Archiv der Kategorie: was noch zu sagen wäre…

An die Gewehre!

Die Ereignisse vom 13. November 2015 in Paris machen deutlich, um was es geht. Es ist eben nicht einfach so, daß Terroristen auf ihre Anliegen aufmerksam machen wollen, wie das in der Vergangenheit so oft gesagt worden ist. Nein. Diese Glaubenskrieger wollen uns unterwerfen. Es geht ihnen nicht etwa lediglich um die Eroberung der arabischen Halbinsel oder die Auslöschung des Staates Israel. Es geht Ihnen glasklar um den Sieg des Islam. Dem Islam, jedenfalls so wie sie ihn verstehen, ist unsere westliche Lebensweise zuwider. Ihre Äußerungen im Bekennerbrief zu den Anschlägen in Paris belegen das. Sie wollen nichts anderes, als uns zu unterwerfen. Wir sollen entweder ihren Glauben annehmen, oder wenigstens uns als ungläubige Bürger zweiter Klasse ihnen dienstbar machen. Wer das nicht in aller Klarheit sieht, der wird in einer Haltung verharren, die von Ängstlichkeit und Verständnislosigkeit geprägt ist. Wer indessen begriffen hat, daß es hier um einen Weltanschauungskrieg geht, der weiß auch, daß es um Sein oder Nichtsein geht. Rüsten wir uns also geistig für diesen Krieg. Seien wir entschlossen, den Kampf aufzunehmen und den Feind zu besiegen. In der Begrifflichkeit der militärischen Taktik bedeutet das, den Feind nicht nur zu werfen (laienhaft: zurückzudrängen), nicht nur zu zerschlagen (laienhaft: seine Macht zu brechen und seine Truppen entscheidend zu schwächen), sondern zu vernichten (laienhaft: seine Truppen so nachhaltig aufzureiben, daß von ihnen nichts mehr übrig bleibt, und somit keine Gefahr mehr von ihnen ausgeht). Nur wenn wir alle innerlich diese Entschlossenheit in uns tragen, wird es auch unseren Sicherheitskräften, und zwar ausdrücklich einschließlich der Soldaten gelingen, diese tödliche Gefahr zu beseitigen. In diesem Sinne: An die Gewehre!

Das Recht, zu wandern…

Wer die Debatte um die, neutral gesagt, Wanderungsbewegung nach Deutschland verfolgt, der muß den Eindruck gewinnen, alle Menschen hätten letztendlich das Recht, ihr Land zu verlassen und in einem anderen Land Wohnung zu nehmen. Wie so häufig, ist auch dieser Gedanke zur Hälfte richtig, zur anderen Hälfte aber falsch. Zweifellos gehört es zu den universalen Menschenrechten, sein Heimatland verlassen zu dürfen. Art. 13 Abs. 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 lautet unmißverständlich: „Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.“ Das ist an und für sich banal. Allgemein werden Regime verachtet, die ihre Bürger hinter Stacheldraht halten, wie die DDR unseligen Angedenkens, aber auch das nicht zuletzt deswegen anachronistisch empfundene Nordkorea.

Ein Menschenrecht auf freie Wahl des Aufenthaltsorts überall auf der Erde kennt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte hingegen nicht. Vielmehr ist das Menschenrecht auf Freizügigkeit auf das angestammte Staatsgebiet beschränkt, wie Art. 13 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 statuiert: „Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen.“ Somit ist auch aus der Sicht der Menschenrechte nichts dagegen zu erinnern, daß Staaten grundsätzlich frei darüber entscheiden können, wer in ihren Grenzen Wohnung nehmen oder sogar ihr Bürgerrecht beanspruchen kann. Zum Kernbestand der Staatlichkeit überhaupt gehört es damit auch, an seinen Grenzen Menschen abzuweisen, die man aus welchen Gründen auch immer, nicht hereinlassen will. Ob diese Gründe edel oder schäbig, aus Klugheit geboren oder von Dummheit getragen sind, ist gleichgültig. Alle Gemeinschaften von Menschen, seien sie willkürliche Zusammenschlüsse wie etwa Vereine oder Gesellschaften, oder durch Geburten wachsende Personenmehrheiten, die man auch Völker nennt, haben das Recht frei darüber zu entscheiden, wer zu ihnen gehören darf, wobei dies im Falle der durch Geburt vermittelten Zugehörigkeit eines ausdrücklichen Willensaktes nicht bedarf, was die Staatsangehörigkeitsgesetze der einzelnen Länder zeigen. An einer solchen Exklusivität hat man auch bis in die jüngste Zeit nirgends Anstoß genommen, nicht einmal an einer so speziellen Exklusivität wie der durch Geburt vermittelten Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft.

In Deutschland scheint sich jedoch so etwas wie ein Kontrahierungszwang gegenüber Zuwanderern zu etablieren. Denn selbst Menschen mit ganz offensichtlich wirtschaftlichen Motiven soll ein Anspruch zustehen, in einem Land ihrer Wahl Wohnung zu nehmen. Ob die Verhältnisse, aufgrund derer man das eigene Land verlassen hat, Lebensgefahr oder nur Armut begründen, tritt hinter den Wunsch zurück, nicht in irgend einem Land der Erde leben zu wollen, sondern ausgerechnet in Deutschland. Rechtlich begründbar ist das nicht, insbesondere auch nicht aufgrund der allgemeinen Menschenrechte. Zwar lautet Art. 14 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: „Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.“ Es heißt dort also nicht, daß jeder das Recht hat, in einem Lande seiner Wahl Asyl zu suchen und zu genießen. Deswegen haben alle Staaten das Recht, die Bedingungen dieses Asylrechts selbst festzulegen, was Beschränkungen begrifflich beinhaltet. Erst recht gibt es danach keinen Anspruch darauf, in anderen Ländern aufgenommen zu werden, weil im Heimatland Krieg, Seuchen oder Armut herrschen. Auch die Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen verpflichtet ihre Mitglieder zwar zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen, jedoch keineswegs uneingeschränkt. Insbesondere dann nicht, wenn diese Flüchtlinge durch eine Vielzahl von friedlichen Ländern gereist sind, um sich dann das Land auszusuchen, das ihnen die besten wirtschaftlichen Lebensbedingungen zu bieten scheint. Kurz und gut, jeder Mensch, insbesondere jeder Flüchtling, hat das Recht sein Land zu verlassen. Kein Mensch indessen hat das Recht, in jedes Land seiner Wahl einzureisen oder gar dort Wohnung nehmen zu dürfen. Die Vereinten Nationen haben nicht die Nationen abgeschafft. Sie sind vielmehr die Organisation, in welcher die Nationen Dinge regeln, die im Interesse aller Nationen sind, wie etwa Krieg und Frieden. Hätten sie das Selbstbestimmungsrecht der Völker abgeschafft, wären sie nicht mehr die Vereinten Nationen, sondern die eine Nation. Die gibt es nur in den Halluzinationen von One-World Träumern.

Mein Krampf

70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird naturgemäß sehr viel über diesen Krieg und seine Ursachen geschrieben. Erstaunlich wenig liest man in diesen Tagen über den Mann, der für den Ausbruch dieses Krieges nach verbreiteter Ansicht allein Verantwortung trägt, auf jeden Fall jedoch zu einem erheblichen Teil. Wer sich mit einem ausdrücklich als programmatisch bezeichneten Buch an die Öffentlichkeit wendet und sich mit gleichlautenden Reden und Programmen zur Wahl stellt, der muß sich daran auch messen lassen. Somit muß als authentische Formulierung der nationalsozialistischen Ideologie Hitlers „Mein Kampf“ angesehen werden.

Angesichts des politischen Erfolges seines Autors verblüfft den Leser das intellektuelle Niveau dieses Buches. Abgesehen davon, daß es nicht entfernt die Anforderungen erfüllt, die an ein Sachbuch, geschweige denn an ein Werk auf wissenschaftlichem Niveau gestellt werden müssen, überrascht auch die Vielzahl von offensichtlichen Unrichtigkeiten, die selbst dem akademisch nicht gebildeten Leser ins Auge springen. Stilistisch handelt es sich im Grunde genommen um eine Aneinanderreihung von Redemanuskripten, besser: Redemitschriften. Belegstellen für Tatsachenbehauptungen oder einen wissenschaftlichen Meinungsstand findet man an keiner Stelle. Demgemäß fehlt auch ein Literaturverzeichnis. Auf welche Forschungsergebnisse, Statistiken und Literaturmeinungen sich der Verfasser stützt, erfährt der Leser mit keiner Silbe. Die Vielzahl von offensichtlich sachlich unzutreffenden Behauptungen, an die jedoch ganz grundsätzliche Schlussfolgerungen geknüpft werden, ist mehr als erstaunlich.

Ich will das am Beispiel des aus der Sicht des Verfassers wohl zentralen Kapitels, übertitelt: „Volk und Rasse“, kurz belegen. In diesem Kapitel will der Verfasser seinen Lesern seine Überzeugung vermitteln, daß die Arier die edle und lebenswerte Rasse sind, die Juden hingegen minderwertig und alleine von dem Gedanken besessen sind, sich die übrigen Rassen zu unterjochen. Die angebliche Minderwertigkeit der jüdischen Rasse will Hitler unter anderem daran festmachen, daß das jüdische Volk niemals über ein eigenes Staatswesen auf einem Staatsgebiet verfügt habe. Nun müßte er eigentlich beim Niederschreiben dieser Behauptung darüber gestolpert sein, daß im Alten Testament eben die Geschichte des jüdischen Staates erzählt wird, dessen Ende bekanntlich auf die Vertreibung der Juden durch die Römer im Jahre 70 nach Christus zu datieren ist. Und deswegen müßte es ihm klar gewesen sein, daß alle seine Leser, auch die mit keinem größeren Bildungshorizont als ihrem Volksschulabschluß, genau das ebenso gut wußten wie er selbst. Die Minderwertigkeit der jüdischen Rasse macht er im gleichen Kapitel daran fest, daß Juden etwa im Bereich der Kunst allenfalls als Schauspieler hervorgetreten seien, keinesfalls jedoch als Komponisten oder Dichter. Auch das verblüfft vor dem Hintergrund, daß es damals praktisch jedem Deutschen geläufig war, welche großen und bekannten Komponisten und Dichter jüdischer Herkunft waren. Aus dem Bereich Musik wären etwa Felix Mendelssohn-Bartholdy, Jacques Offenbach, Gustav Mahler und Max Bruch zu nennen, aus dem Bereich der Literatur Heinrich Heine, Franz Kafka und Stefan Zweig. Hitler behauptet weiter, das Judentum kenne keinen Glauben an ein Leben nach dem Tode wie etwa das Christentum. Auch dies ist mit Blick auf das Alte Testament, das damals noch mehr als heute zum Allgemeinwissen gehörte, schlicht abwegig.

Um so mehr erstaunt, daß ein Mann mit derartigen Ansichten in freien Wahlen immerhin ca. ein Drittel der Wähler hinter sich bringen konnte. Es erstaunt auch, daß seine wichtigsten Paladine allesamt über einen akademischen Hintergrund verfügten. Zwar hatten nur Goebbels (promovierter Germanist) und Himmler (abgeschlossenes Studium der Landwirtschaft) einen regulären Hochschulabschluß. Doch auch Göring und Heß hatten jeweils mehrere Semester eines Hochschulstudiums absolviert, allerdings jeweils das Studium abgebrochen. Auch wenn man die Liste der 16 Parteigenossen, die beim Marsch auf die Feldherrenhalle am 09.11.1923 von der bayerischen Polizei erschossen worden sind näher betrachtet, so findet man darin auf jeden Fall vier Akademiker, darunter einen Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht sowie eine Reihe von Berufsbezeichnungen wie Kaufmann und Bankbeamter, hinter denen sich der ein oder andere akademische Abschluss verbergen mag.

Daß ein Mensch mit derartig wirren, buchstäblich bodenlosen Auslassungen (von Theorien möchte man wirklich nicht sprechen) Menschen mit Hochschulbildung und Lebenserfahrung derartig beeindrucken konnte, daß sie unter seiner Führung zu jedem Verbrechen bereit waren, gehört zu den bis jetzt ungelösten Rätseln der Menschheit. Dieses Urteil ist ausdrücklich nicht auf die Kenntnis vom Verlauf der Geschichte nach 1933 gegründet, und es gründet auch nicht auf dem Wissensstand unserer Zeit. Nein, auch bei Anlegung der Maßstäbe jener Zeit ist es schlicht nicht nachvollziehbar, wie man mit derartigem Unsinn reüssieren konnte. Denn an und für sich muß damals wie heute gelten, daß der Verfasser von solch wirrem Zeug dringend zum Arzt muß, und zwar zum Facharzt für Psychiatrie.

Euromania

Wer einer Wahnvorstellung anhängt, umgangssprachlich von einer fixen Idee besessen ist, dem entgleitet immer mehr die Wirklichkeit, bis er endgültig in seiner Traumwelt angekommen ist, der er auch nicht mehr entrinnen kann. Diesen Eindruck erwecken die führenden Politiker der Eurozone, allen voran unsere Bundeskanzlerin. Anders kann man es nicht erklären, daß gegen allen Sachverstand die sogenannten Rettungsprogramme für Griechenland fortgeführt werden. Es dürfte inzwischen in Deutschland, aber auch in den anderen Zahlmeisterländern der Eurozone bekannt sein, daß es sich bei Griechenland nicht um einen Staat im herkömmlichen Sinne handelt, sondern um ein Gebilde, das lediglich die äußere Form eines Staates aufweist. Seine Einwohner – von Bürgern will ich nicht sprechen, denn zum Bürger gehört der Bürgersinn – haben zu diesem Staatswesen ganz offensichtlich ein feindseliges Verhältnis. Dies ist sicherlich aus der Geschichte des griechischen Volkes gut erklärbar. Man hat immerhin gut 400 Jahre Joch und Knute der Osmanen ertragen und eine Überlebensstrategie entwickelt, deren Grundlage es war, die feindlichen Besatzer zu hintergehen, wo es nur ging. Gerade dabei wurde eine Klientelwirtschaft entwickelt, die im Sinne des klassischen do ut des die Gunst der Herrschenden mit der Gefolgschaft der Beherrschten erkaufte. Nur so ist es verständlich, daß auch heute noch politische Ämter im Wege der Bestechung der Wähler mittels Posten- und Arbeitsplatzvergabe erlangt werden, und die Macht mit dem Reichtum zusammengehört, weshalb dieses nur dem Namen nach als Staat firmierende Gebilde seit Jahrhunderten die Beute der griechischen Oligarchie ist, die politische Ämter und Reichtümer des Landes unter sich aufteilt, selbstverständlich selbst keine Steuern bezahlt und ihr Geld auf Schweizer Banken wohlverwahrt weiß.

Unter diesen Umständen nimmt es doch nicht wunder, wenn etwa die Bewohner griechischer Inseln sich weigern, ihre Steuereinnahmen an die Athener Regierung abzuführen, oder wenn selbst die Angehörigen der politischen Klasse für ihre längst erwachsenen Kinder noch Kindergeld kassieren, wie das jüngst im Falle der griechischen Parlamentspräsidentin (!) bekannt geworden ist. Demgemäß darf es auch keine Liegenschaftskataster und Grundbuchämter geben, ebensowenig wie eine Steuerfahndung. Denn dann könnte ja irgendwann eine Regierung auf den Gedanken kommen, auch die Reichen des Landes zu besteuern. Doch selbst bei Vorliegen der technischen Voraussetzungen dürfte das kaum eintreten, denn dazu müßte sich ja erst einmal die kollektive Mentalität des Volkes fundamental ändern.

Es liegt also auf der Hand, daß keine von der derzeitigen oder auch einer künftigen griechischen Regierung versprochene Reform umgesetzt werden kann. Denn dazu fehlen sowohl die technischen Voraussetzungen als auch der politische Wille des Volkes.

Wir müssen davon ausgehen, daß unsere Politiker all dies wissen. Denn diese Dinge sind allgemein bekannt. Selbst wenn die Politiker nicht selbst Sachbücher und Zeitungen lesen sowie die Wissensmagazine der Rundfunkanstalten in Anspruch nehmen, so werden sie doch von ihren umfangreichen Beraterstäben informiert. Daran schließt sich die Frage an, warum sie wider besseres Wissen weiter zig Milliarden Euro in ein Faß ohne Boden kippen. Die Antwort liegt auf der Hand. Wir hören seit Monaten das Mantra von der europäischen Idee, die nicht sterben darf. Was diese europäische Idee genau sein soll, sagen unsere Politiker allerdings nicht. Vielmehr hören wir immer nur nebulöse Formulierungen wie etwa „mehr Europa“. Gelegentlich hören wir auch von der Notwendigkeit einer gemeinsamen oder gar europäischen, also Brüsseler Finanzordnung. Ebenso notwendig scheint wohl eine in diesem Sinne gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu sein. Das bedeutet nichts anderes, als die Aufgabe des herkömmlichen Nationalstaats zugunsten eines europäischen Zentralstaates. Denn zum Kernbestand eines Staates ebenso wie zur Demokratie gehört die Verfügung seiner Bürger und Parlamente über Finanzmittel und die Streitkräfte sowie die existenzielle Frage von Krieg und Frieden. Wenn dies in die Hände einer europäischen Institution gelegt wird, dann sind deren Mitgliedsstaaten nur noch leere Hülsen ohne Souveränität. Hinzu kommt, daß jedenfalls nach der derzeitigen Konstruktion sowohl der Europäischen Union als auch der Eurozone hinsichtlich dieser Gebilde von einer Demokratie nicht entfernt die Rede sein kann. Wesensmerkmal des modernen demokratischen Staates ist es doch, daß jeder wahlberechtigte Bürger in gleichem Maße an der Willensbildung teilnehmen kann. Die Eurozone kennt überhaupt keine parlamentarische Willensbildung. Das Europaparlament ist nach einem Schlüssel zusammengesetzt, der den Wählern etwa aus Malta und Luxemburg ein Vielfaches des Stimmengewichts zumißt, das einem Wähler aus Deutschland zukommt. Hinzu kommt die mit Händen zu greifende Tatsache, daß es  ein europäisches Staatsvolk nicht gibt. Nach allgemeiner Anschauung ist ein Volk eine Abstammungs-, Kultur-und Erlebnisgemeinschaft. Zur Kultur gehört eine gemeinsame Sprache. Demgemäß sind die meisten Nationalstaaten auch solche, deren weit überwiegende Mehrheit von Bürgern einem Volk in diesem Sinne angehört. Vielvölkerstaaten sind in der europäischen Vergangenheit zum einen selten gewesen, und zum anderen immer gescheitert. Eine europäische Sprache gibt es nicht. Die Kulturen der europäischen Völker mögen sich mehr oder weniger ähneln, wobei etwa zwischen Finnland und Griechenland doch erhebliche Unterschiede vorliegen, ebenso wie etwa zwischen Rumänien und den Niederlanden.

Die Verbissenheit, mit der die politische Klasse der europäischen Länder die Traumvorstellung eines europäischen Zentralstaates verwirklichen will, erstaunt unter diesen Umständen. Das legt die Vermutung nahe, daß es hier nicht um Rationalität, sondern um eine Glaubensvorstellung geht. Gegenüber religiösen Überzeugungen versagen alle rationalen Argumente. Und so muß dann eben dieses europäische Projekt weiterverfolgt werden, koste es was es wolle. Wenn eben im Falle Griechenlands eine Angleichung an wirtschaftlich stabile Verhältnisse wie in Mitteleuropa aufgrund der dortigen Kultur einfach unmöglich ist, dann verschließt man davor eben die Augen und stellt wie Palmström fest, daß nicht sein kann was nicht sein darf. Und das führt dann zu den Verhaltensweisen, die ich in meinem Beitrag vom 22.02.2015 „Der listenreiche Odysseus“ zugegeben süffisant beschrieben habe. Davon habe ich allerdings leider nichts zurückzunehmen.

Natürlich weiß man auch, daß jedenfalls eine immer weiter wachsende Zahl von Bürgern dieses Spiel durchschaut. Ob Arbeiterin, Arzthelferin oder Apothekerin, ob Müllmann, Metzgermeister oder Ministerialrat, inzwischen ist der Bildungs- und Wissensstand allgemein so hoch, daß Politiker vor ihren Wählern keinen Wissensvorsprung mehr haben. Daß sie dennoch ganz offen bekennen, die Bürger zu belügen, ist ein weiteres Mirakel unserer Zeit. Wir verdanken ja dem derzeit höchstrangigen Europapolitiker Jean-Claude Juncker die Erkenntnis, daß man in der Europapolitik bisweilen lügen muß und nach der Methode verfährt, erst einmal etwas zu tun, was Europa in die gewünschte Richtung verändert, abzuwarten was geschieht und dann, wenn die Proteste ausbleiben, den nächsten Schritt zu gehen.

Die Frage ist nur noch, wann der Schritt getan wird, der in den Abgrund führt. Die Milliarden, die in dieses Projekt buchstäblich geschaufelt werden, wirken wie der Sprengstoff, mit dem die Bombe angefüllt wird. Je größer die Ladung, so gewaltiger die Explosion.

Bis jetzt können Frau Palmström – pardon, Frau Merkel – und ihre Kollegen sich der mehrheitlichen Zustimmung ihrer Wähler sicher sein. Bertolt Brecht hatte ja recht: nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.

Der 8. Mai 1945 – Die gespaltene Erinnerung

Wer sich zum 8. Mai 1945 äußert, der muß mit unterschiedlichen, teils sehr gegensätzlichen Reaktionen rechnen. Das gilt für jede öffentliche Äußerung zur jüngeren deutschen Geschichte. Soweit sich dies im Rahmen des wissenschaftlichen oder publizistischen Diskurses hält, ist das auch nicht nur normal, sondern zu begrüßen. Die Demokratie lebt davon, daß sachlich diskutiert wird. Indessen fällt es auf, daß die Debatte um historische Tatsachen und noch mehr ihre Bedeutung häufig, leider allzu häufig, nicht sachlich geführt wird. Vielmehr werden Äußerungen, die hinsichtlich der Faktendarstellung oder der Interpretation von Ereignissen nicht dem entsprechen, was man heutzutage den mainstream nennt, in aller Regel nicht sachlich diskutiert, sondern gewissermaßen als Ketzerei gebrandmarkt. Warum das so ist, soll an dieser Stelle nicht vertieft werden. Darüber wird derzeit viel geschrieben.

Es scheint notwendig zu sein, einmal grundsätzlich darzustellen, um was es mir geht. Zunächst einmal ist es völlig klar und muß deswegen nicht stets und ständig erneut dargestellt werden, daß der Nationalsozialismus neben dem Kommunismus eine der übelsten und menschenverachtendsten Ideologien war, die jemals auf dieser Erde vertreten wurden und leider auch für eine Zeit zur Herrschaft gelangt sind. Die monströsen Verbrechen Hitlers und seiner Gefolgsleute stehen wie ein Gebirgsmassiv beherrschend im Hintergrund eines jeden Bildes, das jene Zeit darstellt. Indessen spielen sich vor diesem Hintergrund, um im Bilde zu bleiben, eine Reihe von Dramen ab, die jedes für sich genau betrachtet werden müssen. Daraus erhellt, daß es eben keine Relativierung irgendeines vor dem Betrachter ablaufenden Ereignisses jener Zeit ist, wenn es ebenso wie ein anderes jener Ereignisse geschildert wird. Sie stehen nebeneinander. Mehr nicht.

Genau aus diesem Grunde kann es auch keine Hierarchie der Opfer geben. Das Schicksal des im KZ ermordeten jüdischen Kindes geht mir genauso nahe, wie das Schicksal des Kindes, das im Keller seines Elternhauses durch die Explosion einer amerikanischen Fliegerbombe getötet worden ist. Das Schicksal der italienischen Bäuerin, die als Sühnegeisel erschossen worden ist, geht mir ebenso nahe, wie das Schicksal des jungen deutschen Soldaten, den griechische Partisanen gezwungen haben sich nackt auszuziehen, um ihm dann die Kehle durchzuschneiden. Die Trauer der Eltern des gefallenen deutschen Soldaten ruft ebenso mein Mitgefühl hervor, wie die Trauer der Eltern des gefallenen britischen Soldaten. Das alles halte ich aber für derart selbstverständlich, daß es Im Zusammenhang mit der Schilderung und Bewertung eines historischen Ereignisses nicht eigens erwähnt werden muß. Vielmehr steht das immer im Hintergrund wie das eingangs als Metapher vorgestellte Gebirgsmassiv.

Hinzu kommt, daß jedenfalls in Deutschland im Zusammenhang mit der Schilderung und Bewertung von Ereignissen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges eine schlicht berichtende und nichts verschweigende Darstellung stets als relativierend oder verharmlosend diffamiert wird.

Allerdings halte ich es für notwendig, auch Ereignisse zu schildern, die für gewöhnlich in der Medienlandschaft nicht zu entdecken sind. Auch wenn sicherlich etwa die Zahl der Opfer des Holocaust oder der rassistisch motivierten Liquidierung von Soldaten und Zivilisten in Osteuropa überwiegt, kann eine seriöse Berichterstattung nicht darauf verzichten, auch Kriegsverbrechen der anderen Seite zu beschreiben. Denn die Wahrheit ist unteilbar. Es kann auch nicht darauf verzichtet werden, in jedem Einzelfall die Rechtslage zu untersuchen. Denn das Recht ist ein Wesensmerkmal der Zivilisation. Gerade die Rechtlosigkeit kennzeichnet Regime wie den Nationalsozialismus und den Kommunismus. Die Wirklichkeit kann nicht nur in schwarzer und weißer Farbe gemalt werden, vielmehr überwiegen die Grautöne.

Gerade weil die Verbrechen der Nazis in den gängigen Schilderungen der Zeit des Zweiten Weltkrieges gewissermaßen formatfüllend erscheinen, halte ich es nicht für notwendig, gewissermaßen zum 4322ten mal die gleiche Geschichte zu erzählen. Vielmehr halte ich es für notwendig, auch die weithin nicht bekannten Fakten ebenfalls vorzustellen. Denn wer sich für jene Zeit interessiert, der sollte auch die Chance haben, vollständig informiert zu werden. Nur dann kann er sich auch ein eigenes Bild machen. Nicht umsonst hat diese Internetseite den Untertitel „sapere aude – Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“.

Ebenso wird es als revisionistisch oder gar geschichtsverfälschend angesehen, wenn an der alleinigen Kriegsschuld der Deutschen gezweifelt wird. Schon die Benennung von mitursächlichen Verhaltensweisen der Regierungen anderer Länder wird als unzulässige Verdrehung der Wahrheit angeprangert. Die Diskussion in der Sache wird erst gar nicht zugelassen. Selbst wenn lediglich die wirklich unvertretbare Argumentation zurückgewiesen wird, die Deutschen hätten, weil sie den Zweiten Weltkrieg vom Zaun gebrochen und den Holocaust durchgeführt hätten, in Gestalt der Flächenbombardierungen ihrer Städte und der Vertreibung und Ermordung ihrer Landsleute aus den östlichen Teilen ihres Landes nur die gerechte, zumindest erwartbare Strafe erhalten, wird das als Sünde wider den Anstand gewertet. Hatte denn das erwähnte Kind in der Bombennacht etwas mit Hitler zu tun? Und welche Schuld hatte die zu Tode gequälte und vergewaltigte Frau aus Ostpreußen?

Abgesehen davon, daß dies den betreffenden Autoren gegenüber – von Ausnahmefällen natürlich abgesehen – schlicht unanständig ist, wird damit auch die Chance vertan, sich in der Sache auseinanderzusetzen. Was mich betrifft, so bin ich für jede sachliche Kritik dankbar, weil sie grundsätzlich geeignet ist, mir neue Erkenntnisse zu vermitteln. Denn, wie unser höchstes Gericht einmal formuliert hat, ist es der wissenschaftlichen Arbeit – und dazu gehört die Beschäftigung mit der Geschichte ganz sicher auch – wesenseigen, stets neuen Erkenntnissen offen zu sein. Wissenschaft ist eben niemals etwas abgeschlossenes, sondern eine Sache, die von der Gewinnung neuer Erkenntnisse lebt. Denn sonst hätten wir es mit einem heiligen Buch zu tun und befaßten uns mit Religion. Das alles gilt auch außerhalb der universitären wissenschaftlichen Arbeit im Bereich der Publizistik. Willy Brandt hat das einmal prägnant in die Worte gefaßt: „Die Geschichte kennt kein letztes Wort.“ Bleiben wir also sachlich.

 

 

 

Die sogenannte Kriegsschuld und die Folgen

Es ist wahr, daß Hitler, über dessen politisch hochkriminellen Charakter kein Wort verloren werden muß, die Lawine losgetreten hat. Wahr ist aber auch, daß die Lage bereits sehr labil war. Es hätte auch ein anderer die Lawine lostreten können. Er hätte dann den selben Rechtsbruch begangen wie Hitler. Nur hätte man dann nach dem Krieg nicht so einfach mit dem Finger auf Deutschland zeigen können. So aber hat Hitler denen in die Karten gespielt, die den Krieg genauso wollten wie er. Und weil er ihn nur verlieren konnte, hat er damit bereits den Grundstein für den endgültigen Sieg der Alliierten gelegt: nach dem militärischen Sieg konnte die endgültige politische Unterwerfung der lästigen Großmacht in Europas Mitte vollzogen werden. Die Deutschen konnte man dazu bringen, sich selbst als die mit der Erbsünde behafteten Nachfahren des Tätervolkes zu begreifen. Die Erlösung von diesem Übel konnte nur durch eine Internationalisierung geschehen. Sicherheitspolitisch in einem von den Alliierten dominierten Militärbündnis mit integrierten Kommandobehörden, wirtschaftspolitisch durch eine weitgehende Wirtschafts-und Währungsunion mit supranationalen Strukturen, rechtspolitisch durch die Unterwerfung unter eine europäische Rechtsordnung, und kulturell assimiliert in die globale Gemeinde der Konsumenten von Hollywoodfilmen und Produkten der US-dominierten Unterhaltungsmusikindustrie. So fährt der Bundesrepublikaner fröhlich englisch radebrechend und Coca-Cola trinkend durch die Welt. Und niemand hat Angst vor ihm. Aber jeder kriegt Geld von ihm. Sic transit gloria mundi.

Empörung

Wer sich außerhalb des politisch korrekten Meinungsspektrums bewegt, muß mit heftigen Vorwürfen rechnen. Wenn schon nicht die Nazikeule auf ihn niedersaust, so sieht er sich mindestens dem Vorwurf ausgesetzt, seine Äußerungen über dieses und jenes verletzten die Menschenwürde. Zwei Beispiele aus jüngster Zeit belegen das eindrucksvoll. In Bremen weist eine kleine Partei darauf hin, daß jugendliche Asylbewerber trotz schwerster Straftaten kaum mit Strafverfolgung oder gar Ausweisung zu rechnen haben. Weil dort zur Zeit Wahlkampf ist, liest man auf einem ihrer Plakate vor dem Hintergrund eines als Haftanstalt erkennbaren Gebäudes „Vollzug statt Schöner Wohnen“. Natürlich ist das eine wahlkampftypische griffige Formulierung, trifft aber auch den Kern des Problems, das diese Partei im Wahlkampf aufgreift. Die mediale Empörung ist erwartbar schrill ausgefallen. „Menschenverachtend“ sei das, so tönen Politiker und Journalisten. Ein weiteres Beispiel. Ein Mainzer Dachdecker wirbt für sein Unternehmen mit der grafischen Darstellung eines Schwarzafrikaners, der als solcher mit wulstigen Lippen und großen Ohrringen gezeichnet wird. Dieses Firmenlogo hat vor Jahrzehnten sein Großvater, der legendäre Karnevalist Ernst Neger, gewählt. Daß sein Enkel daran nicht rühren will, ist verständlich. Rassismus sei das, muß er sich anhören, eine Verletzung ihrer Grundrechte konstatieren organisierte Schwarzafrikaner. Die Grafik soll wohl genauso auf dem Altar der political correctness verbrannt werden, wie der Sarotti-Mohr, den bald nur noch die Älteren kennen werden.

Wer noch nicht verbildet ist, reibt sich verwundert die Augen. Warum es menschenverachtend sein soll, für Straftäter Strafvollzug zu fordern, erschließt sich auch bei angestrengtem Nachdenken nicht. Wieso eine Grafik in der Art des Sarotti-Mohrs rassistisch sein und gar die Grundrechte verletzen soll, ebensowenig. Das macht auch nichts, denn dazu erläutern uns die erwähnten organisierten Schwarzafrikaner, das könne natürlich nur verstehen, wer selbst Rassismuserfahrung habe. Aha. Wir brauchen also nicht zu verstehen, warum wir etwas nicht dürfen. Wir müssen nur den Weisungen der Leute folgen, die sich in ihren Grundrechten verletzt fühlen.

Natürlich sind diese Vorwürfe absurd. Sie wären auch der Rede nicht wert, wenn es sich dabei nur um die Hirngespinste von Außenseitern handeln würde. Indessen handelt es sich aber leider um das, was die Juristen die „herrschende Meinung“ nennen. Doch entwertet gerade das Ausmaß der Empörung mit ihrer ebenso penetranten wie permanenten Klage über angeblich verletzte Menschenrechte ihr Anliegen auch da, wo es ausnahmsweise einmal berechtigt ist. Denn in unserer Verfassung steht der Schutz der Menschenwürde aus gutem Grund an prominentester Stelle in ihrem Art. 1 Abs. 1 Satz 1. Sie ist auch durch nichts und niemanden beschränkt und antastbar. Juristen sprechen von der Menschenwürde als absolutem Recht. Aber gerade daraus folgt auch denknotwendig, daß man sie nicht allenthalben als Argument einsetzen kann. Vielmehr verhält es sich mit ihr wie mit einem kostbaren Gefäß, das nur selten aus dem Schrank geholt und für seinen profanen Zweck verwendet wird. Führende Verfassungsjuristen formulieren das zum Beispiel so: „In der besonderen Stellung der Menschenwürde in den Verfassungstexten kommt zugleich zum Ausdruck, daß die Menschenwürde nicht beliebig und inflationär gegen jede denkbare Unannehmlichkeit eingesetzt werden soll.“ (Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte S. 353). Doch daran halten sich offenbar nur die wenigsten. So rügt Eric Hilgendorf, Ordinarius für Strafrecht und Rechtstheorie an der Universität Würzburg, in seinem Aufsatz „Die mißbrauchte Menschenwürde“ aus dem Jahre 1999: „Nicht wenige scheinen die Menschenwürde als Passepartout für sämtliche rechtspolitischen Fragen mit Grundlagenbezug anzusehen…Die Menschenwürde wird zur „kleinen Münze“ herabgestuft, zur Floskel für Sonntagsredner. Schlimmstenfalls könnte die Berufung auf die Menschenwürde in den Geruch der Beliebigkeit und Scharlatanerie geraten:“ Tatsächlich ist hier äußerste Zurückhaltung angebracht. Der große Verfassungsjurist Günter Dürig hat zum richtigen Umgang mit diesem Menschenrecht die sog. Objektformel in die Rechtswissenschaft eingeführt. Danach ist die Menschenwürde getroffen, wenn der konkrete Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewürdigt wird. Ins Positive gewendet geht es doch nur um ganz elementare Dinge wie das Existenzminimum, das Recht auf die eigene Persönlichkeit und den Status als Rechtssubjekt und nicht eines bloßen Objekts. Um die Menschenwürdegarantie nicht auszuweiten und ihr damit die Durchschlagskraft zu nehmen, sollte ein Menschenwürdeverstoß allerdings nur bei gravierenden Verletzungen dieser Schutzgüter angenommen werden, so Hilgendorf in dem erwähnten Aufsatz.

Eine verbale Abrüstung tut not. Überall die Menschenwürde in Gefahr zu sehen, ist kontraproduktiv. Ebenso wie die allzu häufig Fehlalarm gebende Diebstahlsicherung im Auto nicht mehr beachtet wird, kann der allenthalben aus vergleichsweise nichtigem Anlaß erhobenen Vorwurf der Menschenwürdeverletzung noch ernstgenommen werden. Und noch schlimmer ist es, wenn berechtigte oder auch nur tolerierbare Meinungsäußerungen fälschlich mit dem Etikett der Menschenrechtsverletzung versehen werden. Doch Einsicht setzt Verstand voraus. Den sucht man bei politisch korrekten Zeitgenossen meist vergebens.

 

Sprachverwirrung

In Deutschland herrscht eine eigentümliche Scheu vor Begriffen, die klar beschreiben, worum es geht, doch anscheinend politisch vergiftet sind. Dazu gehört neben anderen das Wort Ideologie. Vor allem konservative, aber auch sozialdemokratische Politiker und Journalisten möchten die eigene Position ungern mit diesem Begriff belegt sehen, belegen aber gerne die Position des Gegners mit diesem Begriff. Es lohnt sich daher, sich diesem Begriff mit den Methoden der Semantik zu nähern, die ja dazu dient, den Sinngehalt eines Wortes herauszuarbeiten. Die Vokabel setzt sich aus den Bestandteilen Idee und logos zusammen, also dem Gedanken, der Vorstellung einerseits und dem Wort andererseits. Das Wort benennt die Sache. Eine Ideologie ist demnach der ausgesprochene bzw. niedergeschriebene Gedanke. So ist es ja auch. Eine Ideologie ist nach allgemeinem Verständnis ein Gedankengebäude, eine Theorie. Das ist zunächst einmal eine sachliche Beschreibung und paßt deswegen auch auf jedes theoretische Gedankengebäude. In Verruf geraten ist das Wort offensichtlich dadurch, daß man die jeweils abgelehnte politische Theorie des Anderen damit bezeichnet hat, weswegen im Laufe der Zeit die Vokabel Ideologie negativ konnotiert ist. Wer von Ideologen spricht, meint genau genommen die Anhänger einer Ideologie, die der seinen entgegengesetzt ist. Aus der Sicht des Konservativen ist der Linke ein Ideologe, aus der Sicht des Linken ist der Konservative ein Ideologe. Das gilt natürlich auch für jede andere politische Theorie, denn sie ist die Ausformung einer Idee, mithin eine Ideologie. Warum also wehrt man sich so vehement dagegen, als Anhänger einer Ideologie bezeichnet zu werden? Warum will man partout nicht eine Ideologie verbreiten? Sprachlich zutreffend ist es also, zur Beschreibung politischer Grundsatzpositionen und Theorien stets von einer Ideologie zu sprechen. Die kann richtig oder falsch, hilfreich oder schädlich sein, Ideologie ist sie immer. Man sollte also den Vorwurf, eine „ideologische“ Position zu vertreten, als substanzlos betrachten, wenn man nicht gar seinen Gegenüber mit der Frage bloßstellen will, ob es eine Theorie ohne Idee geben kann.

Merkwürdig ist auch die Scheu konservativer Bürger, Journalisten und Politiker vor der Bezeichnung des eigenen Standpunktes als „rechts“. Linke hingegen, ob sozialdemokratisch oder sozialistisch orientiert, haben mit der Benennung ihres Standpunktes als „links“ offenbar überhaupt kein Problem. Kommunisten und noch weiter links zu verortende Extremisten erst recht nicht. Warum eigentlich werden politische Positionen („Ideologien“!) mit Begriffen benannt, die zunächst einmal von ihrer Wortbedeutung her völlig neutral sind, weil sie lediglich eine topographische Zuordnung bezeichnen? Links und rechts bezeichnen die Lage eines Gegenstandes vom Betrachter aus, sei es die eigene Hand, die eben aus dem Blickwinkel eines jeden Menschen eben die rechte oder linke ist, sei es das Gebäude, das sich aus dem Blickwinkel des Betrachters vor dem Hause rechter Hand, aus dem Betrachter hinter dem Hause aber linker Hand befindet, vorausgesetzt die Standpunkte der beiden Betrachter liegen auf den Schnittpunkten der Linie, welche die Vorder- und Rückseite des Hauses im rechten Winkel schneidet. Inhaltlich sagt die Situierung eines Menschen im Raum zunächst einmal nichts aus. Erstmals politisch wurde die unschuldige Richtungsbezeichnung 1789, als in der französischen Nationalversammlung die Anhänger einer egalitären Umgestaltung des politischen Systems im Sitzungssaal vom Parlamentspräsidenten aus gesehen links Platz nahmen, um möglichst weit von den Vertretern der ersten beiden Stände Adel und Klerus entfernt zu sitzen, die rechts vom Präsidenten die Ehrenplätze einnahmen. Auf der vom Präsidenten aus gesehenen rechten Seite im Saal nahmen denn auch die Monarchisten Platz, denen eben eine konstitutionelle Monarchie als künftige Gesellschaftsordnung vorschwebte. Seither gibt es neben der aussagekräftigen inhaltlichen Beschreibung einer Parlamentsfraktion bzw. der sie tragenden politischen Partei eben auch die von der Saaltopographie abgeleitete Bezeichnung als links, rechts und in neuerer Zeit Mitte. Was also ist an einer Bezeichnung wie „rechts“ so schlimm, außer ihrer Unschärfe, besser gesagt Inhaltslosigkeit?

Schuld daran sind zunächst die politischen Extreme, vor allem aber der Mißbrauch der Sprache durch die Linke, die ja nun einmal die Deutungshoheit über die politischen Begriffe usurpiert hat. Das konnte sie, weil nun einmal Journalisten und Publizisten in ihrer übergroßen Mehrheit im weitesten Sinne „links“ sind, und mit ihren Waffen für die Umgestaltung der Gesellschaft in ihrem Sinne kämpfen. Die Waffe des Intellektuellen ist das Wort. Wie bei den „richtigen“ Waffen gibt es auch hier solche, die man ehrlich nennen kann, weil sie offen getragen und angewandt werden, wie auch solche, die hinterhältig benutzt werden und wie ein schleichendes Gift wirken. Das Sachargument tritt offen auf und will am Gegenargument gemessen werden; es gleicht dem regelgerecht geführten Angriff des Fechters, der mit einer ebenso regelgerechten Abwehr beantwortet werden kann. In beiden Fällen obsiegt, wer das überzeugendste Argument bzw. die durchschlagendste Aktion in die Auseinandersetzung einführt. Die Manipulation der Sprache indessen setzt anders an. Sie will den redlichen Teilnehmer am Diskurs hintergehen, indem sie die Regeln ändert, ohne daß er es bemerkt. Wie der Fechter, dessen Florett kürzer ist, als das seines Gegners, ohne daß er davon weiß, kämpft er auf verlorenem Posten. Im Falle der politischen Topographie ist es nun so, daß den bloß die Sitzordnung im Parlament beschreibenden Begriffen eine moralische Wertung injiziert worden ist. Links ist demnach mit Begriffen wie sozial, gerecht, mitfühlend, demokratisch, international konnotiert, rechts hingegen mit national(istisch), kapitalistisch, privilegiert, kaltherzig, autoritär. Vor allem aber wird „rechts“ konsequent auch gleichbedeutend mit „rechtsradikal“ bzw. sogar „rechtsextrem“ gebraucht, was den Begriff vergiftet. Deutlich wird das in Deutschland am sogenannten „Kampf gegen rechts“. Es heißt eben nicht gegen Rechtsextremismus, nein es heißt gegen „rechts“. Das geschieht natürlich mit der Absicht, auch die politischen Positionen zu diffamieren, deren Vertreter in der klassischen Sitzordnung der Parlamente die vom Präsidium aus gesehen rechten Sitze einnehmen, und an deren demokratischer Überzeugung nicht der leiseste Zweifel bestehen kann. Denn das ist wirkungsvoller, als die mühselige Argumentation mit Fakten. Ich sage Absicht, weil den Virtuosen des Sprachgebrauchs, die Intellektuelle nun einmal sind, dergleichen nicht einfach unterläuft. Wer sich beruflich mit Sprache befaßt, wer darauf angewiesen ist, daß seine Gedanken verstanden und übernommen werden, der verschreibt sich nicht, der manipuliert, wenn er Begriffen Bedeutungen gibt, die sie ursprünglich nicht hatten.

Diese Entwicklung hat dazu geführt, daß Intellektuelle und Politiker des klassischen rechten Spektrums, zu dem in Deutschland vor vielen Jahren auch einmal die Unionsparteien gehört haben, diese Zuordnung meiden wie der Teufel das Weihwasser. Statt dessen verortet man sich in der Mitte. Die hat es ursprünglich nicht gegeben. Sie hat erst mit der zunehmenden Differenzierung innerhalb der klassischen Rechten und Linken Eingang in den Sprachgebrauch gefunden. In den meisten europäischen Ländern führt das seit langer Zeit auch zu Mitte-Bindestrich Koalitionen wie Mitte-Rechts-Regierung oder Mitte-Links-Opposition. In Deutschland indessen würden sich die ehemals „rechten“ Unionsparteien pikiert dagegen verwahren, wenn man sie so bezeichnen und etwa eine CDU-CSU/FDP Koalition als „Mitte-Rechts-Koalition“ bezeichnen würde. Das führt zu dem absurden Ergebnis, daß wir in unseren deutschen Parlamenten linke Parteien (Die Linke, Bündnis 90 – Die Grünen, SPD) und Parteien „der Mitte“ (CDU, CSU, FDP, Freie Wähler, AfD) haben, wobei letztere übrigens aus dem linken Spektrum heraus gerne als rechte, schlimmer noch „rechtspopulistische“ Partei bezeichnet wird. Dabei hilft es auch nicht, daß der Vorsitzende der SPD mit Blick auf die Pegida-Bewegung geäußert hat, es habe doch jeder das gute Recht, nationalkonservativ zu sein. Denn das Recht zu haben, eine bestimmte politische Meinung zu haben, heißt noch lange nicht, daß diese als gleichwertig neben anderen anerkannt wird. Etwas pointierter gesagt, man kommt nicht ins Gefängnis, wenn man zum Beispiel nationalkonservativ ist, man wird aber auch nicht akzeptiert.

Es ist an der Zeit, den politischen Sprachgebrauch zu entgiften. Der erste Schritt muß sein, sich als Konservativer und/oder Wirtschaftsliberaler nicht mehr ängstlich dem Sprachgebrauch des politischen Gegners anzupassen, besser, zu unterwerfen, sondern selbstbewußt zu sagen: Ich bin rechts, wenn es um die politische Gesäßtopographie geht. Im zweiten Satz folgt dann die Forderung, doch bitte inhaltlich zu diskutieren, statt bei der Sitzordnung stehen zu bleiben. Denn da kann man vielleicht nette Wortspielchen veranstalten wie „right is right and left is wrong“ (der Wortwitz geht im Deutschen verloren). In der Sachdiskussion hingegen kann man mit den besseren Argumenten aufwarten und obsiegen. Wer wagt, der winnt, sagt ein altes Sprichwort. Feigheit indessen hat noch nie zum Sieg geführt.

Henker und Mörder

Die Berichterstattung über die Untaten der islamistischen Terroristen, vor allem über ihre grauenhaften Mordtaten, ist natürlich traurige Chronistenpflicht. Was mich daran stört, nein, empört, ist die durchgängige Verwendung des Begriffs „Hinrichtung“ für diese Morde. Diese Vokabel wird seit Menschengedenken für die von Staats wegen erfolgte Tötung eines Menschen auf Grund Gerichtsurteils oder sonstiger staatlicher Machtausübung verwandt. Sie impliziert daher mindestens die Legalität, mindestens jedoch die beanspruchte Legalität, eines solchen Tötungsakts. Auch wenn man wie ich die Todesstrafe aus gutem Grund ablehnt (auch wenn es manchmal schwerfällt), so ist es doch völlig klar, daß nur ihr Vollzug juristisch und sprachlich zutreffend mit dem Begriff der Hinrichtung belegt werden kann. Das ist auch diesem islamistischen Terroristengeschmeiß bewußt, das seine Mordtaten in der äußeren Form einer Hinrichtung inszeniert und in seinen Verlautbarungen diesen Begriff für sich usurpiert. Denn dies ist Teil seiner irrsinnigen Strategie, die darauf hinausläuft, sich als legitime, wenn nicht sogar legale Institution darzustellen, die sich dazu noch, und das ist der Gipfel der Blasphemie, als gottgesetzte Ordnung aufspielt.

Es ist mehr als erstaunlich, eigentlich unbegreiflich, daß unsere Medien seit Jahren diese Sprachregelung der Terroristen übernehmen, besser gesagt, nachplappern. Denkvorgänge können dem nicht zugrunde liegen. Die Anforderungen an Bildung und Intelligenz der Bewerber für den Beruf des Journalisten müssen wohl in den letzten Jahrzehnten ständig gesunken sein. Es wird jedenfalls Zeit, daß wenigstens zu diesem Thema eine Sprachregelung Platz greift, die den Sachverhalt beschreibt, statt ihn zu verbrämen: Mord bleibt Mord.

Die deutsche Krankheit

In seiner Rede zum 70ten Jahrestag der Zerstörung der Innenstadt von Dresden durch Bomberflotten der Briten und Amerikaner am 13.Februar 1945 erklärte Bundespräsident Joachim Gauck diese apokalyptische Schreckensnacht zur gerechten Strafe für das deutsche Volk, denn ein Land, das für eine Ungeheuerlichkeit wie den Völkermord gestanden habe, habe nicht damit rechnen können, ungestraft und unbeschädigt aus einem Krieg hervorzugehen, den es selbst vom Zaun gebrochen habe. Damit hat Gauck mit dem für ihn typischen pastoralen Ton der Grundbefindlichkeit der deutschen Intellektuellen seit den 60er Jahren Ausdruck verliehen, was ihr Selbstverständnis als Deutsche betrifft. Daß ein in der DDR sozialisierter und damit doch von der westdeutschen akademischen Welt und dem philosophisch-politischen Diskurs abgekoppelter Pfarrer aus Rostock sich 25 Jahre nach der Wiedervereinigung so perfekt in den intellektuellen Mainstream unseres Landes einreihen konnte, kann nur diejenigen überraschen, die die Wirkmächtigkeit akademischer Vordenker unterschätzen. Dies betrifft vor allem die Deutung der Geschichte, die man inhaltlich an der Behauptung eines deutschen „Sonderweges“ abweichend von der geistesgeschichtlichen Entwicklung Europas im übrigen, aber auch der USA, und personell, stellvertretend für die große Mehrheit der maßgeblichen Denker in Deutschland seit 1968, an Jürgen Habermas darstellen kann. Seine Schriften zum Geschichtsverständnis haben großen Widerhall gefunden und das Denken von Generationen deutscher Intellektueller geprägt.

Was also ist der Kern bundesdeutscher Geschichtsdeutung? Habermas knüpft zunächst an die Überlegungen von Karl Jaspers über die Schuld und Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus aus dem Jahre 1946 an. Darin hat sich der Philosoph sehr differenziert zu diesen Fragen geäußert und dabei insbesondere erklärt, ein Volk könne nie als ganzes moralische Schuld tragen, weil es keine allgemein verbindende Moral oder Unmoral eines ganzen Volkes gebe. Das reicht Habermas nicht aus. Er sucht eine Erklärung dafür, daß so Ungeheuerliches geschehen konnte und findet sie darin, daß die Deutschen eine Art Erbsünde in sich tragen, die so etwas wie einen Völkermord möglich gemacht hat. Der habe am Ende eines Sonderweges gestanden, den dieses Volk in der Mitte Europas gegangen sei. Es habe einen Traum von einer Hegemonie der Mittelmächte geträumt und sei einer Ideologie der Mitte gefolgt, die von der Romantik bis zu Heidegger im „antizivilisatorischen, antiwestlichen Unterstrom der deutschen Überlieferung“ (Theodor W. Adorno) tief verwurzelt gewesen sei. Das an die geographische Mittellage fixierte Selbstbewußtsein sei während der Nazi-Zeit noch einmal sozialdarwinistisch zugespitzt worden. Und diese Mentalität gehöre zu den Faktoren, die erklärten, wie es dazu kommen konnte, daß eine ganze zivilisierte Bevölkerung vor Massenverbrechen die Augen verschlossen habe. Wir Deutschen hätten uns damals von der westlichen, ja von jeder Zivilisation losgesagt. Dafür, und deswegen nenne ich das die Zuschreibung einer Erbsünde, müsse das „Unterlassungshandeln“ (sic!) der Eltern und Großeltern den Nachgeborenen zur Last gelegt werden. Denn, so wörtlich: „Nach wie vor gibt es die einfache Tatsache, daß auch die Nachgeborenen in einer Lebensform aufgewachsen sind, in der das möglich war. Mit jenem Lebenszusammenhang, in dem Auschwitz möglich war, ist unser eigenes Leben nicht durch kontingente (zufällige, der Verf.) Umstände, sondern innerlich verknüpft. Unsere Lebensform ist mit der Lebensform unserer Eltern und Großeltern verbunden durch ein schwer entwirrbares Geflecht von familialen, örtlichen, politischen, auch intellektuellen Überlieferungen – durch ein geschichtliches Milieu also, das uns erst zu dem gemacht hat, was und wer wir heute sind. Niemand von uns kann sich aus diesem Milieu herausstehlen, weil mit ihm unsere Identität, sowohl als Individuen wie als Deutsche, unauflöslich verwoben ist.“ Was uns allein von dieser Erbsünde zu erlösen vermag, ist die Einnahme einer geschichtlichen Distanz und Gewinnung eines reflexiv gebrochenen Verhältnisses zu den identitätsbildenden Überlieferungen und geistigen Formationen. Dieser Prozeß hat seines Erachtens nach 1945 eingesetzt. Das soll seiner Zielsetzung nach zu einer vollständigen geistigen Abkoppelung von unserer Geschichte führen, wörtlich: „Wenn unter den Jüngeren die nationalen Symbole ihre Prägkraft verloren haben, wenn die naiven Identifikationen mit der eigenen Herkunft einem eher tentativen ( tastenden, versuchenden, der Verf.) Umgang mit der Geschichte gewichen sind, wenn Diskontinuitäten stärker empfunden, Kontinuitäten nicht um jeden Preis gefeiert werden, wenn nationaler Stolz und kollektives Selbstwertgefühl durch den Filter universalistischer Wertorientierungen hindurchgetrieben werden – in dem Maße, wie das wirklich zutrifft, mehren sich die Anzeichen für die Ausbildung einer postkonventionellen Identität.“

Die Unterstellung eines mentalitätsbedingten Sonderweges der Deutschen durch die Geschichte setzt allerdings voraus, daß all die negativen Eigenschaften und Entwicklungen, die diesen Sonderweg kennzeichnen, tatsächlich einzigartig sind und nur bei uns Deutschen gefunden werden können. Ein Blick in die Vergangenheit lehrt uns jedoch, daß davon keine Rede sein kann. Demokratiefeindliche Episoden kennt die Geschichte der meisten europäischen Länder, auch der westeuropäischen. So finden wir in England die diktatorische Herrschaft Oliver Cromwells im 17. Jahrhundert, in Spanien und Portugal die diktatorischen Regime von Franco und Salazar, denen jeweils eine beträchtliche Dauer beschieden war, in Italien den Faschismus Mussolinis, und auch die als Geburt der modernen Demokratie betrachtete französische Revolution mündete zunächst in die despotische Herrschaft der Jakobiner und dann in die zeitgemäß in eine monarchische Form überführte Alleinherrschaft Napoleons. Die vorherrschende Regierungsform der osteuropäischen Staaten im 19. und 20. Jahrhundert auch vor der alles erstickenden Gewaltherrschaft Lenins und seiner Nachfolger war ebenfalls die Alleinherrschaft, mal in monarchischer, mal in autokratisch bis diktatorischer Form. Wenn Habermas den Deutschen einen antizivilisatorischen, antiwestlichen Charakterzug zuschreibt, der sich in der deutschen Romantik wie auch der Philosophie Heideggers exemplarisch zeige, dann muß darauf hingewiesen werden, daß selbstverständlich auch anderswo der besondere Rang der eigenen Nation und die Kraft ihrer Überlieferung sinnstiftend herausgestrichen wurden. Die Bestrebungen der Deutschen, sich nach Jahrhunderten der Zersplitterung in verschiedene Staaten, teilweise auch als nationale Minderheiten in anderen Staaten, endlich in einem Nationalstaat wiederzufinden, liefen parallel mit den gleichartigen Bewegungen in Italien, Polen und anderen Regionen. Allerdings waren Großmachtphantasien wie etwa im Falle Polens, dessen Ultranationalisten von einem Reich zwischen dem Schwarzen Meer und Berlin träumten, oder im Falle Italiens, dessen Faschisten mit breiter Unterstützung die Wiederherstellung des Römischen Imperiums auf ihre Fahnen geschrieben hatten, in Deutschland nicht festzustellen.

Weil Auschwitz gewissermaßen der Fixpunkt der Theorien Habermas‘ und seiner Adepten ist, soll auf den sozialdarwinistischen Antisemitismus der Polen im 19. und 20. Jahrhundert hingewiesen werden, der noch in der 30er Jahren die Juden in Scharen zur Flucht aus Polen nach Deutschland veranlaßt hatte, wie überhaupt der Rassismus gerade keine deutsche Erfindung war, sondern sich beispielhaft im Umgang der Briten, aber auch der Belgier und Niederländer mit den Völkern in ihren Kolonien gezeigt hat. Über den Rassismus der Amerikaner muß nicht eigens gesprochen werden, seine Virulenz bis zum heutigen Tage ist offenkundig.

Von einem deutschen „Sonderweg“ durch die Geschichte kann keine Rede sein. Somit sind auch alle Überlegungen hinfällig, die nach der Ursache dafür in der Mentalität der Deutschen suchen. Es muß deswegen auch keine Erbsünde getilgt werden, vor allem nicht dadurch, daß die Nachfahren jener angeblich so furchtbaren Deutschen der Zeit zwischen 1815 und 1945 „nationalen Stolz und kollektives Selbstwertgefühl durch den Filter universalistischer Wertorientierungen hindurchtreiben“, wie Habermas das von ihnen fordert.

Man sollte angesichts der offensichtlichen Unhaltbarkeit der Geschichtsrezeption, wie sie Habermas und sein Umfeld propagieren annehmen, daß diesen Theorien kein langes Leben beschieden gewesen sei und wir es hier nur noch mit einem Kapitel der deutschen Geistesgeschichte zu tun haben. Bekanntlich ist dem nicht so. Der Erfolg dieser Denkschule zeigte sich erstmals in der 68er Bewegung augenfällig. Die Theorien von Theodor W. Adorno, Jürgen Habermas, Herbert Marcuse, aber auch Historikern wie Fritz Fischer und Hans-Ulrich Wehler wurden von großen Teilen der Studenten jener Jahre begeistert aufgenommen und lieferten die Grundlagen der sogenannten Studentenbewegung, die sich zunächst im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und dann in seinen diversen Abspaltungen durchweg linksradikaler Natur bis hin zu den heute aus der politischen Landschaft der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr hinwegzudenkenden GRÜNEN zeigte. Welch abstruse Gedanken dort populär wurden, zeigt beispielhaft der Ausspruch des SDS-Funktionärs Frank Wolff, der die Aufgabe seines Musikstudiums damit begründete, nach Auschwitz könne man eigentlich nicht mehr Cello spielen. Den entscheidenden Sieg, jedenfalls für die nächsten Jahrzehnte, erfochten Habermas und seine publizistischen Unterstützer im sogenannten Historikerstreit 1986. Ausgangspunkt war die Veröffentlichung des Manuskripts einer Rede, die der Historiker Ernst Nolte eigentlich während einer Veranstaltung in Frankfurt hätte halten sollen, in der FAZ vom 06.06.1986 unter der Überschrift „Vergangenheit, die nicht vergehen will“ . Darin stellte er eine Verbindung zwischen dem als „Archipel GULag“ bekannt gewordenen sowjetischen Lagersystem zur Disziplinierung oder Vernichtung politischer Gegner und dem Nationalsozialismus her, wobei er aus der zeitlichen Priorität des ersteren eine Kausalität für letzteren folgerte. Schärfer konnte der Widerspruch zur Habermas’schen Erbsündentheorie wohl kaum ausfallen, weswegen es zu heftigen Kontroversen zwischen den Vertretern einer an der sogenannten kritischen Theorie ausgerichteten Geschichtsdeutung, allen voran Habermas selbst auf der einen Seite, und den eher konservativen Historikern wie Stürmer, Hillgruber, Nolte und anderen kam. Bemerkenswert daran ist, daß damals noch die konservativen Historiker, die sich um eine Interpretation der deutschen Geschichte im Sinne einer respektablen Entwicklung, die eben lediglich in den Verbrechen der Nazis eine Unterbrechung ins Negative gefunden habe, in den renommierten Zeitungen wie FAZ und ZEIT publizieren konnten. Am Ende behielten Habermas und seine Mannen bekanntlich die Oberhand, seine Kontrahenten verloren deutlich an Einfluß auf die öffentliche Debatte, Nolte wurde gar zur Unperson.

Die Entwicklung nahm nun den Verlauf, den sie unter den Gesetzmäßigkeiten des akademischen und journalistischen Betriebes einfach nehmen mußte. In den Studiengängen Politologie, Soziologie, Philosophie und Geschichte dominierten seit der Studentenrevolte von 1968 die Linken vor allem zahlenmäßig. Der wissenschaftliche Nachwuchs übernimmt regelmäßig die Lehren seiner Professoren. Etwa 20 Jahre nach dem Abschluß des Studiums hat man entweder selbst einen Lehrstuhl erklommen, oder man ist Redakteur, Oberstudienrat, Verlagslektor, vielleicht auch Berufspolitiker auf der Ebene Abgeordneter, Staatssekretär, Minister gar. Der „Marsch durch die Institutionen“ ist erfolgreich absolviert. Habermas und seine Kampfgefährten konnten mit Wohlgefallen auf die erfolgreiche Durchdringung des deutschen Geisteslebens durch ihre Jünger blicken. Die Probe aufs Exempel konnte man dann bei der nächsten öffentlich ausgetragenen Kontroverse um die Deutung der deutschen Geschichte machen. Martin Walser hielt anläßlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an ihn am 11.Oktober 1998 in der Frankfurter Paulskirche eine Rede, in der er die Überfrachtung der Rezeption unserer Geschichte mit dem Holocaust ansprach. Das war natürlich eine Todsünde wider den bundesrepublikanischen Tugendkatalog, dessen Bedeutung für uns noch vor dem Dekalog zu liegen hat. Die daraufhin entbrannte moralisch aufgeladene öffentliche Diskussion ist als Walser-Bubis-Debatte in die Geistesgeschichte der Bundesrepublik Deutschland eingegangen und dürfte den Dichter Walser auch vor weiteren höheren Ehrungen bewahrt haben. Die Editorials und Feuilletons prangerten erwartungsgemäß nahezu einhellig den Walser’schen Mißgriff an, wobei natürlich ein wenig brauner Schmutz am weißen Hemd des Gescholtenen gesehen wurde. Wer damit noch nicht genügend gewarnt war, der konnte wenige Jahre später nicht mehr im Zweifel darüber sein, daß jede auch nur behauptete Abweichung vom Pfade der geschichtspolitischen Tugend zum bürgerlichen Tod führen mußte. Der Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann (CDU) hielt am 03.Oktober2003 zum Tag der deutschen Einheit in der hessischen Provinz eine Rede, in der er neben anderen Mißständen auch die seines Erachtens bestehende Schieflage bei der Wahrnehmung der deutschen Geschichte in den Medien beklagte, was das Verhältnis der 12 Jahre Nationalsozialismus zur übrigen deutschen Geschichte angehe. Aus heutiger Sicht mutet es dabei als Treppenwitz der Geschichte an, daß Hohmann Joachim Gauck mit der Aussage zwei Tage zuvor zum gleichen Thema zitieren konnte, daß die in Deutschland dominierende politische Klasse und Wissenschaft „fast neurotisch auf der deutschen Schuld beharre“. Diese politische Klasse konnte soviel eigenständiges Denken nicht vertragen und belegte Hohmann deswegen mit der Höchststrafe. Er habe eine antisemitische Rede gehalten. Das geht in Deutschland absolut nicht. Antisemitische Passagen sucht man in dieser Rede vergebens, dennoch wurde Hohmann auf Geheiß seiner Parteivorsitzenden aus der CDU ausgeschlossen und vom Scherbengericht der politisch korrekt denkenden Medienfürsten, Lehrstuhlbesitzer und politischen Lehensmänner (und -frauen selbstverständlich) zum Paria erklärt. Wer noch Charakter hatte und ihm deswegen Mut machte, erlitt das gleiche Schicksal. Durch einen krassen Verstoß eines dieser medialen Sprechautomaten gegen die Regeln des journalistischen Anstandes wurde bekannt, daß der damalige Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr Martin Hohmann brieflich zu seiner Rede beglückwünscht hatte. Das führte dazu, daß ihn der Verteidigungsminister cum infamia schasste, und zwar subito. Auch wenn man über Verstorbene nichts böses sagen soll, so kann ich nicht umhin, in diesem Falle dem damaligen Minister Struck zu attestieren, daß er mit Begründung und Durchführung dieser Generalsentlassung mit Schimpf und Schande den bisherigen Tiefpunkt des Wirkens eines Oberbefehlshabers unserer Bundeswehr markiert hat.

Seine Bewunderer nennen Habermas gerne den „praeceptor germaniae“ (Lehrer Deutschlands). Er selbst sieht sich offenbar als eine Art Hoher Priester des „herrschaftsfreien Diskurses“. Tatsächlich ist der Diskurs in Deutschland alles andere als herrschaftsfrei, jedenfalls was die sogenannte Geschichtspolitik angeht, und hier insbesondere die Rezeption und Deutung der deutschen Geschichte seit den Befreiungskriegen, insbesondere der Geschichte des Nationalsozialismus. Hier herrscht eine erzwungene Gleichförmigkeit, die vor allem damit durchgesetzt wird, daß jede noch so geringfügige Abweichung von der herrschenden Meinung nicht nur als falsch, eventuell auch als wissenschaftlich nicht haltbar, sondern als moralische Verfehlung der schlimmsten Sorte gebrandmarkt wird und der Betreffende als Wiedergänger des Nationalsozialismus auf dem medialen Scheiterhaufen verbrannt wird. Das erklärt natürlich auch, warum die Medien so einseitig sind und läßt sogar ein gewisses menschliches Verständnis dafür entstehen, daß Journalisten, Nachwuchspolitiker und junge Geisteswissenschaftler selbst dann, wenn sie es besser wissen, ihre Meinung mit der „Schere im Kopf“ karriereverträglich zurechtschneiden. Man hat ja schließlich Kinder zu ernähren und muß die Raten für sein Haus abbezahlen.

Kann sich etwas ändern? Es kann und wird sich etwas ändern, nicht nur weil es sich ändern muß. Zum einen sei an die Erkenntnis Schopenhauers erinnert, daß die Wahrheit warten kann, weil sie ein langes Leben hat. Zum anderen kann man auf den natürlichen Oppositionsgeist der Jugend setzen. Irgendwann empfindet eine Generation die Lehren ihrer Väter als Unfug. Sie weiß es eben besser. Und weil auch im Bereich der Geschichte eine Dichotomie von Lüge und Wahrheit vorzufinden ist, und es ein Drittes nicht gibt, wird die Lüge dann durch die Wahrheit ersetzt. Die ist dann neu und generiert für Generationen Auskommen und Lehrstühle. Die Zeit dafür ist reif, woran das Internet mit seinen unbegrenzten Möglichkeiten der freien Meinungsäußerung einen nicht unerheblichen Anteil hat. Das Monopol der Medien ist gebrochen. Wir sind nicht mehr zum Schweigen verdammt.