Archiv der Kategorie: gelesen und nachgedacht

Rezensionen

Der Islam hat nichts mit dem Terror zu tun (?)

Was der Papst sagt, das gilt nach katholischer Lehre. Jedenfalls in Glaubensdingen. Was er sonst so sagt, ist nicht verbindlich, aber für Katholiken wichtig und für andere bedeutsam. Jedenfalls bleibt es nicht ohne Echo in den Medien und häufig nimmt die Politik dazu Stellung, nicht selten zustimmend. So finden zum Beispiel seine Aussagen zur Flüchtlingsproblematik in Politik und Medien breite Zustimmung. Auch seine Appelle zugunsten der Armen und seine Aufrufe zur friedlichen Beilegung von Konflikten werden beachtet. Um so mehr sollte er sich in weltlichen Dingen zurückhalten und seine Worte wägen. Der amtierende Papst indessen mischt sich gern in die Tagespolitik ein. Seine Position in der Flüchtlingsfrage kann zutreffend als „linksgrün“ bezeichnet werden, was natürlich auf das Verhalten der Bischöfe und Ordensoberen in Deutschland durchschlägt. Wegen der hierarchischen Ordnung der katholischen Kirche wird das natürlich noch vom letzten Pfarrer und der einfachsten Nonne umgesetzt. Die protestantischen Kirchen weichen da in keiner Weise ab, allenfalls versuchen sie, ihre katholischen Brüder und Schwestern an Nächstenliebe zu übertreffen, auch wenn es sich keineswegs um die Nächsten, sondern eher um die Fernsten handelt.

Mag die tätige Nächstenliebe noch Christi Geboten entsprechen, so ist das bei sicherheitspolitischen Bewertungen nicht der Fall. Jesus Christus hat sich jeglicher politischen Aussage enthalten. Im Gegenteil, der berühmte Satz: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt!“ zieht eine klare Trennlinie zwischen Religion und Staat. Es ist einfach nicht vorstellbar, daß er etwa eine politische Bewertung der römischen Herrschaft über Israel geäußert haben könnte. Sein aktueller Stellvertreter auf Erden sieht das offenbar völlig anders. Vor wenigen Tagen hat er den Journalisten zum Thema islamistischer Terror in die Aufnahmegeräte diktiert, es sei nicht richtig, daß der Islam gewalttätig sei. Ihn als terroristisch zu bezeichnen, sei nicht gerecht. In jeder Glaubensrichtung gebe es radikale Anhänger. In fast jeder Religion gebe es immer eine kleine Gruppe von Fundamentalisten, „bei uns (also den Katholiken) auch.“ Auch in Italien gebe es beispielsweise jeden Tag Gewalt. „Der eine tötet seine Freundin, der andere tötet seine Schwiegermutter, und das sind alles getaufte Christen.“

Hier werden natürlich Dinge gleichgesetzt, die man beim besten Willen nicht gleichsetzen kann. Die Ermordung von unbeteiligten und unschuldigen Menschen im Namen Allahs kann man nun keinesfalls mit privaten Mordtaten gleichsetzen. Ob jemand meint, ein göttliches Gebot zu befolgen, wenn er andere Menschen tötet, oder ob jemand zum Beispiel seine Freundin aus Eifersucht umbringt, das ist in jeder Hinsicht so verschieden, daß es bis auf die Tatsache der Tötung selbst keinerlei Gemeinsamkeiten gibt. Nun kann angesichts der bekannt hohen Anforderungen des Jesuitenordens an seine Aspiranten nicht davon ausgegangen werden, der Papst sei intellektuell eher einfach gestrickt. Vielmehr muß man ihm unterstellen, auch mit dieser Aussage Politik machen zu wollen. Ganz offensichtlich versucht er im Einklang mit nicht wenigen europäischen Politikern, eine Wesensverwandtschaft des Islams mit dem Christentum herbeizureden. Wer dergleichen propagiert, wiegt sich in der Hoffnung, daß die so beschworene Gemeinsamkeit vielleicht zu einer tatsächlichen werden könnte. Das erinnert fatal an das Schlagwort der seinerzeitigen bundesdeutschen Ostpolitik vom Wandel durch Annäherung. Die naive Vorstellung war, daß der Kommunismus sich zum guten wandeln würde, wenn nur der kapitalistische Westen sich ihm selbst immer mehr annäherte. Wir wissen, daß dies nicht der Fall war. Der Kommunismus ist vielmehr daran zerbrochen, daß für diese Fehlkonstruktion das Verfallsdatum gekommen war.

Diese naive Haltung der christlichen Kirchen zum Islam wird durch kaum etwas augenfälliger nach außen getragen, als die seit Anfang letzten Jahres überall an den Außenwänden der Kirchen aufgehängten Spruchbänder mit der Aufschrift: „Christen Juden Muslime Christen Juden Muslime Christen – im Namen Gottes darf nicht getötet werden.“ Als ob außer Muslimen irgendjemand in den letzten 300-400 Jahren im Namen Gottes getötet hätte, und als ob außer im Koran und der Scharia irgendwo in den heiligen Schriften der beiden anderen Religionen zu Mord und Totschlag an Ungläubigen, Glaubensabtrünnigen und sonst angeblich todeswürdigen Menschen aufgerufen würde. Es ist kaum verwunderlich, daß dieses Transparent außer an den christlichen Kirchen kaum einmal irgendwo zu sehen war. Jedenfalls habe ich es in unserer Stadt weder an der Synagoge der israelitischen Kultusgemeinde noch etwa an der Ayasofia Moschee gesehen. Seinen Vers darauf kann sich wohl jeder selbst machen.

 

Des Kaisers neue Kleider

Man kann in unserer Zeit nicht mehr voraussetzen, daß der überlieferte kulturelle Kanon unseres Volkes jedermann präsent ist. Doch sollten die populären Märchen doch wirklich jedermann geläufig sein. Zu diesen gehört die allegorische Erzählung „Des Kaisers neue Kleider“ von Hans Christian Andersen. Die geradezu satirische Darstellung der Hofschranzen und Untertanen, die ihrem verrückt gewordenen Herrscher zu Liebe so tun, als fertigten die im Stile eines Till Eulenspiegel agierenden Betrüger tatsächlich kostbare Gewänder für ihn, obgleich sie in Wirklichkeit nur mit ihren Nähnadeln in der Luft herumfuchteln, bis ein Kind in den Saal kommt und in seiner paradiesischen Unschuld ausruft: „Der hat doch gar nichts an!“, diese Geschichte ist in der Tat auch als Allegorie der political correctness unserer Tage zu lesen.

Ein schönes Beispiel dafür ist der Umgang unserer Medien mit der Brexit-Abstimmung in Großbritannien, die zu ihrem Leidwesen nun nicht so ausgefallen ist, wie sich das die politisch-mediale Klasse unseres Landes gewünscht hat. Statt nun nüchtern und sachlich Ursachen und Folgen zu analysieren, Vor-und Nachteile abzuwägen und sich am Ende mit dem demokratisch gefundenen Ergebnis zu arrangieren, schüttet man kübelweise Beleidigungen und Verachtung, Spott und Hohn über den Wählern aus, die nicht nur falsch gewählt haben, sondern allen politischen Übeln dieser Welt den Weg gebahnt haben. Ein Musterbeispiel dafür liefert der ehemalige Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten in dem heutigen von beiden Nürnberger Tageszeitungen gemeinsam publizierten „Sonntagsblitz“. Ich will nachstehend dieses Produkt journalistischer Arroganz abschnittsweise zitieren und kommentieren:

Das britische Referendum war ein Lehrstück über die Tücken der Demokratie. Am Tag danach rieben sich junge Wähler die Augen, weil sie sich auf der Verliererseite wiederfanden. Die Landbevölkerung, die neidische, ältere Generation, der die Freizügigkeit nicht paßt, sowie jene, die sich vom rasanten, technisch-sozialen Wandel abgehängt fühlen, stimmten für den Brexit.

Schon mit diesen einleitenden Sätzen entlarvt sich der Autor. Wer sich mit der EU in ihrer real existierenden Gestalt nicht einverstanden erklärt, der paßt einfach nicht mehr unsere Zeit. Es kann sich daher nur um eine Negativauslese handeln, nämlich die alten Neidhammel, die Zurüchgebliebenen, die die moderne Welt auch nicht mehr verstehen. Natürlich sind das auch nicht die modernen Großstadtmenschen, sondern die „Bauernfünfer“. Und die sind dann auch noch auf die selbstverständlich erfolgreichen großstädtischen jungen Leute neidisch. Recht viel weiter weg von der Wirklichkeit kann man nicht schreiben. Ich wüßte nicht, wer in der älteren Generation den eigenen Nachkommen, und das ist die jüngere Generation, ihre Erfolge nicht gönnt. Ich kann auch nicht erkennen, daß Intelligenz und Weltoffenheit nur in den Großstädten zu Hause sein sollen, nicht aber auf dem Lande. Es ist auch völlig daneben, alle Leute, die außerhalb der Großstädte leben, als zurückgebliebene Hinterwäldler zu sehen. Und man betreibt natürlich statistische Falschmünzerei, wenn man suggeriert, ganze Bevölkerungsgruppen hätten sich für die eine oder andere Option entschieden. Vielmehr haben jeweils beachtliche Anteile der apostrophierten jugendlichen Großstädter bzw. ältlichen Landbewohner anders als die Mehrheit ihrer Gruppe gewählt. Die fallen natürlich für einen Polemiker unter den Tisch.

Die weitgereisten, engvernetzten Jungen, die Politik langweilig finden und sich ihren Frust von der Seele twittern, wollten den Austritt nicht. Wären sie in Scharen zur Wahl gegangen, um für ihre Interessen einzutreten, hätten sie sich und ihrem Land viel erspart. Daraus läßt sich einiges lernen.

Also sind im wesentlichen nur die jungen Leute weit gereist, finden allerdings die Politik langweilig. Daß auch und gerade ältere Leute weit gereist sind, gleichwohl ebenfalls vielfach Politik langweilig finden, paßt in die Polemik des Verfassers natürlich nicht. Daß dann aber ausgerechnet die von ihm gelobten weitgereisten jungen Leute zum großen Teil erst gar nicht zur Wahl gegangen sind, will ihm nicht in den Kopf. Deswegen unterstellt er ihnen auch flugs, „richtig“ abgestimmt zu haben, wären sie nur zur Wahl gegangen. Vorher er das nimmt, ist unerfindlich. Natürlich gibt es in den sozialen Netzwerken zuhauf enttäuschte Äußerungen, und natürlich gehen vorwiegend jüngere Leute in London auf die Straße, um gegen den Brexit zu demonstrieren, nachdem die Entscheidung gefallen ist. Daraus ableiten zu wollen, es handle sich hier um die etwa zwei Drittel der jungen Wähler, die nicht zur Wahl gegangen sind, ist schlichtweg abenteuerlich. Eher liegt es nahe, daß diejenigen, die jetzt auf die Straße gehen, auch schon in die Wahllokale gegangen sind. Aber das paßt nicht in das Weltbild eines solchen Heroldes der majestätischen europäischen Idee. Deswegen meint er auch, den Adressaten seines Traktats die nachfolgenden Ratschläge geben zu müssen:

1. Wahlen haben Folgen. Wer dem Premier eines auswischen wollte und aus Unzufriedenheit über das Gesundheitswesen, Zuwanderung oder die soziale Ungleichheit für den Brexit stimmte, ließ seiner Wut im falschen Moment beim falschen Thema freien Lauf. Der richtige Zeitpunkt wäre die letzte oder die nächste Unterhauswahl gewesen. Ohne Mitdenken geht es halt nicht.

Würde ich mich zu den Adressaten dieser Belehrungen zählen, so müßte ich wohl spöttisch bemerken: „Danke, Herr Oberlehrer!“ Daß er nämlich ausgerechnet denen, die aus seiner Sicht weltoffen und der Zukunft zugewandt denken, eine solche Unkenntnis der einfachsten demokratischen Spielregeln unterstellt, ist einfach inkonsistent. Er kann doch nicht im Ernst annehmen, daß gerade die zum großen Teil akademisch qualifizierten und von Jugend auf demokratisch sozialisierten, beruflich erfolgreichen und weit in der Welt herumgekommenen Leute zwischen 18 und 35 Jahren nicht wissen, welche Bedeutung Wahlen und Abstimmungen haben. Ohne Mitdenken geht es in der Tat nicht. Das gilt auch für Journalisten, die anderen Leuten erzählen wollen, was sie gedacht bzw. nicht gedacht haben.

2. Wahlen sind keine online-Petitionen. Wer etwas verändern oder auch nur unerwünschtes verhindern will, muß zur Wahl gehen. Das mag der Smartphone-Generation antiquiert erscheinen, weil sie nicht per Mausklick abstimmen kann. Aber wer meint, alles füge sich ohne aktives, eigenes Zutun am Ende irgendwie so, wie man es gerne hätte, lebt in einer virtuellen Welt, nicht in der realen.

Also ausgerechnet diejenigen, die nach der Abstimmung in den sozialen Netzwerken aktiv sind und sogar auf den Londoner Straßen demonstrieren, waren wohl so naiv zu glauben, bei einer Volksabstimmung müßten sie nicht selber ihr Kreuz auf dem Wahlzettel aus Papier machen. Irgendwie würden wohl ihre Gedanken das Ergebnis beeinflussen und bestimmen. Man fragt sich, was der Mann getrunken oder geraucht hat, bevor er diese Zeilen niedergeschrieben hat. Aber das zeigt, wie abgehoben der Verfasser und seinesgleichen wirklich sind. Er kann sich offensichtlich nicht vorstellen, daß ein großer Teil der von ihm gescholtenen jungen Leute sich nur für die Dinge jenseits der Politik wirklich interessiert, nämlich ihr Liebesleben, die Mode, die jeweils „angesagten“ Musiker und Produkte der Unterhaltungsindustrie und ihre vielfältigen Freizeitvergnügungen. Noch weniger kann er sich wohl vorstellen, daß diese jungen Leute die Entscheidungen über ihre Zukunft mehr oder weniger bewußt weiterhin in die Hände der Generation ihrer Eltern und Großeltern legen. Dies vielleicht vor allem deswegen, weil sie den Eindruck haben, daß ihre Eltern und Großeltern bisher auch recht gut für sie gesorgt haben. Und vielleicht vor allem auch deswegen, weil sie ihnen aufgrund ihrer weitaus größeren Lebenserfahrung und der vielfach auch gezeigten Lebensleistung zutrauen, auch weiterhin die richtigen Entscheidungen zu treffen.

3. Sich vor einem Votum über die Lösungsvorschläge der Akteure zu informieren, sollte selbstverständlich sein. Wer diese Mühe scheut und sich flotte Parolen ungeprüft zu eigen macht, wird leicht das Opfer von Demagogen, denen jedes Mittel recht ist, ihre Ziele zu erreichen. Einmal an der Macht, schrecken sie (siehe Ungarn und Polen) nicht einmal vor Verfassungsbruch zurück, um ihre Herrschaft zu festigen. Die repräsentative Demokratie funktioniert nicht ohne mündige, engagierte Wähler. Aber auch nicht ohne gewählte Politiker. Wer sie ständig beschimpft und ihnen unlautere Motive unterstellt, wer in den von Rechtspopulisten und Völkischen verbreiteten Haß gegen „das System“ einstimmt, untergräbt das Vertrauen in die Institutionen der Verfassung. Das hatten wir schon einmal: in der Weimarer Republik, die schließlich zur Beute der Nazis wurde. Die fatalen Folgen von zwölf Jahren Diktatur sind hoffentlich noch nicht ganz verblaßt.

Hier greift er nun ganz tief in die Schmutzkiste der Diffamierung. Abgesehen davon, daß er zunächst wieder einmal die von ihm offenbar sehr geschätzte Gruppe der Jugendlichen, weltoffenen Zukunftsgestalter tadelt, indem er ihnen unterstellt, sich über die zur Abstimmung stehenden Alternativen nicht informiert zu haben, wird den Gegnern der real existierenden Europäischen Union alles Böse unterstellt, was die jüngere Geschichte in Deutschland zu bieten hat. Geht es aber nicht eigentlich um die britischen Wähler? Natürlich haben diese Leute aus seiner Sicht keine Sachargumente, sondern es handelt sich bei ihnen ausschließlich um Demagogen mit flotten Parolen. Wer also anderer Meinung ist, als der Verfasser und sein juste milieu, der hat also keine Argumente, sondern nur Parolen. Solche Leute sind natürlich auch keine richtigen Demokraten, auch wenn sie demokratisch gewählt worden sind wie in Ungarn und Polen. Die sind offenbar auch nicht von mündigen, engagierten Wählern, sondern von unmündigen, gleichgültigen Stimmzettelankreuzern an die Schalthebel der Macht bugsiert worden. Überhaupt kommen da dann die sogenannten Rechtspopulisten und Völkischen zum Zuge. Die hassen ja das System, gemeint ist die Demokratie an sich. Deswegen darf ja dann auch der Hinweis auf die Weimarer Republik und die Nazis nicht fehlen. Das ist ja gerade die Art infame Diffamierung, die zum Standardrepertoire der politisch korrekten Skribenten in diesem Lande gehört, die jeden Andersdenkenden zum Repräsentanten eines „Dunkeldeutschland“ (Joachim Gauck) machen wollen. Diese arrogante Hochnäsigkeit, die Argumente durch Diffamierung ersetzt, die Andersdenkende abwechselnd als dämlich oder böswillig abqualifiziert, die demokratische Entscheidungen nur dann akzeptiert, wenn sie in ihrem Sinne ausgefallen sind, diese Einstellung hat mit Demokratie nichts zu tun. Auch wenn sie von Politikern, Journalisten und Intellektuellen mehrheitlich gepflegt wird, sie hat mit dem echten demokratischen Diskurs nichts gemein. Wer unverbildet und wachen Sinnes die Szene betrachtet, kann nur mit dem Kind im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern feststellen, daß die hochgelobten Wahrheiten der political correctness in der Realität nicht existieren.

Statistik und Politik

In diesen Tagen ist der Verfassungsschutzbericht 2015 veröffentlicht worden. Für alle Medien von Tagesschau bis zum Provinzblatt natürlich eine Spitzenmeldung. Denn offenbar ist es zu einem enormen Anstieg rechtsextremistisch motivierter Straftaten gekommen, natürlich vor allem gegen Flüchtlinge, um der Einfachheit halber diesen Begriff zu übernehmen, der leider so oft irreführend gebraucht wird. Nach der Tagesschau und dann am nächsten Morgen nach Lektüre der Zeitungen mußte man den Eindruck gewinnen, daß in Deutschland die große Gefahr von „rechts“ ausgeht. Seinen Teil dazu trug der Bundesinnenminister bei, als er mit staatsmännischem Blick und dramatischem Tremolo in der Stimme nicht nur nahezu ausschließlich die rechtsextremistisch motivierten Straftaten schilderte, sondern es sich nicht verkneifen konnte oder wollte, die immerhin ausdrücklich als demokratische Partei außerhalb des Beobachtungsradars der Verfassungsschützer genannte AfD davor zu warnen, Rechtsextremisten in ihren Reihen zu dulden. Daß dies so überflüssig wie der sprichwörtliche Kropf war, muß hier nicht eigens betont werden.

Wenn Politik auf Statistik trifft und sie für ihre Zwecke instrumentalisiert, ist es immer gut, die Statistiken selbst zu lesen. Der Verfassungsschutzbericht steht ja nun einmal im Internet. Und wer lieber ein Buch von 318 Seiten Umfang in die Hand nimmt, kann es vom Amt beziehen. Auf Seite 26 des Berichts werden für das Jahr 2015 immerhin 21.933 Straftaten mit rechtsextremistisch motiviertem Hintergrund angegeben. Auf Seite 31 hingegen nur 5.620 Straftaten mit linksextremistisch motiviertem Hintergrund. Auf den ersten Blick also nur ein gutes Viertel von dem, was auf der rechten Seite festzustellen ist. Doch man muß genauer hinsehen.

Der Verfassungsschutzbericht unterscheidet zwischen Gewalttaten und sonstigen Straftaten. Und hier ergibt sich ein ganz anderes Bild. Unter Gewalttaten zählt er Tötungsdelikte einschließlich Versuch, Körperverletzungen, Brandstiftungen, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, Landfriedensbruch, gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffs-und Straßenverkehr, Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung, Widerstandsdelikte und Sexualdelikte. Allesamt also Straftaten aus dem Kernbereich des Strafgesetzbuches. Und hier liegen die Linksextremisten vorn mit 1.608 zu 1.408 derartiger Straftaten im Jahr 2015. Auch wenn man dann weiter die Straftaten Sachbeschädigung und Nötigung/Bedrohung hinzuzählt, liegen die Linksextremisten mit 3.423 Delikten insgesamt gegenüber 3.094 Delikten bei der rechtsextremen Konkurrenz deutlich vorne. Was die Statistik indessen in der Gesamtzahl völlig verändert, sind die Propagandadelikte und die sogenannten anderen Straftaten, insbesondere Volksverhetzung. Propagandadelikte und Volksverhetzung kommen bei den Linksextremisten überhaupt nicht vor, schlagen aber bei den Rechtsextremisten mit 12.154 (Propagandadelikte) und 6.676 (andere, insbesondere Volksverhetzung) sehr deutlich zu Buche. Nun handelt es sich dabei um Delikte, die Linksextremisten nach unserem Strafgesetzbuch überhaupt nicht begehen können. Denn unser Strafgesetzbuch verbietet ausschließlich die Propaganda für solche politischen Gruppen oder Parteien, die sich entweder direkt oder zu mindestens nahezu direkt als Nachfolger, Nachahmer oder Geistesverwandte des Nationalsozialismus zeigen. Am linken Rand gibt es vergleichbare Delikte nicht. Denn so wie das Zeigen nationalsozialistischer Embleme wie Hakenkreuz oder SS-Runen strafbar ist, ist das Zeigen kommunistischer Embleme wie Hammer und Sichel oder des Sowjetsterns straflos.

Wenn man also den Verfassungsschutzbericht 2015 liest und sich dabei seines eigenen Verstandes bedient, dann kommt man zu einem ganz anderen Ergebnis, als es Politik und Medien dem geneigten Publikum einreden wollen. Insbesondere im Bereich der Gewalttaten, und das ist ja nun der wirklich gefährliche Bereich, liegen die Linksextremisten mit 1.608 zu 1.408 Delikten deutlich vor den Rechtsextremisten. Vor allem ist ihre Steigerungsrate in diesem Bereich von 2014 auf 2015 ebenfalls erschreckend. Waren es bei Ihnen 2014 noch 995 Delikte, so waren es 2015 deren 1.608. Ihre Konkurrenz von rechtsaußen war 2014 mit 990 derartigen Delikten dabei, 2015 mit 1.408, wie erwähnt. Also ist auch der Anstieg dieser Straftaten links weitaus besorgniserregender als rechts.

Daß Politik und Medien den Eindruck zu erwecken suchen, die größere Gefahr für unser Land gehe von den Rechtsextremisten aus, hat sicherlich Gründe. Ein Grund liegt auf der Hand. Im Bereich des Rechtsextremismus haben die Ermittlungsbehörden durchaus immer wieder Erfolge. Offenbar ist diese Szene doch mit nachrichtendienstlichen und kriminalpolizeilichen Mitteln besser zu überwachen als die linksextremistische Szene. Diese zeichnet sich offensichtlich dadurch aus, daß sie sich zwar immer wieder ihrer Gewalttaten im Internet brüstet. Dies allerdings auf einem Portal (indymedia.linksunten), dessen Server irgendwo in obskuren Gegenden dieser Erde stehen, und die Ermittlungsbehörden deswegen nicht feststellen können, wer die Hintermänner sind. Es fällt ja auf, daß in diesem Bereich so gut wie keine Anklagen und Verurteilungen zu registrieren sind. Offenbar ist es den Ermittlungsbehörden nicht einmal möglich, in der linksradikalen Szene der besetzten Häuser in Hamburg, Berlin und Leipzig erfolgreich zu ermitteln. Es scheint nicht möglich zu sein, dort wirklich erfolgreich V-Leute anzusetzen. Von diesen Mißerfolgen spricht man als Bundesinnenminister eben nicht so gerne. Vor allem aber ist klar, und das zeigt ja der völlig überflüssige Warnhinweis des Ministers an die AfD, daß es den etablierten Parteien ebenso wie den ihnen zugeneigten Journalisten, und das sind eigentlich alle, darum geht, den ungeliebten neuen Mitbewerber beim Publikum zu diskreditieren. Wir Deutschen hegen zurecht ein tiefes Mißtrauen gegenüber Leuten, die uns die Hitlerei in Reinform oder auch in neuen Varianten verkaufen wollen. Das gilt im übrigen auch für deren Konkurrenz von links außen. Aber die Politik hat nun einmal die erfolgreiche neue Konkurrenz im Visier. Sie in die Nähe des Rechtsextremismus zu rücken, erscheint daher offenbar zweckmäßig. Skrupel hat man in der Politik ja ohnehin nur höchst selten. Somit wird fleißig diffamiert. Ziel ist es, die Begriffe Populismus und rechtsradikal miteinander verschmelzen zu lassen. Der große Politikwissenschaftler Lord Ralf Dahrendorf, dieser Wanderer zwischen Deutschland und Großbritannien, hat in diesem Zusammenhang einmal bissig bemerkt: ein Populist ist ein politischer Konkurrent, dessen Richtung einem nicht paßt.

Über die Balkanroute

ist ein Artikel in der F AZ vom 8. Juni 2016 übertitelt, der über die Einwanderung von Siedlern aus der Ägäis und der Gegend um das Marmarameer vor 8000 Jahren berichtet. Hier traf eine bäuerliche Kultur auf einheimische Jäger und Sammler, ohne daß es zu größeren Konflikten kam, wie das beim Zusammenprall unterschiedlicher Kulturen menschheitsgeschichtlich die Regel war. Jedenfalls fehlt es an entsprechenden Bodenfunden wie Massengräbern mit Skeletten, die Spuren von Gewaltanwendung aufweisen. Vielleicht konnten die beiden Kulturen 3000 Jahre nebeneinander her leben, weil Europa so dünn besiedelt war und man sich bei der Nahrungsgewinnung auch nicht ins Gehege kam. Die Bauern schlachteten ihr Vieh und verarbeiteten ihr Getreide zu Brot, die Jäger und Sammler lebten von dem, was Ihnen die Natur zur Verfügung stellte. Die Anthropologen sind nach ihren Forschungsergebnissen auch davon überzeugt, daß die beiden Bevölkerungsgruppen (Rassen?) genetisch nachweisbar auch unterschiedlich aussahen und vermutlich auch verschiedene Sprachen gesprochen haben, wahrscheinlich auch unterschiedliche religiöse Vorstellungen gehabt haben. Vermischt hätten sie sich kaum, allenfalls sei wohl gelegentlich einer Frau aus der Jäger-und Sammlerkultur der soziale Aufstieg durch Einheirat in eine Bauernfamilie gelungen. In der Gegenrichtung sei das eher nicht vorgekommen. Vor 5000 Jahren seien dann aus den osteuropäischen Steppen weitere Einwanderer nach Mitteleuropa gekommen, die möglicherweise die indogermanische Ursprache mitgebracht hätten. Wie es auch immer wirklich gewesen sein mag – im Laufe der Zeit sind diese unterschiedlichen Kulturen zu den Vorläufern der europäischen Völker verschmolzen, die Ackerbau betrieben, Häuser bauten, Metall bearbeiteten und staatliche Strukturen entwickelten.

Auch dieser Blick zurück in die Zeit vor 5000 und mehr Jahren lehrt uns manches über Einwanderung und kulturelle Entwicklung, vieles aber nicht. Offenbar konnten in jener Epoche, aus der schriftliche Überlieferungen nicht vorliegen, weil sich Sprache und arbeitsteilige Wirtschaft erst zu entwickeln begannen, die Menschen in der Leere des Raumes, dazu noch mit unterschiedlichen Überlebensstrategien, konfliktfrei nebeneinander leben. Es bestand keine Notwendigkeit, andere Völker, Stämme oder Gruppen zu unterwerfen, zu versklaven oder gar zu töten. Und ganz offensichtlich gab es noch keine Ideologie oder Religion, die es ihren Anhängern gebot, anderen ihr Denken oder ihren Gott aufzuzwingen.

Man sollte sich also davor hüten, aus diesen prähistorischen Migrationsereignissen Schlußfolgerungen auf die moderne Völkerwanderung, welche die Flüchtlingskrise unserer Tage eigentlich ist, zu ziehen. Denn diese Ereignisse unterscheiden sich fundamental. Weder ist Europa heute ein nahezu menschenleerer Raum, in dem einige 10.000 Menschen weitgehend berührungslos nebeneinander leben, noch bringen die Einwanderer über die Balkanroute eine überlegene Zivilisation mit. Im Gegenteil, sie und die Einwanderer aus Afrika sind kulturell rückständig, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Kulturtechniken mitbringen, die ihnen von Zuwanderern aus den Zielländern, seien sie Eroberer, Kolonisten oder Kaufleute gewesen, vermittelt worden sind. Nur diese werden sich hier in Europa zurechtfinden und rasch integrieren. Ein weiterer gravierender Unterschied besteht darin, daß ein großer Teil der heutigen Zuwanderer aus Afrika und dem Orient eine aggressive Religion mitbringt, die mit der vorgefundenen Kultur nicht kompatibel ist, ihren Anhängern jedoch ein Überlegenheitsgefühl suggeriert, das in der Wirklichkeit keine Entsprechung findet. Die Zahl der Patentanmeldungen und global agierenden Industrieunternehmen aus ihren Herkunftsländern im Vergleich zu den europäischen Zielländern spricht Bände. Fruchtbar für Europa war die Einwanderung vor 8000 Jahren. Furchtbar für Europa könnte die Einwanderung in diesen Jahren werden.

Wer mit Journalisten redet

ist selber schuld. Alexander Gauland sollte das doch wissen. Das gilt ganz besonders für Journalisten von solchen Medien, die der eigenen Partei und Person offen feindlich gegenüber stehen. Wenn überhaupt, dann läßt man ein Aufnahmegerät mitlaufen, selbstverständlich offen. Das hat zwei Vorteile. Zum einen kann man hinterher beweisen, was man gesagt hat. Zum anderen kommen unseriöse Journalisten dann erst gar nicht auf die Idee, falsch oder irreführend zu zitieren.

Doch betrachten wir mal, was Gauland nach FAZ/FAS gesagt haben soll, und was er selbst behauptet gesagt zu haben. Laut FAZ/FAS soll er gesagt haben: „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ Das stellt Gauland offenbar gar nicht in Abrede, erläutert das jedoch: „Ich habe in dem vertraulichen Hintergrundgespräch die Einstellung mancher Leute beschrieben, mich aber an keiner Stelle über Herrn Boateng geäußert, dessen gelungene Integration und christliches Glaubensbekenntnis mir aus Berichten über ihn bekannt sind.“

Es sieht also so aus, als hätten die beiden Herren Journalisten in gewohnter Manier einen vermeintlich verfänglichen Satz herausgepickt, und die Äußerung des Interviewpartners aus dem Zusammenhang gerissen. Wenn es so war, wie Gauland sagt, dann führen die Journalisten ihre Leser bewußt in die Irre, indem sie insinuieren Gauland habe sich „rassistisch“ geäußert. Bei genauem Hinsehen muß man jedoch feststellen, daß Gauland nicht von sich selbst spricht, sondern „den Leuten“ nachsagt, sie wollten einen Boateng nicht als Nachbarn haben. Das aber trifft leider auf so manche Zeitgenossen zu. Gauland selbst distanziert sich damit und noch mehr in der nach seiner Behauptung von den Journalisten unterschlagenen weiteren Äußerung von einer solchen Haltung.

Den Herren Journalisten von der nach Selbsteinschätzung Qualitätspresse sei daher erst einmal empfohlen, doch genau hinzusehen, bevor sie eine angebliche oder tatsächliche Äußerung eines Interviewpartners interpretieren. Ein Grundkurs in Germanistik mit den Schwerpunkten Semantik und Hermeneutik wäre wohl hilfreich. Auf gut deutsch: Lernt erst einmal richtig lesen und schreiben!

 

Jeder blamiert sich, so gut er kann!

Wenn’s politisch wird, dann stellt das Gehirn häufig seinen Dienst ein. Seine Aufgabe übernimmt dann mal das Bauchgefühl, mal auch die Galle. Davon sind nicht einmal Juristen immer frei. Das gilt vor allem im „K(r)ampf gegen Rechts“. Ein schönes Beispiel hierfür konnten wir in den letzten Tagen betrachten. Was ist passiert?

Bekanntlich läuft derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht das Verbotsverfahren gegen die NPD. Deren Verfassungsfeindlichkeit soll festgestellt werden. Dazu werden unter anderem Sachverständigengutachten erholt. Soweit ist eigentlich alles ganz normal. Nun hat einer dieser vom Gericht bestellten Sachverständigen, ein Privatdozent namens Dr. Steffen Kailitz, zu eben diesem Thema einen Artikel in der ZEIT veröffentlicht. Darin hat er behauptet, die NPD plane rassistisch motivierte Staatsverbrechen. Sie wolle 8-11.000.000 Menschen aus Deutschland vertreiben, darunter auch mehrere Millionen deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund. Gegen diese Behauptungen setzte sich die NPD zur Wehr und ließ über ihren Anwalt zunächst der ZEIT eine Abmahnung zukommen, und sodann beim Landgericht Dresden gegen den Autor des inkriminierten Artikels, eben jenen Dr. Steffen Kailitz, einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung einreichen, mit der die inkriminierten Behauptungen bei Meidung der Ordnungsmittel der ZPO untersagt werden sollten. Das Landgericht gab diesem Antrag auch ohne vorgängige mündliche Verhandlung durch Beschluß statt. Entschieden hat die nach der Geschäftsverteilung des Gerichts zuständige 3. Zivilkammer durch den nach deren interner Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

Bis dahin hätte der Vorgang wohl keine größeren Wellen geschlagen. Nun ist aber jener Richter Jens Maier Mitglied der AfD und hat dort auch die Funktion eines Schiedsrichters im Parteischiedsgericht inne. Das hat nun in den Medien einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, und auch zu merkwürdigen Äußerungen von Juristen geführt. Der Tenor all dieser Schreibereien geht dahin, daß hier nicht nur offenbar die Meinungsfreiheit Füßen getreten worden sei, sondern hier auch noch ein Sympathisant der NPD entschieden habe, denn die AfD stehe ihr doch nahe. Ein Berliner Rechtsanwalt namens Carsten R. Hoenig bekundet auf seiner Homepage zunächst einmal seine fachliche Unwissenheit, was das Zivilrecht angeht, meint aber mächtig moralisch aufzutrumpfen, wenn er schreibt: „Erwarte ich zuviel von einem Richter in dieser Situation, daß er als Mitglied einer den Nazis nahestehenden Partei jeden Geruch einer Befangenheit vermeidet? Und sich selber ablehnt? Sich bei aller verqueren politischen Einstellung mal anständig verhält?“ Der Mann wird sicherlich Beifallsstürme von der politisch korrekten Schickeria bekommen. In fachlicher Hinsicht, sowohl juristisch wie politikwissenschaftlich, wird man ihm jedoch sagen müssen: „O si tacuisses, philosophus mansisses!“ Eine Partei, deren Beobachtung der Verfassungsschutz ausdrücklich ablehnt, weil dazu kein Anlaß bestehe, als „den Nazis nahestehend“ zu bezeichnen, darf getrost als Ausdruck von Grenzdebilität gewertet werden.

Nun ganz kurz zur Rechtslage. Soweit sich Journalisten, offenbar ohne Rückfrage bei der Rechtsabteilung ihres Hauses, darüber mokieren, daß man ausgerechnet das Landgericht Dresden und nicht irgendein anderes (vielleicht im liberalen Hamburg ?) angerufen hat, so gehört es zu den Binsenweisheiten des Wettbewerbsrechts wie auch des Presserechts, daß es hier den sogenannten fliegenden Gerichtsstand gibt. D.h., jedes Gericht ist zuständig, in dem die betreffende Werbung oder der betreffende Zeitungsartikel verbreitet worden ist. Soweit sich Journalisten, aber auch Juristen, darüber mokieren, daß das Landgericht drei Wochen nach Erscheinen des fraglichen Zeitungsartikels im Beschlußwege ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden hat, und nicht etwa eine mündliche Verhandlung angeordnet hat, offenbart auch dieser Vorwurf nur fachliche Unkenntnis. Nach herrschender Meinung ist die besondere Eilbedürftigkeit für Entscheidung im Beschlußwege ohne vorgängige mündliche Verhandlung regelmäßig gegeben, wenn der Antragsteller innerhalb von drei Wochen, meist sogar nach vier Wochen, das Gericht anruft. Dem unterlegenen Prozeßgegner bleibt es dann ja unbenommen, gegen den Beschluß Widerspruch einzulegen und damit eine mündliche Verhandlung in der Sache zu erzwingen. Soweit man sich darüber mokiert, daß nicht die Kammer in der Besetzung von drei Richtern unter Einschluß des Vorsitzenden entschieden hat, offenbart auch dies die völlige fachliche Ahnungslosigkeit des jeweiligen Verfassers. Es ist absolut üblich, daß Zivilkammern die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten dem Einzelrichter übertragen. Besonders, Entschuldigung, dämlich ist das Geschreibsel eines Journalisten in der Welt, der sich darüber mokiert, es sei unverständlich, daß im vorliegenden Falle dann nicht der Vorsitzende, oder mindestens seine Stellvertreterin von der Kammer zum Einzelrichter bestimmt worden sei, sondern eben jener Richter Maier. Auch die Bestimmung des Einzelrichters erfolgt nach den Regeln, in denen der gesetzliche Richter auf eine Weise bestimmt wird, daß er schon vor Eingang der betreffenden Sache feststeht. Der irrwitzigste Einwand ist jedoch der, daß der Richter Maier Mitglied der AfD ist. Als solcher sei er doch befangen. Das ist derartig blödsinnig, daß man dergleichen nicht einmal von einem Journalisten ohne juristisches Studium hätte erwarten dürfen. Befangen wäre der Richter doch nur, wenn er der politischen Partei angehörte, über deren Antrag er zu entscheiden hat. Wenn er Mitglied einer anderen politischen Partei ist, macht ihn das doch nicht befangen. Es wäre interessant zu lesen, was jene Schreiberlinge in die Welt posaunt hätten, wenn Richter Maier nicht der AfD, sondern etwa der SPD angehörte.

In der Sache selbst dürfte der Beschluß wohl zu Recht ergangen sein. Denn im Äußerungsrecht, ob es nun um Behauptungen eines Werbungtreibenden, oder ob es um Behauptungen eines Journalisten oder Politikers geht, wird danach gefragt, ob es sich um eine Tatsachenbehauptung oder um eine Meinungsäußerung handelt. Wenn beispielsweise der Hersteller eines Medizinprodukts diesem in seiner Werbung bestimmte Wirkungen beimißt, so muß er beweisen, daß das Mittel diese Wirkungen auch tatsächlich hat. Wer diese Werbeangabe angreift, muß eben nicht beweisen, daß sie falsch ist. Der Werbende muß beweisen, daß sie richtig ist. Wenn ein Journalist oder Politiker über irgendjemanden die Behauptung aufstellt, er habe dieses oder jenes gesagt, dann muß er auch beweisen, daß dies so gewesen ist. Das ist eben eine Tatsachenbehauptung, die richtig sein muß. Anderenfalls wird sie auf Antrag eben untersagt. Etwas anderes ist die bloße Meinungsäußerung. Sie ist vom Grundgesetz geschützt. Wenn der famose Dr. Kailitz hier formuliert hätte, seine Auswertung des Parteiprogramms der NPD führe bei ihm zu der Schlußfolgerung, die Partei wolle zum Beispiel 8-11.000.000 Menschen aus Deutschland vertreiben, auch wenn das nicht der Wortlaut des Programms sei, dann wäre das eine bloße Meinungsäußerung eines Wissenschaftlers gewesen, die sowohl unter dem Schutz der Meinungsfreiheit wie auch der Wissenschaftsfreiheit stünde. So war es aber nicht.

Offenbar stört es aber Niemanden, daß hier ein gerichtlich bestellter Sachverständiger sich während eines laufenden Verfahrens öffentlich zu dem Sachverhalt äußert, den er gutachterlich bewerten soll. Abgesehen davon, daß so etwas an Unprofessionalität nicht zu überbieten ist, und den Vorwurf der Befangenheit des Sachverständigen ohne weiteres begründet, muß Herr Dr. Kailitz sich Fragen nach seinem Anstand und seiner Auffassung von den Aufgaben eines Gerichtsgutachters stellen lassen. Wenn er noch einen Funken Anstand und Selbstwertgefühl hat, dann erklärt er sich dem Bundesverfassungsgericht als befangen und bittet um Entpflichtung von seinem Gutachtensauftrag, bevor die Anwälte der NPD dort einen Befangenheitsantrag gegen ihn stellen, der „im Blindflug durchgeht“, wie es im Juristenjargon heißt.

Es mag sein, daß im Instanzenzug eine andere Entscheidung getroffen wird. Herrn Dr. Kailitz steht es ja frei, gegen den Beschluß Widerspruch einzulegen, und eine mündliche Verhandlung zu erreichen. An deren Ende steht dann, falls man sich nicht einigt, ein Urteil. Sollte sich der Sachverhalt bis dahin geändert haben, oder aber der Richter seine Meinung geändert haben, vielleicht gar ein anderer Richter entscheidet, weil Herr Maier inzwischen eine andere Aufgabe übernommen hat, dann mag der Beschluß vielleicht auch aufgehoben und der Verfügungsantrag zurückgewiesen werden. Eher dürfte es aber bei diesem Beschluß bleiben. Gegen ein bestätigendes Urteil kann natürlich das Oberlandesgericht angerufen werden. Das ist alles ganz normal.

Was völlig unnormal ist, ist der Entrüstungsturm in den Medien, und sind fachlich unsägliche Äußerungen von Juristen. Aber wie gesagt, hier geht es ja um den „K(r)ampf gegen Rechts“. Da arbeitet nicht das Hirn, da geht nur die Galle über.

Alles schon mal dagewesen

Michael Klonovsky hat dankenswerter Weise seine acta diurna wieder geöffnet und weist gleich darauf hin, daß alles schon mal dagewesen ist, um ein Bonmot des berühmten Rabbi Ben Akiba (50-137 n. Chr.) zu bemühen. Seit Monaten hören wir immer wieder von Übergriffen „nordafrikanisch aussehender“ junger Männer auf Mädchen und Frauen, auch in Schwimmbädern. Wir hören und lesen auch, daß diese Täter für gewöhnlich in Horden auftreten und gegenüber Ordnungskräften, sagen wir einmal, sehr selbstbewußt auftreten. Michael Klonovsky verlinkt dazu auf einen Spiegel-Artikel aus dem Jahre 1964 (!). Es lohnt sich, ihn zu zitieren:

„Den Pariserinnen wird das Plätschern vergällt. Wo ein vereinzelter Bikini im Frei-Bassin paddelt, ist er bald von bräunlichen Schwimmern eingekreist und angetaucht. Zehn,zwanzig Algerier-Hände zerren an den Verschlüssen des Badekostüms und rauben der Trägerin das Textil. Vor allem am Wochenende beherrschen die souverän gewordenen Nordafrikaner die Pariser Bassins, das auf Seine-Pontons schwimmende Feudal-Bad Deligny ebenso wie das Vorstadt-Becken von Puteaux. Folge: Die Bademädchen meiden die Wässer an solchen Tagen, ihr männlicher Anhang bleibt fern. Energische Bademeister, die gegen die Freibeuter einzuschreiten wagen, werden nach Dienstschluß auf dem Trockenen von feindseligen Rotten bedroht. Von den Algeriern aus Algerien verjagt, sehen sich die Franzosen nunmehr von den Siegern auch aus den Schwimmbecken ihrer Hauptstadt gedrängt. Auf Abhilfe ist nicht zu rechnen. Denn Tag für Tag verlassen an die 600 Algerier das von Arbeitslosigkeit und Inflation geplagte Land Ben Bellas, um beim ehemaligen Kolonialherren jenseits des Meeres Brot zu suchen. Der leergefegte französische Arbeitsmarkt konnte etliche Tausend ohne weiteres aufnehmen. Doch der Strom schwoll ständig an: 1956 lebten 300.000 Algerier in Frankreich, Anfang 1964 waren es fast 600.000.30.000 von ihnen sind heute arbeitslos und leben von der französischen Sozialversicherung. 13.000 französische Krankenbetten sind von Algeriern belegt.

Die Pariser Polizei sah sich bald vor der Aufgabe, mit einer Kolonie von 200.000 Algeriern fertig zu werden, die zwar nur 3 % der hauptstädtischen Bevölkerung ausmacht, auf deren Konto jedoch im vergangenen Jahr
– 32 % der Morde,
– 39 % der Autodiebstähle und
– 58 % der Diebstähle mit Schusswaffengebrauch
gingen. Ein Teil der Einwanderer importierte überdies die Gewohnheiten ihrer sanitär unterentwickelten Heimat samt den dort in Blüte stehenden Gebrechen – Tuberkulose und Geschlechtskrankheiten – nach Frankreich. Die französischen Gesundheitsbehörden konnten gegen die unhygienische Flut ebensowenig mit Sondermaßnahmen vorgehen wie die Pariser Polizei gegen die Kriminalität der Braunen: Nach den Verträgen von Evian genießen die Algerier die gleichen Rechte wie die Franzosen, insbesondere uneingeschränkte Freizügigkeit. Erst 1965 müssen sich die 600.000 Einwanderer entschieden haben, ob sie für Frankreich oder für Algeriern optieren wollen. Dann können Ben Bellas Untertanen als Ausländer behandelt und beispielsweise einer besonderen gesundheitspolizeilichen Überwachung unterworfen werden.

In Marseille, dem wichtigsten Importort, waren die Ankömmlinge bislang schon medizinisch gesichtet worden, jedoch so behutsam, dass von einer wirksamen Kontrolle nicht die Rede sein konnte: Um des algerischen Erdöls und der algerischen Atombomben-Terrains willen vermeidet die Pariser Regierung alles, was nach Diskriminierung der in Frankreich lebenden Algerier aussehen könnte.Wer überdies nicht via Marseille, sondern über Spanien, Italien oder einen Flughafen nach Frankreich einreiste, blieb gänzlich unkontrolliert.

Um Algerien vor der Entvölkerung und Frankreich vor weiterem Zustrom einigermaßen zu bewahren, vereinbarten Paris und Algier jedoch Mitte April, die Auswanderer künftig schon in der Heimat zu sieben: Ein in den algerischen Großstädten eingerichteter Gesundheits-Service wird die Frankreich-Fahrer ab 1. Juli auf Tuberkulose und Geschlechtskrankheiten prüfen. So entfällt die Frage des Rücktransports abgewiesener, oft mittelloser Einwanderer, und Frankreich erspart sich das Odium, arme Unterentwickelte von seinen Küsten ins Meer zu stoßen.

In den hauptstädtischen Schwimmwässern werden die Braunen sich weiterhin tummeln, um die Baigneusen anzutauchen und abzutasten. Der für Muselmanen ungewohnte Anblick knapper Bikinis läßt die Schwimmer Freuden ahnen, die sie sonst schwer finden: Unter den 600.000 Frankreich-Algeriern sind nur 40.000 Frauen.“

52 Jahre später hat sich nichts geändert. Ob allerdings der Spiegel von heute es wagen würde, einen solchen Bericht mit diesem Sprachgebrauch zu veröffentlichen, dürfte wohl kaum mit Ja zu beantworten sein. Weiter will ich das nicht kommentieren, denn dieser Blog hat ja den Untertitel: sapere aude! Meine Leser können eben selber denken.

Duo cum faciunt idem, non est idem

Wenn zwei dasselbe tun, ist es nicht dasselbe, textete einst bissig der römische Dichter Terenz. Damit hat er eine jener unsterblichen Weisheiten formuliert, die in der Tat immer wieder auf Sachverhalte des privaten wie des öffentlichen Lebens zutreffen. Das können wir aktuell wieder an der Aufregung um die Anträge auf dem bevorstehenden Satzungsparteitag der AfD beobachten, die eine Eindämmung des Islams in der deutschen Öffentlichkeit bezwecken. Unter anderem wird wohl beschlossen werden, ein Verbot des Imports von Imamen und der Finanzierung von Moscheen aus dem Ausland in die Satzung der Partei aufzunehmen. Darob hat sich nun allenthalben ein Sturm der Entrüstung erhoben. Der Vorwurf der Islamfeindlichkeit ist noch der harmloseste. Eine SPD-Politikerin, die beinahe unsere Bundespräsidentin geworden wäre wie auch der ebenso unvermeidliche wie unsägliche Aiman Mayzek stellten das in eine Reihe mit der Judenverfolgung durch die Nazis.

Abgesehen davon, daß dies natürlich hanebüchener Unsinn ist, wollen wir zu diesem Thema doch einmal kurz in die jüngsten Pressemeldungen schauen. So erfahren wir heute aus der Welt am Sonntag und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, daß in deutschen Moscheen derzeit rund 970 Imame predigen, die von der türkischen Religionsbehörde entsandt worden sind. Ihre Aufenthaltsdauer in Deutschland liege in der Regel bei fünf Jahren, schreibt die Welt am Sonntag unter Berufung auf die türkisch-islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib). Das geht selbst dem Grünen-Chef Cem Özdemir zu weit. Zwar gebe es in diesen Moscheen durchaus viele engagierte Gemeindemitglieder, die seines Erachtens „tolle Arbeit“ leisteten. Der Dachverband selbst aber sei der verlängerte Arm des türkischen Staates. Ankara mache die Ditib immer mehr zu einer politischen Vorfeldorganisation der regierenden AKP. Darüber hinaus sieht Özdemir vor allem den Einfluß des Wahabismus als großes Problem. Der Wahabismus ist nun einmal tatsächlich ein Steinzeit-Islam, eher aber ein authentischer Islam, der zum Beispiel Frauen verbietet, Auto zu fahren und Todesurteile auf den Marktplätzen durch Kopfabschlagen vollstrecken läßt. Aber auch die Bürgermeisterin des Berliner Bezirks Neukölln, eine SPD-Politikerin, sieht es kritisch, wenn Moscheevereine fremdgesteuert sind und dort Imame predigen, die nicht nach dem deutschen Werteverständnis ausgebildet und hier aufgewachsen sind. Der SPD-Vorsitzende Gabriel hat dem auch entsprochen, indem er im Dezember des vergangenen Jahres Saudi-Arabien vor der Finanzierung von Extremismus gewarnt hat. Die Finanzierung wahabitischer Moscheen in aller Welt aus Saudi-Arabien sieht er äußerst kritisch und fordert gar ein radikales Vorgehen. Dieser radikale Fundamentalismus, der sich in salafistischen Moscheen abspielt, ist nicht minder gefährlich als der Rechtsradikalismus, so Gabriel, wobei ihm SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann ausdrücklich beispringt. Auch der Präsident des Bundesamtes für den Verfassungsschutz hat im März dieses Jahres vor der Radikalisierung von Flüchtlingen in Moscheen gewarnt. Überhaupt hat er vor der wachsenden Zahl nicht moderater arabischsprachiger Moscheen in Deutschland gewarnt. Der Bau dieser Moscheen werde zum Teil durch private Spenden aus Saudi-Arabien gefördert. Die kritische Haltung der CSU zu diesen fremdfinanzierten und fremdgesteuerten Moscheen ist bekannt. Ein Totalausfall ist ersichtlich nur die Linke. Deren religionspolitische Sprecherin im Bundestag hat betont, es dürfe keine sogenannte Sonderbehandlung einzelner Religionen geben. Deshalb brauche Deutschland auch kein Islamgesetz, wie das in Österreich gilt.

Wenn zwei dasselbe tun, ist es noch lange nicht dasselbe. Als Terenz das geschrieben hat, konnte er wohl noch nicht ahnen, daß er damit eine offenbar für alle Zeiten gültige Analyse formuliert hatte. Positioniert sich die als wahlweise rechtsextremistisch, rechtsradikal oder auch „nur“ rechtspopulistisch gescholtene AfD gegen radikalislamische Einflüsse aus dem Ausland, so ist das selbstverständlich wahlweise islamophob, verfassungswidrig oder sonst wie vom Teufel. Kommt dergleichen aus dem Munde eines Vorsitzenden von SPD oder Grünen, ist das ein ernsthafter Beitrag zum politischen Diskurs in Deutschland.

In den mehr als 2000 Jahren, seit Terenz diese Weisheit niedergeschrieben hat, hat sich also nichts geändert.

Der braune Nucleus

Die bemerkenswerten Erfolge der Alternative für Deutschland bei den jüngsten Wahlen rufen natürlich politische Analytiker auf den Plan. Dies um so mehr, als die Partei sich nun Ende dieses Monats endlich ein verbindliches Parteiprogramm geben will. Die FAZ, hinter der nach ihrer früher allgemein bekannten Werbung immer ein kluger Kopf stecken soll, hat sich nun auf die Suche nach den ideologischen Grundlagen dieser Partei begeben. In der sachsen-anhaltinischen Provinz glaubt man nun fündig geworden zu sein. Denn dort hat in einem kleinen Bauerndorf namens Schnellroda der Publizist Götz Kubitschek offenbar die Kaderschmiede der völkischen Bewegung eingerichtet, die künftig Programm und Richtung der AfD bestimmen soll. Zwischen rechtslastiger Bibliothek und kleinbäuerlichem Ziegenstall erzieht der Meister seine Kinderschar mit altgermanischen Vornamen und indoktriniert seine Adepten, zu denen aufstrebende Politiker dieser Partei, vorwiegend natürlich aus dem Osten, gehören. Den Landesvorsitzenden Höcke und Poggenburg ist er demnach der Mentor und Spiritus Rektor. Finstere Größen aus der Vergangenheit, wie etwa der sogenannte Kronjurist der NSDAP Carl Schmitt werden rezipiert und für die praktische politische Arbeit nutzbar gemacht.

Wer so informiert wird, den wird es wohl grausen. Das ist ja auch gewollt. Allerdings kann nicht übersehen werden, daß man sich in Kubitscheks Institut für Staatspolitik sicherlich innerhalb des Verfassungsbogens bewegt, wobei im Rahmen wissenschaftlicher Arbeit vieles, was außerhalb der universitären Seminare und ähnlicher Einrichtungen erwogen, diskutiert und am Ende verworfen werden kann, was für die Diskussionen in der breiten Öffentlichkeit schon deswegen nicht geeignet ist, weil es den sprichwörtlichen Mann auf der Straße intellektuell überfordert. Das ist keineswegs überheblich. Es ist ja auch nicht überheblich darauf hinzuweisen, daß Fachgespräche unter Naturwissenschaftlern den Rest der Menschheit, zu dem sich der Verfasser gerne bescheiden zählt, schlicht überfordern.

Wie man allerdings damit umgeht, wenn man glaubt, das Erscheinen Luzifers ankündigen zu müssen, ist auch wiederum bemerkenswert. Das korrespondiert im übrigen auch mit der Wahrnehmung eines unabhängig von seiner politischen Bewertung bedeutenden Juristen wie Carl Schmitt. Wer ihn, wie Götz Kubitschek das offenbar tut, im wesentlichen auf seine Favorisierung eines autoritären Regimes aus der Erfahrung gescheiterter Demokratien reduziert und seine Dichotomie von Politik und Recht, die ersterer auch den Vorrang zuweist, gewissermaßen als Substrat seines Denkens bezeichnet und begrüßt, greift natürlich zu kurz. Er greift ebenso zu kurz, wie Politiker und Journalisten, die Schmitt auf den sogenannten Kronjuristen des Dritten Reiches reduzieren. Freilich hat Schmitt sich nach der Machtergreifung, insbesondere nach dem Röhm-Putsch, in geradezu peinlicher Weise dem Regime angebiedert. Das hat ihm indessen nicht wirklich geholfen, denn seine Mitbewerber im Rennen um gut dotierte Positionen und angesehene Lehrstühle haben ihn sehr bald als abtrünnigen Karrieristen ausgemacht und seine Kaltstellung erreicht. Daß er in seinen grundlegenden politikwissenschaftlichen wie auch staatsrechtlichen Werken auch für die Linke in Deutschland zum Stichwortgeber, ja teilweise zum Spiritus Rektor geworden ist, wird gerne übersehen. Habermas bezieht sich nicht selten direkt auf Schmidt. Eine Vielzahl von bedeutenden Juristen, bis hin zu eher sozialdemokratisch geprägten Wissenschaftlern wie Böckenförde haben seine Gedanken aufgegriffen. Wie so häufig, haben alle Unrecht, die einen Gelehrten wie Schmitt entweder alleine für sich vereinnahmen oder zum Gottseibeiuns abstempeln wollen.

Auch wenn man die Äußerungen etwa des Herrn Höcke mit Recht für peinlich hält, und deswegen eigentlich an Herrn Kubitschek appellieren müßte, seinen Jüngern erst einmal die Grundlagen des politischen Generalkonsenses in Deutschland zu vermitteln, muß man doch auch sehen, daß selbst die kruden Theorien eines Herrn Höcke nicht als rechtsextremistisch eingeordnet werden können. Auf das bekannte Gutachten des Politikwissenschaftlers Werner Patzelt aus dem Januar dieses Jahres darf verwiesen werden.

Als Fazit darf derzeit wohl die Erkenntnis gelten, dass einerseits die AfD gut beraten wäre, ihre Kader nicht in der würzigen Landluft Sachsen-Anhalts heranzubilden, andererseits die FAZ vom Nazialarm zu seriöser Berichterstattung übergehen sollte. Die Wirklichkeit ist halt niemals einfach, sondern immer kompliziert. Für manche offenbar zu kompliziert.

Mensch Meyer!

„Die Menschen draußen im Lande“, ohne diese Floskel glaubt schon seit langem kein Politiker mehr auszukommen, wenn er – oder auch sie natürlich -, darüber redet wie es ist oder wie es sein soll. Dieser Sprachgebrauch ist verräterisch. Denn die Bezeichnung als bloßer Mensch reduziert die Bürger, von denen da in Wahrheit die Rede ist, auf ihr existenzielles Minimum. Mensch ist letztendlich in der Tat jedes menschliche Wesen, gleichgültig auf welchem Entwicklungsstand, mit viel oder wenig Verstand, gebildet oder ungebildet, politisch und/oder sozial engagiert oder auch nicht, große, kleine oder gar keine Beiträge für die Allgemeinheit leistend usw. Wer als Politiker dieses Wort in den Mund nimmt, macht die so angesprochenen Bürger damit automatisch zu unmündigen, der Führung durch die politische Klasse bedürftigen und der umfassenden Betreuung des Staates bedürfenden Wesen. Er oder sie selbst hingegen gehört eben zu den Erleuchteten, den Weltenlenkern, die sich selbstverständlich schon um all die kleinen Dummerle kümmern, an die sie sich gerade wieder einmal mit ihren Belehrungen wenden.

Dieses Phänomen beschreibt im übrigen Frank A. Meyer in der aktuellen Ausgabe des Monatsmagazins Cicero. Die Arroganz der politisch-medialen Klasse wird hier zutreffend beschrieben. Wie man überhaupt in diesem Heft Artikel findet, die man an und für sich unbedingt gelesen haben muß, wie etwa den erschütternden Bericht über den Alltag im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, und zwar aus der Sicht einer Sachbearbeiterin, die tagtäglich den Wahnsinn der Asylpolitik unserer Kanzlerin ausbaden muß. Offenbar ist dieses politische Monatsmagazin seit seiner Verlagsunabhängigkeit in der Verantwortung seiner Chefredakteure Christoph Schwennicke und Alexander Marguier ein wirklich lesenswertes Blatt geworden, das sich eben nicht innerhalb der engen Leitplanken der political correctness bewegt. Der Preis von neun Euro pro Monat ist leicht und locker damit zu finanzieren, daß man künftig davon absieht, Spiegel, Zeit oder Stern zu kaufen. Vielmehr spart man Geld und gewinnt Einsicht.