirn selber so denkt, ignoriert er souverän die Wirklichkeit und läuft irgendwelchen, natürlich vorzugsweise „rechtspopulistischen“, Rattenfängern nach.

Immer wenn etwas mit großem medialen Tamtam in Tagesschau, Heute und auf den Titelseiten der Zeitungen verbreitet wird, ist nicht nur Vorsicht geboten, sondern es ist auch ratsam, nachzuschauen, von wem eigentlich die Nachricht stammt. Für die Wahl des Wortes wie auch des Unwortes des Jahres ist die Gesellschaft für deutsche Sprache zuständig. Dabei handelt es sich um eine Einrichtung in der Rechtsform des eingetragenen Vereins, der hauptsächlich von der deutschen Kultusministerkonferenz und dem Kulturstaatsminister der Bundesregierung finanziert wird. Diesem Verein kann man also alles andere als eine kritische Distanz zur Politik, vielmehr eine Abhängigkeit von den Regierungen des Bundes und der Länder nachsagen. Man tritt ihm wohl nicht zu nahe, wenn man seine Aufgabe unter anderem darin sieht, die politischen Sprachregelungen zu formulieren und, wenn irgend möglich, auch populär zu machen. Vielleicht die subtile Variante des Orwell’schen Wahrheitsministeriums. Die Wahl von Wort des Jahres 2015 – Flüchtlinge – und Unwort des Jahres 2015 – Gutmensch – belegt diese Einschätzung überzeugend. Auch das nun kreierte Wort des Jahres 2016 dient dazu, die Kritik vor allem an der Flüchtlings- und Europapolitik der herrschenden schwarzgelbrotgrünstasiroten Politikerkaste zu diskreditieren. Sie ist halt nicht ernst zu nehmen, weil „postfaktisch“, will heißen lediglich von – natürlich dumpfen – Emotionen getragen.

In Wirklichkeit fällt dem politisch/medialen Establishment sein eigener Umgang mit der Wahrheit auf die Füße. Die Leute haben es einfach satt, angelogen zu werden. Und das ist in den letzten Jahren immer dreister geschehen. Was hat man uns nicht alles weismachen wollen, von der Bankenrettung über die Eurorettung zur speziellen Griechenlandrettung. Was hat man uns nicht alles weismachen wollen, damit wir freudig dazu applaudieren, daß hunderttausende von Menschen unkontrolliert im wahrsten Sinne des Wortes in unser Land strömen. Ärzte und Ingenieure, Facharbeiter und lernwillige Azubis zuhauf erlösten Deutschland vom Fachkräftemangel und sicherten unsere Renten. Über die tatsächlichen Zustände etwa in den Sammelunterkünften, das Benehmen vieler wirklicher oder auch nur vermeintlicher Flüchtlinge gegenüber deutschen Bürgern und Beamten, und über die mangelnde berufliche Qualifikation nahezu sämtlicher Flüchtlinge  wurde entweder beschönigend oder gar nicht berichtet. Selbst ein Ereignis wie die Kölner Silvesternacht, die inzwischen als Begriff in die Alltagssprache eingegangen ist, kam nur mit beträchtlicher Verzögerung und gewissermaßen scheibchenweise in die Medien. Geradezu ikonographisch in seinem Symbolgehalt war die Aufdeckung der Inszenierung einer Demonstration trauernder Bürger in den Straßen von Paris mit der politischen Prominenz Europas untergehakt in der ersten Reihe, die sich eben als Fälschung herausstellte, als die offenbar aus der Höhe aufgenommenen Bilder über die Fernsehbildschirme gingen, auf denen jeder sehen konnte, daß hinter den untergehakten Politikern nur wenige Statisten hermarschierten. Das hatte man dann in die Tagesschau-Bilder der Demonstration hineinkopiert.

Nein, die Bürger in Europa denken und entscheiden nicht postfaktisch. Politik und Medien agieren contrafaktisch. Sie pflegen mit der Wahrheit den Umgang, den Lenin seinen Genossen anempfohlen hatte: „Die Wahrheit sagen? Das ist ein bürgerliches Vorurteil. Wahrheit ist, was der Partei nützt.“ Dem Establishment fallen seine verlogenen Welterklärungen auf die Füße. Es rekrutiert sich vorwiegend, jedenfalls in seinen führenden Schichten, aus den saturierten Altachtundsechzigern. Ihnen dämmert langsam, daß sie der Meinungsführerschaft verlustig gehen. Besonders ärgerlich ist für sie, daß die Bürger außerhalb ihres Milieus begonnen haben, sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Sie haben seinerzeit gefordert, alles zu hinterfragen. Die Leute tun das jetzt. Sie haben seinerzeit den Aufstand gegen das Establishment gepredigt. Nun stellen sie pikiert fest, daß sie in den Augen der Bürger selbst das Establishment geworden sind. Und deswegen ärgert es sie, daß diese in ihren Augen postfaktisch denkenden Dummköpfe sie als das Establishment bezeichnen. Denn was mit dem zu geschehen hat, haben sie damals ja laut genug gerufen und dann begonnen, es in die Tat umzusetzen. Nun sitzen sie im Führerbunker und fühlen die Götterdämmerung heraufziehen.

Quod licet Iovi, non licet bovi

Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt. Dieses altrömische Sprichwort trifft auf die Diskussion über den Populismus, den Rechtspopulismus natürlich, zu. Es lohnt sich daher, einmal die programmatischen Aussagen von Parteien zu aktuellen Themen miteinander zu vergleichen. Hier natürlich insbesondere in den Fragen der Ausländer- und Flüchtlingspolitik. Die CDU ist insoweit die maßgebende Partei in Deutschland, als sie die größte Fraktion im Deutschen Bundestag stellt und die Regierungskoalition mit ihrer Kanzlerin anführt. Ihre programmatischen Aussagen sind damit über den Verdacht des Populismus weit erhaben. Die AfD gilt in Deutschland als die Inkarnation des Rechtspopulismus. Somit ist es wohl erhellend, die offiziellen Positionen dieser beiden Parteien einander gegenüber zu stellen. Die nachfolgenden Zitate und Zusammenfassungen sind aus den Beschlüssen des gerade zu Ende gehenden Bundesparteitages der CDU in Essen einerseits und dem Parteiprogramm der AfD andererseits entnommen.

Besonders heftig umstritten in der politischen Diskussion ist nach wie vor der Begriff der deutschen Leitkultur. Dazu heißt es im Programm der AfD:

„Die Alternative für Deutschland bekennt sich zur deutschen Leitkultur, die sich im wesentlichen aus drei Quellen speist: erstens der religiösen Überlieferung des Christentums, zweitens der wissenschaftlich-humanistischen Tradition, deren antike Wurzeln in Renaissance und Aufklärung erneuert wurden, und drittens dem römischen Recht, auf dem unser Rechtsstaat fußt. Gemeinsam liegen diese Traditionen nicht nur unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu Grunde, sondern prägen auch den alltäglichen Umgang der Menschen miteinander, das Verhältnis der Geschlechter und das Verhalten der Eltern gegenüber ihren Kindern. Die Ideologie des Multikulturalismus, die importierte kulturelle Strömungen auf geschichtsblinde Weise der einheimischen Kultur gleichstellt und deren Werte damit zutiefst relativiert, betrachtet die AfD als ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und für den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit. Ihr gegenüber müssen der Staat und die Zivilgesellschaft die deutsche kulturelle Identität als Leitkultur selbstbewußt verteidigen.“

Im soeben beschlossenen Wahlprogramm der CDU heißt es zu diesem Thema unter anderem:

„Je vielfältiger und pluraler eine Gesellschaft ist, desto mehr bedarf sie eines einigenden Bandes – unsere Leitkultur in Deutschland –, das diejenigen miteinander verbindet, die in ein- und demselben Land leben und eine Schicksalsgemeinschaft sind.… Gelingende Integration und Parallelgesellschaften schließen sich aus. Wir wollen deshalb Parallelgesellschaften verhindern. Wer sich der Integration verweigert unsere Rechts- und Werteordnung missachtet, muß mit Sanktionen bis hin zu Leistungskürzungen und Ausweisungen rechnen.“

Heftige Diskussionen löst immer wieder das Thema Vollverschleierung (Burka, Niqab) aus. Dazu heißt es im Programm der AfD:

„Die AfD fordert ein allgemeines Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit und im öffentlichen Dienst. Burka oder Niqab errichten eine Barriere zwischen der Trägerin und ihrer Umwelt und erschweren damit die kulturelle Integration und das Zusammenleben in der Gesellschaft.“

Genau dies hat der Bundesparteitag der CDU heute auch beschlossen.

Nahezu hilflos stehen die europäischen Staaten dem Schlepperunwesen gegenüber. Die Bilder von überladenen, seeuntüchtigen Booten, die von Kriegsschiffen der EU (!) aufgebracht werden, um die Menschen darin aus Seenot zu retten, sind alltäglich. Natürlich entsteht der Eindruck, daß Migranten aus Afrika nur derartige Seelenverkäufer besteigen müssen, um sicher zu gehen, daß sie von den Schiffen der Europäer aufgenommen und auf das sichere europäische Festland gebracht werden. Damit ist ein zumindest langjähriger, wenn nicht dauernder Aufenthalt in einem europäischen Land, vorzugsweise Deutschland, garantiert. Bekanntlich verfahren andere Länder, etwa Australien, anders. Vor der Küste Australiens ertrinkt kein Flüchtling mehr, weil es sich in Südostasien herumgesprochen hat, daß es sinnlos ist, auf dem Seeweg Australien erreichen zu wollen, weil man grundsätzlich aufgegriffen und auf eine der nördlich gelegenen Inseln verbracht wird. Wer das fordert, wird in Deutschland mindestens als herzlos, auf jeden Fall aber als Ausländerfeind, wenn nicht gar Rassist beschimpft. Schauen wir in die Parteiprogramme:

„In der Herkunftsregion von Flüchtlingsbewegungen, wie zum Beispiel Nordafrika, werden Schutz- und Asylzentren in sicheren Staaten eingerichtet. Vorrangiges Ziel ist, solche Aufnahmeeinrichtungen unter UN- oder EU-Mandat zu betreiben. Anträge auf Schutz sollen danach nur noch dort gestellt und entschieden werden. Antragsteller in Deutschland und Europa sind ausnahmslos zur Rückkehr in diese Zentren zu verpflichten.“

Soweit die einschlägige Passage aus dem Programm der AfD. Nun der einschlägige Text aus dem Programm der CDU:

„Unser Ziel besteht darin, die illegale Migration aus afrikanischen Ländern, die vielfach nicht durch Verfolgung und Bürgerkrieg, sondern durch wirtschaftliche und soziale Not bedingt ist, erfolgreich zu bekämpfen und damit zu verhindern, daß zehntausende weiterhin ihr Leben in Gefahr bringen. Zu diesem Zweck wollen wir weitere Abkommen nach dem Vorbild des EU-Türkei-Abkommens auch mit afrikanischen Staaten abschließen. Dafür brauchen wir in Zusammenarbeit mit den internationalen Flüchtlings- und Migrationsorganisationen (IOM, UNHCR) Fluchtalternativen und auf Fangmöglichkeiten „vor Ort“. Dies kann bedeuten, Menschen, die aus den Booten der Schlepper vor dem Ertrinken gerettet werden, zurück an die nordafrikanische Küste zu bringen und sie dort in Absprache mit den betreffenden Ländern, zum Beispiel in regionalen Aufnahmezentren, zu versorgen.“

Ein ständiges Ärgernis ist auch darin zu sehen, daß es kaum Rückführungen oder gar freiwillige Rückreisen rechtskräftig abgelehnter Asylbewerber oder angeblicher Bürgerkriegsflüchtlinge gibt. Dazu erklärt die CDU in ihrem Programm nun:

„Zu oft scheitert der Vollzug der Ausreisepflicht an Abschiebungshindernissen. Wir wollen, wo notwendig, ergänzende Rechtsgrundlagen schaffen. Konsequente Abschiebungen führen auch zu mehr freiwilligen Ausreisen. Dazu wollen wir folgende Grundsätze möglichst rasch umsetzen:

Der Haftgrund für Abschiebehaft muß erweitert werden, wenn von dem Ausreisepflichtigen eine Gefahr ausgeht.

Die Möglichkeit für den Ausreisegewahrsam muß auf vier Wochen verlängert werden.

Mit vollzogener Abschiebung erfolgt eine Wiedereinreisesperre. In diesen Fällen muß an der Grenze zurückgewiesen bzw. sofort erneut abgeschoben werden können.

Wer falsche Angaben macht oder die Mitwirkung etwa bei der Identitätsfeststellung verweigert, muß den Status eines Geduldeten und die Erlaubnis zur Beschäftigung verlieren, Leistungen werden gekürzt; statt der Duldung gibt es nur noch eine Bescheinigung über die Ausreisepflicht. Das Asylverfahren ist beendet.

Wer in dem Land, aus dem er vor Krieg oder Verfolgung geflohen ist, Urlaub macht, verliert seinen Asylstatus und der Reisepaß wird entzogen.“

Inhaltlich gleich, sprachlich ähnlich formuliert die AfD:

„Der wichtigste (Fehl-) Anreiz, über das Asylrecht in das deutsche Sozialsystem einzuwandern, ist bereits seit Jahrzehnten die fehlende Durchsetzung der Ausreisepflicht gegenüber Ausländern, die unter keinem Gesichtspunkt bleibeberechtigt sind… Die AfD will diese Mißachtung des Rechtsstaats beenden. Sie fordert, das Abschieberecht zu ertüchtigen, zu vereinfachen und es konsequent anzuwenden; wo dies nicht geschieht, hat die Rechts- und Fachaufsicht des Bundes sofort einzugreifen.… Alle rechtskräftig abgelehnten Asylbewerber sind unverzüglich außer Landes zu bringen, sofern sie nicht entsprechende Ausreiseaufforderungen freiwillig befolgen.… Vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern dürfen nicht gleichzeitig Anreize zum Bleiben gegeben werden. Unter anderem ist ihre Sozialhilfe dauerhaft auf ein rechtlich zulässiges Minimum in Sachleistungen zurückzuführen.“

Das große Thema im Ausländerrecht ist die Integration. Dazu aus dem Parteiprogramm der AfD:

„Die multikulturelle Gesellschaft ist gescheitert. Um mit Einwanderern in der Zukunft friedlich zusammen leben zu können, ist deren Integration unerlässlich. Nur so läßt sich auch das weitere Vordringen von Gegen- und Parallelgesellschaften in unserem Land verhindern.“

Bei der CDU heißt das so:

„Gelingende Integration und Parallelgesellschaften schließen sich aus. Wir wollen deshalb Parallelgesellschaften verhindern. Wer sich der Integration verweigert und unsere Rechts- und Werteordnung missachtet, muß mit Sanktionen bis hin zu Leistungskürzungen und Ausweisung rechnen.“

Höchst umstritten in Deutschland ist der sogenannte Doppelpaß, also die automatische Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit an in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern, auch wenn diese nach dem Recht des Heimatstaates ihrer Eltern deren Staatsangehörigkeit von Geburt an haben. Dazu erklärt die AfD in ihrem Programm:

„Die AfD lehnt den „Doppelpaß“, also den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit bei gleichzeitigem Fortbestand oder Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit, grundsätzlich ab, was wohlbegründete Sonderfälle aber nicht ausschließt.“

Eben dies hat die CDU auf ihrem Essener Parteitag auch beschlossen.

Ich habe das einfach einmal nebeneinander gestellt. Kommentieren muß ich das nicht. Diese Internetseite hat den Untertitel „sapere aude!“. Deswegen ist auch hier jeder Leser und jede Leserin zum Selberdenken aufgefordert.

Identität

In Deutschland hat man Probleme mit der nationalen Identität. Das zeigt sich am verdrucksten Umgang mit der deutschen Geschichte. Am besten spricht man nicht über sie, denn man kommt dann ganz schnell und ganz ausschließlich auf die zwölf dunklen Jahre. Da ist es nur konsequent, wenn man beginnt, den Geschichtsunterricht aus den Lehrplänen der Schulen herauszunehmen und irgendwie in den sozialkundlichen Fächern aufzulösen. Vom deutschen Volk redet man als Politiker lieber nicht, das könnte ja als völkisches Denken diffamiert werden. Nationale Symbolik wird möglichst auf ein Minimum reduziert oder ganz vermieden. International beachtete Leistungen großer Deutscher aus dem 19. und 20. Jahrhundert werden kleingeredet oder ganz verschwiegen. Wünschen von muslimischen Einwanderern nach Frauenbadetagen in öffentlichen Schwimmbädern und schweinefleischfreiem Kita-Essen entspricht man, kultursensibel wie man ist, gerne. Weihnachtsfeiern in Kindergärten oder gar der Besuch des Nikolaus im Bischofsornat haben kultursensibel natürlich zu unterbleiben. Der Besuch einer Moschee indessen ist auch für Kinder aus christlichen Familien Pflicht, bußgeldbewehrt natürlich. Wir sind ja in Deutschland! (Wirklich?)

Kein Wunder, daß ein Volk mit einem solchen Verhältnis zur eigenen Identität für Einwanderer aus fremden Kulturen nicht sonderlich attraktiv ist, bzw. seine Attraktivität sich auf Wirtschaftskraft und Sozialleistungen reduziert. In einem lesenswerten Artikel auf Tichy’s Einblick vom 7.11.2016 befaßt sich der junge Deutsch-Chinese Marcel Zhu mit diesem Tatbestand. „Eine deutsche Gesellschaft in Verleugnung und Marginalisierung ihrer nationalen Identität ist jedoch nicht in der Lage, den Migranten eine neue, deutsche Identität zu geben…. Eine erfolgreiche Integrationspolitik in Deutschland setzt deshalb voraus, daß sich die deutsche Mehrheitsgesellschaft wieder auf ihre eigene nationale Identität besinnt, nicht zuletzt mit den positiven, identitätsstiftenden Teilen ihrer Geschichte.“

Identitätsstiftung von Staats wegen kann man anderenorts durchaus studieren. In den dritten Fernsehprogrammen wird derzeit der Dokumentarfilm „#uploading_holocaust – Die Reise nach Polen“ gezeigt. Es geht um eine Dokumentation der seit vielen Jahren israelischen Teenagern angebotenen Reise zu den Gedenkstätten des Holocaust. Man sieht nicht ohne innere Bewegung diese jungen Leute zunächst fröhlich und unbeschwert, wie man in diesem Alter einfach ist, und dann in der Konfrontation mit dem unsagbaren Grauen, eingehüllt in ihre Nationalflaggen, dort wo einst Kinder ihres Volkes ermordet worden sind, in Tränen ausbrechen. Ganz offensichtlich soll dieses Projekt auch dazu dienen, die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten, genauer gesagt in die Seelen dieser jungen Leute einzupflanzen. Es geht ganz ersichtlich um die nationale Identität, die jedenfalls zu einem bedeutenden Teil aus dem Holocaust hergeleitet wird. Eine Identität als Opfer, eine seelisch belastende Identität. Sie wird offenbar ergänzt durch das Bestreben nach einer exklusiven Identität. Diesen Gedanken kann man formulieren, wenn man sich die Rezeption des Romans „wir sehen uns am Meer“ der jungen israelischen Autorin Dorit Rabinyan durch das offizielle Israel ansieht. Dieser Roman ist eine der vielen bittersüßen Liebesgeschichten nach dem Muster von Romeo und Julia. Hier eben wird die Geschichte der nach Lage der Dinge eben unmöglichen Liebe zwischen einer Israelin und einem Palästinenser erzählt. Zwei liebende junge Menschen interessiert ihre Umgebung nicht, nicht der Haß zwischen den Völkern, nicht Ausgrenzung und Verbot. Sie versinken eben ganz und gar in ihrem privaten Glück. Der Roman scheint auch durchaus gelungen, wenn man den Kritikern glauben darf. Er eignet sich auch sicher dazu, das Romeo und Julia Sujet eben auch in der Schule als aktuelle Variante des Shakespeare’schen Klassikers vorzustellen, gerade in Israel und in den arabischen Ländern. Daß er in letzteren Eingang in den Unterricht gefunden hätte, wird man ohnehin kaum annehmen. Daß aber das israelische Kultusministerium es abgelehnt hat, diesen Roman für den Schulunterricht freizugeben, erstaunt doch bei einem Land, das doch eher als Vorposten westlich-demokratischer Kultur im Nahen Osten gesehen wird und auch durchaus so gesehen werden will. Doch das Ministerium hat die Genehmigung mit der Begründung versagt, es müßten die Jugendlichen vor der Gefahr der Assimilierung geschützt werden. Intime Beziehungen zwischen Juden und Nicht-Juden bedrohten die getrennten Identitäten. Die Angst vor dem Verlust der eigenen Identität, indem man etwa sich vorstellt, als kleines Volk im Ozean der umgebenden arabischen Massen zu versinken, scheint durchaus virulent. So wurde bei der Vorstellung des Romans eine Dame mit der Befürchtung zitiert, daß die Gefahr der Assimilierung drohe, sobald der Krieg mit den Arabern vorbei sei. Solange der Krieg anhalte, lebe man gewissermaßen hinter dem Schutz eines Zauns. Auch wenn das ganz sicherlich nicht die Wahrnehmung aller, vielleicht nicht einmal der meisten Israelis ist, bemerkenswert sind eine solche Haltung von Interviewpartnern und eine derartige offizielle Äußerung aus der Regierung des Landes durchaus.

Man stelle sich einmal vor, deutsche Schüler würden nach Ostpreußen, Polen und Tschechien gebracht um ihnen die Stätten der Massenmorde an Deutschen am Ende des Zweiten Weltkrieges zu zeigen und ihnen diese Vorgänge minutiös zu erläutern. In T-Shirts mit dem Bundesadler und mit der Bundesflagge behängt, pilgerten diese Jugendlichen zu den wenigen Grabstätten ihrer Vorfahren, die es dort überhaupt noch gibt, und zu den vielen Orten, an denen nur noch die Erzählungen ihrer Geschichtslehrer diese schrecklichen Ereignisse wieder lebendig werden lassen können. Allein schon diese Vorstellung zu formulieren, erscheint abenteuerlich. Wahrscheinlich wird man mir vorhalten, einen unzulässigen Vergleich angestellt zu haben, schließlich gehe es einmal um die Nachfahren der Opfer, und ein andermal des Tätervolkes. Abgesehen davon, daß dies schon deswegen nicht zulässig ist, weil auch der Völkermord an den Deutschen im Osten selbst dann ein solcher bleibt, wenn man den Deutschen jener Jahre pauschal die Täterschaft am Holocaust zuschreiben könnte, was ganz sicher nicht möglich ist, so haben derartige Kritiker überhaupt nicht verstanden, um was es wirklich geht. Es geht im Falle Israel und es ginge im Falle Deutschland zunächst einmal darum, ob man wirklich Generation für Generation jungen Menschen den Seelenschmerz zumuten darf, der sich unweigerlich mit dieser Art der Präsentation des Völkermordes an den eigenen Vorfahren einstellen muß.

Wer Nationen ihre Existenzberechtigung zuspricht, und das tue ich sehr wohl mit Blick auf jede Nation, die ihre Existenzberechtigung genauso gut hat, wie jeder einzelne Mensch das Recht auf Leben und Respekt hat, der muß es auch für gut halten, daß sie ihre Identität hochhalten und ihrer Jugend vermitteln will. Indessen sollte man bei der Wahl der Mittel bedenken, was man am Ende erreichen will, und was am Ende dabei herauskommt. Nicht, daß man die dunklen Seiten der Geschichte beschweigen sollte. Die dunklen Seiten erzählen zum Beispiel von Völkermorden. Da gibt es eben Mörder und Opfer. Für beide Seiten ist das eine schlimme Geschichte, sie steht deswegen auf den dunklen Seiten. Doch Identität, wenn sie dabei helfen soll, zu bestehen, muß vor allem eine positive sein. Die großen Erzählungen der Nationen, die Leistungen ihrer Künstler und Wissenschaftler, ihre Selbstbehauptung gegen äußere Feinde und Überwindung inneren Streits, all das ist geeignet, die nachwachsenden Generationen anzuspornen, es ihren Vorfahren gleich zu tun. Weil die Geschichte aber eben nicht nur diese glänzenden Seiten hat, werden ihre dunklen Seiten durchaus nicht übersehen. Das ist auch durchaus dazu geeignet, das Entstehen allzu großen Übermutes zu verhindern. Geht man jedoch umgekehrt vor, so wird all das Dunkle und Grausame den Blick auf die hellen und schönen Seiten der Geschichte verstellen.

Die Deutschen jedenfalls wären gut beraten, der eingangs zitierten Aufforderung des jungen Mannes zu folgen, der aus seiner persönlichen Vertrautheit mit den Kulturen der Deutschen wie der Chinesen offenbar die Weisheit schöpft, die aus seinen Zeilen spricht. Das Bildnis der Pallas Athene ist deshalb diesem Beitrag nicht zufällig vorangestellt.

Werden wir doch noch normal?

Der politische Sprachgebrauch in Deutschland war bis zu diesem Wochenende klar. Das seriöse politische Spektrum begann links außen, womit noch nicht einmal die Partei gemeint ist, welche sich „Die Linke“ nennt, und endete in der Mitte, wo sich merkwürdigerweise fast alle anderen verorten. Rechts davon begann das Reich der Finsternis. Rechts war gleichbedeutend mit rechtsradikal oder gar rechtsextrem, auf jeden Fall rassistisch, faschistisch und was es sonst für politische Ekeldenominationen gibt.

Möglicherweise wird das jetzt anders. Horst Seehofer hat auf dem CSU-Parteitag seine Partei als eine Partei der gesellschaftlichen Mitte verortet, die auch das demokratische Spektrum rechts von der Mitte umfasse. Sie sei eine Partei, die sich Mitte-rechts einordnet. Rechts ist also nicht mehr böse? Ein demokratisches Spektrum rechts von der Mitte? Gehört Deutschland jetzt also doch zu Europa? Diese spöttische Frage ist angebracht, denn überall sonst in Europa gibt es ganz selbstverständlich Parteien rechts von der Mitte, ohne daß sie aus dem Club der Anständigen ausgeschlossen wären. Parteien rechts der Mitte führen Mitte-Rechts-Koalitionen oder stellen den Kern der parlamentarischen Opposition. Selbst am rechten Rand des demokratischen Spektrums (natürlich von der Mitte aus gesehen, und nicht von außen) angesiedelte Parteien sind Teil des normalen parlamentarischen Betriebes. Der Blick in das Halbrund des Plenarsaales zeigt ja auch, daß die Bestuhlung nicht in der Mitte aufhört. Natürlich wäre für Deutschland zu wünschen, daß dies bei uns künftig genauso ist. Die Ausgrenzung eines erheblichen Prozentsatzes der Wähler bzw. der von diesen Wählern bevorzugten Politiker hat ja de facto zu einer Linksverschiebung des politischen Systems in Deutschland geführt, was inhaltlich auch zum Beispiel bei der CDU durchschlägt. Von daher wäre die Einordnung Seehofers nichts anderes als die Rückkehr zur Normalität. Rückkehr, weil diese Sichtweise früher einmal auch in Deutschland völlig unstrittig war.

Wasser in den von Herrn Seehofer kredenzten Wein der Hoffnung auf normale Zeiten muß jedoch gießen, wer die Medienlandschaft dieses Landes betrachtet. Die politischen Journalisten ordnen sich nach einer Allensbach-Umfrage aus dem Jahre 2009 zu 73 % im linken politischen Spektrum ein (SPD 24 %, Grüne 42 %, die Linke 7 %). Eine Untersuchung der FU Berlin im Auftrage des Deutschen Journalistenverbandes im Jahre 2010 ergab, daß die Befragten sich grundsätzlich links von der Mitte einstuften, wobei ein Drittel angab, keiner Partei nahe zu stehen, 46,6 % allerdings auch den linken Parteien nahe zu stehen. In beiden Umfragen gaben aber nur 9 % bzw. 14 % an, den Unionsparteien nahe zu stehen. Die FDP erfreut sich 12 % bzw. 7,4 % Zustimmung unter den politischen Journalisten. Die AfD gab es zum Zeitpunkt dieser Umfragen noch nicht. Betrachtet man sich die Berichterstattung in den Medien, so wird man politische Journalisten, die erklären, dieser Partei nahe zu stehen, so selten finden wie weiße Elefanten.

Es bedarf keiner prophetischen Gaben vorherzusagen, daß Seehofer und seine Partei ab jetzt einem wahren publizistischen Trommelfeuer ausgesetzt sein werden. Die Nazikeule wird geschwungen werden, daß es nur so eine Art hat. Versuche, ihn und seine Parteifreunde durch Fangfragen aufs politische Glatteis zu führen, Unterstellungen, heimlich bereits an rechten Bündnissen zu arbeiten, Verschwörungstheorien aller Art und was an Unappetitlichkeiten sonst so vorstellbar ist, werden die Kommentarspalten der Zeitungen füllen und von den üblichen Verdächtigen in ARD und ZDF mit dramatischem Tremolo in der Stimme vorgetragen werden. Wer etwa einen auch nur diplomatisch-höflichen Umgang mit Politikern wie Victor Orbán oder gar Norbert Hofer übt, wird sich der übelsten Unterstellungen erwehren müssen. Man darf gespannt sein, wie standfest Seehofer und seine Parteifreunde sein werden.

Allerdings sollte man nicht nur auf die veröffentlichte, sondern vielmehr auf die öffentliche Meinung achten. In der oben erwähnten Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 2009 über die politischen Präferenzen der Journalisten zeigt sich ein signifikantes Auseinanderklaffen der Überzeugungen von Bevölkerung einerseits und politischen Journalisten andererseits. Besonders krass ist dies bei der Vorliebe für die Unionsparteien bzw. die Grünen. Bekundeten im Falle der Unionsparteien 36 % der befragten Bürger, diesen Parteien nahe zu stehen, waren es bei den politischen Journalisten nur 14 %. Erklärten 11 % der befragten Bürger, den Grünen nahe zu stehen, war dies bei den politischen Journalisten ganze 42 %. Ein Blick in die Kommentarspalten der Internet-Ausgaben unserer Zeitungen wie auch auf die Leserbriefseiten der gedruckten Medien zeigt das noch deutlicher. Auch gilt es inzwischen als ausgemacht, daß die rückläufigen Auflagen gerade der großen meinungsbildenden Blätter in Deutschland ihre Ursache nicht zuletzt im Auseinanderklaffen der politischen Präferenzen von Lesern einerseits und Journalisten andererseits haben. Dazu paßt auch, daß nur bei der kleinen, wie ich aber meine feinen Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit ein gegenläufiger Trend festzustellen ist. Sie hat ihre Auflage im dritten Quartal 2016 im Vergleich zum dritten Quartal 2015 um 18 % gesteigert. Alle diese Entwicklungen zeigen jedem, der nicht völlig vernagelt ist, daß es mit der Ausgrenzung der demokratischen Rechten in Deutschland ein Ende haben muß. Auch wenn die offensichtlich mehrheitlich linken politischen Journalisten noch so zetern: die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter.

Gesicht zeigen!

Die Bundesregierung plant dem Vernehmen nach ein Verbot der Vollverschleierung für Beamtinnen. Offenbar ist der Druck der öffentlichen Meinung nun so groß geworden, daß die Politik handeln muß. Immerhin haben sich bei einer Meinungsumfrage Ende August dieses Jahres 51 % der Befragten für ein Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit, und 30 % für ein Verbot der Vollverschleierung von Beamtinnen, etwa Lehrerinnen oder Richterinnen, ausgesprochen. Die Bürger unseres Landes ergreift wohl immer mehr angesichts einer voll verschleierten Muslimin – andere Frauen tun so etwas nicht – ein Gefühl des Unwohlseins. Der Anblick einer solchen Gestalt ist für die meisten Deutschen wohl nicht nur fremdartig, sondern hat zunehmend auch etwas bedrohliches. Man kann diesen Ausdruck extremer muslimischer Religiosität auch kaum von sonstigen extremen Ausprägungen dieser Religion trennen, etwa vom Dschihadismus. Die Trägerinnen dieser Kleidung bekunden damit auch jedenfalls in der Wahrnehmung der allermeisten Bürger dieses Landes eine bewußte und radikale Distanzierung von unserer Lebensweise. Diese Kleidung wird auch – meines Erachtens zu Recht – als radikale Ablehnung einer säkularen Rechtsordnung, wie sie unser Grundgesetz statuiert, verstanden. Als Ausdruck einer Ideologie nämlich, die zum Beispiel die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das Gebot religiöser Neutralität des Staates, das Recht seine Religion zu wechseln, oder auch gar keine Religion zu haben, entschieden ablehnt. Das schlägt im übrigen auch auf die gewissermaßen mildere Variante dieser Vollverschleierung, das sogenannte islamische Kopftuch (Hijab), durch. Gerade weil Musliminnen nicht selten behaupten, dieses Kleidungsstück, häufig kombiniert mit unförmigen langen Mänteln, aus freien Stücken zu tragen. Dies sei nämlich ein Zeichen für ihre sexuelle Nichtverfügbarkeit. Offenbar begreifen immer mehr einheimische Deutsche, daß dieses Argument spiegelbildlich einen unverschämten Vorwurf gegen alle Frauen beinhaltet, die keine islamische Kleidung tragen. Diese bekunden damit dann denknotwendig doch ihre sexuelle Verfügbarkeit, mit anderen Worten, es handelt sich um Flittchen. Daß viele muslimische Männer das genauso sehen, und sich entsprechend gegenüber deutschen Frauen verhalten, gehört zu den großen gesellschaftlichen Ärgernissen unserer Zeit. Deswegen verbieten Mütter bereits ihren Töchtern, öffentliche Schwimmbäder aufzusuchen, wenn sie nicht schon von sich aus da nicht mehr hingehen wollen.

Es bleibt abzuwarten, ob unsere Politiker tatsächlich den Mut haben werden, ein Verbot der Vollverschleierung, also das Tragen des sogenannten Niqab oder der Burka, wenigstens für den öffentlichen Dienst gesetzlich einzuführen. Die verfassungsrechtlich geschützte Religionsfreiheit dürfte dem nicht entgegenstehen. Zwar kann die Religionsfreiheit grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Dennoch unterliegt auch sie immanenten Schranken, wie jedes Grundrecht. Dazu gehören grundsätzlich kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsgüter. So zum Beispiel das in Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes geschützte Erziehungsrecht der Eltern. Dies steht einer religiösen Indoktrination in den Schulen, auch mittelbar, entgegen. Wer als Schüler gezwungen ist, den Anblick einer religiös gekleideten Lehrerin täglich zu ertragen, wird damit auch subtil indoktriniert. Auch muß darüber nachgedacht werden, ob nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter – Art. 2 Abs. 1 GG – auch ein Abwehrrecht gegen Belästigungen gibt, die sich aus einer allzu penetranten Kundgebung religiöser Überzeugungen ergeben. Wer sich zu Behörden und Gerichten begeben muß, und dabei mit Beamtinnen konfrontiert wird, die im Dienst auffällige und unangenehm berührende religiöse Kleidung zur Schau tragen, der kann dem ja nicht ausweichen. Zwar steht das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG sicherlich nicht der Gewaltunterworfenheit gegenüber dem Staat generell entgegen. Ihre Grenze findet diese Gewaltunterworfenheit jedoch in dem, was zur Funktion des Staates unbedingt erforderlich ist. Ganz und gar nicht erforderlich für die Funktion des Staates und die Aufgabe der jeweiligen Behörde ist jedoch ein religiöses, erst recht ein penetrant religiöses Äußeres der jeweiligen Beamtinnen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den sogenannten Kopftuchurteilen des Bundesverfassungsgerichts aus den Jahren 2003 und 2015. Schon im ersten Kopftuchurteil von 2003, in dem letztendlich das Bundesverfassungsgericht eine hinreichende gesetzliche Grundlage für ein Verbot des islamischen Kopftuchs im Schuldienst vermißt hat, haben die Richter durchaus das Spannungsfeld zwischen Religionsfreiheit und dem sozialen Frieden, der nichts anderes als die kollektive Ausprägung der individuellen Freiheitsrechte ist, gesehen. Der soziale Friede besteht eben zu einem guten Teil darin, daß wir in Freiheit leben, und über unsere Lebensweise im wesentlichen Konsens besteht. Wenn aber einzelne Gruppen Ausgrenzungstendenzen zeigen, ist dieser soziale Frieden gefährdet. Deswegen führen die Richter aus Karlsruhe im ersten Kopftuchurteil auch aus:

„Der mit zunehmender religiöser Pluralität verbundene gesellschaftliche Wandel kann Anlaß zu einer Neubestimmung des zulässigen Ausmaßes religiöser Bezüge in der Schule sein. Aus einer hierauf zielenden Regelung in den Schulgesetzen können sich dann für Lehrkräfte Konkretisierungen ihrer allgemeinen beamtenrechtlichen Pflichten auch in Bezug auf ihr äußeres Auftreten ergeben, soweit dies ihre Verbundenheit mit bestimmten Glaubensüberzeugungen oder Weltanschauungen deutlich werden läßt. Insoweit sind unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben auch gesetzliche Einschränkungen der Glaubensfreiheit denkbar….. Es mag deshalb auch gute Gründe dafür geben, der staatlichen Neutralitätspflicht im schulischen Bereich eine striktere und mehr als bisher distanzierende Bedeutung beizumessen und demgemäß auch durch das äußere Erscheinungsbild einer Lehrkraft vermittelte religiöse Bezüge von den Schülern grundsätzlich fern zu halten, um Konflikte mit Schülern, Eltern oder Lehrkräften von vornherein zu vermeiden..“

In die gleiche Richtung geht das zweite Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts vom  27.01.2015. Nach dem Hinweis auf das erhebliche Gewicht der grundgesetzlich geschützten Glaubensfreiheit führen die Richter aus: „Anders verhält es sich dann, wenn das äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften zu einer hinreichend konkreten Gefährdung oder Störung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität führt oder wesentlich dazu beiträgt. Dann wäre es ihnen zumutbar, von der Befolgung eines nachvollziehbar als verpflichtend empfunden religiösen Bedeckungsgebots Abstand zu nehmen. Darüber hinaus kann ein verfassungsrechtlich anzuerkennendes Bedürfnis bestehen, äußere religiöse Bekundungen über eine gewisse Zeit auch allgemeiner zu unterbinden, wenn in bestimmten Schulen oder Schulbezirken aufgrund substantieller Konfliktlagen über das richtige religiöse Verhalten die Schwelle zu einer hinreichend konkreten Gefährdung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität in einer beachtlichen Zahl von Fällen erreicht wird.“

Wenn also schon das sogenannte islamische Kopftuch jedenfalls in den Schulen unter bestimmten Umständen per Gesetz verboten werden kann, dann muß dies erst recht für die Vollverschleierung gelten. Denn hier tritt in der Tat das von der Bundesregierung nun angeführte Argument hinzu, daß Kommunikation nur möglich ist, wenn man das Gesicht des Gegenübers erkennen kann. Worte sind das eine, die Mimik das andere. Beides zusammen ist die Äußerung eines Menschen. Worte können je nach Gesichtsausdruck ihres Sprechers durchaus unterschiedlich gewertet werden. Hinzu kommt, daß die islamische Vollverschleierung überhaupt nicht anders verstanden werden kann, denn als Ausdruck der entschiedenen Ablehnung unserer freiheitlichen, säkularen Gesellschaftsordnung, wie sie unser Grundgesetz statuiert.

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts haben sich offenbar auch von der Überlegung leiten lassen, daß die immanenten Schranken der Grundrechte auch davon bestimmt werden, was gesellschaftlich allgemeiner Konsens ist. Wenn religiös oder ideologisch bestimmte Verhaltensweisen von Gruppen das Potenzial haben, gesellschaftlich Unfrieden zu stiften oder gar den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden, dann hat der Staat das Recht, meines Erachtens auch die Pflicht, dem entgegenzuwirken. Es hängt also von unserem Verhalten als Bürger ab, wie die Juristen diese Problematik einschätzen. Je deutlicher die Mehrheitsbevölkerung, wie Politik und Medien gerne formulieren, diesen religiösen Fanatismus ablehnt, was sich natürlich auch in entsprechenden Reaktionen auf seine Symbole manifestiert, je eher werden Verfassungsrichter einschlägige Verbotsgesetze akzeptieren. Das würde sicher auch dann gelten, wenn etwa auf Grund einer Volksabstimmung in Bayern ein allgemeines Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit, nicht nur im öffentlichen Dienst, gesetzlich verfügt würde. Hier sind wir Bürger durchaus gefordert. Warum soll man nicht angesichts einer voll verschleierten Frau seinen Unmut über diesen Anblick laut und deutlich äußern, ohne dabei die Grenzen der Höflichkeit zu überschreiten? Warum soll man nicht etwa auch die Gelegenheit nutzen, einer Burkaträgerin in der Öffentlichkeit zu erklären, daß man es eben nicht gut findet, wenn bei uns Frauen in dieser Kleidung öffentlich auftreten? Warum soll man etwa nicht beim Anblick einer Niqab-Trägerin Trägerin dem Unmut darüber auch den entsprechenden Gesichtsausdruck verleihen? Das ist im übrigen weit weg vom Delikt der Volksverhetzung und auch keineswegs beleidigend. Aber es trägt dazu bei, der Mehrheitsmeinung, wie sie in der eingangs zitierten Umfrage zum Ausdruck gekommen ist, öffentlich Präsenz zu verleihen. Seien wir nicht weniger selbstbewußt, als diese auftrumpfenden Muslime! Mia san mia, sagt der Bayer mit Recht. Das gesellschaftliche Klima muß dem religiösen Rigorismus, wie er jedenfalls von einem nicht geringen Teil der Muslime bei uns immer aggressiver gelebt wird, eindeutig entgegenstehen. Dann können Verfassungsrichter im Spannungsfeld zwischen individueller Freiheit, friedlichem Zusammenleben und Freiheit der Religionsausübung richtig entscheiden. Politiker und Juristen sprechen gerne von der wehrhaften Demokratie. In der Tat gilt es unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung zu verteidigen. Nicht nur gegen politischen Extremismus, sondern auch gegen einen religiösen Rigorismus, der alle Lebensbereiche des Menschen ergreift. Principiis obsta!

Die Märchentante

Recep Tayyip Erdogan hat bekanntlich die Forderung, Zuwanderer aus dem islamischen Kulturkreis – er spricht natürlich für „seine“ Türken – sollten sich den Deutschen anpassen, als Verbrechen bezeichnet.

So weit geht Lamya Kaddor nicht. Ihre Sprache ist subtil. Sie tritt nun mit der Forderung hervor, die Mehrheitsgesellschaft habe gegenüber den zugewanderten Bürgern, insbesondere denen, die schon in dritter oder vierter Generation hier leben (und sich offensichtlich immer noch nicht integriert haben) eine Bringschuld. Das klingt freundlich und versöhnlich, erweist sich aber bei näherem Hinsehen lediglich als List wie im Märchen vom Wolf und den sieben Geißlein. Der Wolf hat Kreide gefressen.

Frau Kaddor bezeichnet zunächst einmal alle diejenigen, die Wert auf ein kulturell homogenes Staatsvolk in Deutschland (von anderen Ländern, insbesondere im islamischen Kulturkreis, spricht sie nicht) als „Deutschomanen“. Der Wortschöpfung kann man ein gewisses Maß an sprachlicher Kreativität nicht absprechen. Allerdings ist die Vokabel auch aggressiv diffamierend. Die so bezeichneten Deutschen leiden also unter einer Manie des Deutschseins. Manien aller Art gehören jedoch zu Psychosen oder ähnlichen psychischen Defekten. Das muß man sich vergegenwärtigen, wenn man Frau Kaddors Definition dieser Manie betrachtet. Danach zeigt sich die sogenannte Deutschomanie in Forderungen wie: Menschen, die vielleicht schon in der vierten Generation in Deutschland leben, müssten sich anpassen, obwohl sie längst Deutsche sind. Das ist schon starker Tobak. Denn im Umkehrschluß bedeutet das nichts anderes, als daß Parallelgesellschaften wie in Berlin-Neukölln oder Duisburg-Marxloh hinzunehmen sind. Ihnen gegenüber soll die Mehrheitsgesellschaft auch eine „Bringschuld“ haben. Die soll darin bestehen, diese Menschen zumindest „auf Augenhöhe zu respektieren“. Das will besagen, gelungene Integration nach dem Geschmack von Frau Kaddor soll zwar mehr Verfassungspatriotismus, mehr freiheitliche Werte, Gesetze, Regeln, Rechte aller beinhalten. Uns alle in unserem Lande einige doch der Rechtsstaat und die Demokratie. Natürlich müsse Deutsch dabei als Sprache (Kultur und Geschichte werden nicht erwähnt) eine zentrale Rolle spielen, aber auch Nation, nur jenseits des „völkischen“ Denkens. Außerdem dürfe man dazu nicht nur die Mehrheit formulieren lassen, man müsse auch mal Minderheiten formulieren lassen. Da könne auch etwas Konstruktives herauskommen.

Abgesehen davon, daß die Metapher von der Bringschuld außerhalb des juristischen Sprachgebrauchs stets falsch ist, denn es wird damit nur der Ort definiert, an dem eine Verbindlichkeit (Schuld) zu erfüllen ist, ist auch ersichtlich falsch, was damit gesagt werden soll. Frau Kaddor verlangt ja allen Ernstes nicht nur von denjenigen, die in unser Land einwandern, um hier dauerhaft zu bleiben, die geltenden Gesetze einzuhalten. Die Beachtung von Gesetzen und Regeln des Landes, in dem man mit oder ohne seine Staatsbürgerschaft lebt, ist jedoch nur das Minimum dessen, was einen Aufenthalt überhaupt möglich macht. Anderenfalls lernt man von einem Lande entweder seine Gefängnisse kennen oder aber muß es alsbald wieder verlassen. Mehr als Rechtstreue verlangt sie nicht, vielmehr meint sie damit, daß die sogenannte Mehrheitsgesellschaft auch von den Zuwanderern das eine oder andere annehmen soll. Weil die Zuwanderer die Gesetze des Landes beachten sollen, kann damit ja nur ihre kulturelle Identität gemeint sein. Zu dieser Identität gehört natürlich der Islam, und zwar ganz wesentlich. Sie soll wohl in gewissem Maße abfärben. Auf den Vorhalt, daß gerade der Islam als Identitätsressource möglicherweise für besonders große Integrationsprobleme sorge, winkt sie ab. Das sei wissenschaftlich so nicht haltbar, daß der Islam für Integrationsprobleme besonders verantwortlich gemacht werden könne oder die Religion überhaupt der ausschlaggebende Faktor sei, warum Menschen besser oder schlechter integriert seien.

In diesem Zusammenhang muß natürlich gesehen werden, daß Frau Kaddor behauptet, es könne einen liberalen Islam geben, fern aller fundamentalistischen Interpretation und konservativ-religiöser Lebenswirklichkeit. Mit Blick auf den tatsächlich jedenfalls außerhalb kleiner Zirkel in Europa wie ihrer eigenen liberal-islamischen Vereinigung kann man nicht umhin, hier von einer Schimäre wie einem runden Quadrat zu sprechen. Derartige Vorstellungen, sollten sie überhaupt ernst gemeint sein, haben nicht den Hauch einer Chance, den real existierenden Islam nach den Vorstellungen Erdogans, der saudischen Fundamentalisten oder der iranischen Ajatollahs auch nur in unserem Lande abzulösen, von den islamischen Ländern selbst einmal völlig abgesehen. Der unbedarften Vereinsmeierei deutscher Intellektueller mit oder ohne Migrationshintergrund stehen die mit Milliardenbeträgen gesponsorten Moscheevereine saudiarabischer Prägung und vom türkischen Staat finanzierten und gelenkten islamischen Gemeinschaften gegenüber. Deren Einfluß in Deutschland wächst in rasantem Tempo. Ihre Interpretation des Koran und der Scharia ist für die übergroße und weiter wachsende Zahl der Muslime maßgeblich. Ernstzunehmende liberale islamische Theologen, insbesondere auch mit Einfluß auf die übrige islamische Welt, sind weit und breit nicht in Sicht. Zutreffend ist daher das Resümee des islamkundigen Publizisten Ufuk Özbe: Sowohl gläubiger Muslim als auch Befürworter der freiheitlich-demokratischen Grundwerte sein zu wollen, scheint nur dank des Segens der Unwissenheit oder mit hartnäckiger Verdrängung oder durch Aushalten schwindelerregender Verrenkungen möglich zu sein. Wenn jedoch Muslime mit in Deutschland erworbenen akademischen Qualifikationen uns das Lied vom liberalen Islam singen, obgleich sie es ganz sicher besser wissen, dann drängt sich doch das Bild vom bösen Wolf auf, der Kreide gefressen hat, um die arglosen sieben Geißlein über seine Identität zu täuschen, damit sie ihm die Tür öffnen und er sie fressen kann. Das Bild paßt übrigens für beide Seiten. Sowohl der Charakter des Islam als auch die Naivität der deutschen Intellektuellenkaste sind damit wirklichkeitsnah abgebildet.

Islam bedeutet Frieden

Bekanntlich haben die Deutschen in jeder Richtung Ängste. Wer Ängste hat, muß auf die Couch des Psychotherapeuten. Diese Rolle übernehmen im Rahmen der kollektiven Behandlung der Deutschen gerne diverse Journalisten, Wissenschaftler und Politiker. Tatsächlich sei der Islam doch eine Religion des Friedens. Nichts anderes bedeute auch das Wort Islam. Daß es tatsächlich Unterwerfung bedeutet, sagt man den Leuten lieber nicht.

Abdurrahman ibn Abdulazis as-Sudais ist Imam der bedeutendsten Moschee des Islam, der al Masdschid al-Haram in Mekka. In ihrem Innenhof befindet sich die Kaaba, das Ziel der jährlichen Hadsch (Pilgerfahrt) der Muslime aus aller Welt. Man kann diesen Imam wohl mit Fug und Recht als Salafisten einstufen, Wahabit ist er ohnehin. Er gilt sunnitischen Muslimen, das sind gut 90 %, als einer der verlässlichsten und populärsten Interpreten des Korans.

Am 4. September 2016 rief er in seiner Predigt muslimischen Pilgern aus Ägypten zu:

„Oh Allah, schenke Sieg, Ehre und Macht unseren Brüdern, den Dschihadisten in Jemen, in Syrien, im Irak, auf der ganzen Welt. Laß sie triumphieren über die verräterischen Juden, die bösartigen Christen und die unzuverlässigen Heuchler!“

Die Predigt wurde vom ägyptischen Fernsehen direkt übertragen. Islam bedeutet für uns ganz sicher Frieden. Nämlich den Frieden des Friedhofs, wenn er sich auch bei uns durchgesetzt hat. Das muß man wissen. Nur wenn man es weiß, wird man auch danach handeln.

Völkisch – ein Unwort?

Frau Petry hat es getan. Sie hat völkisch gesagt. Das ist noch schlimmer als Autobahn. Und sie hat noch einen drauf gesetzt.

Sie hat dazu aufgerufen, den Begriff völkisch positiv aufzuladen. Man müsse daran arbeiten, daß dieser Begriff wieder positiv besetzt ist. Das Wort völkisch als rassistisch zu werten, sei eine unzulässige Verkürzung. Sie selbst benutze diesen Begriff zwar nicht, aber ihr missfalle, daß er ständig nur in einem negativen Kontext benutzt werde. Sie habe ein Problem damit, daß es bei der Ächtung des Begriffs völkisch nicht bleibe, sondern der negative Beigeschmack auf das Wort Volk ausgedehnt werde.

Es war zu erwarten, daß darob in den Medien ein Entrüstungssturm ausbrechen werde. Natürlich schlagen alle politisch korrekten Kommentatoren nun auf die Politikerin ein. Soweit man sachlich argumentiert, weist man auf die Definition im aktuellen Duden hin. Danach stehe der Begriff völkisch in der rassistischen Ideologie des Nationalsozialismus. BILD weiß daher: „AfD Chefin zündelt.“ Die ZEIT, stets bemüht, ihrer vorwiegend akademischen Leserschaft die Mühe des Denkens abzunehmen, gibt ihr die Sprachregelung vor und schreibt in ihrer Online Ausgabe flugs: „Der Begriff völkisch bedeutet deutsch und steht für die Ausgrenzung von jedem, der hier nicht geboren wurde. Wer ihn nutzt, will faschistische Gedanken hoffähig machen.“ So belehrt uns ein Herr Biermann.

Man kann sich dem Sachverhalt auch ohne Schaum vor dem Mund nähern. Ohne jeden Zweifel hat die Vokabel „völkisch“ eine wechselhafte Bedeutungsgeschichte. Ohne jeden Zweifel ist sie zu einem Schlüsselbegriff der nationalsozialistischen Ideologie geworden. Schon der Titel des Parteiorgans – Völkischer Beobachter- spricht für die Vereinnahmung des Begriffs durch Hitler und seine volkspädagogischen Büchsenspanner. Doch dieses Schicksal teilt die Vokabel mit anderen Begriffen, Symbolen und sogar Tugenden. Die Schmähung von Fleiß, Treue, Disziplin, Gehorsam, Pflichtbewußtsein, Pünktlichkeit, Ordnungsliebe, Zuverlässigkeit, Höflichkeit und Sauberkeit als sogenannte Sekundärtugenden, mit denen man auch ein KZ führen könne, durch Oskar Lafontaine,in einem Stern-Interview am 15. juli 1982, dazu noch auf Helmut Schmidt gemünzt, sollte unvergessen bleiben.

Hilfreich ist es daher, sich die Wortbedeutung unbefangen aus der lexikalischen Literatur zu erschließen. Noch im Jahre 1933 – das Manuskript dürfte sicherlich vor Beginn dieses für Deutschland und Europa verhängnisvollen Jahres fertig gestellt worden sein – führt das im Georg Dollheimer Verlag zu Leipzig erschienene Wörterbuch „Das deutsche Wort“ hierzu aus: „völkisch Eigenschaftswort: das Volk betreffend; dem Volk eigentümlich; national“. Der Große Brockhaus, 16. Aufl. führt im 1957 erschienenen 12. Band dieses Lexikons aus: „völkisch, die seit etwa 1875 aufgekommene, um 1900 vor allem vom Alldeutschen Verband vertretene Verdeutschung des Wortes national im Sinne eines auf dem Rassegedanken begründeten und daher entschieden antisemitischen Nationalismus. An sich ist völkisch ein altgermanisches Wort; es konnte sich aber, ebenso wie volklich, im allgemeinener Bedeutung nicht durchsetzen.“ Ziehen wir dann noch den zumindest früheren Schülergenerationen bekannten „Wasserzieher, ableitendes Wörterbuch der deutschen Sprache“, 18. Aufl. 1974 zu Rate. Dort lesen wir: „völkisch 15. Jahrhundert, 1875 als Verdeutschung für national vorgeschlagen, angelsächsisch folcisc volkstümlich.“

Wir sehen also, daß ein schlicht beschreibendes Eigenschaftswort durch seinen Missbrauch zunächst seitens nationalistischer Kreise im deutschen Sprachraum und dann verstärkt durch die Nationalsozialisten gewissermaßen seine Unschuld verloren hatte. Nun machen viele Begriffe und Vokabeln im Laufe der Jahrhunderte einen bisweilen tiefgreifenden Bedeutungswandel durch. Jedem von uns ist das aus der Schulzeit noch an dem Beispiel des Marschalls geläufig, der sich vom Pferdeknecht zum höchsten Generalsrang entwickelt hat. Und wie hat sich Ansehen und Verständnis des Wortes Weib, das in der lutherischen Bibelübersetzung Jesus für seine Mutter benutzt hat, und zwar ganz sicher in Liebe und Ehrfurcht, ins Negative verändert! Eine Frau mit diesem Begriff anzureden kann heute strafrechtliche Konsequenzen haben. Vom negativen Begriff zur negativen Wortbedeutung ist es nicht weit. Das zitierte Beispiel der sogenannten Sekundärtugenden ist hier aufschlussreich. Und wenn eine Vokabel einmal gewissermaßen wie ein fauler Apfel im Korb liegt, ist die Gefahr groß, daß auch andere bislang positiv konnotierte Begriffe von dieser Abwertung befallen werden. Nicht ganz zu Unrecht hat die Politikerin Petry daher darauf hingewiesen, daß es bei der Ächtung des Begriffs völkisch nicht bleibt, sondern der negative Beigeschmack auf das Wort Volk ausgedehnt wird. Das ist leider bereits festzustellen. Wenn ein Politiker im Zusammenhang mit Europa oder der Flüchtlingsproblematik vom deutschen Volk spricht, dann klingt das in manchen Ohren ja wie Autobahn, nämlich Autobahn, die Hitler gebaut habe, weswegen ja nicht alles schlecht sein könne, was Hitler getan hat.

Ob man nun Frau Petry allgemein oder in diesem Punkt zustimmt oder nicht: ich halte es für geboten, auch den Begriff völkisch aus der babylonischen Gefangenschaft des Nationalsozialismus zu befreien. Wir können nicht Begriffe oder Dinge, die für sich genommen weder gut noch schlecht sind, nur deswegen auf ewig für Unworte halten, oder zumindest für unaussprechlich, nur weil sie von den Nazis missbraucht worden sind. Denn dann müssten wir in der Tat all die oben zitierten sogenannten Sekundärtugenden aus unserem Sprachschatz verbannen. Natürlich ist es so, daß das Pflichtbewusstsein eines KZ-Aufsehers in diesem Fall eine negative Eigenschaft ist. Ebenso natürlich ist das Pflichtbewusstsein eines Straßenbahnfahrers oder Verkehrspiloten eine in unser aller Interesse wünschenswerte Eigenschaft. Wenn wir also die Vokabel völkisch künftig schlicht und einfach ihrem Ursprung entsprechend als das deutsche Wort für national verstehen, dann emanzipieren wir uns gleichzeitig auch von der Fixierung auf die Zeit des Nationalsozialismus, die wenigstens zwei Generationen nach dessen Untergang die Unbefangenheit genommen hat. Der souveräne Umgang mit der eigenen Geschichte verlangt unter anderem, auch die sicherlich ausschließlich negativ zu bewertende Zeit des Nationalsozialismus nicht nur zeitlich, sondern auch von ihrer Bedeutung her in den Gesamtzusammenhang der Geschichte zu stellen. Auch wenn diese zwölf Jahre ein anderes Gewicht haben, als irgendwelche belanglosen zwölf Jahre unserer Geschichte, so sind sie gleichwohl doch nur eine Periode von vielen. Und auch wenn die Untaten der Nazis nur wenig vergleichbares in der Geschichte finden – an dieser Stelle muß ich für Halbgebildete darauf hinweisen, daß vergleichen und gleichsetzen zwei verschiedene Dinge sind – in unserer Geschichte überwiegen die der Überlieferung werten Ereignisse und Perioden bei weitem. Auch deswegen müssen wir die Autobahnen nicht etwa in Schnellstraßen oder gar Highway umbenennen. Werden wir unverkrampft! Auch wenn das solchen Kreisen mißfällt, die es am liebsten sähen, wenn sich „der Deutsche“ als ewiger Paria der Geschichte auf alle Zukukunft verschämt an der Wand entlang drückt. Denn dafür liefert unsere mehr als die „berühmten“ tausend Jahre alte Geschichte jedenfalls in summa  keinen Grund.

Senatus Populusque Romanus, Senat und Volk von Rom. Dieses stolze Motto der römischen Republik, einer antiken Demokratie, freilich einer Demokratie mit allen Schwächen der Antike, es beschreibt in lakonischer Kürze das Wesen der parlamentarischen Demokratie. Das Volk als Träger aller Staatsgewalt. „Wir sind das Volk!“ riefen die Leipziger bei den Montagsdemonstrationen 1989. Wenn es uns Deutsche kennzeichnet, den Kopf oben zu tragen, dann ist es eben eine nationale, in diesem Falle eine sehr positive nationale Eigenschaft. Ändert sich daran irgendetwas, wenn man sie als eine völkische Eigenschaft der Deutschen bezeichnet? Den Lesern eines Weblogs, der in seinem Untertitel zum Selberdenken auffordert, muß ich die Antwort nicht vorgeben.