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Der Überfall

„Vor 75 Jahren, am 22. Juni 1941, begann der Überfall des Deutschen Reiches auf die Sowjetunion.“ Mit diesen Worten begann Bundespräsident Joachim Gauck seine Ansprache zu diesem Jahrestag. Auch das Auswärtige Amt sprach in seiner Stellungnahme vom 22.6.2016 vom 75. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion. Der amtliche Sprachgebrauch verwendet die Vokabel „Überfall“ auch für den Angriff des Deutschen Reiches auf Polen am 1. September 1939, zum Beispiel anläßlich der offiziellen Gedenkfeier zusammen mit höchstrangigen Vertretern der Republik Polen. Dem schließen sich die gedruckten wie die gesendeten Medien durchgehend an. So findet sich in der Tageszeitung Die Welt vom 01.09.2014 ein längerer Artikel mit der Überschrift: „Der deutsche Überfall auf Polen 1939.“

Es fällt auf, daß dieser amtliche Sprachgebrauch sich offenbar erst in den letzten drei Jahrzehnten eingebürgert hat. Von einem Überfall als Bezeichnung für die Feldzüge gegen Polen und die Sowjetunion war insbesondere in der Nachkriegszeit nicht die Rede. Selbst das Urteil des Internationalen Militärgerichtshofs von Nürnberg verwendet diesen Begriff für diese Feldzüge nicht, sondern spricht von Angriffskriegen. Der Angriffskrieg war zwar bis weit in den Zweiten Weltkrieg hinein für alle Staaten, insbesondere auch diejenigen, die in Nürnberg über die Repräsentanten des besiegten Deutschen Reiches zu Gericht saßen, ein durchaus übliches Mittel der Außenpolitik – besser gesagt: Machtpolitik. Daran änderten auch die internationalen Bemühungen zur Ächtung des Angriffskrieges nichts, die in dem bekannten Briand-Kellogg-Pakt von 1928 mündeten, wonach sich die Unterzeichnerstaaten verpflichteten, auf den Angriffskrieg als Mittel der Politik zu verzichten. Obgleich dieser Pakt ebenso wenig wie andere völkerrechtliche Verträge in den Jahrzehnten zuvor den Verstoß gegen diese Verpflichtung mit Strafe bedrohte, erklärten die Alliierten im Londoner Protokoll vom 8. August 1945 die Planung und Führung eines Angriffskrieges nachträglich auch zur Straftat. Folgerichtig wurden die führenden Vertreter des Deutschen Reiches, deren man noch lebend habhaft geworden war, auf der Grundlage dieses tatsächlich neuen, aus der Sicht der Alliierten und des von ihnen begründeten Gerichtshofs jedoch schon immer existierenden Straftatbestandes verurteilt. Es ist hier nicht der Platz, dazu weitere Ausführungen zu machen, ebenso wenig dazu, daß dies bis heute einmalig geblieben ist. Ob jemals ein Staatsmann oder Offizier wegen Planung oder Führung eines Angriffskrieges verurteilt werden wird, darf nach Sachlage füglich bezweifelt werden. Die großen Nationen dieser Erde haben die einschlägigen Artikel des Römischen Statuts über den Internationalen Strafgerichtshof vom 01.07.1998 nicht einmal ratifiziert.

Auch die unübersehbare Literatur zum Zweiten Weltkrieg kannte jahrzehntelang den Begriff des Überfalls für diese Operationen nicht. So schildert zum Beispiel Raymond Cartier in seinem bekannten Standardwerk über den Zweiten Weltkrieg, das in den sechziger/siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts sehr verbreitet war, die jeweiligen diplomatischen Verhandlungen und militärischen Operationen, ohne dabei Wertungen wie etwa „Überfall“ vorzunehmen. Auch der Große Brockhaus aus dem Jahr 1957 schildert recht minutiös die verschiedenen militärischen Operationen und diplomatischen Verhandlungen, vermeidet aber den Begriff des Überfalls.

Gegenstand dieser Untersuchung ist die Frage, ob es tatsächlich richtig ist, für die beiden Angriffskriege gegen Polen und die Sowjetunion den Begriff des Überfalls zu verwenden, und weiter, warum dies heute der amtliche Sprachgebrauch ist, in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg hingegen nicht.

Zunächst einmal ist zu definieren, was unter einem Überfall zu verstehen ist. Der Duden definiert ihn als plötzlichen, unvermuteten Angriff, bei dem jemand überfallen wird. Wenn es um sprachliche Präzision geht, ist eine juristische Definition stets hilfreich. Deswegen blicken wir in das Strafgesetzbuch und finden dort § 224 – gefährliche Körperverletzung –, wobei einer der dort geregelten Tatbestände die Körperverletzung mittels eines hinterlistigen Überfalls ist. Nach der gängigen Definition des Reichsgerichts, der sich der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat, ist Überfall ein Angriff auf den Verletzten, dessen er sich nicht versieht und auf den er sich nicht vorbereiten kann. Das liegt genauso wie das Tatbestandsmerkmal der Heimtücke im Mordparagraphen 211. Danach handelt heimtückisch, wer eine zum Zeitpunkt des Angriffs bestehende Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers zur Tat ausnutzt. Der Begriff des Überfalls trägt sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch als nach den einschlägigen Definitionen im Strafgesetzbuch ein Unwerturteil in sich, das unmittelbar aus den Tatumständen folgt. Wir wollen nachstehend untersuchen, ob die Ereignisse vom 1. September 1939 und vom 22. Juni 1941 diese Beurteilung auch rechtfertigen.

Am 01.09.1939 war Polen hinsichtlich eines bevorstehenden deutschen Angriffs keinesfalls arglos, noch weniger wehrlos. Vielmehr waren die polnischen Streitkräfte seit Wochen alarmiert und an den Grenzen aufmarschiert. Der Vormarsch von rund 37 Divisionen in der Nacht vom 25./26.8.1939 gegen die Grenze konnte ebenso wenig unbemerkt geblieben sein wie die Eisenbahntransporte, die ab 25. August, 20:00 Uhr, mit Höchstleistung liefen. Den rund 1,5 Millionen Soldaten der Wehrmacht standen 1,3 Millionen polnische Soldaten gegenüber. Ihre Dislozierung war allerdings für die Verteidigung gegen einen erwarteten Angriff nicht optimal, allerdings auch dafür geeignet, selbst nach Westen anzugreifen. Derartige Bestrebungen gab es seinerzeit in Polen durchaus, so merkwürdig dies heute auch erscheinen mag. Dafür gibt es auch nicht hinwegzudiskutierende Belege wie etwa die Äußerung des polnischen Botschafters in Paris vom 10. August 1939, der Hitlers Ausspruch, er werde Polen mit seinen motorisierten Verbänden in drei Wochen erobern mit der Bemerkung quittierte: „Albern! Wir werden von Kriegsbeginn an Deutschland besetzen.“

Auch die Lage an der aufgrund des Hitler-Stalin Paktes vom 23. August 1939 in Polen gezogenen Grenze zwischen dem deutschen und dem sowjetischen Machtbereich zeigt deutlich, daß von einem Überfall im Wortsinne keine Rede sein konnte. Auf deutscher Seite waren ca. 3 Millionen Soldaten mit rund 3500 Kampfpanzern und Sturmgeschützen so wie gut 7000 Artilleriegeschützen und 2700 Frontflugzeugen aufmarschiert. Demgegenüber hatte die Rote Armee in den fünf westlichen Militärbezirken ca. 5,4 Millionen Soldaten aufmarschieren lassen, denen ca. 10500 Kampfpanzer, etwa 34.700 Artilleriegeschütze und rund 8500 Frontflugzeuge zur Verfügung standen, die Reserven in der Tiefe des Raumes nicht mitgerechnet. Tatsächlich waren diese Armeen auch zum Angriff gegliedert. Für jeden militärischen Fachmann ist dies völlig klar. So gab es keinerlei Minensperren vor den Spitzen der Roten Armee. Eine Truppe, die sich zur Verteidigung einrichtet, schützt sich jedoch mit möglichst umfangreichen und tief gestaffelten Sperren, jedenfalls nach den damals allgemein geltenden Grundsätzen des Kriegshandwerks. Die Massierung von Kampfpanzern in vorderster Linie wie auch die Einrichtung von Feldflugplätzen in Grenznähe, und somit im Einwirkungsbereich der deutschen Artillerie, lassen ebenfalls keinen Zweifel daran, daß die Rote Armee nicht zur Landesverteidigung, sondern zum Angriff nach Westen aufmarschiert war. Wer sich mit der Militärgeschichte dieser Zeit näher befaßt, wird um diese Erkenntnis nicht herumkommen. Ich selbst kenne noch einschlägige Berichte aus mündlicher Überlieferung. So hatte ich während meiner Ausbildung zum Reserveoffizier im Jahr 1968 einen Taktiklehrer, der als Offizier an diesem Feldzug teilgenommen hatte. Er berichtete uns, daß man in einen zum Angriff gegliederten Feind hineingestoßen sei. Dafür spricht ja auch der weitere Verlauf des Krieges. Denn die deutschen Truppen stießen zügig durch die feindlichen Armeen. Wäre indessen jene personell und vor allem an schweren Waffen und Luftwaffe weit überlegene Streitmacht zur Verteidigung eingerichtet gewesen, wäre das zwangsläufig fehlgeschlagen. Vielmehr hätte der Angriff nach allen seinerzeit geltenden militärischen Grundsätzen scheitern müssen. Natürlich mußten beide Seiten auch mit einem bevorstehenden Angriff des Feindes rechnen. Derart gewaltige Truppenaufmärsche konnten auch damals nicht unbemerkt bleiben. Letztendlich kam der deutsche Angriff einem Angriff des Feindes auch ganz offensichtlich nur um wenige Tage zuvor.

Daraus allerdings ableiten zu wollen, es habe sich um einen von Deutschland rechtzeitig begonnenen Präventivkrieg gehandelt, kann lediglich aus operativer Sicht zutreffen. In der Tat kam Deutschland einem bevorstehenden Angriff der Roten Armee zeitlich zuvor. In dieser Situation war es auch zweckmäßig, als erster zu schlagen, vor allem angesichts eines nicht zur Verteidigung eingerichteten, sondern zum Angriff angetretenen Feindes. Da man selbst zum Angriff aufmarschiert war, hätte man einem Angriff des Gegners ja auch nicht standhalten können. Das ist allerdings nur eine Beschreibung der Situation in den 2-3 Monaten vor dem Angriff. Die politischen Absichten beider Seiten waren jedoch schon seit langem dahingehend festgelegt, daß die jeweils andere Seite militärisch zu unterwerfen war. Aus der Sicht der Sowjetunion folgt das ohne weiteres aus dem Auftrag der Kommunisten, die Weltrevolution voranzutreiben. Für Lenin war der Sieg des Kommunismus in Deutschland ja ohnehin der Schlüssel zu Europa. Stalin wäre kein guter Kommunist gewesen, hätte er diese Absichten nicht vorangetrieben. Der Aufbau einer gewaltigen Streitmacht und deren Aufstellung zum Angriff belegen nichts anderes, als daß Stalin seinem in kommunistischer Diktion „Klassenauftrag“ nachgekommen war. Hitler indessen verfolgte von Anfang an das politische Ziel, für sein Volk Lebensraum im Osten zu gewinnen. Eine der vielen Äußerungen dazu findet sich auf Seite 742 in seinem programmatischen Buch „Mein Kampf“: „Wir stoppen den ewigen Germanenzug nach dem Süden und Westen Europas und weisen den Blick nach dem Land im Osten… Wenn wir aber heute in Europa von neuem Grund und Boden reden, können wir in erster Linie nur an Rußland und die ihm untertanen Randstaaten denken.“ Hitler sah durchaus einen unüberbrückbaren Gegensatz in der Existenz der kommunistischen Sowjetunion einerseits und den von ihm definierten deutschen Interessen. Daß er diese auch militärisch durchzusetzen gedachte, hat er ja seinen Generälen vor Beginn des Polenfeldzuges schon ausführlich erläutert. Deren militärfachliche Bedenken wischte er bekanntlich zur Seite und befahl ihnen, diese Operationen zu planen und durchzuführen. Als Soldaten hatten sie ja zu gehorchen.

Wir kommen zum Ergebnis, daß weder nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, noch gar in rechtlicher Hinsicht von einem „Überfall“ gesprochen werden kann, wenn es um die Feldzüge gegen Polen bzw. die Sowjetunion geht. Zutreffend ist allein der Begriff des Angriffs. Er beschreibt den Sachverhalt, enthält aber keine Wertung, weder in moralischer noch in rechtlicher Hinsicht. Daß der Begriff des Überfalls Eingang sowohl in die Geschichtswissenschaft, die Medien und auch den amtlichen Sprachgebrauch gefunden hat, ist bemerkenswert. Die Ursache kann wohl nur darin gesehen werden, daß sich in allen diesen Bereichen zwischenzeitlich die Schüler der Achtundsechziger in den maßgeblichen Positionen befinden. Für die Achtundsechziger war es ja ausgemacht, daß die Deutschen als „Tätervolk“ zu betrachten seien, die während des Zweiten Weltkrieges nicht nur ungeheure Verbrechen begangen, sondern schon diesen Krieg in verbrecherischer Absicht vom Zaune gebrochen hatten. Dem mußte dann aber auch der Sprachgebrauch entsprechen. Deutschland hatte Polen und die Sowjetunion nicht lediglich einfach angegriffen, nein es hatte diese Länder überfallen, was natürlich kriminell war. Dieser Sprachgebrauch hat sich eingebürgert. Wenn vom Bundespräsidenten angefangen über die Medien und die Schulen nur von einem „Überfall“ die Rede ist, dann ist kaum zu erwarten, daß noch irgendjemand diese Vorgänge genauer unter die Lupe nimmt und feststellt, daß von einem Überfall bei Lichte besehen nicht die Rede sein kann. Das würde jedoch den Intentionen der Lehrmeister unserer Politiker, Journalisten und Professoren zuwiderlaufen. Ihnen hat es nicht genügt, die Väter ihrer Studenten als Mörder zu bezeichnen. Nein, so richtig teuflisch wird der Mörder erst dann, wenn er sein Opfer auch noch gequält und mißhandelt hat, bevor er es getötet hat. Wer solche Vorfahren hat, der muß eben mit einer genetischen Minderwertigkeit leben. Ein solches Volk wird gesenkten Hauptes über diese Erde wandeln und niemandem jemals wieder gefährlich werden. Hier vereinigen sich die Träume der linken Pazifisten wie der Großmachtpolitiker, die kein Interesse daran haben können, daß ihren Ländern ein Rivale in Europa entstehen könnte.

Kriegsgeschichte nach Art des deutschen Fernsehens

Gestern (31.03.2016) Abend konnte man zum wiederholten Male erleben, wie im deutschen Fernsehen über Kriegsverbrechen deutscher Soldaten im Zweiten Weltkrieg berichtet wird. Diesmal war es die Sendung „Kontraste“ im Rotfunk Berlin Brandenburg. Die investigativen Journalisten dieses Senders hatten herausgefunden, daß ein inzwischen 94-jähriger Kommunalpolitiker aus dem Schwarzwald an einem Kriegsverbrechen in Italien am 29.09.1944 beteiligt war (in Wirklichkeit: daß die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen ihn ermittelt). Demnach soll er als Angehöriger der 16. Panzergrenadierdivision der Waffen-SS an Massakern im Bereich der Gemeinde Marzabotto nördlich von Florenz teilgenommen haben. Aufschlußreich ist, wie das in dieser Sendung dargestellt worden ist. Man kann das im übrigen ja in der ARD Mediathek immer noch nachträglich anschauen.

Nach der Darstellung in dieser Sendung hat eben der Beschuldigte damals an Greueltaten mitgewirkt, wie etwa die Einschließung von Dutzenden von Dorfbewohnern in einer Kapelle, um sie anschließend mit Handgranaten zu massakrieren, Massenerschießungen und sogar dem buchstäblichen Abschlachten von Dorfbewohnern. Natürlich präsentierte man auch einen „Zeugen“, der damals 16 Jahre alt war und seine Angehörigen mit aufgeschlitzten Bäuchen und heraushängenden Gedärmen vor seinem Elternhaus aufgefunden haben will. Der Beschuldigte habe eingeräumt, an dem Einsatz gegen Partisanen im Raum Marzabotto beteiligt gewesen zu sein. Von Greueltaten habe er aber nichts gewußt. Offensichtlich glauben ihm die Journalisten davon kein Wort. Vielmehr erweckt man den Eindruck, er sei führend an Greueltaten beteiligt gewesen. Schließlich habe er Dienstgrad eines Unterscharführers gehabt und sei als „Befehlshaber“ seiner Soldaten für jenen Einsatz verantwortlich gewesen. Wegen dieser Sache seien auch insgesamt zehn SS-Angehörige, darunter der Beschuldigte, von italienischen Militärgerichten verurteilt worden. Dies werde in Deutschland jedoch nicht anerkannt. Warum das so ist, wird dem Zuschauer nicht mitgeteilt. Das soll nun an dieser Stelle erläutert werden. Regelmäßig finden diese Verfahren vor italienischen Militärgerichten in Abwesenheit der deutschen Angeklagten statt. Solche Urteile entsprechen nicht rechtsstaatlichen deutschen Maßstäben. Sie binden daher unsere Gerichte nicht. Verräterisch ist auch der Sprachgebrauch dieser famosen Journalisten. Die Bezeichnung des Beschuldigten als Befehlshaber suggeriert, er sei damals in einer Position gewesen, in der er verantwortlich entscheiden konnte, ob und wie ein Einsatz gegen Partisanen oder unbeteiligte Zivilbevölkerung durchgeführt wird. Davon kann nicht entfernt die Rede sein, was sich schon aus dem SS-Dienstgrad des Beschuldigten ergibt. Er war Unterscharführer, was in der damaligen Wehrmacht und heutigen Bundeswehr dem Dienstgrad des Unteroffiziers entspricht. Ein Soldat in diesem Dienstgrad verfügte weder damals noch heute über die Befehlsgewalt, etwa einen derartigen Einsatz zu befehlen oder auch nur im Rahmen dieses Einsatzes über taktische Einzelheiten zu entscheiden. Vielmehr handelte es sich dabei um Soldaten, denen zum Beispiel selbst die Staatsanwaltschaft Dortmund in der Sache Kephallonia zugebilligt hat, keinerlei Handlungsspielraum gehabt zu haben, als es um die Erschießung von Gefangenen ging.

Aber es kam noch dicker. „Kontraste“ sprach mit dem ermittelnden Stuttgarter Staatsanwalt, der darauf hinwies, daß man einem Beschuldigten in einem solchen Falle konkret nachweisen müsse, was er im einzelnen getan habe, also mit anderen Worten, ob er persönlich unbeteiligte Zivilisten ermordet hat, oder zumindest unmittelbar daran beteiligt war. Das ist natürlich völlig richtig. Da dies aber im deutschen Fernsehen im Falle von wirklichen oder auch nur behaupteten Kriegsverbrechen deutscher Soldaten nicht sein darf, mußte man die Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft „korrigieren“. Dazu befragte man die bekannte Linksanwältin Gabriele Heinecke, die schon in mehreren Verfahren wirkliche oder angebliche Hinterbliebene von wirklichen oder angeblichen Kriegsverbrechen deutscher Soldaten auf dem italienischen Kriegsschauplatz des Zweiten Weltkrieges vertreten hat. Ihre engen Verbindungen zur kommunistisch dominierten Resistenza sind offensichtlich. Nach dem sie erst einmal erklärt hatte, hier handele es sich ja um ein Gruppenverbrechen, sodaß jeder Angehörige der Gruppe verantwortlich sei, verwies man in der laufenden Sendung dann auf die Fälle Demjanjuk und Gröning. Hier handelte es sich jeweils um Angehörige von SS-Wachmannschaften, die in den Vernichtungslagern Auschwitz und Sobibor Dienst getan hatten. In jenen Fällen kamen die Gerichte zu dem Schluß, daß hier ausnahmsweise schon die Feststellung genügt, daß jemand dort Dienst getan hat, weil eben diese Lager keinen anderen Zweck hatten, als die dorthin verschleppten Menschen umzubringen. Der Stuttgarter Staatsanwalt wies dann zu Recht darauf hin, daß diese Fälle sich im entscheidenden Punkt von dem vorliegenden unterscheiden. Während es dort ausschließlich um die Vernichtung der eingelieferten Personen gegangen sei, sei das bei einer militärischen Einheit anders, die auch Kampfaufgaben, hier im Partisanenkampf, zu erledigen hatte. Da müsse man schon feststellen, was der betreffende Beschuldigte denn nun genau getan habe. Im vorliegenden Fall hat sich ja der Beschuldigte dahingehend eingelassen, am Kampfeinsatz gegen die Partisanen teilgenommen zu haben, von anderen Dingen jedoch nichts gewußt zu haben. Hinzu kommt, daß an jenem Einsatz gegen die Partisanenbande „Stella Rossa“, die sich in einer Stärke von mehreren 100 Mann in den Dörfern der Gemeinde Marzabotto buchstäblich verschanzt hatte, und den angreifenden deutschen Truppen harten Widerstand leistete, neben Verbänden der 16. SS-Panzergrenadierdivision auch das Ost-Regiment 1059 der Wehrmacht und das Flakregiment 105 der Wehrmacht, letzteres auch mit infanteristischen Kräften, teilgenommen hatten. Somit können einzelne Kampfhandlungen wie auch Tötungen von Dorfbewohnern nicht einzelnen Truppenteilen, und noch weniger einzelnen Soldaten, zugeordnet werden.

Damit aber auch jeder Fernsehzuschauer sicher sein kann, daß sämtliche Teilnehmer an diesem Einsatz als Straftäter angesehen werden müssen, wurde dann noch der Historiker Carlo Gentile als Fachmann für den Partisanenkrieg in Italien vorgestellt. Der wußte natürlich, daß die 16. SS-Panzergrenadierdivision Erfahrung im Vernichten der Zivilbevölkerung hatte, und dies arbeitsteilig organisiert war. Richtig ist, daß Carlo Gentile sehr viel über den Partisanenkrieg in Italien geschrieben hat, wobei er tendenziell stets die Deutschen belastet und die Partisanen entlastet. Richtig ist auch, daß diese Division der Waffen-SS sehr häufig für derartige Kriegsverbrechen verantwortlich war. Somit konnten dann die wackeren Mitarbeiter der Agitpropabteilung des Senders feststellen, daß der Beschuldigte unmittelbarer am Mord beteiligt war, als etwa „ein kleiner Buchhalter in Auschwitz“. Für den unkundigen Zuschauer war damit klar, daß die deutsche Justiz hier – wieder einmal, so sollte es scheinen – einen Kriegsverbrecher der NS-Zeit schützt. Die bereits erwähnte Linksanwältin durfte dann auch abschließend erklären, die Staatsanwaltschaft Stuttgart sei hier gewissermaßen der Stöpsel in der Flasche, den man auch haben wolle, um diese Verfahren zu beenden. Das sei aber nicht die Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Es sei rechtsstaatswidrig, nicht die entscheiden zu lassen, die dazu berufen sind, und das seien nun einmal die Gerichte. Diese Erklärung ist nicht nur unverschämt, ja beleidigend gegenüber der Staatsanwaltschaft in Stuttgart. Sie ist aus dem Munde einer erfahrenen Rechtsanwältin auch fachlich bodenlos, das aber mit voller Absicht. Natürlich weiß die Dame, daß die Strafprozessordnung der Staatsanwaltschaft nicht die letzte Entscheidung darüber zubilligt, ob ein Ermittlungsverfahren zur Anklage führt oder nicht. Denn gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens kann von den Verletzten bzw. ihren nahen Angehörigen das sogenannte Klageerzwingungsverfahren durchgeführt werden, an dessen Ende die Entscheidung eines Oberlandesgerichts steht. So war es ja beispielsweise auch im Falle Kephallonia, in dem gegen den Führer des Exekutionskommandos ermittelt wurde, vor das der italienische General Gandin und seine Stabsoffiziere gestellt worden waren. Hier wurde eben dann von einem Gericht festgestellt, daß ein hinreichender Tatverdacht des Mordes nicht vorlag, und somit auch eine Anklage nicht zu erheben war. Natürlich wurde in diesem Beitrag auch nicht erwähnt, daß sowohl der Kommandeur der 16. SS Panzergrenadierdivision GenLt Simon, als auch der Führer jenes Einsatzes im Gebiet der Gemeinde Marzabotto, Sturmbannführer (entspricht dem Dienstgrad Major) Reder, unter anderem wegen dieses Falles von einem britischen bzw. den italienischen Militärgerichten zum Tode bzw. langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden sind.

Abschließend kann man nur feststellen, daß seriöse Berichterstattung anders aussieht. Weder die damaligen Vorgänge in Marzabotto, die nun beim besten Willen nicht mehr juristisch aufgeklärt werden können, noch die Rechtslage wurden den Fernsehzuschauern auch nur annähernd zutreffend erklärt. Sicherlich ist es so, daß in Marzabotto sowohl Gefechte zwischen den eingesetzten deutschen Truppen und den italienischen Partisanen stattgefunden haben, in deren Verlauf ganz sicher auch unbeteiligte Dorfbewohner umgekommen sind. So haben die Partisanen ja aus bewohnten Häusern heraus gekämpft. Diese wurden auch, teilweise mit Artillerie, beschossen. Auf der anderen Seite hat es ganz sicher auch Kriegsverbrechen deutscher Truppenteile gegeben. Auch wenn nach den überlieferten Feststellungen der britischen militärischen Ermittler den Aussagen italienischer Zeugen häufig nicht geglaubt werden kann, weil sie gar zu übertrieben und phantasievoll, teilweise ganz offensichtlich falsch waren, so können ja nicht sämtliche Berichte über die Ermordung von unbeteiligten Zivilisten falsch sein. Nur ist es eben so, daß im Nachhinein das eine vom anderen nicht mehr unterschieden werden kann, jedenfalls nicht mit der Sicherheit, die es einem Juristen ermöglicht, einem bestimmten Soldaten ein bestimmtes Verbrechen zur Last zu legen.

Um eine solche ausgewogene Berichterstattung geht es hier aber offensichtlich nicht. Nach dieser Sendung kann man keinen anderen Eindruck haben als den, daß es hier nur darum geht, die Zuschauer darüber zu belehren, daß ihre Vorfahren Kriegsverbrecher gewesen seien. Man nennt das heute, wie man hört, Qualitätsjournalismus. Ach ja, beinahe hätte ich’s vergessen. Nach deutschem Recht gilt jeder als unschuldig, der nicht von einem deutschen Gericht rechtskräftig wegen der zur Last gelegten Tat verurteilt worden ist. Man nennt das auch die Unschuldsvermutung. Für das deutsche Fernsehen gilt das offenbar nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn es um deutsche Soldaten geht. Da gilt vielmehr der Verdacht als Schuldbeweis.

Der politisch korrekte Städteatlas

In Polen findet derzeit die Handball-Europameisterschaft statt. Bisher schlagen sich unsere Jungs auch prächtig. Was dieses Ereignis mit der political correctness zu tun hat? Nun, die Namen der Städte, in denen die Spiele ausgetragen werden, bereiten politisch korrekten Zeitgenossen in Deutschland Probleme.

Schreibt man nun die Spielorte polnisch oder deutsch? Gespielt wird in Breslau, Danzig, Kattowitz und Krakau. Natürlich liegen diese Städte in Polen, und das nun schon seit 70 Jahren. Warum das so ist, ist allgemein bekannt. Deswegen heißen sie in Polen auch Wroclaw, Gdánsk, Katovice und Kraków. Zur korrekten Schreibweise von Wroclaw fehlt meinem PC eine Eingabetaste für den diakritischen Buchstaben l mit kleinem Schrägstrich, der in der polnischen Sprache einen Konsonanten bedeutet, dessen Aussprache in etwa dem englischen „u“ (double u) entspricht. Das polnische Alphabet hat nun einmal 32 Buchstaben, davon 23 Konsonanten, das lateinische Alphabet, in dem das Vokabular der meisten europäischen Sprachen, auch der deutschen, wiedergegeben wird, hat indessen nur 26 Buchstaben, davon 20 Konsonanten. Die korrekte Aussprache des Polnischen ist jedenfalls für einen Ausländer, der diese Sprache nicht wenigstens in Dolmetscherqualität beherrscht, nahezu unmöglich. Schon deswegen sollte man als Ausländer davon absehen, krampfhaft der political correctness im deutsch-polnischen Verhältnis dienen zu wollen, abgesehen davon, daß der Gebrauch der deutschen Namen dieser Städte für uns nicht nur einfacher ist, sondern eigentlich auch üblich sein sollte, wie das auch sonst bei den Namen von Städten in anderen Ländern der Fall ist.

Kein Italiener wird daran Anstoß nehmen, daß wir Deutschen immer noch von Mailand statt von Milano sprechen. Denn Mailand heißt nun einmal seit dem elften Jahrhundert als in der Lombardei und damit lange Zeit im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gelegene Stadt so und nicht Milano. Aber auch unabhängig von den politischen Veränderungen in den Zeitläuften haben die Städte im In- und Ausland verschiedene Namen. So sprechen wir von Rom, statt von Roma, von Neapel statt von Napoli und von Florenz statt von Firenze. Kein Italiener nimmt daran Anstoß. Uns stört es natürlich auch nicht, daß Amerikaner von Munich und Nuremberg statt von München und Nürnberg sprechen. Die Franzosen stört es ebensowenig, daß der Name ihrer Hauptstadt im Englischen und im Deutschen völlig anders klingt, als in ihrer eigenen Muttersprache.

Im Falle der polnischen Städtenamen ist das offenbar völlig anders. Das hat natürlich mit der deutsch-polnischen Geschichte zu tun. In der Zeit des Kalten Krieges, aber auch noch geraume Zeit danach, wurde in Polen der Popanz eines deutschen Revanchismus gepflegt. Man unterstellte uns Deutschen allen Ernstes, die Ostgebiete wiedergewinnen zu wollen. Zwar mag es den ein oder anderen in den Vertriebenenverbänden gegeben haben, der sich das ernsthaft vorgestellt hat. Eine auch nur annähernd realistische Option der deutschen Politik war dies indessen niemals. Diplomatische Proteste der polnischen Regierung hinsichtlich des Sprachgebrauchs in den deutschen Medien, wenn von Breslau oder Danzig die Rede ist, sind nicht bekannt geworden. Ungeachtet dessen glauben jedoch gewisse Zeitgenossen in den Medien der political correctness dienen zu müssen, indem sie krampfhaft von Katovice und gelegentlich auch Wroclaw schreiben, statt von Kattowitz und Breslau. Merkwürdigerweise heißt es bei diesen Zeitgenossen aber Danzig und Krakau statt Gdánsk und Kraków. Hier werden wohl unverdrossen die politischen Schlachten des kalten Krieges weiter geschlagen. Jene wackeren Kämpfer für die political correctness auch in diesem Punkt erscheinen doch ähnlich aus der Zeit gefallen, wie die Soldaten des Tenno, die noch Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im indonesischen Dschungel herumirrten.

Das führt bisweilen auch zu eher peinlichen Ergebnissen. So soll in einer deutschen Tageszeitung vorne im politischen Teil von „Wroclaw“ als Spielort der Handball Europameisterschaft die Rede gewesen sein, während der Bericht im Sportteil mit dem Hinweis „aus Breslau berichtet…“ begann. Unsere wackeren Sportreporter sind wohl von der Geisteskrankheit namens political correctness im allgemeinen nicht befallen.

Dabei ist die deutsche Politik selbst zu einer salomonischen Lösung gelangt. Im gemeinsamen Ministerialblatt der Bundesministerien vom 23.12.2009 findet sich eine Verordnung über den Reisepaß. Dort ist mit deutscher Gründlichkeit minutiös festgelegt, was dort hineingehört, und wie es auch zu schreiben ist. In § 4 Abs. 1, Tz 4.1.5.2. ist hinsichtlich der Schreibweise eines in Polen gelegenen Geburtsortes festgelegt, daß gemäß der deutsch-polnischen Paßabsprache von 1976 bei Personen, deren Geburtsort vor dem 8. Mai 1945 innerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches vom 31. Dezember 1937 lag, nur die deutsche Ortsbezeichnung des Geburtsortes (zum Beispiel Breslau für Wroclaw – die Bundesdruckerei hat auch keine polnische Tastatur –  oder Hindenburg für Zabrze) einzutragen ist. Bei Geburten ab dem 8. Mai 1945 in den oben bezeichneten Gebieten soll die polnische Bezeichnung, dahinter in Klammern die deutsche Ortsbezeichnung, eingetragen werden. Sind vor dem 8. Mai 1945 mehrere Umbenennungen erfolgt, wird die allgemein übliche deutsche Ortsbezeichnung in Klammern eingetragen. Eine Angabe des Staates ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Alles klar? Opa ist 1916 in Breslau geboren, Papa 1946 in Wroclaw (Breslau). In welchem Land das war, ergibt sich nicht aus dem Reisepaß, sondern dazu schlägt man einen historischen Atlas auf.

Vielleicht sollte es mit den Jahren auch unseren politisch korrekten Zeitgenossen dämmern, daß die Geschichte selbst großzügig ist, und die Kleingeistigkeit das zweifelhafte Privileg von Menschen ist, die da meinen, ihre Deutung der Geschichte dem Rest der Menschheit aufzwingen zu können. Das Beispiel Breslau ist eigentlich sehr aufschlußreich. Im Jahre 990 von dem Piastenherzog Mieszko gegründet und nach der Unabhängigkeit Schlesiens von Polen im Jahre 1202 deutsch geworden, kurzzeitig auch böhmisch und ungarisch, kam die Stadt dann 1945 wieder zu Polen. Wie in den meisten Fällen mittelalterlicher Städtegründungen hat es dort natürlich auch vor 990 eine Ansiedlung gegeben. Der lateinische Name war Vratislavia, was auf seine slawischen Wurzeln hindeutet, und sich letztendlich sowohl im deutschen Breslau wie im polnischen Wroclaw (die Tastatur meines PC hat weiterhin kein diakritisches polnisches l) wiederfindet. Vielleicht übersteigt das alles aber das intellektuelle Fassungsvermögen des Gehirns eines der political correctness verpflichteten Menschen, denn es ist bereits mit allerhand politischem Müll bis zum Überlaufen angefüllt.

 

Die Legende

In diesen Tagen wird angesichts der Überforderung der Polizei durch die Flüchtlingskrise nach Möglichkeiten gesucht, dem vor allem personellen Notstand an den Grenzen, in den Aufnahmeeinrichtungen und nicht zuletzt bei der Gewährleistung unserer inneren Sicherheit abzuhelfen. Was liegt da näher, als den Blick auf die immerhin derzeit ca 177.000 Soldaten starke Bundeswehr zu richten? Ohne viel Federlesens wird sie schon zu allerhand Hilfsdiensten bei der Registrierung und Vorsortierung von Flüchtlingen – der Begriff soll trotz seiner offensichtlichen Fragwürdigkeit hier einmal nicht hinterfragt werden, sondern der Einfachkeit halber als Sammelbegriff benutzt werden – eingesetzt. Vor allem bei der Bewachung unserer Grenzen, wenn diese denn nun wirklich geschlossen werden sollten, aber auch beim Schutz von Wohnbereichen, liegt es nahe, eine Organisation einzusetzen, die bewaffnet ist und auch über eine beachtliche personelle Stärke verfügt.

Doch das erscheint einfacher, als es wirklich ist. Die zahl von rund 177.000 Soldaten allein sagt nicht viel darüber aus, wie viele davon letztendlich an unseren Grenzen Streife gehen oder Schutzaufgaben im Lande übernehmen könnten. Ein großer Teil der Soldaten steht für solche im weitesten Sinne infanteristischen Aufgaben nicht zur Verfügung. Dem militärischen Laien dürfte einleuchten, daß z.B. die Besatzungen von Kriegsschiffen oder die Piloten von Kampfbombern andere Aufgaben haben, und auch für solche Dinge gar nicht ausgebildet sind. Wer aufmerksam die Zeitung liest weiß auch, daß die Bundeswehr schon jetzt Mühe hat, genügend Soldaten für ihre Einsätze im Ausland bereit zu stellen. Natürlich unterscheidet sich ein Kampfeinsatz, für den die Soldaten ausgebildet sind, auch von einem polizeilichen Einsatz. Im ersteren Fall geht es darum, den Feind im Gefecht auf jeden Fall auszuschalten, im anderen jedoch darum, unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einen Rechtsbruch zu unterbinden. Verkürzt gesagt, geht es einmal darum, schnell und effizient durch Waffeneinsatz eine militärische Lage zu seinen Gunsten zu entscheiden, im anderen Falle darum, einen Rechtsbrecher von seinem Tun abzubringen und dabei nur im äußersten Notfall von der Schußwaffe Gebrauch zu machen. Deswegen werden Polizeibeamte dafür auch zeitintensiv juristisch geschult, was bei Soldaten nur sehr eingeschränkt, etwa im Rahmen der Ausbildung für den Wachdienst, geschieht. Hinsichtlich dessen muß in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß die Bundeswehr nicht einmal genügend Soldaten hat, ihre eigenen Kasernen und sonstigen Liegenschaften zu bewachen, sondern dafür Sicherheitsdienste bezahlt, wie das Siemens und VW auch tun. Die Kasernenwache, die wir Älteren noch als wehrpflichtige Soldaten als unbeliebten Dienst in Erinnerung haben, gibt es ja schon lange nicht mehr.

Das alles ließe sich natürlich organisatorisch lösen. Mehr Ausbildung im Recht, eine Aufstockung des Personals, das ist natürlich machbar. Aber da kommen ja noch die Bedenkenträger um die Ecke und rufen laut: „Ist doch verboten! Grundgesetz! Kein Einsatz von Soldaten in Inneren!“ Halb richtig. Art. 87a des Grundgesetzes läßt den Einsatz der Bundeswehr nur zu Verteidigungszwecken zu, was auf den ersten Blick in Friedenszeiten den Einsatz im Inneren ausschließt. Doch das Bundesverfassungsgericht hat vor nicht allzu langer Zeit dieses Verbot nach einer Meinung aufgeweicht, nach anderer konkretisiert. Die Bundeswehr kann durchaus auch im Lande eingesetzt werden, wenn es anders halt nicht mehr geht. Vielleicht sind wir nun da angelangt. Aber dann holen die Bedenkenträger die große Keule raus und raunen mit ernster Miene: „Aber die Erfahrungen aus der deutschen Vergangenheit! Die Nazi-Zeit! Nie wieder Soldaten gegen das Volk einsetzen!“ Man stutzt. Gibt es denn überhaupt einschlägige Vorkommnisse in der Zeit des Dritten Reiches? Die Antwort ist ein klares Nein. Niemals hat das Regime die Wehrmacht gegen das eigene Volk eingesetzt, etwa um Streiks oder Proteste zu unterdrücken. Sie wurde ausschließlich zur Kriegführung eingesetzt. Auch als der Krieg am Ende innerhalb der deutschen Grenzen stattfand, kämpften die Soldaten gegen den Feind, nicht gegen ihre Landsleute. Auch wurde die Wehrmacht nicht für die bekannten verbrecherischen Verfolgungsmaßnahmen eingesetzt. Nicht einmal die Bewachung der KZ’s in ihrem weiteren Umkreis oblag der Wehrmacht. Die SS war eine Parteiorganisation. Soweit sie bewaffnete militärische Verbände hatte („Waffen-SS“), waren diese Wehrmachtsverbänden lediglich unterstellt, aber wurden niemals Teil ihrer Organisation. Natürlich lasse ich mich gerne eines besseren belehren. Wer mir als erster (Damen eingeschlossen) einen Fall nachweislichen Einsatzes der Wehrmacht gegen oppositionelle Bürger nennen kann, kann mit einer guten Flasche Wein als Belohnung rechnen.

Gleiches gilt im übrigen für die Zeit vor 1933. Vom Bürgerkrieg in den Jahren nach dem I. Weltkrieg mit seinen kommunistischen Aufständen abgesehen, in denen eine sozialdemokratisch dominierte Reichsführung gezwungen war, die Reichswehr gegen Aufständische einzusetzen und sogar Freikorps zu Hilfe rufen mußte, abgesehen, sind deutsche Soldaten zu keiner Zeit gegen ihre Mitbürger eingesetzt worden.

Fazit:

Wenn wir über den Einsatz der Bundeswehr im Inneren nachdenken, dann unter fachlich-technischen Gesichtspunkten. Die Legende von den angeblich entgegenstehenden Erfahrungen aus der deutschen Geschichte sollte dahin entsorgt werden, wo sie hingehört: in die bundesrepublikanische Geistesgeschichte voller Merkwürdigkeiten.

Auch der Tarnanstrich blättert ab

Politik und Medien haben im vergangenen Jahr mit verschiedenen Veranstaltungen daran erinnert, daß vor 70 Jahren in Nürnberg der Prozeß gegen die sogenannten Hauptkriegsverbrecher begonnen hat. Die Schaffung des diesem Verfahren zugrunde liegenden Londoner Statuts vom 8.8.1945 wurde einhellig als Geburtsstunde des Völkerstrafrechts gefeiert. Soweit ersichtlich, war die Rechtswissenschaft hier etwas zurückhaltender. Mit gutem Grund.

Wir erinnern uns. Bis zu jenem Londoner Statut gab es überhaupt noch kein Völkerstrafrecht. Zwar gab es eine Reihe von völkerrechtlichen Verträgen, die gewisse Regeln für kriegerische Auseinandersetzungen statuierten. Es gab sogar ein internationales Abkommen, in dem die beteiligten Staaten feierlich auf das Recht verzichteten, ihre außenpolitischen Absichten mit Gewalt durchzusetzen. In diesem allgemein als Briand-Kellogg Pakt bekannten Vertragswerk findet sich jedoch keine Regelung über etwaige strafrechtliche Folgen der Verletzung dieses Vertrages. Erst das erwähnte Londoner Statut vom 8.8.1945 legte fest, daß die Planung und Führung eines Angriffskriegs strafrechtlich verfolgt werden kann. Künftig sollten Staatsmänner und Militärs hierfür persönlich zur Verantwortung gezogen werden können. Allerdings hatte dieses Statut den juristischen Kardinalfehler, daß es sich rückwirkende Geltung beilegte. Nur mit diesem juristischen Kunstgriff, manche sagen auch: Taschenspielertrick, war es überhaupt möglich, die führenden Politiker und Militärs des soeben niedergeworfenen Deutschland vor Gericht zu stellen. Das aber war unbedingt notwendig, um ein Justizdrama auf die Bühne bringen zu können, in dem publikumswirksam die Eliten des besiegten Staates – teils in der Sache durchaus zu Recht – als kriminelle Scheusale vorgeführt und abgeurteilt werden konnten. Der offensichtlich erwünschte Effekt der ganzen Veranstaltung war natürlich, Deutschland für sehr lange Zeit gewissermaßen an den Katzentisch der Weltgeschichte zu setzen. Nicht nur die Verteidiger der damaligen Angeklagten, darunter anerkannte Experten des Völkerrechts, sondern auch Rechtswissenschaftler, Philosophen und hochrangige Geistliche aus aller Welt übten denn auch Kritik an diesem Verfahren, dessen Grundlage eben gegen den universalen Rechtssatz verstieß, daß niemand für eine Tat bestraft werden darf, die zum Zeitpunkt ihrer Begehung noch nicht gesetzlich mit Strafe bedroht war.

Daher ist es nicht überraschend, daß nach Beendigung der Nürnberger Prozesse das Völkerstrafrecht in einen jahrzehntelangen Dornröschenschlaf gefallen ist, auch wenn kurz danach die Verein Nationen das Londoner Statut und die darauf basierenden Verfahren als „Nürnberger Prinzipien“ herausstellten. Es folgte kein einziges weiteres Verfahren dieser oder ähnlicher Art. Das kann auch nicht weiter verwundern, denn das Londoner Statut richtete sich ausschließlich gegen die im Zweiten Weltkrieg unterlegenen Staaten. Mit Friedrich Schiller war festzustellen: der Mohr hat seine Schuldigkeit getan.

Erst mit Beginn der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurden erneut Verfahren gegen Staatsmänner geführt, die sich in ähnlicher Weise wie die Staatsführer Deutschlands und Japans wegen Kriegsverbrechen schuldig gemacht hatten. Wegen Planung und Führung eines Angriffskrieges wurden allerdings weder der serbische Präsident Milosevic noch einer der verschiedenen afrikanischen Potentaten angeklagt und verurteilt. Die Zeit schien auch dafür reif, nun endlich ein Völkerstrafrecht zu schaffen, das auch eine wirkliche Rechtsgrundlage für die strafrechtliche Verfolgung von Kriegstreibern und Kriegsverbrechern darstellte. Im Jahr 1998 war es dann soweit. Die meisten in den Vereinten Nationen organisierten Staaten beschlossen das Römische Statut über die Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs. Es trat dann 2002 in Kraft, wurde allerdings von einer ganzen Reihe von Staaten nicht ratifiziert, darunter die USA, Russland, China und Israel. Der Tatbestand der Planung und Führung eines Angriffskrieges, der bereits in diesem Statut enthalten war, stand unter dem Vorbehalt, daß eine allgemein anerkannte Definition dafür erst noch gefunden und beschlossen werden müsse. Das geschah dann 2010 in Kampala. Diesen Vertrag haben bisher allerdings nur drei Staaten (Andorra, die Slowakei und Deutschland) ratifiziert. In Kraft treten kann er erst am 1.1.2017. Die weiteren Kautelen für die Einleitung eines Strafverfahrens wegen dieses Tatbestandes sind vielfältig und dergestalt, daß man annehmen muß, ein derartiges Strafverfahren werde es wohl niemals geben.

Damit scheint das Völkerstrafrecht auch seinen Gipfel erreicht zu haben. Von dort aus kann es ja auch nur noch wieder abwärts gehen. Und so ist es auch. Derzeit gibt es in einigen afrikanischen Ländern, darunter Südafrika und Namibia, aber auch Kenia, ernsthafte Überlegungen, aus dem Vertrag von Rom über den Internationalen Strafgerichtshof wieder auszusteigen. Damit kündigt sich eine Entwicklung an, an deren Ende wohl die praktische Bedeutungslosigkeit dieses Internationalen Strafgerichtshofs stehen wird. Das Völkerstrafrecht wird dann endgültig an der politischen Wirklichkeit gescheitert sein. Ob die Juristen künftiger Generationen das Londoner Statut vom 8.8.1945 und die auf dieser Grundlage durchgeführten Prozesse gegen die Führer Deutschlands und Japans dann noch als Sternstunden des Völkerrechts betrachten werden, muß doch wohl füglich bezweifelt werden.

Doch für Gedenkveranstaltungen 100 Jahre danach im Jahre 2045 wird natürlich der Maßstab der Pietät gelten. De mortuis nihil nisi bene.

Hilfe! Der Nationalstaat kommt zurück!

Was in der Euro-Krise noch mit Billionenaufwand mühsam zu verdecken versucht wurde, wird nun in der Flüchtlingskrise offensichtlich: das Projekt Europa ist eine Schönwetterveranstaltung, jedenfalls in der Ausformung, welche die politisch-mediale Klasse in Europa sich vorstellt. Die Weigerung der meisten Staaten der Europäischen Union, Zuwanderer aus dem Orient und Afrika aufzunehmen, jedenfalls in dem Ausmaß, das sich Frau Merkel und ihre politischen Freunde vorstellen, bringt es an den Tag: das gemeinsame Haus Europa steht auf einem brüchigen Fundament. Deswegen reiten Europapolitiker wie Juncker und Schulz abwechselnd wütende Attacken gegen die angeblich unsolidarischen Staaten vor allem Osteuropas, aber auch zum Beispiel Großbritannien, oder lamentieren über das angeblich bevorstehende Auseinanderbrechen der Europäischen Union.

Als Schreckgespenst aus angeblich überwundener Vergangenheit, gewissermaßen als Zombie der Geschichte, muß dabei der Nationalstaat herhalten, dessen Wiederauferstehung zu nichts als Krieg und Elend führen kann. Dabei wird zunächst einmal völlig übersehen, daß der Nationalstaat selbstverständlich immer noch existiert, ja die völkerrechtliche Grundlage für supranationale Bündnisse und Vereinigungen wie die Europäische Union, die NATO oder die UNO darstellt. Daran wird deutlich, daß diese Klageweiber der Europapolitik den Tod eines Gebildes bejahen, das es tatsächlich nie gegeben hat, nämlich eines europäischen Bundesstaates.

Es mag ja sein, daß nach dem Zweiten Weltkrieg der Wunsch nach der Überwindung des Nationalstaates an der Wiege des Projektes einer europäischen Einigung gestanden hat. Indessen ging es doch zunächst einmal um eine vertiefte wirtschaftliche Zusammenarbeit, die selbstverständlich nur im Wege der Institutionalisierung und Schaffung verbindlicher Regeln, wie etwa einer Zollunion, zu haben war. In diesem Umfang waren natürlich auch nationale Souveränitätsrechte aufzugeben. Die Vorläuferin der Europäischen Union, die gute alte EWG, hatte eigentlich alle Regeln geschaffen, die zur Überwindung künstlicher Handelsschranken erforderlich waren. Sie war auch zunächst auf solche Mitgliedsstaaten beschränkt, deren Wirtschaftskraft und Gesellschaftsordnung gleichartig oder zumindest miteinander kompatibel waren. Der nach dem Zweiten Weltkrieg besonders verständliche Wunsch, daß europäische Völker niemals mehr gegeneinander zu den Waffen greifen sollten, fand seine Erfüllung in der Gründung der NATO. Die Struktur dieses Bündnisses mit ihren integrierten Kommandostäben und multinationalen Verbänden geht weit über das hinaus, was bis dahin Koalitionen in Kriegszeiten ausmachte. Die NATO ist eben kein anlaßbezogenes und zeitlich auf eine bestimmte Situation beschränktes Bündnis, in dem verbündete Staaten ihre Armeen Seite an Seite kämpfen lassen, sondern eben eine supranationale Organisation, auf unbefristete Zeit angelegt und mit einer eigenen militärischen Struktur ausgestattet. Allerdings tut auch ihr die uferlose Ausweitung nicht gut.

Damit war sowohl dem Wunsch nach einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit, die den allgemeinen Wohlstand der europäischen Völker heben konnte, als auch der Sehnsucht nach einem dauerhaften Frieden in Europa nachhaltig Rechnung getragen. Doch den Verfechtern eines europäischen Einheitsstaates, der die verhassten Nationalstaaten ablösen sollte, war das natürlich nicht genug. Diese Spezies von Politikern und Publizisten stürzte die Völker Europas in das Abenteuer einer nahezu unbegrenzt erweiterten Europäischen Union mit einer gemeinsamen Währung. Das konnte nicht gut gehen. Diese Veranstaltung lieferte den Fernsehzuschauern zwar beeindruckende Bilder von immer prächtigeren Kongressen und gab den Politikern Stichworte für immer blumigere Sonntagsreden. Als jedoch die ersten wirklichen Belastungen dieser Konstrukte auftraten, begann sich das Bild zu verdüstern. Schon die Bankenkrise von 2008 konnte nur mit einer abenteuerlichen Verschuldungspolitik mehr verkleistert als gelöst werden. Die sogenannte Eurokrise, tatsächlich die Erkenntnis, daß die südeuropäischen Länder (und auch Frankreich) wirtschaftlich mit den mittel- und nordeuropäischen Ländern nicht mithalten können, brachte bereits an den Tag, daß Eurozone und Europäische Union jedenfalls in der heutigen Gestalt eine Fehlkonstruktion sind. Endgültig aus dem Rausch erwacht sind die Hohen Priester des vereinten Europa nun in der Flüchtlingskrise. Sie zeigt schonungslos die Fehlkonstruktion dieses Gedankengebäudes auf, gegen das ein Luftschloß als ein Musterbeispiel solider Statik erscheint. In ihrer Panik rufen sie nun: „Haltet den Dieb!“

Müssen wir tatsächlich die Rückkehr des Nationalstaates fürchten? Abgesehen davon, daß er natürlich weiterhin existiert, denn den Staat Europa gibt es glücklicherweise nicht, ist er keineswegs das Erzübel, das Juncker, Schulz und Co. an die Wand malen möchten. Weder erdrosselt er die Wirtschaft, noch schürt er Aggressionen gegen andere Völker. Vielmehr ist er die natürliche Organisationsform eines Volkes. Auch wenn der Begriff des Volkes in Deutschland, jedenfalls in seiner politisch-medialen Klasse, verpönt ist, so hat er überall sonst auf dieser Erde keinen ranzigen Geruch und keinen bitterem Beigeschmack. Vielmehr verstehen sich alle Völker dieser Erde als natürliche, gewachsene Einheit. Solz, aber keineswegs überheblich pflegt man auch seine nationalen Symbole. Da man in Deutschland zu diesem Thema am besten immer Ausländer zitiert, lasse ich hier einen US-Amerikaner zu Wort kommen. Der Publizist und Politiker Patrick Buchanan formuliert in seinem Buch „Irrweg Einwanderung“ aus dem Jahre 2007:  „Sprache, Religion, Kultur und Geschichte sowie Blut und Boden sind es, die ein Staatsvolk hervorbringen und nicht eine Ideologie..“ Natürlich findet man auch anderenorts, selbst im Programm der Partei unserer europabeflissenen Kanzlerin, ähnliche Passagen. Neben gemeinsamer Sprache, im Lande vorherrschender Religion, gemeinsamer Kultur und Geschichte jedoch auf einen Begriff wie „Blut und Boden“ zurückzugreifen, scheint in Deutschland nicht (mehr) möglich zu sein. Denn dieser Begriff ist wegen seines Mißbrauchs durch die Nationalsozialisten vergiftet. Nun ist der Umstand alleine, daß irgendetwas auch den Nationalsozialisten gefallen hat, doch keineswegs Grund genug, das zusammen mit dem Nationalsozialismus auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen. Es gibt eben Dinge, die fernab dieser Ideologie für sich allein gut und richtig sind. In diesem Zusammenhang haben geschichtlich nicht sattelfeste Leute früher gern die Autobahnen genannt. Das war natürlich falsch, denn sie wurden schon gebaut, bevor ein gewisser Adolf Hitler in Deutschland die Macht ergriffen und gründlich mißbraucht hat. Allerdings wird heutzutage von geistigen Kleingärtnern jeder, der im Zusammenhang mit der jüngeren deutschen Geschichte das Wort Autobahn in den Mund nimmt, flugs zum Nazi ernannt. Aber nehmen wir doch einmal der Jahreszeit und dem Wohnort des Verfassers geschuldet den Nürnberger Christkindlesmarkt. Seine heutige Gestalt, insbesondere mit dem Christkind, das zur Eröffnung des Marktes den Prolog von der Empore der Frauenkirche spricht, hat er eben durch die Nationalsozialisten erfahren. Das war schon gleich zu Beginn ihrer Herrschaft 1933. Müssen wir also diese Tradition schleunigst in die Tonne treten? Das wäre doch genauso lächerlich wie die Ablehnung der vegetarischen Ernährung mit dem Argument, schließlich sei Hitler Vegetarier gewesen.

Kommen wir zurück auf die Flüchtlingskrise und ihre Auswirkungen auf die Europäische Union. Unsere Europapolitiker, aber auch Frau Merkel und ihre Knappen führen laute Klage darüber, daß die meisten europäischen Länder entweder gar keine Flüchtlinge, oder nur geringe Mengen, und dabei partout keine Muslime aufnehmen wollen. Das sei unsolidarisch, nationalistisch, unchristlich, rechtsextrem und was es sonst der einschlägigen Beschimpfungen noch gibt. Warum aber wollen außer den Deutschen, genauer gesagt ihrer politisch-medialen Klasse, alle anderen Völker mehrheitlich nicht noch mehr Fremde im Lande haben? Ich denke, daß es daran liegt, daß die Menschen Fremdes nur in einem überschaubaren Maß ertragen. Schauen wir zunächst auf die Familie. Die Familie ist nun einmal die Gemeinschaft, in die ein Mensch hineingeboren wird. Eltern und Geschwister sind eben in einem Maße vertraut, das gegenüber Familienfremden einfach nicht aufgebaut werden kann, mit Ausnahme natürlich des geliebten Partners mit oder ohne Ehering. Und das gilt unabhängig von den persönlichen Eigenschaften der Familienmitglieder. Man hat eben eine starke emotionale Bindung zu seinem Bruder oder zu seiner Mutter, auch wenn diese Eigenschaften haben, die man bei Fremden ablehnen würde und zu ihnen auf keinen Fall irgend eine nähere Beziehung aufbauen würde. Das gilt sogar dann, wenn Familienmitglieder erst nach Jahrzehnten zueinander finden, weil sie etwa als Babys von der Familie, in die sie hineingeboren waren, getrennt wurden. Wir hören und lesen doch immer wieder derartige Geschichten und sehen, daß diese Menschen eben doch Gefühle für einander haben, die sie für nicht blutsverwandte Personen kaum aufbringen würden. Der Volksmund kennt dafür die Redensart: „Blut ist dicker als Wasser.“ In abgeschwächter Form gilt das auch für das Volk. Denn wer in ein Volk hineingeboren wird, hat über die Generationen hinweg die gleichen Vorfahren wie seine Nachbarn und Mitbürger auch weit entfernter Städte und Landstriche. Sie sprechen natürlich die gleiche Sprache, haben die gleiche Geschichte und leben die gleiche Kultur. Teil dieser Kultur ist auch die Religion, ob sie nun intensiv gelebt wird, etwa durch den sonntäglichen Kirchgang oder letztendlich auf ein Kulturchristentum reduziert ist, das sich nur noch in der Aufrechterhaltung von Bräuchen und Ritualen wie dem Aufstellen der Weihnachtskrippe oder der Eheschließung im weißen Brautkleid und festlichen Anzug vor dem Priester äußert. Die Summe all dessen macht eben die Zugehörigkeit zu einem Volk aus. Die gemeinsame Abstammung ist ein untrennbarer Teil davon, auch dann, wenn der eine oder andere Vorfahr nicht etwa schon im Jahre 800 nach Christus, sondern erst im Jahre 1960 in Deutschland ansässig geworden ist. Denn nicht die Rasse macht das Volk, sondern es entsteht über die familiären Bindungen durch die Generationen.

Die Völker, die man auch mit dem lateinischen Begriff der Nationen bezeichnet, weil dieser Begriff eben die durch Geburt vermittelte Zugehörigkeit beschreibt, müssen sich natürlich nicht etwa genetisch spinnefeind sein, wie uns das die Leute weismachen wollen, die im Nationalstaat die Wurzel allen Übels sehen. Denn genauso wie man familienfremde Menschen schätzen und akzeptieren kann, ohne daß man sie als Teil der eigenen Familie sieht, ebenso kann man natürlich andere Völker bzw. ihre Angehörigen als Partner oder gar Freunde sehen. Aber es bleiben immer Fremde. Und wenn in der eigenen Umgebung zu viele Fremde dauerhaft existieren, entsteht ein Unbehagen. So sehr in der Familie der Besuch, auch von Verwandten, erwünscht ist, so wenig kann daraus ein Dauerzustand werden. Seinen Ausdruck findet das in dem Sprichwort: „Fisch und Besuch stinken nach drei Tagen.“ Ein zu viel ist immer ungut. Klassisch war dies formuliert in der Aufschrift über dem Eingang des Tempels zu Delphi, in dem das berühmte Orakel seine geheimnisvollen Prophezeiungen sprach: „Niemals zu viel.“ Und so ist es nun einmal auch mit der Zuwanderung. Der Anblick von Menschen, die ganz offensichtlich eine fremdartige Kultur leben, ruft Interesse hervor, wenn er nicht allzu häufig ist, er ruft Unbehagen hervor, wenn er überhand nimmt und man das Gefühl bekommt, so langsam nicht mehr zu Hause zu sein. Man kann auch von der Integrationskraft eines Volkes sprechen. Im Verhältnis zur eingesessenen Bevölkerung wenige Fremde können integriert werden, soweit sie das überhaupt wollen. Was uns derzeit jedoch zugemutet wird, ist die Integration von Millionen Menschen, die sich zum großen Teil selbst überhaupt nicht integrieren wollen, sondern ihre heimische Kultur bewahren und als Volk unseren Grenzen leben wollen. Wer das nicht will, der ist nicht rechtsextrem, der ist lediglich normal.

Die Beobachter der Völkischen

Die Hüter der political correctness sind außer sich.

Rechtes Gedankengut, Islamophobie, Rassismus, völkische Ideen und womit man sonst noch den braven Bundesrepublikaner erschrecken kann, sind offenbar salonfähig geworden. Die Alarmsirenen auf den Pressehäusern heulen im anschwellenden Dauerton. Selbsternannte Herolde des politischen Anstandes verkünden die bevorstehende Auferstehung des braunen Gottseibeiuns. Seine Jünger hat man schon identifiziert. Es sind alle, die rechts von Merkel stehen.

Dabei fällt es diesen Wutschreibern in ihrem Furor überhaupt nicht auf, daß sie Begriffe durcheinanderwerfen und damit ihres Sinnes berauben. Patriotisch zum Beispiel bedeutet eben nicht nationalistisch oder gar völkisch. Weil gerade der letztgenannte Begriff nun gerne mit „rechtspopulistisch“ – zu diesem unsinnigen Begriff wäre natürlich auch viel zu sagen – verknüpft oder gar gleichgesetzt wird, wollen wir uns diesen Begriff einmal näher ansehen. Der Große Brockhaus von 1957 erklärt: „völkisch, die seit etwa 1875 aufgekommene, um 1900 vor allem vom Alldeutschen Verband vertretene Verdeutschung des Wortes national im Sinne eines auf dem Rassegedanken begründeten und daher entschieden antisemitischen Nationalismus. An sich ist völkisch ein altgermanisches Wort: es konnte sich aber, ebenso wie volklich, in allgemeiner Bedeutung nicht durchsetzen.“ Der Duden von 1986 bringt knapp 30 Jahre später in der einem bloßen Wörterbuch geschuldeten lakonischen Kürze die Worterklärung: „völkisch; Völklein, Völkchen; volklich (das Volk betreffend)“.

Infolge seiner kostenlosen Allgegenwärtigkeit auf jedem PC beeinflusst Wikipedia das Denken der Zeitgenossen natürlich ungemein. Seine lexikalischen Definitionen werden vielfach für bare Münze genommen, auch wo sie, um im Bilde zu bleiben, tatsächlich Falschgeld sind. Das gilt besonders für alles irgendwie Politische. Wikipedia also definiert zur Zeit den Begriff so:

„Bei der Zuschreibung völkisch handelt es sich um eine alte Ableitung von Volk, die seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts in der Sprache des Alltags, der Medien und der Politik von Bedeutung wurde. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde das Wort dort seltener verwendet, wird aber seit dem Erstarken entsprechender Bewegungen in Deutschland zu deren Beschreibung in jüngster Zeit wieder vermehrt herangezogen. Völkisch transportiert in seiner modernen Variante einen rassistischen Volksbegriff und ist stark antisemitisch konnotiert. Es wurde im deutschsprachigen Raum als Selbstbezeichnung von der völkischen Bewegung angeeignet und zu einem Schlüsselbegriff des Völkischen Nationalismus.“

Wer also eine Person oder eine politische Meinung mit dem Begriff völkisch belegt, der tut das vor dem Hintergrund dieser Definition, die ja unmissverständlich auf das prägende Wesensmerkmal des Nationalsozialismus verweist. Nicht ohne Grund hieß das offizielle Parteiblatt der NSDAP „Der Völkische Beobachter“. Die Einordnung einer Partei, eines Politikers oder einer Meinungsäußerung als völkisch bedeutet also nichts anderes, als die Ausgrenzung aus der Gemeinschaft der Demokraten. Sie kann daher zu Recht nur und ausschließlich auf Gedankengut angewandt werden, das mit dem Hitlers und seiner geistigen Wegbereiter aus dem späten 19. Jahrhundert identisch ist. Das ist eben der Rassismus, der auf der Vorstellung beruht, Menschen hätten aufgrund ihrer Abstammung bestimmte Eigenschaften, wie Fleiß, Rechtschaffenheit, Redlichkeit und Tapferkeit oder aber Faulheit, Verschlagenheit, Unehrlichkeit und Feigheit. Natürlich schreiben Rassisten die erstgenannten guten Eigenschaften ihrem rassisch definierten Volk zu und erklären Angehörige anderer rassisch definierter Völker zu Menschen mit den letztgenannten schlechten Eigenschaften. Das sei auch durch Erziehung und Kulturvermittlung nicht zu ändern, liege vielmehr im Blut. Ein solcher Aberglaube kann im äußersten Fall zum Völkermord führen, wie wir das aus unserer Geschichte nur zu gut wissen. Aber dieser Aberglaube – von einer Theorie, die begrifflich wenigstens einen rationalen Kern haben soll, kann ja nicht die Rede sein -, dieser Aberglaube war Ende des 19. Jahrhunderts keineswegs nur in Deutschland verbreitet. Dies mag ein Zitat des englischen Politikers und Wirtschaftsmagnaten Cecil Rhodes aus seinem Werk „Draft of Ideas“ von 1877 verdeutlichen:

„Ich behaupte, daß wir die erste Rasse in der Welt sind und daß es für die Menschheit um so besser ist, je größere Teile der Welt wir bewohnen. Ich behaupte, daß jedes Stück Land, das unserem Gebiet hinzugefügt wird, die Geburt von mehr Angehörigen der englischen Rasse bedeutet, die sonst nicht ins Dasein gerufen worden wären. Darüber hinaus bedeutet es einfach das Ende aller Kriege, wenn der größere Teil der Welt in unserer Herrschaft aufgeht…. Die Förderung des britischen Empires, mit dem Ziel, die ganze zivilisierte Welt unter britische Herrschaft zu bringen, die Wiedergewinnung der Vereinigten Staaten, um die angelsächsische Rasse zu einem einzigen Weltreich zu machen. Was für ein Traum! Aber dennoch ist er wahrscheinlich. Er ist realisierbar. Da Gott sich die englisch sprechende Rasse offensichtlich zu seinem auserwählten Werkzeug geformt hat, durch welches er einen auf Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden gegründeten Zustand der Gesellschaft hervorbringen will, muß es auch seinem Wunsch entsprechen, daß ich alles in meiner Macht stehende tue, um jener Rasse so viel Spielraum und Macht wie möglich zu verschaffen.“

Würde jemand heute so etwas schreiben oder gar in Talkshows bzw. Parlamentssitzungen von sich geben, so müsste er sich fragen lassen, was er denn getrunken oder geraucht habe. Es sollte allerdings auch für ein zivilisiertes Volk selbstverständlich sein, das Andenken an Politiker mit einer solchen Überzeugung in den Mülleimer der Geschichte zu entsorgen. In diesem Falle bleibt es allerdings wohl beim Wunsch, denn mir ist bis heute nicht bekannt geworden, daß Cecil Rhodes in Großbritannien zur historischen Unperson geworden wäre.

Die Zuschreibung völkisch trifft jedenfalls zur Zeit auf keinen ernst zu nehmenden Politiker oder Journalisten in Deutschland zu. Nicht ernst zu nehmen sind in nazi-nostalgischen Szenen irrlichternde Figuren, deren Anhängerschaft sehr überschaubar und ohne politische Relevanz ist. Dennoch werfen verbohrte Journalisten wie Volker Zastrow und dubiose Politiker wie Jürgen Trittin einem zunehmend größer werdenden Teil unseres Volkes vor, eben „völkisch“ zu denken. Diese nur als Verleumdung zu qualifizierende Zuschreibung trifft vor allem jene, die den unkontrollierten und massenhaften Zustrom von „Flüchtlingen“ genannten Zuwanderern kritisieren und vor deren gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Folgen warnen. Ein beliebtes Argument jener Beobachter mit dem erhobenen Zeigefinger ist die Behauptung, wir Deutschen hätten ja schließlich über Jahrhunderte hinweg immer wieder Fremde aufgenommen, und das sei durchweg zu unserem Vorteil gewesen. Dieses Argument ist ein Musterbeispiel dafür, wie Halbwahrheiten wirken. Natürlich ist es so, daß im Laufe der Jahrhunderte viele Menschen aus fremden Ländern zu uns gekommen und hier heimisch geworden sind. Nicht erwähnt wird dabei allerdings, daß es sich bei diesen Zuwanderungen stets um solche gehandelt hat, welche die aufnehmende Mehrheitsgesellschaft vor keine Probleme gestellt hat. Denn diese Zuwanderer kamen immer aus Europa. Sie brachten stets eine Kultur mit, die entweder gleich oder doch sehr ähnlich war, wie die der aufnehmenden Gesellschaft. Ob dies nun französische Hugenotten, polnische Bergleute oder südeuropäische Gastarbeiter waren, sie alle haben sich innerhalb weniger Generationen vollständig integriert. Ihre Nachfahren sind regelmäßig nur noch an ihren Familiennamen als solche zu identifizieren. Selbst die vergleichsweise wenigen Zuwanderer aus ganz anderen Gegenden dieser Erde wurden regelmäßig wirklich heimisch, heirateten ein und übernahmen die Kultur unseres Landes. Wer kennt nicht den Zahnarzt mit persischem Vater oder den Manager mit vietnamesischen Eltern und deutscher Ehefrau? Und bezüglich der Juden, die völlig assimiliert in Deutschland lebten, und sich in patriotischem Geist ungern übertreffen ließen, mußten die Nazis ja nun wirklich alle Register der Demagogie ziehen, um dem Volk wenigstens in Ansätzen weiszumachen, es handele sich bei ihnen um fremdrassige, aber leider gut getarnte Volksschädlinge. Daraus kann man unter anderem lernen, wie abwegig alle völkischen Rassentheorien sind. Nach Auffassung der Nationalsozialisten hätten sich slawische Polen niemals mit germanischen Deutschen vermischen dürfen, weil das die rassischen Eigenschaften der Deutschen negativ beeinflusst hätte. Dabei ist diesen Hohlköpfen gar nicht aufgefallen, daß die vielen Tilkowskis und Schimanskis in der Wehrmacht genauso gut oder schlecht gekämpft haben, wie die vielen Meiers und Müllers. Und die vielen Nachfahren hugenottischer Flüchtlinge im Offizierkorps der Wehrmacht waren ja auch nicht von „welscher Falschheit“. Große Komponisten wie Gustav Mahler und Felix Mendelssohn-Bartholdy oder Leuchten der deutschen Literatur wie Heinrich Heine und Thomas Mann gehören zu unserer Kultur wie ihre „arischen“ Kollegen. Entscheidend für die gelungene Integration all dieser Zuwanderer war, daß ihre Religion sie nicht hinderte, in der einheimischen Gesellschaft aufzugehen. Ihre Kinder konnten ohne weiteres die Kinder ihrer Nachbarn heiraten. Dabei muß man nun einmal wissen, daß gerade in früheren Jahrhunderten, in denen die Gesellschaft noch nicht so religionsfern war wie heute, dieser Gesichtspunkt von größter Bedeutung war.

Soweit sogar mit den Flüchtlingen und Vertriebenen aus Deutschland und ihrer Aufnahme in Deutschland nach dem II. Weltkrieg argumentiert wird, ist das derart abwegig, daß man das nicht einmal kommentieren kann. Wer von Deutschland nach Deutschland fliehen mußte, der blieb eben in seinem Land und unter seinem Volk. Oder ist es das selbe, wenn ein Hamburger nach München zieht, wie wenn ein Eritreer oder Syrer nach Deutschland kommt?

Anders liegen die Dinge heute. Wir haben eine umfangreiche Zuwanderung aus völlig fremden Kulturen, insbesondere aus dem arabisch-islamischen Raum. Für diese Menschen ist auch heute noch die Religion das bestimmende Moment in ihrem Leben, anders als für die große Masse der einheimischen Deutschen. Hinzu kommt, daß der Islam patriarchalische Strukturen und die Überlegenheit der eigenen Kultur tendenziell festschreibt. Das erklärt auch, warum auch die Kinder der türkischen Einwanderer in unser Land auch in der dritten und vierten Generation so gut wie nie deutsche, nichtmuslimische Ehepartner wählen. Das wiederum führt zur Parallelgesellschaft, die ihre eigene Kultur aufrecht erhält und sich von den Deutschen, die inzwischen bereits relativierend „Herkunftsdeutsche“ genannt werden, abgekapselt. Natürlich bedeutet das nicht, daß keine wirtschaftlichen Verflechtungen und kein Umgang miteinander bestehen. Man arbeitet natürlich in deutschen Firmen, verkauft Gemüse auf deutschen Wochenmärkten und schickt seine Kinder in die deutschen Schulen. Aber der wirklich private Teil des Lebens bleibt in der eigenen Kultur verhaftet. Ob mit oder ohne deutschen Paß: gewinnt die türkische Fußballnationalmannschaft, fährt man im Autokorso unter türkischen Fahnen jubelnd durch die Innenstadt. Hat man es als türkischstämmiger Fußballer in die deutsche Nationalmannschaft geschafft, bewegen sich die Lippen nicht, wenn die Mannschaftskameraden links und rechts die deutsche Nationalhymne singen.

Inwiefern es rassistisch sein soll, die mit der unkontrollierten Massenzuwanderung einhergehenden wirtschaftlichen Probleme zu benennen, wird wohl auf immer das Geheimnis jener politisch korrekten Beobachter bleiben. Kein ernst zu nehmender Wirtschaftswissenschaftler, kein seriöses Forschungsinstitut stellt in Abrede, daß gerade mal höchstens 10 % der hereinströmenden Kriegs-und Wirtschaftsflüchtlinge überhaupt Arbeitsplätze finden werden, wobei dies in der Regel schlecht bezahlte Jobs sein werden. Die damit verbundenen Kosten für die Volkswirtschaft betragen nach seriösen Schätzungen jährlich 20-30 Milliarden €, ohne daß dem ein volkswirtschaftlicher Nutzen in Form von Steuern, Sozialabgaben oder irgendwelcher Wirtschaftsleistung gegenüber stünde.

Es zeugt also keinesfalls von völkischer Borniertheit, wenn man die Befürchtung äußert, die massenhafte Zuwanderung von Menschen aus dem arabisch-islamischen Kulturkreis führe zur Entwicklung von Ghettos und Parallelgesellschaften, die weit überwiegend von Sozialhilfeempfängern und Gelegenheitsarbeitern bewohnt werden, Stadtteilen wie wir sie schon heute in Berlin oder Duisburg und Bremen haben, in denen arabische Clans herrschen und die Polizei sich allenfalls mit gepanzerten Mannschaftswagen hineintraut. Handelt es sich dabei heute noch um einigermaßen überschaubare Ghettos mit jeweils nach wenigen tausenden zählenden Einwohnern, so muß angesichts des Zustroms von jährlich Millionen von Menschen aus jenem Kulturkreis, die sich jeglicher Integration verweigern, mit Ansiedlungen dieser Art gerechnet werden, welche die Größe von ganzen Städten erreichen. Wer derartiges bedenkt, ist kein Rassist, sondern Realist.

Daß viele Menschen in Deutschland nun befürchten, sich bald im eigenen Land nicht mehr zu Hause fühlen zu können, ist nicht  Ausfluß „völkischer“ Gesinnung, sondern nur allzu verständlich. Daß die Regierungen anderer europäischer Länder diesen Befürchtungen und Bedenken ihrer Bürger Rechnung tragen, ist eben nicht „völkisch“, sondern demokratisch. Daß deutsche Politiker und Journalisten insoweit von „Rechtspopulismus“ faseln, ist nicht Ausfluß intellektueller Überlegenheit, sondern schlicht hochnäsig. Franz Josef Strauß wurde seinerzeit für seine flapsige Äußerung „vox populi, vox Rindvieh“ zu Recht gescholten, denn wenn Demokratie Volksherrschaft bedeutet, dann bedeutet das zunächst einmal, dem Volk zuzuhören, um seinen wirklichen Willen zu erfahren, denn den und nichts anderes haben seine gewählten Politiker auszuführen. Wer indessen Populismus sagt, bekundet damit nur seine Arroganz. Die ist aber bekanntlich die Zwillingsschwester der Ignoranz, oder, mit einem schönen deutschen Sprichwort gesagt: „Dummheit und Stolz wachsen auf demselben Holz “

Gleichwohl wird mit rattenhafter Wut die Rassismuskeule gegen alles geschwungen, was rechts von Merkel wagt, überhaupt nur den Mund aufzumachen. Die intellektuelle Substanz dieses Geschreibsels ist keineswegs von besserer Qualität, als die der völkischen Trommler unseligen Angedenkens. Jene Beobachter der angeblich Völkischen füllen die Zeilen des modernen Völkischen Beobachters. Bezahlen wir sie also mit der Münze, die ihre Hervorbringungen angemessen vergütet: mit Missachtung.

Was will und was soll Merkel?

Das Chaos wird täglich größer. Niemand kann überhaupt noch genau sagen, wie viele Menschen derzeit in unser Land kommen, wo sie dort leben und wer von ihnen auf Dauer hier bleiben wird. Am wenigsten weiß dies offenbar die Bundeskanzlerin, am meisten davon wissen vielleicht Bürgermeister und Landräte. Die nur noch mit dem durchwinken und kanalisieren der Menschenströme beauftragte Polizei sollte man besser nicht fragen. Die Maulkörbe tragen nur ihre Hunde sichtbar. Ob die Bundeskanzlerin überhaupt irgendwelche Absichten verfolgt, und wenn ja, welche, ist schwer zu sagen. Sie muß sich daher nicht wundern, wenn allerlei Verschwörungstheorien ins Kraut schießen und die Rufe nach ihrem Rücktritt zahlreicher und lauter werden. Wir wissen also nicht genau, was sie will. Schauen wir doch einmal, was sie eigentlich soll.

Auch wenn es in der gegenwärtigen Situation, die vom fortdauernden Rechtsbruch der Regierenden gekennzeichnet ist, geradezu frivol erscheint, im Grundgesetz nachzusehen, was gewählte Politiker eigentlich tun sollen, wollen wir das dennoch tun. Denn was kann maßgeblich sein, wenn nicht die Verfassung? Art. 56, 64 GG legen fest, was Bundespräsident, Bundeskanzler und Bundesminister zu Beginn ihrer Amtszeit schwören:

„ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

Es ist also das deutsche Volk, dem die Bundeskanzlerin verpflichtet ist, was ihr Amtseid auch bekräftigt. Es bedarf eigentlich keiner Nachfrage oder Definition, was ein Volk und somit auch das deutsche Volk ist. Wer insoweit Zweifel hat, kann jedoch aus dem Grundsatzprogramm der Partei, deren Vorsitzende Frau Merkel ist, Klarheit gewinnen. Ziffer 32 des Grundsatzprogramms aus dem Jahre 2007 – das ist das aktuell gültige Programm der CDU – lautet:

„Der Zusammenhalt unserer Gesellschaft hat sein Fundament in unserer Zusammengehörigkeit als Nation. Unsere gemeinsame Sprache, unsere Geschichte sowie das Leben und Handeln in einem wieder vereinten Nationalstaat begründen ein patriotisches Zusammengehörigkeitsgefühl. Wir bekennen uns zu unserer schwarz-rot-goldenen Fahne und zu unserer Nationalhymne als Symbole unserer Demokratie. Die Nation ist eine Verantwortungsgemeinschaft für die Vergangenheit, für die Gegenwart und für die Gestaltung der Zukunft. Jeder, der zu uns kommt und auf Dauer bei uns bleiben will, ist aufgefordert, sich mit diesem Land und seiner Geschichte vertraut zu machen und dadurch seinen Platz in unserem Land zu finden.“

In Ziffer 33 fährt das Programm fort:

„Ohne die gemeinsame Wertschätzung unseres freiheitlichen Gemeinwesens, ohne Patriotismus, ohne die Bereitschaft, in Heimat und Nation Pflichten zu erfüllen, Verantwortung zu übernehmen und Solidarität zu üben, kann ein Staat nicht gedeihen.“

Ziffer 34 stellt klar, was diesen Staat trägt:

„Nur mit dem klaren Bekenntnis zu uns selbst als einer durch Geschichte und Kultur geprägten Gemeinschaft freier Bürger können wir Integration und Teilhabe überzeugend fordern. Denn Teil dieser Gesellschaft zu sein, heißt, an ihrer Geschichte, ihren Traditionen und Erfahrungen, ihren Formen und Normen des Zusammenlebens, also an ihrer Kultur teilzuhaben. Das gilt für jeden Deutschen und für Zugewanderte oder Zuwandernde und ihre Kinder.“

Was also anzustreben und umzusetzen ist, ist jedenfalls nach dem geltenden Programm der Partei, der die Bundeskanzlerin vorsitzt, völlig klar: es gilt, die so definierte deutsche Nation zusammen zu halten. Wer von außen hinzu kommt, muß sich ihre Geschichte, ihre Traditionen und Erfahrungen, ihre Formen und Normen des Zusammenlebens, kurz ihre Kultur, zu eigen machen. Gemessen an diesen Forderungen ist die Integration von Zuwanderern in den letzten Jahrzehnten zum großen Teil nicht gelungen. Warum sie hinsichtlich der nun unkontrolliert hereinströmenden Menschenmassen besser gelingen soll, erschließt sich nicht. Wenn es einfach hingenommen wird, daß selbst in der zweiten und dritten Generation von Zuwanderern ersichtlich keine Identifikation mit der deutschen Kultur und Tradition stattfindet, dann muß man sich schon fragen, warum unsere gewählten Politiker nichts dagegen unternehmen. So ist es zum Beispiel kein unwesentliches Detail, sondern eine plakative Demonstration des Andersseins, wenn Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft grundsätzlich die deutsche Nationalhymne nicht mitsingen und dafür als Entschuldigung anführen, der Respekt vor ihren türkischen Eltern verbiete das eben. Und es ist nachgerade der Beweis mangelnder Identifikation mit dem deutschen Volk, wenn türkischstämmige Jugendliche mit deutschem Paß nicht etwa nach dem Sieg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im Autokorso mit deutschen Fahnen durch die Innenstädte fahren, sondern nach dem Sieg der türkischen Fußballnationalmannschaft im Autokorso mit türkischen Fahnen jubelnd die Plätze der Innenstädte umrunden. Von den Parallelgesellschaften in deutschen Großstädten, den Stadtvierteln, in die sich die Polizei schon gar nicht mehr hineintraut und wo statt der deutschen Gesetze die Scharia verbindlich ist, von alledem will die Politik offenbar nicht einmal Kenntnis nehmen. Die Frage nach einer Identifikation mit der deutschen Geschichte, zum Beispiel den Abwehrkämpfen gegen die Hunnen im Mittelalter, mit der deutschen Kultur wie etwa den Werken Goethes oder Mozarts, den bahnbrechenden Leistungen deutscher Wissenschaftler oder auch der Schaffung des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates, diese Frage zu stellen, heißt sie zu verneinen. Einem großen Teil der Zuwanderer in dieses Land ist das alles völlig gleichgültig, sie interessiert ausschließlich ihr wirtschaftliches Wohlergehen, das ihnen dieser Staat zu garantieren hat. Soweit sie sich überhaupt in Teilen von der Kultur ihrer Herkunftsgesellschaft lösen, geschieht das allenfalls zugunsten eines diffusen „One World Feelings“, was man vielleicht zutreffend auch mit Coca-Cola Kultur umschreiben kann.

Wer jedoch in Deutschland mit Nachdruck einfordert, was zum Beispiel im Grundsatzprogramm der Partei steht, der die Bundeskanzlerin vorsteht, der muß sich anhören, er sei ein Hetzer, Ausländerfeind und Schlimmeres.

Auch wenn das aktuelle Flüchtlingschaos zur Zeit das beherrschende Thema der deutschen Politik ist, so wollen wir darüber nicht vergessen, was die große Mehrheit der deutschen Politiker, angeführt von der Bundeskanzlerin, uns sonst noch so beschert. Die nur noch in Billionen Euro zu messende Verschuldungspolitik, die Aufgabe des eigenen politischen Gestaltungswillens zu Gunsten einer Fremdbestimmung durch die Europäische Union und die Vereinten Nationen, die mit bloßer Naivität nicht mehr erklärbare Tatenlosigkeit gegenüber knallharter nationaler Interessenpolitik von Verbündeten wie Frankreich, all das stellt bei Lichte besehen die permanente Verletzung der Amtspflichten dar, wie sie im Amtseid der Bundeskanzlerin und ihrer Minister beschrieben werden.

Es wäre also zunächst einmal von Nöten, daß die Bundeskanzlerin das Ziel ihrer Flüchtlingspolitik definiert. Dieses Ziel muß die Integration der Zuwanderer in das deutsche Volk sein. Sie kann nur gelingen, wenn sie zum einen wirklich gewollt ist, und zum anderen jährlich nur eine sehr überschaubare Zahl von Menschen aus fremden Kulturen aufgenommen wird. Denn nur dann wird es möglich sein, diesen relativ wenigen Menschen kurzfristig eine gute Kenntnis der deutschen Sprache zu vermitteln, sie mit der deutschen Kultur vertraut zu machen und sie für den deutschen Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Frau Merkel indessen läßt es wissentlich geschehen, daß genau das Gegenteil geschieht. Wir werden in den nächsten Jahren Millionen von Menschen unter uns haben, die unsere Sprache nicht oder nur unzureichend sprechen, von unserer Kultur nichts wissen und nichts wissen wollen, und unsere Wirtschaftskraft nicht stärken, sondern durch Bezug von Transferleistungen schwächen.Solange Frau Merkel und ihre Herolde in den Medien jedoch sicher sein können, daß das Volk dies alles hinnimmt, weil es sich selbst gar nicht als Volk, sondern allenfalls als Bevölkerung versteht, wird sich nichts ändern, jedenfalls nichts zum Besseren.

Vor einigen Jahren erschien in Deutschland ein heiß umstrittenes Buch. Sein Titel war prophetisch: Deutschland schafft sich ab. Das ist sprachlich natürlich verkürzt, aber prägnant. Tatsächlich erleben wir eine Veränderung der Grundlagen dieses Staates. Wenn nationale und internationale Rechtsregeln permanent ignoriert oder gar gebrochen werden, wenn das Staatsvolk nicht davor geschützt wird, daß seine kulturellen und rechtlichen Grundlagen ausgehöhlt und die so entstandenen Leerräume mit anderen Inhalten gefüllt werden, dann wird es Zeit, erneut in unsere Verfassung zu schauen. Art. 20 Abs. 4 GG lautet:

„Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“

Andere Abhilfe ist durchaus möglich, aber auch geboten. Die Bürger müssen eben den Mut haben, ihre Regierenden unmißverständlich daran zu erinnern, für wen sie von Verfassungs wegen eigentlich da sind. Und sie müssen in der Minute, in der sie auch tatsächlich der Souverän sind, nämlich in der Wahlkabine, den Politikwechsel in Gang setzen. Das erfordert allerdings auch den Mut, Neulinge und Außenseiter an die Schalthebel der Macht zu setzen. Wer nicht wagt, der nicht winnt.

Die deutsche Krankheit

In seiner Rede zum 70ten Jahrestag der Zerstörung der Innenstadt von Dresden durch Bomberflotten der Briten und Amerikaner am 13.Februar 1945 erklärte Bundespräsident Joachim Gauck diese apokalyptische Schreckensnacht zur gerechten Strafe für das deutsche Volk, denn ein Land, das für eine Ungeheuerlichkeit wie den Völkermord gestanden habe, habe nicht damit rechnen können, ungestraft und unbeschädigt aus einem Krieg hervorzugehen, den es selbst vom Zaun gebrochen habe. Damit hat Gauck mit dem für ihn typischen pastoralen Ton der Grundbefindlichkeit der deutschen Intellektuellen seit den 60er Jahren Ausdruck verliehen, was ihr Selbstverständnis als Deutsche betrifft. Daß ein in der DDR sozialisierter und damit doch von der westdeutschen akademischen Welt und dem philosophisch-politischen Diskurs abgekoppelter Pfarrer aus Rostock sich 25 Jahre nach der Wiedervereinigung so perfekt in den intellektuellen Mainstream unseres Landes einreihen konnte, kann nur diejenigen überraschen, die die Wirkmächtigkeit akademischer Vordenker unterschätzen. Dies betrifft vor allem die Deutung der Geschichte, die man inhaltlich an der Behauptung eines deutschen „Sonderweges“ abweichend von der geistesgeschichtlichen Entwicklung Europas im übrigen, aber auch der USA, und personell, stellvertretend für die große Mehrheit der maßgeblichen Denker in Deutschland seit 1968, an Jürgen Habermas darstellen kann. Seine Schriften zum Geschichtsverständnis haben großen Widerhall gefunden und das Denken von Generationen deutscher Intellektueller geprägt.

Was also ist der Kern bundesdeutscher Geschichtsdeutung? Habermas knüpft zunächst an die Überlegungen von Karl Jaspers über die Schuld und Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus aus dem Jahre 1946 an. Darin hat sich der Philosoph sehr differenziert zu diesen Fragen geäußert und dabei insbesondere erklärt, ein Volk könne nie als ganzes moralische Schuld tragen, weil es keine allgemein verbindende Moral oder Unmoral eines ganzen Volkes gebe. Das reicht Habermas nicht aus. Er sucht eine Erklärung dafür, daß so Ungeheuerliches geschehen konnte und findet sie darin, daß die Deutschen eine Art Erbsünde in sich tragen, die so etwas wie einen Völkermord möglich gemacht hat. Der habe am Ende eines Sonderweges gestanden, den dieses Volk in der Mitte Europas gegangen sei. Es habe einen Traum von einer Hegemonie der Mittelmächte geträumt und sei einer Ideologie der Mitte gefolgt, die von der Romantik bis zu Heidegger im „antizivilisatorischen, antiwestlichen Unterstrom der deutschen Überlieferung“ (Theodor W. Adorno) tief verwurzelt gewesen sei. Das an die geographische Mittellage fixierte Selbstbewußtsein sei während der Nazi-Zeit noch einmal sozialdarwinistisch zugespitzt worden. Und diese Mentalität gehöre zu den Faktoren, die erklärten, wie es dazu kommen konnte, daß eine ganze zivilisierte Bevölkerung vor Massenverbrechen die Augen verschlossen habe. Wir Deutschen hätten uns damals von der westlichen, ja von jeder Zivilisation losgesagt. Dafür, und deswegen nenne ich das die Zuschreibung einer Erbsünde, müsse das „Unterlassungshandeln“ (sic!) der Eltern und Großeltern den Nachgeborenen zur Last gelegt werden. Denn, so wörtlich: „Nach wie vor gibt es die einfache Tatsache, daß auch die Nachgeborenen in einer Lebensform aufgewachsen sind, in der das möglich war. Mit jenem Lebenszusammenhang, in dem Auschwitz möglich war, ist unser eigenes Leben nicht durch kontingente (zufällige, der Verf.) Umstände, sondern innerlich verknüpft. Unsere Lebensform ist mit der Lebensform unserer Eltern und Großeltern verbunden durch ein schwer entwirrbares Geflecht von familialen, örtlichen, politischen, auch intellektuellen Überlieferungen – durch ein geschichtliches Milieu also, das uns erst zu dem gemacht hat, was und wer wir heute sind. Niemand von uns kann sich aus diesem Milieu herausstehlen, weil mit ihm unsere Identität, sowohl als Individuen wie als Deutsche, unauflöslich verwoben ist.“ Was uns allein von dieser Erbsünde zu erlösen vermag, ist die Einnahme einer geschichtlichen Distanz und Gewinnung eines reflexiv gebrochenen Verhältnisses zu den identitätsbildenden Überlieferungen und geistigen Formationen. Dieser Prozeß hat seines Erachtens nach 1945 eingesetzt. Das soll seiner Zielsetzung nach zu einer vollständigen geistigen Abkoppelung von unserer Geschichte führen, wörtlich: „Wenn unter den Jüngeren die nationalen Symbole ihre Prägkraft verloren haben, wenn die naiven Identifikationen mit der eigenen Herkunft einem eher tentativen ( tastenden, versuchenden, der Verf.) Umgang mit der Geschichte gewichen sind, wenn Diskontinuitäten stärker empfunden, Kontinuitäten nicht um jeden Preis gefeiert werden, wenn nationaler Stolz und kollektives Selbstwertgefühl durch den Filter universalistischer Wertorientierungen hindurchgetrieben werden – in dem Maße, wie das wirklich zutrifft, mehren sich die Anzeichen für die Ausbildung einer postkonventionellen Identität.“

Die Unterstellung eines mentalitätsbedingten Sonderweges der Deutschen durch die Geschichte setzt allerdings voraus, daß all die negativen Eigenschaften und Entwicklungen, die diesen Sonderweg kennzeichnen, tatsächlich einzigartig sind und nur bei uns Deutschen gefunden werden können. Ein Blick in die Vergangenheit lehrt uns jedoch, daß davon keine Rede sein kann. Demokratiefeindliche Episoden kennt die Geschichte der meisten europäischen Länder, auch der westeuropäischen. So finden wir in England die diktatorische Herrschaft Oliver Cromwells im 17. Jahrhundert, in Spanien und Portugal die diktatorischen Regime von Franco und Salazar, denen jeweils eine beträchtliche Dauer beschieden war, in Italien den Faschismus Mussolinis, und auch die als Geburt der modernen Demokratie betrachtete französische Revolution mündete zunächst in die despotische Herrschaft der Jakobiner und dann in die zeitgemäß in eine monarchische Form überführte Alleinherrschaft Napoleons. Die vorherrschende Regierungsform der osteuropäischen Staaten im 19. und 20. Jahrhundert auch vor der alles erstickenden Gewaltherrschaft Lenins und seiner Nachfolger war ebenfalls die Alleinherrschaft, mal in monarchischer, mal in autokratisch bis diktatorischer Form. Wenn Habermas den Deutschen einen antizivilisatorischen, antiwestlichen Charakterzug zuschreibt, der sich in der deutschen Romantik wie auch der Philosophie Heideggers exemplarisch zeige, dann muß darauf hingewiesen werden, daß selbstverständlich auch anderswo der besondere Rang der eigenen Nation und die Kraft ihrer Überlieferung sinnstiftend herausgestrichen wurden. Die Bestrebungen der Deutschen, sich nach Jahrhunderten der Zersplitterung in verschiedene Staaten, teilweise auch als nationale Minderheiten in anderen Staaten, endlich in einem Nationalstaat wiederzufinden, liefen parallel mit den gleichartigen Bewegungen in Italien, Polen und anderen Regionen. Allerdings waren Großmachtphantasien wie etwa im Falle Polens, dessen Ultranationalisten von einem Reich zwischen dem Schwarzen Meer und Berlin träumten, oder im Falle Italiens, dessen Faschisten mit breiter Unterstützung die Wiederherstellung des Römischen Imperiums auf ihre Fahnen geschrieben hatten, in Deutschland nicht festzustellen.

Weil Auschwitz gewissermaßen der Fixpunkt der Theorien Habermas‘ und seiner Adepten ist, soll auf den sozialdarwinistischen Antisemitismus der Polen im 19. und 20. Jahrhundert hingewiesen werden, der noch in der 30er Jahren die Juden in Scharen zur Flucht aus Polen nach Deutschland veranlaßt hatte, wie überhaupt der Rassismus gerade keine deutsche Erfindung war, sondern sich beispielhaft im Umgang der Briten, aber auch der Belgier und Niederländer mit den Völkern in ihren Kolonien gezeigt hat. Über den Rassismus der Amerikaner muß nicht eigens gesprochen werden, seine Virulenz bis zum heutigen Tage ist offenkundig.

Von einem deutschen „Sonderweg“ durch die Geschichte kann keine Rede sein. Somit sind auch alle Überlegungen hinfällig, die nach der Ursache dafür in der Mentalität der Deutschen suchen. Es muß deswegen auch keine Erbsünde getilgt werden, vor allem nicht dadurch, daß die Nachfahren jener angeblich so furchtbaren Deutschen der Zeit zwischen 1815 und 1945 „nationalen Stolz und kollektives Selbstwertgefühl durch den Filter universalistischer Wertorientierungen hindurchtreiben“, wie Habermas das von ihnen fordert.

Man sollte angesichts der offensichtlichen Unhaltbarkeit der Geschichtsrezeption, wie sie Habermas und sein Umfeld propagieren annehmen, daß diesen Theorien kein langes Leben beschieden gewesen sei und wir es hier nur noch mit einem Kapitel der deutschen Geistesgeschichte zu tun haben. Bekanntlich ist dem nicht so. Der Erfolg dieser Denkschule zeigte sich erstmals in der 68er Bewegung augenfällig. Die Theorien von Theodor W. Adorno, Jürgen Habermas, Herbert Marcuse, aber auch Historikern wie Fritz Fischer und Hans-Ulrich Wehler wurden von großen Teilen der Studenten jener Jahre begeistert aufgenommen und lieferten die Grundlagen der sogenannten Studentenbewegung, die sich zunächst im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und dann in seinen diversen Abspaltungen durchweg linksradikaler Natur bis hin zu den heute aus der politischen Landschaft der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr hinwegzudenkenden GRÜNEN zeigte. Welch abstruse Gedanken dort populär wurden, zeigt beispielhaft der Ausspruch des SDS-Funktionärs Frank Wolff, der die Aufgabe seines Musikstudiums damit begründete, nach Auschwitz könne man eigentlich nicht mehr Cello spielen. Den entscheidenden Sieg, jedenfalls für die nächsten Jahrzehnte, erfochten Habermas und seine publizistischen Unterstützer im sogenannten Historikerstreit 1986. Ausgangspunkt war die Veröffentlichung des Manuskripts einer Rede, die der Historiker Ernst Nolte eigentlich während einer Veranstaltung in Frankfurt hätte halten sollen, in der FAZ vom 06.06.1986 unter der Überschrift „Vergangenheit, die nicht vergehen will“ . Darin stellte er eine Verbindung zwischen dem als „Archipel GULag“ bekannt gewordenen sowjetischen Lagersystem zur Disziplinierung oder Vernichtung politischer Gegner und dem Nationalsozialismus her, wobei er aus der zeitlichen Priorität des ersteren eine Kausalität für letzteren folgerte. Schärfer konnte der Widerspruch zur Habermas’schen Erbsündentheorie wohl kaum ausfallen, weswegen es zu heftigen Kontroversen zwischen den Vertretern einer an der sogenannten kritischen Theorie ausgerichteten Geschichtsdeutung, allen voran Habermas selbst auf der einen Seite, und den eher konservativen Historikern wie Stürmer, Hillgruber, Nolte und anderen kam. Bemerkenswert daran ist, daß damals noch die konservativen Historiker, die sich um eine Interpretation der deutschen Geschichte im Sinne einer respektablen Entwicklung, die eben lediglich in den Verbrechen der Nazis eine Unterbrechung ins Negative gefunden habe, in den renommierten Zeitungen wie FAZ und ZEIT publizieren konnten. Am Ende behielten Habermas und seine Mannen bekanntlich die Oberhand, seine Kontrahenten verloren deutlich an Einfluß auf die öffentliche Debatte, Nolte wurde gar zur Unperson.

Die Entwicklung nahm nun den Verlauf, den sie unter den Gesetzmäßigkeiten des akademischen und journalistischen Betriebes einfach nehmen mußte. In den Studiengängen Politologie, Soziologie, Philosophie und Geschichte dominierten seit der Studentenrevolte von 1968 die Linken vor allem zahlenmäßig. Der wissenschaftliche Nachwuchs übernimmt regelmäßig die Lehren seiner Professoren. Etwa 20 Jahre nach dem Abschluß des Studiums hat man entweder selbst einen Lehrstuhl erklommen, oder man ist Redakteur, Oberstudienrat, Verlagslektor, vielleicht auch Berufspolitiker auf der Ebene Abgeordneter, Staatssekretär, Minister gar. Der „Marsch durch die Institutionen“ ist erfolgreich absolviert. Habermas und seine Kampfgefährten konnten mit Wohlgefallen auf die erfolgreiche Durchdringung des deutschen Geisteslebens durch ihre Jünger blicken. Die Probe aufs Exempel konnte man dann bei der nächsten öffentlich ausgetragenen Kontroverse um die Deutung der deutschen Geschichte machen. Martin Walser hielt anläßlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an ihn am 11.Oktober 1998 in der Frankfurter Paulskirche eine Rede, in der er die Überfrachtung der Rezeption unserer Geschichte mit dem Holocaust ansprach. Das war natürlich eine Todsünde wider den bundesrepublikanischen Tugendkatalog, dessen Bedeutung für uns noch vor dem Dekalog zu liegen hat. Die daraufhin entbrannte moralisch aufgeladene öffentliche Diskussion ist als Walser-Bubis-Debatte in die Geistesgeschichte der Bundesrepublik Deutschland eingegangen und dürfte den Dichter Walser auch vor weiteren höheren Ehrungen bewahrt haben. Die Editorials und Feuilletons prangerten erwartungsgemäß nahezu einhellig den Walser’schen Mißgriff an, wobei natürlich ein wenig brauner Schmutz am weißen Hemd des Gescholtenen gesehen wurde. Wer damit noch nicht genügend gewarnt war, der konnte wenige Jahre später nicht mehr im Zweifel darüber sein, daß jede auch nur behauptete Abweichung vom Pfade der geschichtspolitischen Tugend zum bürgerlichen Tod führen mußte. Der Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann (CDU) hielt am 03.Oktober2003 zum Tag der deutschen Einheit in der hessischen Provinz eine Rede, in der er neben anderen Mißständen auch die seines Erachtens bestehende Schieflage bei der Wahrnehmung der deutschen Geschichte in den Medien beklagte, was das Verhältnis der 12 Jahre Nationalsozialismus zur übrigen deutschen Geschichte angehe. Aus heutiger Sicht mutet es dabei als Treppenwitz der Geschichte an, daß Hohmann Joachim Gauck mit der Aussage zwei Tage zuvor zum gleichen Thema zitieren konnte, daß die in Deutschland dominierende politische Klasse und Wissenschaft „fast neurotisch auf der deutschen Schuld beharre“. Diese politische Klasse konnte soviel eigenständiges Denken nicht vertragen und belegte Hohmann deswegen mit der Höchststrafe. Er habe eine antisemitische Rede gehalten. Das geht in Deutschland absolut nicht. Antisemitische Passagen sucht man in dieser Rede vergebens, dennoch wurde Hohmann auf Geheiß seiner Parteivorsitzenden aus der CDU ausgeschlossen und vom Scherbengericht der politisch korrekt denkenden Medienfürsten, Lehrstuhlbesitzer und politischen Lehensmänner (und -frauen selbstverständlich) zum Paria erklärt. Wer noch Charakter hatte und ihm deswegen Mut machte, erlitt das gleiche Schicksal. Durch einen krassen Verstoß eines dieser medialen Sprechautomaten gegen die Regeln des journalistischen Anstandes wurde bekannt, daß der damalige Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr Martin Hohmann brieflich zu seiner Rede beglückwünscht hatte. Das führte dazu, daß ihn der Verteidigungsminister cum infamia schasste, und zwar subito. Auch wenn man über Verstorbene nichts böses sagen soll, so kann ich nicht umhin, in diesem Falle dem damaligen Minister Struck zu attestieren, daß er mit Begründung und Durchführung dieser Generalsentlassung mit Schimpf und Schande den bisherigen Tiefpunkt des Wirkens eines Oberbefehlshabers unserer Bundeswehr markiert hat.

Seine Bewunderer nennen Habermas gerne den „praeceptor germaniae“ (Lehrer Deutschlands). Er selbst sieht sich offenbar als eine Art Hoher Priester des „herrschaftsfreien Diskurses“. Tatsächlich ist der Diskurs in Deutschland alles andere als herrschaftsfrei, jedenfalls was die sogenannte Geschichtspolitik angeht, und hier insbesondere die Rezeption und Deutung der deutschen Geschichte seit den Befreiungskriegen, insbesondere der Geschichte des Nationalsozialismus. Hier herrscht eine erzwungene Gleichförmigkeit, die vor allem damit durchgesetzt wird, daß jede noch so geringfügige Abweichung von der herrschenden Meinung nicht nur als falsch, eventuell auch als wissenschaftlich nicht haltbar, sondern als moralische Verfehlung der schlimmsten Sorte gebrandmarkt wird und der Betreffende als Wiedergänger des Nationalsozialismus auf dem medialen Scheiterhaufen verbrannt wird. Das erklärt natürlich auch, warum die Medien so einseitig sind und läßt sogar ein gewisses menschliches Verständnis dafür entstehen, daß Journalisten, Nachwuchspolitiker und junge Geisteswissenschaftler selbst dann, wenn sie es besser wissen, ihre Meinung mit der „Schere im Kopf“ karriereverträglich zurechtschneiden. Man hat ja schließlich Kinder zu ernähren und muß die Raten für sein Haus abbezahlen.

Kann sich etwas ändern? Es kann und wird sich etwas ändern, nicht nur weil es sich ändern muß. Zum einen sei an die Erkenntnis Schopenhauers erinnert, daß die Wahrheit warten kann, weil sie ein langes Leben hat. Zum anderen kann man auf den natürlichen Oppositionsgeist der Jugend setzen. Irgendwann empfindet eine Generation die Lehren ihrer Väter als Unfug. Sie weiß es eben besser. Und weil auch im Bereich der Geschichte eine Dichotomie von Lüge und Wahrheit vorzufinden ist, und es ein Drittes nicht gibt, wird die Lüge dann durch die Wahrheit ersetzt. Die ist dann neu und generiert für Generationen Auskommen und Lehrstühle. Die Zeit dafür ist reif, woran das Internet mit seinen unbegrenzten Möglichkeiten der freien Meinungsäußerung einen nicht unerheblichen Anteil hat. Das Monopol der Medien ist gebrochen. Wir sind nicht mehr zum Schweigen verdammt.